Archiv für den Monat: Dezember 2023

Nachdenken über echte Menschenwürde

Über die Krise der Menschenrechte ist in letzter Zeit viel berichtet worden. Reflexionen über echte Menschenwürde haben dabei jedoch weitgehend gefehlt.

Wolfgang Koppler *

75 Jahre sind es nun her seit der Erklärung der Menschenrechte durch die UNO. Am 10.12.1948 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen in Paris die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte in einer Resolution verkündet. Die Medien haben sich diesem Jahrestag in zahlreichen Beiträgen gewidmet, die – soweit ersichtlich – fast alle zu dem Schluss kommen, dass die Menschenrechte in einer Krise stecken.

Auch UNO-Generalsekretär Guterres kommt in einem am Dienstag in der ORF-Sendung ZiB2-History ausgestrahlten Interview zu dem Schluss, dass bei der Verwirklichung der Menschenrechte schon seit Längerem mehr Rückschritte als Fortschritte zu verzeichnen sind. Gefährdet sei schon einmal das wichtigste Grundrecht, nämlich jenes auf Leben. Sieht man sich die Leichtfertigkeit an, mit welcher in zahlreichen Kriegen Menschenleben geopfert werden – ob von Verteidiger- oder Angreiferseite – muss man Guterres Recht geben. Da zählen auch Hunderttausende Tote wenig. Von Hunger und Armut in den so genannten Entwicklungsländern (die durch Kriege und Klimakrise verschärft werden) ganz zu schweigen.

Da werden Menschenrechte oft zum leeren Wort. Das Recht auf Leben und erst recht zivile und politische Rechte. Kein Wunder, wenn dann jene, die sich`s leisten können, in die materielle Selbstverwirklichung fliehen. Und demokratische Mitbestimmung geringschätzen.

Alle Menschen sind gleich an Würden und Rechten geboren…Ganz kalt lässt uns der Satz in der Präambel trotzdem nicht. Schon rein intuitiv würde dem jeder Mensch zustimmen. Es ist unser aller Sehnsucht nach Menschlichkeit. Erst wir Europäer schafften es, aus Menschen eine Sache zu machen. Das römisch-rechtliche Denken konstruierte Sklaven als Sache, was den Sklavenhandel wesentlich erleichterte. Bis weit ins 19.Jahrhundert.

Und unser materialistisch-naturwissenschaftliches Denken lieferte die Voraussetzungen, Menschen abzuwerten.
Wurde nicht auch der Rassismus naturwissenschaftlich begründet ? Oder die angeblich geringere Intelligenz der Frauen ? Und liefern wir nicht auch jetzt noch rationale Begründungen für die angebliche Überlegenheit des neoliberalen Kapitalismus ? Obwohl er nicht nur die Welt, sondern auch unsere eigenen Gesellschaften und die Demokratie ruiniert ?

Wir versachlichen alles. Auch den Staat als res publica. Statt als lebendiges Gemeinwesen.

Es ist Zeit, über echte Menschenwürde nachzudenken. Über globale Werte. Im Rahmen der UNO.

Sie könnten vielleicht die Grundlage für die Erklärung der Menschenrechte liefern. Ob man Letztere nun aktualisiert oder nicht.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist. Er lebt in Wien.

Ministerien als Schauplätze der Macht

Manfred Matzkas neu erschienenes Buch „Schauplätze der Macht. Geheimnisse. Menschen. Machenschaften“ (Verlag Brandstätter) bietet besondere Informationen vor allem zur sozialen Entwicklung Österreichs.

Hans Högl

Was Medien so intensiv beschäftigt, sind für Manfred Matzka Blitzlichter. Er- viele Jahre Präsidialchef des Bundeskanzleramtes- kennt die Interna Österreichs Politik und sieht Lücken an Dokumenten: Es fehlen seit 25 Jahren inhaltlich aussage- kräftige Ministerratsprotokolle. Umso aufschlussreicher sind Bücher, die Geschehen weitergeben, ist der letzte Satz in seinem Buch. In ihm durchqueren wir per Ministerien Österreichs Geschichte der 1. u. 2. Republik und blicken in die eindrucksvolle Baulichkeit der Ministerien.

