Archiv für den Monat: September 2019

Ö 1 : Der Hut brennt

Wieder einmal Sorge um Ö 1. Anzeichen einer geplanten Schwächung des renommierten Radiosenders mehren sich. Es besteht Gefahr in Verzug, bestätigen auch ORF-interne Informationen.

Udo Bachmair

Alarmsignale kommen aus dem ORF. Laut gut informierter Quelle ist die „kleinweise Zerschlagung“ des Senders Ö 1 im Gange. Demnach soll etwa die Abteilung Radioreligion aufgelöst und schon Anfang 2020 an die TV-Religion im Newscenter des ORF-Zentrums auf dem Küniglberg angedockt werden. Somit wäre dieses Ressort nicht mehr Teil von Ö 1. Eine entsprechende Organisationsanweisung des Generaldirektors wird als „Angriff aus dem Inneren des Unternehmens“ gewertet.

Viele ORFler, aber nicht nur die, sehen in der Maßnahme den „Beginn der Zerschlagung und Schwächung“ von Ö 1. Diesbezügliche Warnungen gibt es ja schon seit dem Vorjahr. Die türkis-blaue Regierung hatte sich ja den ORF insgesamt als Feindbild auserkoren. Im Speziellen attackieren rechte politische Kräfte Ö 1 als „Hort der Linken“..

Doch es entstehen Gegenbewegungen. Eine von ihnen ist die Initiative „Wir für den ORF“ (www.wirfuerdenorf.at). Und es wird sich zeigen, wie stark der ORF-interne Widerstand seitens der Redakteurssprecher*innen bzw. der gesamten Belegschaft sein wird. Denn es gilt, die weitere Zerlegung des nicht nur wegen der unverzichtbaren Ö 1-Journale auch demokratiepolitisch wichtigen Senders abzuwenden. Wenn es dafür noch nicht zu spät ist..

Eine befürchtete Neuauflage der türkis-blauen Koalition nach der NR-Wahl könnte den ORF empfindlich treffen. Die in diesem Fall wahrscheinliche Abschaffung der GIS-Gebühren könnte ohne ausreichende Ersatzfinanzierung die Existenz des gesamten Unternehmens gefährden. Eine Finanzierung aus dem Staatsbudget würde zudem den ORF in völlige Regierungsabhängigkeit bringen.

Eine derartige Entwicklung würde die verbriefte Unabhängigkeit der Berichterstattung und Wahrung der Eigenständigkeit der ORF-Journalist*innen extrem in Mitleidenschaft ziehen. Bei aller durchaus berechtigten Detailkritik ein Appell an die künftig Regierenden : Lasst den ORF in Ruhe.
Der Wert eines öffentlich-rechtlichen Mediums ist unabdingbar.

Grundsätzliches dazu auch in einem Gespräch zwischen Irmgard Griss und mir unter folgendem Link:

www.irmgardgriss.at/podcast/

Fahrt ins Hinterland von Burgund

Reiseführer sind kulturbeflissen, kehren Schönes hervor, Wirtschaftliches schon seltener und noch weniger Soziales. Und Dörfer schon gar nicht. Doch die interessieren mich, den Dorf- und Gemeindeforscher, Autor eines Buches mit dem Untertitel: Dörfer im Stress („Hinter den Fassaden des Tourismus“). Schon 1995 und 2002 wies ich kaum beachtet auf die Sozialfolgen und Überbelastung durch Tourismus hin. Das war Grund, auf Nebenstraßen in Burgund, Land und Leute zu beobachten.

Hans Högl- eine Reportage

Ich wähle eine Straße landeinwärts von Beaune, einem Städtchen südlich von der Haupt- und Herzogs- und Großstadt Dijon. Aber wieviele von uns kennen denn sie mit weit über 300.000 Einwohnern. Mein Richtung: Norden zum berühmten Ort Vézelay über Avallon.

Um Dijon ist eine vielgepriesene Weingegend, so berühmt, dass sogar das für den Weinbau hier so förderliche burgundische K l i m a zum Welterbe der Unesco zählt. Ich suche die Stadt Beaune auf – mit dem erstaunlichen Krankenhaus, das Nicolas Rolin, der Kanzler eines burgundischen Herzogs, 1443 gegründet hat und zwar für kranke, a r m e Menschen. Beaune ist eine einladend wirkende, gepflegte Kleinstadt mit vielen kleinen Geschäften und rund 23.000 Einwohnern.

