Archiv für den Monat: Juli 2020

Wird Italiens üppiges Parlament zurecht gestutzt?

Hans Högl

Unsere Medien neigen dazu, Auslandsnachrichten im Sinne von inländischem Parteiinteresse zu deuten. Unabhängig davon verweise ich aus dem Kontext der Medienkultur auf ein folgenreiches Referendum in Italien und dies früher als sonst in unseren Medien.

Die Länder des EU-Südens stehen im Mittelpunkt der jetzigen EU-Verhandlungen. Von einer Seite (Merkel-Macron) wird Hilfe für den Süden mit der unverschuldeten Corona-Krise argumentiert. Tatsache ist, dass es in Ländern wie Spanien und Italien schon lange eine gefährliche Jugendarbeitslosigkeit gibt und in Italien eine große Schattenwirtschaft. Doch vielen Italienern geht es als Person besser als dem italienischen Staat. Dieser steht vor großen Problemen und deren politische Elite tanzt quasi weiter auf dem Vulkan.

Nun diese selbstgenügsame politische Elite erfährt im frühen Herbst einen Test, der zwar nicht die Halbinsel grundlegend ändert, aber doch signifikativ für einen partiell-wichtigen Wandel ist.

Im Frühherbst sind die Italiener voraussichtlich zu einem Verfassungsreferendum aufgerufen und werden gefragt, ob sie wünschen, die üppige Zahl der Parlamentarier zu verringern, nämlich die Abgeordnetenkammer soll von 630 auf 400 vermindert werden, die Zahl der Senatoren von 315 auf 200 sinken.

ORF – Gebührenzahler quasi ohne Mitsprachechance

Der „Standard“- Medienjournalist Harald Fidler interviewte den früheren ORF-General T.Podgorski am 16.Juli 2020, nachzulesen auf „Standard/Etat“.Es ist ein vielsagendes Interview im Sinne der Medienkultur des Landes (Hans Högl).

STANDARD: Kann der ORF unabhängig sein?
Podgorski: Nein. Er wird ja bezahlt von der Regierung.
STANDARD: Von den Gebührenzahlern.
Podgorski: Die haben ja kein Mitspracherecht. Ich weiß das aus eigener Erfahrung. Ich habe als ORF-Generalintendant eine lange fällige Gebührenerhöhung gemacht. Da geht man von einem zum anderen wirklich als Knecht mit dem Hut in der Hand, muss sich tief verbeugen und wird angeschnauzt, dass man so viel Geld verbraucht und das nicht notwendig ist. Übrigens von Rot und Schwarz gleichermaßen.

Hans Högl: Hier bestätigt Podgorski nichts Neues, aber ungewöhnlich direkt, dass eine Mitsprache der Gebührenzahler quasi kaum gegeben ist. Hier muss der zahnlose Publikumsrat genannt werden, der selbstverständlich mehr Kompetenzen haben könnte und sollte, wenn man das wollte. Publikumsräte haben dies schon lange gefordert. Es geht nicht darum, dass Publikumsräte konkret Programme von Tag zu Tag gestalten, sondern dass sie bei Programm -Schienen, Formaten entscheidender mitbestimmen. Und der Ablauf der Sitzungen des Publikumsrates könnte viel effektiver bei einer Moderation gestaltet werden. Wenn man das will, sagte mir eine Moderatorin, die zur Verfügung stünde….

Ein Exempel für ein neues Sendeformat: In Österreich hat jede/r fünfte BewohnerIn Schwierigkeiten mit Deutsch, eine fundamentale Voraussetzung für Integration. Was hindert den ORF in modernen Weise für diese Menschen Deutschsprachkurse anzubieten?. Muss es denn soviele Kochkurse geben?

Dramatisierende Journalisten, Aktivisten u. Politiker

Kommentar über Medien durch den Wissenschafter Hans Rosling im Buch „Factfulness“(2020). Wiedergabe des fast identischen Worlautes von Hans Högl (S. 304).

Journalisten, Aktivisten und Politiker sind auch nur Menschen. Sie erliegen wie wir alle einer dramatisierenden Weltsicht. Es ist nicht das Berufsverständnis des Journalismus und nicht das Interesse von Aktivisten und Politikern, die Welt so darzustellen, wie sie ist.

Sie werden stets darum konkurrieren,
unsere Aufmerksamkeit durch aufregende Geschichten und Dramatik zu gewinnen.