Nicht nur wer an öffentlichen Dienst denkt, dem ist dieses Buches zu empfehlen. Es erhellt die Rekrutierung von Personal. In der Inhaltsfülle frappieren markante Informationen – so das Versagen von Bundespräsident Wilhelm Miklas, dann kürzlich geschredderte Ministerratsprotokolle und die grundlegenden Sozialreformen um 1920. In der Herrengasse ergeht das Narrativ vom verstopften Kamin in Minister Franz Ohlas Büro, über seinen Vorgänger berichtet Minister Staribacher (1970-1983): Vor 1970 sollen barocke Kamine und Schornsteine reaktiviert worden sein.

Im Jahr 2000 beklagten sich Minister über gelöschte Computer. Die Schredder-Affäre ist präsent. Über länger Zurückliegendes schwiegen Medien. Daran zeigt sich Qualität von Büchern in Relation zu schnell hingeworfenen Berichten ohne historischen Bezug. Die Vernichtung von Dokumenten ist von Belang, doch das Versagen von Bundespräsident Wilhelm Miklas war tiefgreifend. Ab 1928 war Miklas Präsident. „Er war von Anfang an ein willfähriger Parteisoldat seiner Kanzler.“(p. 71 f.). „Er versagte kraftlos in der Phase der schrittweisen Aushöhlung der Demokratie und Verfassung durch die Regierung. Nach der Ausschaltung des Nationalrates im März 1933 unterließ er es, Neuwahlen einzufordern oder die Regierung nach ihrem formalen Rücktritt durch eine verfassungstreue zu ersetzen…“.

Und nun ein Blick zurück in die Jahre um 1920, zur unglaublichen Leistung von Sozialminister Ferdinand Hanusch. Er wuchs sehr ärmlich als schlesischer Weber auf, konnte mit elf Jahren kaum lesen und schreiben, wurde bekannter Gewerkschaftsführer und Abgeordneter in der Monarchie und Gigant der Sozialpolitik- obwohl er nur zwei Jahre Sozialminister war (p. 181). Er nützte konstruktiv die dramatische Not nach dem 1. Weltkrieg und in Wochentakt ließ er mit einem kleinen Team 83 Gesetzestexte formulieren, um eine Rätediktatur wie in München und Budapest zu verhindern, argumentierte er.

Ferdinand Hanusch wurde 1866 in Oberdorf in Österreichisch-Schlesien geboren, war sozialdemokratischer Politiker, gründet die Arbeiterkammer und prägt österreichische Sozialpolitik mit maßgeblichen und international vorbildlichen Gesetzen: Den Mindestlohn, das Verbot der Kinderarbeit, den 8-Stundentag, die 48-Stundenwoche, die Sozialversicherung, den Urlaubsanspruch, das Betriebsrätegesetz, die Arbeitslosenunterstützung, das Arbeiterkammergesetz. das Kollektiv-Vertragsgesetz (p. 182). Es sind tiefgreifende politische Leistungen am Beginn der 1. Republik, gut zu wissen für alle Demokratie-Zweifler.

Matzkas verweist auf den christlich-sozialen Richard Schmitz, einem Sozialminister, später Bürgermeister von Wien. Dieser hielt an den Sozialgesetzen fest, unterstützte den Bau der Höhenstraße. Die Nationalsozialisten sperrten ihn ins KZ. Etwas kurz gerät der Bericht über die Landwirtschaftsminister. Der erste Minister ab 1945 war der Bauer Josef Kraus – gleich- zeitig Obmann des Milchwirtschaftsfonds und Vizegeneralanwalt von Raiffeisen (p. 172 f.). Der ehemalige Bauernbunddirektor Eduard Hartmann war bis 1964 Minister. Auch er war „nebenher“ Generalanwalt von Raiffeisen.

Die verstaatlichte Industrie war meist in roten Händen: Deren Skandale erschrecken: Jene rund um Krauland, das Liefern von Noricumkanonen als neutrales Land ins Kriegsgebiet des Nahen Osten, die WBO-Involvierung NÖs, die Eurofighter-Ausschreibungen, das Aufsichtsversagen bei der Hypo-Alpen Adria, der Bau des Klagenfurter Stadions, die Telecom Affäre, die Geschäfte rund um den Blaulicht-Rundfunk, die merkwürdigen Corona-Masken-Ankäufe, der Inseraten-Missbrauch… (S. 203).

