Westliche Meinungsfreiheit..

Mit der Meinungsfreiheit steht es auch im Westen nicht zum Besten. Inhaltlicher Mainstream in vielen Politikfeldern dominiert.

Wolfgang Koppler *

Jüngst in der ZiB 2 ist über die Verurteilung von Hongkonger Regimekritikern zu langen Haftstrafen berichtet worden, zudem über schwindende Meinungsfreiheit dort. Auch die chinesische Wirtschaftskrise würde die einst so florierende Stadt zunehmend erfassen.

Die Wirtschaftskrise erfasst wohl auch uns. Nur was die Meinungsfreiheit betrifft, macht es der Westen geschickter. Offiziell kann man zwar vieles sagen und schreiben, aber nicht in den wirklich relevanten Medien. Man darf sich dafür in irgendwelchen Blogs und in den sozialen Medien austoben oder am Stammtisch. Die wirklich maßgebenden Kreise können dann den so genannten Pöbel umso mehr tabuisieren. Notfalls fangen Protestparteien den Unmut auf, die – wenn sie einmal an der Macht sind, natürlich auch nichts ändern. Vor allem nichts am Neoliberalismus und in jenen Bereichen, die den Eliten wirklich am Herzen liegen: Wirtschafts- und Steuerpolitik. Damit sie weiterhin möglichst ungeniert ihren Wohlstand mehren können, auf Kosten von Mensch und Umwelt. Feindbilder kann man austauschen. Ob man sich an Putin oder an den Islamisten abarbeiten darf, ist nicht so wichtig, solange die unteren Schichten sich ablenken lassen. Von Korruption und unendlichem Gewinnstreben.

Meinungsmanipulation in den Medien und gesellschaftliche Ächtung sind weitaus wirksamer als Haftstrafen. Und Leser sind ja sowieso nur Vollidioten, wie der Herausgeber eines Qualitätsblattes vor längerer Zeit völlig ungeniert durchblicken ließ. Aber die Narzissten an der Macht sind weitaus gefährlicher als die Ohnmächtigen. Und letztere sind wenigstens gezwungen, sich von Zeit mit sich auseinander zusetzen, wenn sie von der Realität gebeutelt werden. Die Mächtigen nicht einmal dann, wenn sie pleite geben. Die gehen nach wie vor auf Kosten irgendwelcher Stiftungen auf die Jagd. In ihrem Anhang Politiker, die auch gerne so reich wären. Was für eine Gesellschaft.

* Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Medien- und Politikanalyst und lebt in Wien

Das Gezerre um die Steuern

„Dreiklang der Macht – Neustart oder Notlösung“ lautete der Titel der jüngsten ORF-Diskussionssendung „Im Zentrum“ im Vorfeld der Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos. Einig war man sich schon zu Beginn zumindest darin, dass es sich angesichts der mehr als angespannten Budgetsituation und der keineswegs rosigen Wirtschaftslage mehr um eine Sanierungs- als eine Reformkoalition handeln dürfte.

Wolfgang Koppler *

Besonders beim Thema Steuern zeigte sich wieder einmal ein Ungleichgewicht unter den Diskussionsteilnehmern. Einzig Karl Schlögl (früherer SPÖ-Spitzenpolitiker) setzte sich auch für Sanierungsschritte von der Einnahmenseite her ein. Während Karl Ochsner von der Industriellenvereinigung und Jan Kluge von der neoliberalen Agenda Austria und – mit Ausnahme einer Erhöhung der Mineralölsteuer – auch die ehemalige Neos-Abgeordnete Irmgard Griss erwartbar dagegen plädierten. Dies, obwohl das gegenwärtige Budgetloch wohl kaum nur über Ausgabenkürzungen zu stopfen sein wird, was auch Christoph Badelt vom Fiskalrat schon vor längerer Zeit zugestanden hat. Wohl auch deswegen vermied man es in der Diskussion weitgehend, konkrete Zahlen zu nennen.