Sie werden sich immer eher darauf konzentrieren,
– was Ungewöhnliche ist als auf das Gewöhnliche,
– auf neue als auf die sich langsam verändernde Verhaltensmuster

Dies betrifft sogar die hochwertigsten Nachrichtenkanäle, so Hans Rosling. Die Ergebnisse der Statistikbehörden wären zwar korrekt, aber schlicht zu langweilig.

Manche Journalisten sind sich des Einflusses negativer Nachrichten bewusst sind und bemühen sich um konstruktive Nachrichten. Es bleibt abzuwarten, welche Folgen das hat. Erwarten wir nicht, dass sich Medien allzu weit in diese Richtung bewegen. Stattdessen müssen wir Verbraucher lernen, mit Nachrichten faktenbezogen umzugehen.

Publik-Forum: Kirchen-unabhängige Zeitschrift

Hans Högl: Tour d` horizon im Publik-Forum (Kurzrezension)

In der Regel erscheint die deutsche Zeitschrift „Publik-Forum“ 14-tägig. Sie versteht sich als kritisch-christlich-unabhängig. Sie wurde von einer Initiative von Christen und Christinnen gegründet -und zwar ökumenisch-überkonfessionell und unabhängig vom Amt der christlichen Kirchen und hebt öko-soziale und politische Aspekte hervor.Ein Merkmal ist, dass sie auf gelungene Beispiele und engagierte Personen hinweist, gut lesbar ist, gern Lebensgeschichtliches bringt, und sie kann nach üblicher Diktion als „progressiv“ eingestuft werden. Sie bietet kostenlose Testexemplare an: www.publik-forum.de/pfplus

Mit Bedacht ackerte ich die letzten Hefte von Publik-Forum durch: Erfreulich ist die Vielfalt an Beiträgen: das Leben Dalai Lamas (Nr.12), Beiträge über Ökologie, die Mut machen (Kohleausstieg in Deutschland, Aufwertung der Bahn in Österreich, das erstaunliche Bild von Bäumen auf Mailands Hochhäusern).

Die Worte über die Opfer-Attituden von Matthias Lohre treffen ins Volle (Nr.13), ebenso das Thema angeblicher Mikro-Aggression, wenn freundlich nach ethnischer Herkunft gefragt wird. Der kritische Beitrag über das „Das System des Fleischbarons“ Tönnies ist solide. Aber es fehlt der Bezug auf Sigmar Gabriel. Dies ist eine Lücke im Abschnitt „Personen und Konflikte“.

Publik-Forum

Turbo-Tourismus in Ischgl als Bildband

Der Corona-Virus griff von Ischgl bis nach Island über. Da durchbrachen Massenmedien ihre Abstinenz, kritisch über Ischgl zu berichten. Nun liegt der Fotoband „Ischgl“ vor. Davon bringt „Medienkultur“ eine fundiertere Rezension als sonst in Medien üblich.

Hans Högl: Rezension

Der „Standard“-Redakteur Stefan Gmünder geht im April 2020 mit dem Fotografen Hechenblaikner durch Ischgl und erlebt gespenstische Stille. Die Gesichter der Menschen sind verschlossen, es irrlichtert das Team eines TV-Senders herum und sucht nach Sensationen. Hechenblaikner wird um ein Interview gefragt, er lehnt ab.

„Journalisten, die für einen Tag anreisen, um auf der Jagd nach einer schnellen Geschichte nur das suchen, was sie bestätigt sehen wollen, sind ihm ein Gräuel. Dass es unter den Einheimischen schon lange Widerstand gegen Partyexzesse gibt, wird in solchen Storys ebenso wenig erwähnt, wie dass Ischgl versucht, mit erstklassigen Hotels und Gourmetlokalen entgegen zu steuern.“

Seit 26 Jahre dokumentiert Hechenblaikner, Tiroler aus dem Alpbachtal, was sich in Ischgl abspielt, dem hochalpinen Ballermann des Skitourismus. Seine Bilder zeigen die Entwicklung eines armen Bergbauerndorfes zu einem Brennpunkt von Turbotourismus. Zu Fotoausstellungen wird der Tiroler Hechenblaikner im Ausland, nicht in Tirol eingeladen.

Für den breitformatigen Fotoband traf Hechenblaikner eine Auswahl unter 9.000 Bildern. Sie zeigen eine unbeschreibliche Drastik von Suff und entgrenzt-blöden Späßen ohne Scham und Wahrung jeglicher öffentlicher Sitte und entspannten Hormonhaushalt. Den architektonischen Wirrwarr im „Lifestyle“-Ort Ischgl spart der Bildband aus. Auch andere Bildbände wie „Winterwonderland“ (2012), „Hinter den Bergen“(2015) erschienen im Göttinger Steidl Verlag.