Zu Mittag fuhr ich mit dem Auto bewusst von Beaune auf der Landstraße los, in Richtung Norden, Ziel war Vézelay, ins Regionale.Bald nach der Stadt und dem Umfeld vom nahen Dijon sehe ich Weingärten und dann erlebe ich etwas, das die Franzosen La France profonde nennen. Die Straßen sind durchwegs gut asphaltiert, korrekt ausgeschildert. Wer hier lebt, hat weit zur Arbeit zu fahren. Ich denke an die Benzin- und Dieselpreise, die kürzlich die Bevölkerung in Zorn versetzt haben. Ökologie ist eines, hohe Preise etwas anderes. Das Land hier ist sehr dünn besiedelt, das ist offensichtlich und dazu braucht es keine Statistik zur Bestätigung. Weit und breit sind keine Häuser.

Mir fällt auf, dass immer wieder Häuser zum Verkauf angeboten werden – bald sind es kleine Bauernhöfe, dann wieder andere meist sehr bescheidene Häuser, nicht selten halb verfallen oder verwahrlost. Ich durchquere verlassene Gegenden. Da ist kein Bistro zu finden, um einmal einen Café zu sich zu nehmen. Zum Glück finde ich eines und bin neben einem anderen Besucher der einzige Gast und sehe dann vor dem Gebäude ein Schild mit dem Hinweis, dass die Gastwirtschaft und das Gebäude zum Verkauf angeboten werden. Gut – ich erlebe einen Sonntag nachmittag, aber das alleine erklärte nicht alles.

Immer wieder nur vereinzelte Häuser, abgeerntete Felder, Laubwälder, hie und da
einige wenige Kühe im Freien, aber mit Normaleuter, nicht überzüchtet zur Superproduktion. Vorbei an baulich vernachlässigten Dorfkirchen, an kleinen Häusern vielleicht mit einem Kleinwagen davor, irgendwie eine trostlose Gegend im Gegensatz zu Städten voller Lebendigkeit.

Es ist ein befreiendes Gefühl, in die Kleinstadt Avallon einzufahren, ein einladend gefälliger Ort mit geöffneten Geschäften und einer bemerkenswert großen Kirche. Vom Zauber des Hügels mit der romanischen Basilika in Vézelay mit Reliquien der hl. Magdalena (!) möchte ich nicht reden. Das tun schon Reiseführer. Mir war wichtig, das Haus des Literatur-Nobelpreisträgers und Friedens-Aktivisten Romain Rolland zu besuchen. Viel mehr als Bücher, ein Klavier und sein Schreibtisch und Bilder in seinem Haus sehe ich nicht. Er verbrachte hier seine letzten Lebensjahre, starb 1944 mitten im Krieg, verleumdet als Friedensaktivist. Zeitlebens betont Rolland, ein Dorfkind, die Wichtigkeit der deutsch-französischen Beziehungen: „Wir sind die beiden Flügel des Abendlandes, zerbricht der eine, so ist auch der Flug des anderen gebrochen“- ein Satz, damals so aktuell wie heute.

Ja, das Dorf Vézelay am Hügel gelegen ist ein wunderschöner Flecken, die Frontseite der uralten romanischen Kirche wir renoviert, gar nicht so selbstverständlich im laizistischen Frankreich. Und von der Terrasse aus sieht das umliegende Land recht lieblich aus. Vielleicht konnte ich ein wenig erahnen, was französische Provinz ist, Frankreich ist ein großes Land mit unzähligen kleinen Orten, von denen niemand spricht, aber aus denen nicht wenige berühmte Menschen hervorgegangen sind- so auch der Erfinder der Fotografie Joseph N. Niépce, der jahrzehntelang im Burgund unweit von Chalon seine Versuche machte, um dann nach acht Stunden Belichtung das erste Landschaftsfoto der Welt zu „schießen“ und anfangs keine Beachtung fand. Ein Schicksal auf dem Land.

Ein Gegensatz zur Großstadt Dijon -mit vielen Bistros und einer gewissene Heiterkeit des Lebens und einem Plakat, das ich fand: mit dem Titel Salon Célibataire. Es lud ein zu einem „Speed Dating“ in einem Lokal, geöffnet ab 16 Uhr, mit kostenpflichtigen Diner ab 20 Uhr und Tanz.

Industriekultur im Burgund

Frankreich gilt als Kulturland und Burgund ist auch berühmt für Weine. Den historisch Interessierten erinnert es an die glückliche Heirat des Habsburgers Maximilian mit Maria von Burgund. Weniger bekannt ist Burgund in seiner Produktion von Stahl.Nicht zuletzt wir in Österreich blicken zusehr in Technikfragen auf Deutschland. Wegen dieser Besonderheit Burgunds erscheint dieser Beitrag im Blog der Medienkultur.