Dabei hat allein die von den Medien bejubelte – und vom keineswegs „linken“ Christoph Badelt ursprünglich kritisierte- Abschaffung der kalten Progression allein im Jahr 2924 3,65 Milliarden Euro gekostet. Entnehmen kann man dies sogar der Website des Finanzministeriums, das eine diesbezügliche „Ersparnis“ der Steuerzahler bejubelt. Dass diese „Ersparnis“ an Steuern natürlich eine Einnahmenkürzung darstellt, die man jetzt anderswo wieder herein bekommen muss, sagen uns Finanzministerium und Medien natürlich nicht. Ebenso wird verschwiegen, dass eine vernünftige Vermögensbesteuerung auch den Faktor Arbeit entlasten könnte.

Aber genauso wie beim Ukrainekrieg kann man zu diesem Thema überall dasselbe nachlesen: Steuern senken und Ausgaben kürzen. Keine neuen Steuern und wenn noch so viel Geld fehlt. Ohne darüber nachzudenken, wie das in der Praxis funktionieren soll. Als Beispiel möge der nachstehende Standardartikel** zur Abschaffung der Kalten Progression dienen. Es finden sich dort interessanterweise keinerlei Ausführungen zu den Kosten. Und dafür jede Menge Jubel. Der ist uns jetzt hoffentlich vergangen.

Um mich nicht falsch zu verstehen: Selbstverständlich muss ausgabenseitig etwas geschehen. Und selbstverständlich müssen Steuergelder effizienter eingesetzt werden. Dass man auch mit einer Abgabenquote effizient wirtschaften kann, zeigt etwa das sogar von Jan Kluge von Agenda Austria zitierte Beispiel Dänemark. Aber ein derartiges Budgetloch nur ausgabenseitig schließen zu wollen, ohne mehr Schaden als Nutzen zu stiften, scheint mir Schimäre.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

** https://www.derstandard.at/story/3000000236280/kalte-progression-naechste-entlastung-vor-beschluss

Wie Misstrauen begegnen

Empfehlung unseres Autors für Sascha Lobos Buch über die wachsende Vertrauenskrise und deren Bewältigung.

Hans Högl

Manche Infos gehen einem nicht aus dem Kopf; So ergeht es mir mit dem Buch von Sascha Lobo: „Die große Vertrauenskrise. Ein Bewältigungskompass“, Köln 2023. Umfang: 329 Seiten!

Walter Hämmerle, früher Chefr. der „Wiener Zeitung“, nun in der „Kleinen Zeitung“ tätig, fragte sich kürzlich irritiert bei einem Vortrag in Wien über das weithin verbreitete öffentliche Misstrauen. Das Buch von Sascha Lobo Sascha ist eine (deutsche) Antwort darauf. Sie gilt wohl im Kern auch für Österreich.

Lobo konstatiert: Das Zukunftsvertrauen der Deutschen ist kollabiert. Zur Wende waren 68 % hoffnungsfroh, vor der Pandemie waren es 54 %. Kern der Vertrauenskrise ist der tiefe Zweifel am Funktionieren der Demokratie (S. 12). Doch ein basales Vertrauen in Medien ist für einen Grundkonsens erforderlich. Doch nur 50 % trauen seit Jahren den Inhalten der Leitmedien (so das Leibniz-Insititut). (S. 91). Wie ist der Vertrauenskrise zu begegnen? Behörden sollen früh ihre Rohdaten strukturiert bekannt machen. Mit Transparenz schützt man sich. Die Öffentlichkeit brauche Anwälte, Ombudspersonen.

Es gibt den Vertrag. dass jüngere Berufstätige die Pensionen der Älteren tragen. Bei der Klimakrise sollte es einen Generationenvertrag für die Jüngeren geben.

Wir sollten wissen, wie Wissen entsteht. Wo ist Vertrauen angebracht, wo nicht? Es gilt, Aussagen kritisch zu betrachten, wir brauchen Quellenstudium, Vertrauensheuristik, Ambiguitätstoleranz.