Ein Vater berichtete uns, dass seine Tochter von einer großen deutschen Versicherungsgesellschaft mit einem Urlaub in Ischgl belohnt wurde. Sie verließ diesen Pfuhl schwer erkrankt und Corona-infiziert. Mit der Ischgl-Welt hatte die Versicherung 40 Mitarbeiter honoriert, einer davon ist gestorben.

Am Ende des Fotobandes sind 15 Pressetexte der Tiroler Landespolizei über Streitereien und Körperverletzungen in Ischgl abgedruckt. So stellte sich ein Gast zu später Stunde auf die Theke, der Kellner überreichte ihm einen brennenden Golfschläger zum Köpfen einer Champagnerflasche, wobei es zu einem Umfall kam.

Nicht nur Ischgl erweckt Nachdenken. Am 26. November 2008 wird von dicker Luft zwischen Salzburger Touristikern und der Kripo berichtet. Denn es wurden partyverlängernde Substanzen wie Kokain oder Ecstasy konsumiert. Die Daten belegen, dass die Wintersaison in Skigebieten auch drogenanfällig ist. Beim Après Ski wurden verbotene Substanzen, Cannabis bis Kokain unter die Partygäste gebracht- von wem auch immer. Vgl. die letzte Seite des Ischgl-Bildband und den „Standard“-Bericht vom 27. Nov. 2008.

Coronatote – Ländervergleich Italien- Mexiko

Hans Högl

In den Nachrichten von Radio Ö 1 – heute am 13.Juli 2020- um 8 Uhr früh meldete die Nachrichtensprecherin, dass Mexiko nun mehr Coronatote habe als Italien. Nun: Mexiko zählt 126 Mio Einwohner (2018), Italien weniger als die Hälfte: 60 Mio Einwohner (2019). Es leuchtet doch ein, dass ein solcher Vergleich nicht getroffen werden kann. Nämlich es gilt die Zahl der Coronatoten in Bezug zu setzen mit der Einwohnerzahl von Ländern.

Erste arabische Marssonde

Hans Högl: Außergewöhnliche Meldung- Dubai startet 1. arabische Mission zum Mars

Mit einer Marsmission will der Emir von Dubai sein Land für eine Wirtschaft nach dem Öl rüsten. Es handelt sich um die erste Marssonde einer arabischen Nation. Insbesondere soll das Wetter am Mars erforscht werden. Andere Missionen werden geplant: eine Biosphäre in der arabischen Wüste, in der Techniken für eine Besiedlung des roten Planeten in hundert Jahren erprobt werden sollen.

Die Vereinigten Arabischen Emirate sind neu in der Raumfahrt. Das Mohammed bin Raschid Space Center in Dubai wurde erst 2006 gegründet und liess bisher vier selbstgebaute Satelliten ins All befördern. «Al Amal» ist eine Mission, die einen würdigen Beitrag zur Erforschung des Mars leisten kann. Den Mars zu umrunden, ist kein leichtes Unterfangen. Das Jahr 2020 ist das Jahr der Marsmissionen: Alle 26 Monate stehen die Erde und ihr Nachbarplanet in einem günstigen Winkel zueinander.(NZZ-online)

ORF und Zacken der eigenen „Krone“

Hans Högl- Leserbrief nicht in der Printausgabe erschienen. Folgender Text -betreffend das Engagement der „Vereinigung für Medienkultur“ wurde angeblich aus Platzgründen in der Printausgabe der Wochenzeitung „Der Falter“ nicht veröffentlicht. Darum wird er hier wiedergegeben.

Betrifft: „Zeit am Schirm“ von B. Tóth, Falter 25/20

Zutreffend lobt Barbara Tóth den ORF in seinem Bemühen, Nachrichten in einfacher Sprache zu senden. Dazu eine Erfahrung: Ich löse fallweise in einem Lokal in Dornbach/Hernals Kreuzworträtsel in Tageszeitungen. Schon vor mir hat einer das Kreuzworträtsel ausgefüllt. Und da sehe ich leere Felder, wo nach ganz gewöhnlichen englischen Worten gefragt wird, die mein Vorgänger nicht wusste. Also: das Anliegen einfacher Nachrichten ist sehr wichtig.