Hans Högl

Burgund ist seit gallischer Zeit ein Zentrum der Verarbeitung von Eisen. Die Zisterzienser in der Abtei Fontenay betrieben im 12./13.Jahrhundert die damals wohl größte Schmiede der Welt mit einem gewaltigen wassergetriebenen Hammer. 1782 wurde im Ort Le Creusot die Fonderie Royal eröffnet: Sie lieferte dem König, dann der Revolution Kanonen- und machte pleite.

1836 kauften die Brüder Schneider aus Lothringen die leer stehenden Industriegebäude und gründeten ihr Stahlimperium und produzierten Dampfturbinen, Dieselmotoren, Loks, Kriegsgeräte, Gleis. Es wurde Zentrum der französischen Stahlindustrie, ein französisches Pendant der Krupp und deren ernsthafte Konkurrenten und sie sprachen im antideutschen Klima ihren Namen bald lieber „Schneidre“ aus. Es belieferte Frankreich in beiden Weltkriegen mit schweren Waffen. Ein Steinkohlerevier um Monceau-les-Mines war für die Produktion von Stahl sehr wichtig.

In den 1950ern engagierte sich Firmenchef Charles Schneider im französischen Atomkraftwerkbau. 1970 fusionierten die Schneider-Werke mit einem anderen Stahlkocher, und diese meldeten 1984 Insolvenz an. Ganz Frankreich war erschüttert, Tausende arbeitslos, das Imperium zerstückelt. Übrig blieben Schneider-Electric und die Reaktorschmiede Creusot Forge.

In Creusot ist heute ein Museum Ecomusée de l`homme et de l`industrie. Der Schnellkochtopf von 1953 wurde zum Verkaufsschlager im französischen Wirtschaftswunder und wurde in der Nähe von Lyon erzeugt.

Diese Anregungen entnahm ich einem Reiseführer mit einer überraschend ansprechenden Gestaltung, nämlich einem neuen Baedeker(!): Burgund, Ostfildern 2019. 11. überarbeitete Auflage (p.26, 244). Dazu fehlen Informationen im Dumont Reise-Taschenbuch Burgund, Ostfildern 2017.

Müssen Hunde wirklich Fleisch fressen ?

Der Zürcher „Tages-Anzeiger“ vom 28. August 2019 stellt sich dieser oft „ideologisch aufgeladenen“ Frage. Ähnlich Zugespitztes zum Thema Fleischkonsum fand ich bisher nirgends. Darum richte ich darauf die Aufmerksamkeit und ordne dies in der Rubrik „Medienschmankerl“ ein.

Hans Högl

Die Schlussfolgerung im Beitrag lautet: Mag mein Tier, was ich ihm serviere? Um ihm vegetarische Kost schmackhaft zu machen, sollte man das Futter nur „sehr behutsam umstellen“. Doch selbst dann lässt sich nicht jeder Hund auf fleischlose Mahlzeiten ein. Und nichts wäre gewonnen, wenn das Tier zu Hause das fleischlose Futter verschmäht – dafür aber vielleicht aus dem nächsten Mülleimer ein weggeworfenes Wurstsandwich „räubert“.

Laut Tages-Anzeiger sucht „ein wachsender Anteil der Hundebesitzer nach einem ausgeklügelten Ernährungskonzept für das Tier“. Ja – da denken wohl Menschen aus dem armen Süden- diese Probleme der Schweizer möchte ich haben, sei als Kommentar angefügt. Doch auch in Wien und München befassen sich Veterinärforscher mit dem Thema. Eine Münchner Tierärztin widerspricht der Auffassung mancher Tierbesitzer, „dass eine strikt vegane Kost ohne Ei und Milch für Hunde geeignet wäre“.

Die bekannte Köchin und Wiener Grünpolitikerin Sarah Wiener sagt zum Fleischkonsum der Menschen: Wir können zumindest unseren Fleischkonsum einschränken und zumindest Fleisch aus der eigenen Region, am besten aus ökologischer Haltung von Familienbetrieben oder Kleinbauern kaufen. Die „Badische Zeitung“ (Freiburg im Breisgau) bedauert am 24.u.25. August die Zunahme des Fleischkonsums und die damit negativen Folgen für die Umwelt und verweist auf Fleisch-Ersatzprodukte. Manche Firmen setzen auf das Labor- andere auf Insektenzucht Zwar habe Fleisch von Wildschweinen und Rehen eine gute Ökobilanz, doch für die Versorgung des Massenmarktes taugt es nicht.