Lobo nennt Wikipedia, die Online-Enzyklopädie, ein „digitales Weltwunder“. Auch Wissenschaft ist gefordert. Es irritiert, dass die Öl- und Gasindustrie lange falsche Daten lieferte. Zu Prognosen: Der Weltklimarat IPCC meinte 2007, dass 2035 Himalayas Gletscher geschmolzen seien; doch 2010 stellte das IPCC fest, dies wäre erst im Jahr 2350 der Fall. 2007 war die Prognose: Das Eis in der Arktis sei bis 2013 verschwunden. Auch das wurde korrigiert.

1979 beauftragte Jimmy Carter den „Club of Rome“ mit einer Studie über die Ressourcen der Erde. Die Umfrage hatte 1.500 Seiten. In Deutschland wurde die Studie mit dem Namen „Global 2000“ 500.000 mal verkauft. Der Spiegel: Die apokalyptischen Aussagen trafen nicht ein. So entstehen Zweifel bzgl. medialer Sensationsmache. Und Wissenschafter spitzen ihre Ergebnisse mit Blick auf die Medien zu.

Trump aus Sicht C. Clarks

Der Historiker Clark wagt einen Vergleich von Wilhelm II. und Donald Trump.

Hans Högl

Unter dem Eindruck der Europa-Saga (3-sat) suchte ich Näheres über den Historiker Christopher Clark zu erfahren. Da fand ich in Wikipedia dessen überraschenden Vergleich von Kaiser Wilhelm Ii. und Donald Trump.

2013 erschien Clarks Buch „Die Schlafwandler, worin Christopher Clark die These von der alleinigen Schuld Deutschlands am Ausbruch des Ersten Weltkrieges abschwächt. Er wollte damit Deutschland nicht „weißwaschen“, sondern den Kriegsausbruch „europäisieren“. IN Clarks neuem Buch „Gefangene der Zeit. Geschichte und Zeitlichkeit von Nebukadnezar bis Donald Trump“ fragt er, ob der letzte deutsche Kaiser, Wilhelm II. mit dem US-Präsidenten Donald Trump Gemeinsames habe.

Clark sieht Parallelen: Man hat von dem Kaiser (Wilhelm II.) immer wieder behauptet, es würde ihm an Empathie mangeln. Er war indiskret und berührte pausenlos diverse Themen. „Er benahm sich völlig unpassend in der Gegenwart von ausländischen Staatsoberhäuptern. Genau das alles könnte man von Trump sagen. Also dieser Mangel an Selbstbeherrschung, die Aggressivität, die Furcht vor der Demütigung, der Geltungsdrang.“

Europa im Blick von Christopher Clark

Der Qualitätssender 3sat (ARD, ORF, SRG) darf nicht geopfert werden! Entsprechende Pläne, ihn aufzulösen und seine Programmanteile anderen Medien einzuverleiben, werden hoffentlich nicht realisiert. Das ist umso wünschenswerter, als gerade in letzter Zeit wieder besonders sehenswerte Dokus programmiert waren.(Mod-Text Udo Bachmair)

Hans Högl *

Wer im Fernsehen auch einen Bildungsauftrag sieht, der kam mit 3-sat Sendungen mit dem Namen „Europa-Saga“ voll auf die Rechnung. Sie wurden von Prof. Christopher Clark (Univ. Cambridge) konzipiert und geleitet. Christoper Clark ist der in Australien geborene Historiker, der an der Universität Cambridge lehrt. Er wurde bekannt durch das Buch „Schlafwandler“- über die Anfänge des 1. Weltkrieges.

Die Sendungen wurden gestern Dienstag, den 12. November 2024, ab 14.05 ausgestrahlt. Ich habe mit großem Interesse die Einzelsendungen von Anfang bis Ende gesehen.

Die Sendungen wären für den Bereich „Politische Bildung“ außerordentlich geeignet. Vielleicht vermag eben ein australischer Historiker die Leistungen der verschiedenen Länder wie von Frankreich, den Niederlanden, Deutschland und Österreich für Europa und die Welt so fair und ausgeglichen darstellen.

