Archiv für den Monat: November 2022

Medien/Politik-ein unheilvolles Verhältnis

Einflussnahme auf Medien hat es immer gegeben. Ja, aber in den letzten Jahren hat sich da eine neue „Qualität“ entwickelt.

Udo Bachmair

„Das war früher auch nicht anders“–so lautet die Mehrheitsmeinung zur speziell in Österreich besonders ausgeprägten „Kultur der Verhaberung“ zwischen Politik und Medien.

Versuche von Einflussnahmen seitens der Politik auf die Medien und umgekehrt Liebedienerei von Medien gegenüber Polit-Eliten hat es freilich früher auch schon gegeben.

Während jedoch seinerzeit vor allem politische und ideologische Deutungshoheit im Vordergrund gestanden ist, so dominiert heute weitgehend inhaltlos reines Machtstreben.

Eine Entwicklung hin zu inhaltlicher Leere, die vor allem der massive Einsatz von „Message Control“ in der Zeit von Kanzler Sebastian Kurz „salonfähig“ gemacht hat.

Im Gegensatz etwa zu Bruno Kreisky, Alois Mock oder Franz Vranitzky, die für Inhalte gestanden sind, haben sich Kurz/Co. als pure Machttechnokraten erwiesen.

Gut auf den Punkt gebracht hat das heute eine Analyse der Tageszeitung Der Standard. Hier ein Zitat:

„Wer keine Inhalte hat, muss sich auf Inszenierung verlassen. Und auf Mikromanagement bis in die Redaktionen hinein. Bei Sebastian Kurz merkte man als erfahrener Journalist bald die Leere. Dabei bot er einerseits selbst den Medien erstaunliche Nähe und Zugang an, intervenierte aber gleichzeitig in die Medien hinein- mit Drohung und / oder Bestechung. Er fand bei manchen willige Helfer, das wirkt jetzt nach.“

Im Kampf gegen die Klimakrise

Die Welt-Klimakonferenz in Ägypten plädiert für große und kleine Schritte im Kampf gegen die Klimakrise. Zum Thema ist ein interessantes Buch erschienen.

Hans Högl

Buch-Rezension: Deepa Gautam-Nigge: Ecosystem Innovation. Mit Innovationen unsere Zukunft sichern, Freiburg (Haufe Group), 2022.

Zum idealen Zeitpunkt der internationalen Klimakonferenz erscheint ein Öko-start-up Buch. Doch noch kleinere Öko-Schritte zählen, so bringt die Grazer „Kleine Zeitung“ täglich links oben S. 2, sehr gut positioniert, kurze Ökotipps und einen Beitrag über Studierende, die für Anfängerstudien mit 333 € belohnt wurden. Ja- dies sind weltweit Bagatellen, aber Realschritte. Das ökologische Anliegen bekommt Wurzeln und ist mehr als politisches Trara.

Nun zur Rezension des mit vielen Fotos einladenden, schön gegliederten Sammelbandes, zu dem man gerne greift. Umfang: 299 Seiten. Der Name der Autorin überrascht: Sie hat eine Zuwandererbiografie, ihre Eltern kamen aus Nepal, landeten 1972 am Frankfurter Flughafen – mit zwei Koffern und 250 DM und als Mediziner. Sie ließen sich auf eine neue Kultur und Sprache ein (S. 30 f). Unter Migranten sind es Macher, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und Risikos einzugehen. Die Autorin, Rheinländerin, studierte BWL mit Fokus auf Technologie- und Innovationsmanagement und lebt mit ihrer Familie in München.

Vor mehr als zehn Jahren wurde ein Projektleiter gesucht. Thema: Ecosystem Innovation. Deepa meldete sich. Vorgaben keine, Erwartungen unklar. Sie stellt ein interdisziplinäres Team mit bisher Unbekannten zusammen – acht Köpfe aus dem Marketing, Produkt- und Personalmanagement. Die Aufgabe: Man nehme eine fast fertig ausgereifte Innovation, die noch nicht den Weg zur breiten Kommerzialisierung gefunden hat und motiviere Menschen, diese Technik anzuwenden. Das Ergebnis: überwältigend (S.18).

Beim Buchprojekt ging es ähnlich zu: Es betraf mehr Vernetzung bei Innovationen. Wolf Lotter, Gründer des Wirtschaftsmagazins „brand eins“, wurde zur breiten, deutschen Skepsis versus neuer Technologien befragt. Lotter: Das politische System blieb seit Bismarck relativ autoritär, und es fehlt, was in Frankreich, England und in den USA selbstverständlich ist, an Citoyens, selbstbewussten Bürger:innen, die sagen: Das nehme ich in die Hand (S. 38). So findet sich im Buch wiederholt die Frage, was der Staat tun könne. (Auch in Österreich wird immer wieder nach dem Staat als einzigen Problemlöser gefragt – trotz Politik(er)-Verdrossenheit…).