Von Bekannten erfuhr ich Interessantes vom schwedischen Fernsehen, nämlich dass es Nachrichten in einfacher Sprache bietet. Viele ORF-Redakteure bekunden verbal ihren Einsatz für Migrationskreise. Da dachte ich, die schwedische Variante einfacher Sprache könnte der ORF aufgreifen. Ich teilte dies mehrmals dem ORF mit. Ich tat dies als Vizepräsident der „Vereinigung für Medienkultur“ mit Vereinssitz im Presseclub Concordia. Ich schrieb dies per Mail namentlich an den Chefredakteur der Wiener Redaktion der TV-Sendung „Bundesland heute“. Nach einiger Zeit lautete dessen Antwort: Er sei sehr skeptisch.

Ich ließ nicht locker. Mit Bekannten des Translations-Institutes (früher : „Dolmetschinstitut) suchte ich die Chefredakteurin der Sendung „Heimat fremde Heimat“ am Küniglberg auf, und wir hatten ein gutes, langes freundliches Gespräch. Doch wir erhielten keine weitere Nachricht über die Realisierung unseres Anliegens. Da schrieb ich noch einmal an eine kompetente ORF-Stelle mit der wortwörtlichen Formulierung „Nachrichten in einfacher Sprache“. Dies wurde an die Abteilung orf.news.at weitergeleitet. Diesen Briefwechsel kann ich lückenlos dokumentieren. (Siehe Blog: www.medienkultur.at 19.Nov. 2019, 2. Dez. 2019).

Wie bekannt, bringt nun der ORF Nachrichten in einfacher Sprache, lobt sich und wurde auf der Webseite einer Tageszeitung sehr gewürdigt. Kann nicht vom ORF erwartet werden, dass er die Erst-Initiative der „Vereinigung für Medienkultur“ irgendwann und – wo erwähnt oder dies zumindest uns mitteilt. In ähnlicher Weise regte ich an, dass der ORF nicht nur Kochkurse, sondern auch Sprachkurse anbietet, um Deutsch zu lernen, wie dies ja auch in Wiener Volkshochschulen passiert. Der ORF hätte hier die Chance, breite Kreise zu erreichen.
Hans Högl, Wien 17, Soziologe

Soziale Zeitbombe in Italien!?

Hans Högl
Der ausgezeichnete ORF-Kommentator Dr. Armin Wolf lobte die Auslandsberichte der „Neuen Zürcher Zeitung“. Hier ein Beispiel einer exzellenten Sachanalyse von Italiens Situation.

Es gibt in der EU-Uneinigkeit darüber, w i e dem Süden Europas so Italien beizustehen ist -mit Krediten oder ohne oder in einer Mischform. Vordringlich ist es, auf die gravierende Situation in Italien selbst zu blicken. Die Lage Spanien wäre eigens zu erörtern.

Kein Zweifel: Italien muss selbst intern viele Probleme lösen. Doch die Situation in Italien ist so gravierend, dass ein massiver EU-Beistand dringend geboten ist. Dies geht aus Detail-Analyse der „Neuen Zürcher Zeitung“ vom 7. Juli 2020 hervor: Der Beitrag lautet: „Das Schwierigste steht Italien noch bevor“.

Daraus zentrale Aussagen: Ein Drittel aller italienische Haushalte hat im Lockdown Einkommenseinbußen von über 30 %, ein Sechstel sogar solche von 50 % und mehr erlitten. Mehr als 10 % der Haushalte verfügen schon jetzt über keinerlei Reserven mehr, 30 % werden nach eigener Einschätzung Ende August ohne Ersparnisse dastehen und am Ende des Jahres über 40 %.

Die Armut in Italien nimmt zu. 10 % der Bevölkerung arbeiten in der Schattenwirtschaft, 1 Mio Haushalte oder 5 % leben ausschließlich von irregulärer, unsicherer Arbeit. Und wo die Schattenwirtschaft sich ausbreitet, kann das organisierte Verbrechen seinen Einfluss verstärken.

Es ticke eine soziale Zeitbombe heißt es, es drohe ein Heer von Arbeitslosen und Proteste, sogar Hungeraufstände, wenn im Spätsommer der von der Regierung verfügte Kündigungsschutz auslaufe. Das schreibt das als sehr nüchtern bekannte Schweizer Blatt.

Gegenmaßnahmen werden erwogen: Man könnte die Kurzarbeit erstrecken, mit Steueranreizen die Schaffung unbefristeter Arbeitsstellen fördern. Insgesamt habe die Krise den gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt und das Vertrauen in staatliche Organisationen. Auf der politischen Bühne merke man aber davon wenig.

Wirtschaftlich hat das Corona-Virus, wenig überraschend, vor allem schwächere Teile der Bevölkerung getroffen: die Jungen, die Alten, die Frauen, die Unterschicht, den Süden des Landes. Die Jungen habe noch mehr Mühen auf dem Arbeitsmarkt.