Mit großer Kenntnis hebt Clark die wichtigsten Ereignisse Europas – vom Mittelalter beginnend hervor – und verweist auf den Unterschied zum Großreich China, das niemals seine Grenzen so ausgedehnt hat wie Europa.

Clark sucht persönlich die wichtigsten Orte und Quellen selbst auf. Durch Amsterdam fährt er typischerweise mit dem Fahrrad wie eben Niederländer. Er konsultiert und zeigt die Originaldokumente wie das vom Westfälischen Frieden 1648 und die des Wiener Kongresses 1815.

Für Clerk ist das Zustandekommen der Europäische Union eine der größten Errungenschaften der Weltgeschichte.

* Prof. Dr. MMag. Hans Högl ist Soziologe, Buchautor, Vizepräsident und Finanzreferent der Vereinigung für Medienkultur und lebt in Wien und Bad Mitterndorf

Dominanz militaristischen Denkens

Höchst aufschlussreich war das jüngste ZiB2-Interview mit dem Militäranalytiker Franz-Stefan-Gady. Es zeigte, wie eiskaltes militaristisches Denken inzwischen unsere gesamte Gesellschaft erfasst hat. Und somit auch die Medien.

Wolfgang Koppler *

Gady lenkte zunächst geschickt vom Verhandlungsunwillen Selenskyjs ab (welcher diesbezügliche Gespräche erst nach einem vollständigen Abzug der russischen Truppen – also nach einem Sieg der Ukraine in Erwägung zieht), indem er sich – ebenso wie die westlichen Politiker auf den Standpunkt zurückzieht, dass Putin den Krieg ja jederzeit beenden könnte. Wobei er natürlich genau weiß, dass dieser damit sein Gesicht verlieren würde und solches daher völlig illusorisch ist. Putin hat angefangen – Punkt. Immerhin gestand der zu, dass die ukrainische Armee der russischen derzeit durchaus standhalten könne, zumal genug Munition zur Verfügung stünde. Die Unterstützung des Westens dürfe halt nicht nachlassen.

Auch Trumps Präsidentschaft sieht der Militäranalytiker nicht unbedingt als Katastrophe für die Ukraine an, zumal Trump ja auch den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan gestoppt hätte, als die Gespräche mit den Taliban nicht so erfolgreich verliefen wie erwartet. Er würde wohl auch die Ukraine nicht völlig im Stich lassen.

Aber die Russen machten doch Fortschritte und man müsste die Ukrainer durch weitere militärische Unterstützung in eine vorteilhaftere Position für allfällige Verhandlungen bringen. Auch dies hat man in den zweieinhalb Jahren Krieg schon all zu oft gehört. Damit wird der Krieg mit seinem ewigen Hin und Her zu einer Endlosschleife. Zumal man sich immer wieder einredet, dass es nur Putin sei, der nicht verhandeln wolle. Während Selenskyj immer wieder dezidiert Verhandlungen ablehnt und die Russen – wenn auch mit Kriegsrhetorik und Maximalforderungen – immer wieder Signale ausgesandt haben.

Schließlich wird von Gady auch noch die Angst geschnürt, Putin könnte nach einem Kompromissfrieden nochmals angreifen. Man brauche Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Dass der Westen in den Verhandlungen zu Beginn des Krieges solche abgelehnt und die Gespräche damit zum Scheitern gebracht hat, verschweigt der ORF-Studiogast. Dafür fordert er eine Erhöhung der westlichen Militärbudgets auf 3 – 4 % des BIP. Woher das Geld angesichts überlasteter Budgets kommen soll, sagt er natürlich nicht.

Gegen Ende des Interviews wird schließlich der „Personalmangel“ der ukrainischen Armee beklagt. Sie brauche neue Kräfte. Das Verheizen von Menschenleben derart zynisch zu versachlichen, ist denn doch irgendwie neu.

Zu all dem natürlich keinerlei Widerspruch von ZiB2-Moderator Martin Thür.. Wo soll das noch enden ?