Autobahnen: In Österreich gibt es „Raststätten“, in Bayern „Autohöfe“

Aus Eigenerfahrung und nicht aus Selbstlob hebe ich bei Autobahnen ASFINAG-Raststätten in Österreich hervor-im Vergleich zu deutschen „Autohöfen“. Gleiches bestätigt eine Autobahn-Vielfahrerin für Deutschland. Jede größere Negativerfahrung wäre ein Medienskandal. Hier bringe ich im Sinne der der Medienkultur eine feinere, differenzierte Beobachtung.

Hans Högl

Ich fuhr auf der Autobahn von Bregenz nach Lindau, München, Deggendorf, Passau, Linz, Wien. In Bayern gab es mehr Begrenzungen als erwartet, bei München Stau, sonst aber ein flottes Vorwärtskommen. An deutschen Autobahnen begegnet man AUTO-HÖFEN und Abfahrten irgendwo und nirgends hin, aber RAST-Stätten finden sich nicht, sondern eben Auto-Höfe, also für Autos ist gesorgt, der Mensch wird vergessen. Mit Glück findet man ein WC und ein Plätzchen, um sich niederzusetzen.

Ganz anders in Österreich -auch in Frankreich steht der Mensch im Mittelpunkt. Französischen Autobahnfahrern wird im Burgund freundlich empfohlen, sich zu entspannen, eine Rast einzulegen. Ähnliches scheint auf deutschen Autobahnen nicht zu existieren.

Bald nach Passau erreiche ich die ASFINAG-RAST-Stätte Murau-West. Was hier geboten wird, ist in anderen ASFINAG-Raststätten ähnlich. Es gibt ordentliche WCs, einen Wickeltisch für Mütter. (NB. In Schweden finden sich auch bei den Männern ein Wickeltisch!). Man kann in Österreich einen guten Automaten-Café trinken, ein Angebot mit 24 (!) Varianten. Auch andere Getränke sind verfügbar. Sonstige Dienste: Ein SOS- Telefon, schöne Sitzbänke, um zu rasten, Mitgebrachtes zu essen und zu trinken, ein Österreich-Plan mit diversen Autobahnen durchs Land, Gratis WLAN, eine Willkommenstafel in verschiedensten Sprachen. Der Gegensatz: An manchen deutschen Haltestellen ist nicht einmal ein WC vorhanden und miserable Bänke.

Hier sollen nicht generell zwei Länder verglichen werden. So fand ich ein paar Tage vorher in Weil am Rhein, auf der deutschen Seite bei Basel, ein deutsches Hotel, das überaus gastfreundlich und einladend war. Dies gilt aber nicht für die deutschen AUTO-HÖFE. Den Bundesbürgern scheinen die Autos wichtiger als die Menschen zu sein. Und als hätten Menschen kein Bedürfnis nach Entspannung und Rast. NB. Eine kritische Notiz zur ASFINAG: Es drängt sich stark der Eindruck auf, dass sie zu viele und hohe Lärmschutzwände aufstellt.

Humane und digitale Bildung

Im Goetheanum, dem Zentrum der weltweiten Anthroposophischen Bewegung in Dornach südlich von Basel, fand ich eine für die Medienkultur bemerkenswerte Bildungspetition.

Hans Högl

Die Anthroposophische Gesellschaft hat nach Selbstdarstellung weltweit rund 40.0000 Mitglieder und führt rund 10.000 Einrichtungen wie Kliniken, (Walddorf) Schulen, Höfe und Heime. Ich selbst war von der Größe des Goetheanums und der Vielzahl der Publikationen beeindruckt.

Die Petition der Initiativen für humane Bildung und der Europäischen Allianz angewandter Anthroposophie/ELIANT – ist eine Bürgerbewegung und spricht sich für Wahlmöglichkeiten aus und ist nicht einfach-hin gegen digitale Bildung, sieht aber darin defacto Einseitigkeiten.

Ihre Begründung: Wirtschaft und Politik treiben überaus schnell die digitale Transformation der Gesellschaft voran- so in Schulen mit dem Begriff „Digitale Bildung“. Die Technik dazu sind heute Smartphones,Tablets und WLAN. Dabei werden Unterricht, Schule und Lernen über (Medien) Technik definiert, nicht über den Menschen. Die Unterzeichner dieser Petition setzten sich daher europaweit für eine „Humane Bildung“ ein, die sich an den Stufen und Gesetzmäßigkeiten der körperlichen, seelischen und geistigen Entwicklung orientieren muss.

Ich selbst finde digitale Bildung wichtig ist, dennoch bleibt die Frage für welches Lebensalter und in welchem Umfang sie angemessen ist.