Deepa Gautam-Nigge beschäftigt sich seit zwei Dekaden – mit der Markeinführung von Eco-Innovationen. Und sie zählt sich zu den 20 Prozent der Menschen, die Neues suchen (S. 18). Unternehmen mit Diversität an Belegschaft haben eine bis 20 Prozent höhere Innovationsrate. In den USA sind die Hälfte aller Unicorns, die mit mindestens 1 Milliarde $ bewertet sind, von Migranten oder deren Kinder gegründet worden. In Deutschland sei das Willkommen versus ausländischen Arbeitskräften kühl: Bei der Bewertung, wie einfach es ist, sich einzuleben, kommt Deutschland erst auf Platz 56 von 65 Ländern (S. 32). Doch in Berlin und München sind Arbeitsteams international stark aufgestellt.

Auf der Suche nach dem optimalen Start-up-Ökosystem geht der Blick ins Silicon Valley. Als Hauptzutaten für den Erfolg werden gemeinhin genannt: Technologien, Talent, Kapital (S. 82). Deepa: Wir dürfen, wenn wir über Defizite sprechen, die vielen positiven und mutmachenden Beispiele, die Erfolgsgeschichten deutscher start-ups, nicht aus dem Auge verlieren (S. 28). „Lieber einmal weniger darüber nachdenken, was alles schief laufen könnte… (wie dies Medien gern tun), „sondern optimistisch davon ausgehen, dass es gut gehen wird“ (S. 33). Innovation gelingt an den Schnittstellen diverser Netzwerke. Deutschland hat auch innovative Zentren- so die RWTH Aachen mit Prof. Günther Schuh, und die vielen Mitautoren belegen es. Faktum ist, dass Unternehmen auch mit Ökologie gut verdienen können – so ein Betrieb in meiner Wohnumgebung.

Das Buch will Zukunft gestalten. Deutschlands Abstand zu den Innovationsspitzenreitern Schweiz, Singapur und Belgien ist groß. Es liegt auf Platz 17 der 60 wettbewerbstüchtigsten Ländern (S. 19f.).

Anbiederung an Machteliten

Angesichts der Chataffären rund um „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak und ORF-TV-Chefredakteur Matthias Schrom hat „Reporter ohne Grenzen“ eine Liste mit Vorschlägen erstellt, um die Unabhängigkeit der Berichterstattung in Österreich zu stärken.

Udo Bachmair

Der mittlerweile beurlaubte ORF-Chefredakteur Schrom beruhigt 2019 in einem SMS den damaligen Vizekanzler und FPÖ-Chef Strache: „Die, die glauben, die SPÖ retten zu müssen, werden im ORF weniger“.
„Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak bittet Thomas Schmid, den früheren Generalsekretär und Vertrauten von Ex-Kanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz, sich für ihn als künftigen ORF-Generaldirektor einzusetzen.
ÖVP-Großspender Alexander Schütz bezeichnet ORF und APA als „rotes Zeckenparadies“, in dem „aufgeräumt“ gehöre.

Ein nur kleiner Ausschnitt aus nun bekanntgewordenen bedenklichen Chats, in denen Chefredakteure und „Sponsoren“ sich mit Politikern über Personal, Inhalte, Kollegen unterhalten.

Vor dem Hintergrund dieser neuen Enthüllungen ist auch der renommierten Organisation „Reporter ohne Grenzen“ der Geduldsfaden gerissen. Der engagierte neue Vorsitzende von RSF, Univ.Prof. Fritz Hausjell, hat mit sofortiger Wirkung eine Internet-Plattform für Medienschaffende eingerichtet, die die Möglichkeit bieten soll, Verstöße aufzuzeigen, „wenn nötig anonym“.

Um die Unabhängigkeit der Berichterstattung in Österreich zu stärken, hat „Reporter ohne Grenzen“ auch eine Liste an rasch zu realisierenden Vorschlägen erstellt:

>>Gründung einer Aufklärungskommission, die in Machtmissbrauchsfällen unabhängig ermittelt.
>>Stärkung von Redaktionsräten als Kontrollorgan, durch das journalistische Unabhängigkeit garantiert werden kann.
>>Compliance-Regeln mit klaren Richtlinien u.a. in Bezug auf Grauzonen.