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

„Fighting chance“ für die Demokratie

Überlegungen zu Hans Rauschers „Einserkastl“ im STANDARD mit dem Titel „Österreich ist ein rechtes Land, oder?“

www.derstandard.at/story/3000000241244/oesterreich-ist-ein-rechtes-land-oder

Ilse Kleinschuster *

Ja, ich glaube mit Hans Rauscher, dass eine faschistoide Grundströmung in Österreich zwar vorhanden, aber längst noch nicht dominant ist. Und ich nehme auch an, dass „viele es noch verdrängen, wohin die Reise geht“. Ich kann schwer zustimmen, wenn er schreibt, dass der Rechtspopulismus in den Rechtsextremismus hinübergleitet, und dass dies wohl noch nicht genug Leute erkannt hätten.

Ich habe aber ein sehr murmeliges Gefühl, wenn Rauscher meint, dass die liberalen Demokraten schließlich erkennen müssten, dass der Faschismus nichts als Bluff – und die „Wir sind unausweichlich“-Rhetorik von Kickl lachhaft sei – solange nicht das eintritt, was die politische Theorie den „Kipppunkt“ nennt. Tja, ich bekomme Gänsehaut, wenn er schreibt, „wenn die Situation danach ist, genügen 30 Prozent, um ein Land in die Autokratie zu drehen“. Ich fürchte, es stimmt, dass es Anzeichen gibt für eine solche Bewegung, und ich bin froh darüber, dass Rauscher offensichtlich seine Leserschaft ernstlich warnen will und mit den abschließenden Worten schließt: „aber die liberale Demokratie in Österreich habe jetzt noch einmal eine „fighting chance“.

Ergreifen wir also die Aufforderung zur fighting-chance! Wie und was können wir tun, um Österreich (wieder) ein Land werden zu lassen, das sich nicht der Tyrannei von Minderheiten beugt, ein Land, in dem die Menschen friedlich miteinander umgehen, weil sie die Tagesordnung mitbestimmen. Ich denke und hoffe, dass nach wie vor soziale Bewegungen die wahltaktischen Überlegungen unserer Politiker beeinflussen (können), indem sie reformwillige Wähler mobilisieren. In Österreich haben wir eine starke soziale Bewegung gegen rechts, die hoffentlich auch bald das derzeitige Rauschen im Cyberspace übertönen kann. Meiner Ansicht nach ist die Arbeit an der Unterdrückung dieses Rauschens nur möglich, wenn wir demokratiefreundliche, konstruktive Informationsvermittlungs-Institutionen so stärken, dass sie existenziell unabhängig arbeiten können.

Kurz: Wir brauchen wieder Institution, denen wir vertrauen können! Eine Institution, die auch Lösungen verbreitet, die oft zunächst als unbequem oder als unsozial abgelehnt werden, weil sie nicht im Sinne des allgemeinen Wohlergehens verständlich genug medial aufbereitet worden sind. Ich meine, das sind doch in erster Linie sg. Qualitätsmedien, die notwendig sind, um die rechtsstaatliche Demokratie vor dem Rauschen zu schützen und ihre Arbeit an einem Wandel, der den Herausforderungen des 21.Jahrhundert gerecht werden kann – z.B. Klimagerechtigkeit! – ermöglichen. Das Vertrauen in Qualitätsmedien ist eine Voraussetzung dafür, dass Bürger*innen teilhabefähig sind. Um aber gute Arbeit leisten zu können, brauchen auch Redakteur*innen und ihre Medien unabhängige Finanzierung und Aufsichtsgremien, die der Unabhängigkeit verpflichtet sind.

• Ilse Kleinschuster ist ein besonders engagiertes Mitglied der Zivilgesellschaft und lebt in Wien

Eine medienpolitische Schande

In Deutschland kursieren Pläne, den Sender 3sat mit ARTE zu verschmelzen und damit abzuschaffen. Der Widerstand dagegen wächst.