Zum Finanzministerium: Hier ist von Mag. G. die Rede und vom Skandal um die Bundeswohnungen (Buwog). Der volle Namen des Ministers wird vermieden. Schon im Jahr 2000 wurde die zum privaten Vorteil ausgeübte Ministertätigkeit von Sachverständigen gerügt. Der Prozess ist im Jahr 2023 noch nicht zu Ende….also nach 23 Jahren, fast nach einer Generation – ein maßloses Verzögern meint der Rezensent.
Oft war das Justizministerium in Händen von Deutsch- Nationalen und in der 2. Republik der Freiheitlichen…..
Doch Kreiskys Justizminister Christian Broda machte Schluss mit dem „Mann als Haupt der Familie“, beendete die Diskriminierung unehelicher Kinder. In seiner Zeit wurde die Strafbarkeit der Abtreibung und der Homosexualität ab-
geschafft. Obwohl angefeindet- blieb er konsequent. Sein häufiger Satz: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“

Zum Innenministerium: Der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit befehligt (!) strikt hierarchisch 30.000 bewaffnete und mit weiteren Befugnissen ausgestattete Menschen (p. 134). Es ist wichtig, mit dieser großen Macht behutsam umzugehen.

Unter Innenminister Blecha verschwand ein Telegramm von Österreichs Botschafter Amry, in dem er von den seltsamen, neutralitätswidrigen Wafffenlieferungen der Firma Noricum aus Liezen in den Nahen Osten berichtete. In der Folge kam es zu seltsamen Todesfällen – nicht nur von Botschafter Amry und dem „pumperlgesunden“ Sozialdemokraten und Voestmanager Dr. Apfalter (wie mir Kenner aus dessen Mostviertler Heimat berichteten). Minister Blecha und Beamte wurden verurteilt, schreibt M. Matzka. Blecha war auch mit seinem Freund Udo Proksch verwickelt….

Ministerien sind Schauplätze der Macht. Minister wechseln oft, Beamte sind das verlässlich tragende Element.

Handyverbot in Schulen?

In der laufenden Debatte um Handys in Schulen mehren sich in Medien Forderungen nach einem Verbot.

Hans Högl

Wer auch nur fallweise öffentliche Verkehrsmittel nützt, sieht in welchem Ausmaß das Handy benutzt wird – auch von Schülern und Schülerinnen. Wer beobachtet je, dass irgendetwas vom Unterricht wiederholt wird? Dazu brachte das Blatt „Die ganze Woche“, das ich gelegentlich wegen des guten TV-Programms kaufe, einen bemerkenswerten Beitrag zum Handy-Gebrauch in Schulen (Nr 41/2023)

Die Schlussfolgerung daraus: „Welche Regelung es im Umgang mit dem Mobiltelefon gibt, bestimmt jede (österreichische) Schule selbst.“ Ein generelles Verbot sei „weder sinnvoll noch umsetzbar“, sagt der Pflichtschul-Gewerkschafter Paul Kimberger.

In der Einleitung des Beitrages wird allerdings darauf verwiesen, dass in Frankreich bereits ein Handy-Verbot in Schulen besteht, und Großbritannien und die Niederlande führen das Handy-Verbot in der Schule ein.

In der Mittelschule in Gleisdorf in der Steiermark legen die Schüler und Schülerinnen nach Betreten der Schule das Handy in ihren Garderobenspind. Dies ist Teil der auch mit den Eltern gemeinsam vereinbarten Hausordnung, sagt Schuldirektor Bernhard Braunstein.

Am 6.Juli 2019 schrieb ich bereits Folgendes: In einer internationalen Studie wurden auch 7.600 österr. Schüler/innen befragt, nämlich in der 5.,7.,9.,11. Schulstufe. Demnach beschäftigt sich ein Viertel aller Mädchen und ein Fünftel aller Burschen täglich mehr als fünf Stunden im Sitzen oder Liegen mit dem Handy.