Prof. Fritz Hausjell (Mitglied des Beirats der Vereinigung für Medienkultur) gegenüber der APA wörtlich :

„Die klare Distanz von Journalist*innen zu Machteliten in Politik, Wirtschaft und anderen gesellschaftlichen Bereichen ist eine wesentliche Voraussetzung für unabhängigen Journalismus. Dieses Selbstverständnis muss in Österreich bei einem Teil der handelnden Akteur*innen im Journalismus nachgeschärft werden. Die Medienkritik in den Medien selbst hat bisher zu wenig konsequent als Watchdog gegenüber den eigenen Reihen gearbeitet“

Katholikenregel und Klimawandel

Fleischfreier Freitag könnte das Klima erheblich verbessern, so eine britische Studie.

Hans Högl zitiert aus der Zeitung von Pater Udo (Göttweig) www.p-udo-ja.at

Laut einer neuen Studie der Universität Cambridge könnte Papst Franziskus einen erheblichen Einfluss auf das Klima nehmen. Denn wenn das Kirchenoberhaupt den fleischfreien Freitag, wie er früher in katholischer Tradition üblich war, wieder einführen würde, könnten damit jährlich Millionen Tonnen CO2 eingespart werden, heißt es in einer Studie der Hochschule.

Die Forscher nahmen als Grundlage Zahlen aus dem Vereinigten Königreich: Als 2011 die katholischen Bischöfe von England und Wales zur Rückkehr zum fleischfreien Freitag aufgerufen hatten, habe ungefähr ein Viertel der rund sechs Millionen Katholiken seine Essgewohnheit dementsprechend umgestellt. Dadurch wurden laut der Studie rund 55.000 Tonnen Treibhausgase im Jahr eingespart. Das zeige, dass, selbst wenn global nur eine Minderheit der Katholiken dem Aufruf des Papstes folgen würde, das den CO2-Ausstoß schon erheblich reduzieren könnte, betonte Larcom.

„Mit mehr als einer Milliarde Mitgliedern auf der ganzen Welt ist die Katholische Kirche in einer sehr guten Position, um den Klimawandel abzumildern“, erklärte Studienleiter Shaun Larcom. Franziskus habe sich immer wieder entschieden für radikale Antworten auf den Klimawandel ausgesprochen. „Wenn der Papst die Verpflichtung zum fleischfreien Freitag wieder für alle Katholiken der Welt einführt, könnte das einer der wichtigsten Ausgangspunkte für günstige Emissionsverminderungen sein“, so Larcom.

Brasilien nach der Wahl

Die Präsidentenwahl in Brasilien ist geschlagen. Dem neuen alten Präsidenten Lula bleibt vor allem im Bereich Soziales noch viel zu tun.

Hans Högl

Während Bolsonaros Anhänger das Wahlergebnis nicht anerkennen wollen, laufen Brasiliens demokratische Institutionen tadellos. Drei Stunden nach der Wahllokale stand am Sonntag das Wahlergebnis fest – im fünftgrössten Land der Welt mit 215 Millionen Bürgern. Kurz danach schon erklärten die Spitzen von Abgeordnetenhaus, Senat und Oberstem Gericht, dass die Wahl sauber verlaufen war. Am Tag danach begannen die Bürokratien in Brasilia, den Machtwechsel vorzubereiten.

Lula hat zur Zeit seiner Präsidentschaft viel getan, um Armen zu helfen. Hier bleibt weiter noch viel zu tun. Ich erinnere mich an eine brasilianische Univ.-Professorin, die ich in Wien bei einem Kongress vor Lulas 1. Präsidentschaft kennenlernte, dass sie anlässlich von Besuchen in Wiener Sozialeinrichtungen ein unglaubliches Worte sagte: „Ihr lebt in einem Paradies“.

Tatsache ist, dass in vielen Ländern des Südens und bei deren Intellektuellen keine Vorstellung davon besteht, in welchem Ausmaß in den Ländern der immer noch bestehenden sozialen Marktwirtschaft in Europa soziale Einrichtungen bestehen (Kranken-,Sozial-, Arbeitslosenversicherung). Selbst US-StudentInnen schütteln unglaublich den Kopf über vorhandene Studienunterstützungen. Solches wird in den USA als kommunistisch bezeichnet.

Menschen aus dem globalen Süden würden sich die Hände vor Glück reiben über die vorhandenen Sozialleistungen, die es in Österreich, Deutschland, den Niederlanden und Skandinavien gibt. Interessanterweise kommt dies in Europa bei bestimmten Kreisen überhaupt nicht in den Blick. Es fehlt ein historischer Vergleich. Wer konnte sich damals wie heute einen Urlaub am Roten Meer leisten. Vor der Republik doch nur Großbürger und Adelige. Solches wird völlig übersehen. Welche Breitenwirkung der Wohlstand in Republiken und europ. Industriestaaten genommen hat, wird übersehen. Doch es gibt dennoch viel Unzufriedenheit über vorhandene Ungleichheit und manche nützten dies, um Neid zu schüren und Agitation.