Udo Bachmair

3sat verteidigt zurecht den Ruf eines anspruchsvollen gemeinsamen Kultur- und Informationsprogramms Österreichs, Deutschlands und der Schweiz. Gerade in Österreich würde das Aus für 3sat seriöse öffentlich-rechtliche Inhalte – noch dazu im Umfeld einer ausufernden Boulevardisierung der Medienlandschaft – spürbar schwächen.

Sollte das Aus für den renommierten TV-Senders 3sat tatsächlich ernsthaft in Erwägung gezogen und realisiert werden, wäre dies wahrlich eine medienpolitische Schande.

Widerstand gegen die umstrittenen Pläne könnte jedoch erfolgreich sein. Bereits mehr als 130.000 Personen haben laut einer Meldung der Salzburger Nachrichten die Petition „Rettet 3sat!“ unterschrieben: www.innn.it

Im Petitionstext heißt es dazu unter anderem:
„Wir brauchen 3sat als Plattform für kritische Debatten, als Bühne für kreative Vielfalt und als Stimme der europäischen Kultur“.
Die Kulturgewerkschaft younion hält die Sender 3sat und ARTE für „unverzichtbare Medien, die aus kultur- und demokratiepolitischen Gründen nicht in Frage gestellt werden dürfen“.

Auch die IG Autorinnen Autoren meldete sich bereits vor Tagen zu Wort und kritisierte, dass u.a. der Bachmann-Wettbewerb seinen Sendeplatz und seine Senderanbindung verlieren könnte.
„Höchst fraglich ist auch, ob ein sich so kritisch mit innerdeutschen und österreichischen Verhältnissen auseinandersetzendes Kulturmagazin wie ‚Kulturzeit‘ in einem solchen anderen Senderzusammenhang überhaupt Platz finden kann“, so die Interessensgemeinschaft. Der Rückbau sei „jedenfalls vollkommen unverständlich“.

Nochmals der Link zur Petition : www.innn.it

Palästina-Botschafter als Feindbild

Ein vom ZiB2-Anchor Armin Wolf korrekt moderiertes Streitgespräch hat in Politik und Medien dennoch für ziemliches Aufsehen gesorgt. Allen voran polemisierte der scheidende ÖVP-Spitzenpolitiker Wolfgang Sobotka gegen den ins ORF-Studio eingeladenen palästinensischen Botschafter und schwang die sattsam bekannte Antisemitismus-Keule.

Wolfgang Koppler *

Der TV-Aufreger der Woche war wohl die ZiB2-Konfrontation des palästinensischen Botschafters mit dem Sprecher der israelischen Armee, die einander nichts schuldig blieben. Sogar Nationalratspräsident Sobotka schaltete sich ein und witterte Antisemitismus. Er sah wohl eine letzte Chance, sich vor seinem Abgang noch schnell zu profilieren. Angesichts seiner schlechten Umfragewerte wohl nicht ganz unverständlich.

Tragisch, dass der kurz vor einem Flächenbrand stehende Nahostkrieg – und als solchen muss man die immer blutigeren Auseinandersetzungen zwischen Hamas, Hisbollah und Israel inzwischen wohl bezeichnen – in einem neutralen Staat wie Österreich derart missbraucht wird. Und noch tragischer, dass manche Politiker und Journalisten Österreichs problematische Vergangenheit, die neben historischer Aufarbeitung eigentlich zu einem besonderen Verantwortungsbewusstsein für Menschenrechtsverletzungen gleich welcher Art führen müsste, dazu nutzen, sich dadurch in Szene zu setzen, dass sie Netanjahu und der israelischen Rechten eine Art Blankoscheck ausstellen. Um eine ganze Region ins Unglück und das eigene Land ins Verderben zu stürzen.

Hamas und Hisbollah müssen vernichtet werden. Koste es, was es wolle. Selbstverständlich war der blutige Überfall der Hamas am 7. Oktober des Vorjahres ein Terrorakt. Aber je blutiger und risikoreicher dieser Antiterrorkrieg wird, desto mehr verblassen die Geschehnisse des 7. Oktober in den Köpfen vieler Menschen, vor allem bei jenen, die ums nackte Überleben kämpfen und mit diesem Terrorakt nichts zu tun haben. Und selbst wenn man um den Preis zigtausender Toter die Hamas aus dem Gazastreifen vertreiben könnte, würde sie woanders weiterexistieren und vielleicht würde an ihre Stelle eine noch radikalere Organisation treten. Da sind sich zahlreiche Experten einig.

Man kann das Böse nicht mit unlauteren Mitteln bekämpfen, ohne sich selbst ins Unrecht zu setzen und damit dem Gegner in die Hände zu spielen. Wir sind nicht Gott. Und auch Jahwe musste seinen Zorn letztlich bändigen. Um jenem Volk eine Chance zu geben, das er liebte und auserkoren hatte. Das gilt nicht inzwischen nicht nur für Israel, sondern für uns alle. Wir sind Menschen und keine Götter, Gerieren wir uns als solche, werden wir zum Teufel. Was selbstverständlich auch für andere Kriege gilt.

https://www.derstandard.at/story/3000000240388/nach-zib-2-mit-palaestina-botschafter-orf-chef-weist-kritik-sobotkas-zurueck

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Journalist und lebt in Wien

Friedensfreunde als „Kriegstreiber“?

„Putin ist ein Krimineller, ein Mörder“ – bekräftigt der oppositionelle russische Politiker und Journalist Wladimir Kara-Mursa in nahezu jedem der zahlreichen Interviews für westliche Medien. Im jüngsten ZiB2-Interview prognostizierte Kara-Mursa einen möglicherweise kurz bevorstehenden Sturz des Putin-Regimes.

Wolfgang Koppler *

Regimewechsel in Russland kämen plötzlich, sowohl das Zarenregime als auch die Sowjetunion seien plötzlich untergegangen. Niemand wäre darauf vorbereitet gewesen. Und so würde es auch das nächste Mal sein. Niemand würde wissen, wann, wo und unter welchen Umständen Vladimir Putin seine Macht verlöre. Aber es werde geschehen, meint Putins schärfster Kritiker Kara-Mursa im gestrigen ORF-ZiB2-Interview.

Da ist wohl etwas dran. Allerdings entstand weder aus dem Untergang des Zarenreichs noch aus dem der Sowjetunion eine dauerhafte Demokratie. Nach Zar Nikolaus kamen nach einem kurzen bürgerlichen Intermezzo Lenin und Stalin an die Macht. Und nach der Wende und Boris Jelzin kam Vladimir Putin an die Reihe. Jener Zar Putin, den Kara-Mursa nun so heftig bekämpft.

Die Wahrscheinlichkeit, dass nach dem Ende der Putin-Ära in Russland eine wirklich dauerhafte und stabile Demokratie entsteht, ist also eher gering. Wobei sogar unsere Demokratien zunehmend unter Druck geraten. Auch unter den Belastungen des Ukrainekriegs, die die Spaltung unserer Gesellschaften weiter vorantreiben.

Dass Kara-Mursa dann am Ende des Interview alle jene, die „Verständnis für Valdimir Putin und seine Positionen“ hätten, also im Endeffekt alle, die nicht für eine Fortsetzung des Krieges ohne jegliche Verhandlungen sind, als „Kriegstreiber“ bezeichnet, spricht Bände.

Bei allem Verständnis für sein persönliches Schicksal. Hier geht es nicht um Sympathien oder Antipathien, auch nicht um die Sanktionen, sondern um einen Krieg, der bis jetzt wohl mehr als halbe Million Menschen das Leben gekostet hat, um unzählige Versehrte und Traumatisierte und um Kollateralschäden in allen Teilen der Welt, wie etwa den zunehmenden Hunger, für dessen Linderung nicht einmal mehr genug Geld zur Verfügung gestellt wird. Im Gegensatz zum Ukrainekrieg, der bis jetzt weit mehr als 100 Milliarden Dollar gekostet hat.

Dass dies von Kara-Mursa nicht erwähnt wird, spricht Bände. Und sein Statement inmitten einer zunehmend aufgeheizten Stimmung ist höchst problematisch.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien