Archiv für den Monat: Juli 2024

Trumps Vize Vance und die Religion

J.D. Vance, US-Vizepräsident im Falle eines Wahlsiegs von Donald Trump und der Stellenwert der Religion bei den US-Republikanern. Ein Exzerpt zum Thema aus „Christ in der Gegenwart“ vom 28.7.2024, p.3 f..

Hans Högl

Selten wird in Österreichs dominierenden Medien der Bezug von Religion und US-Präsidentschaftswahl explizit und ausführlich dargestellt. Darum verdient der ganzseitige Beitrag dazu in der neuesten Ausgabe von „Christ in der Gegenwart“ (Herder-Verlag) explizite Aufmerksamkeit für die „Medienkultur“ als exklusives Angebot. Den Bezug von Religion und Politik erläutert ein katholischer Theologieprofessor in den USA, ein Spezialist für das Verhältnis von Kirche und Staat, der gebürtige Italiener Massimo Faggioli.

Wer weiß denn z.B: „Präsident Eisenhower wurde ungetauft zum Präsidenten gewählt und hat sich erst nach seinem Amtsantritt taufen lassen, nach dem Motto: „Wir sind ein auf Gott gegründetes Land“.

„Die USA sind in den letzen 10 Jahren säkularisierter und die Politik ist säkularer geworden: zuerst bei den Demokraten, aber zuletzt auch unter Trump“. Bei den Republikanern wird das Narrativ gepflegt, „dass wir Republikaner alle für Religion sind, weil Amerika auch ein religiöses Projekt und Land ist, es ist jedoch bedeutungsleer geworden.“

„Diese Entwicklung hat auch damit zu tun, dass die Republikanische Partei jetzt sehr von den Größen des Silicon Valley bevorzugt wird. Dort ist eine Weltanschauung verbreitet, die post-religiös ist…. Es gibt bei den Republikanern auch weiterhin eine theokratische Seite, aber sie ist in der breiteren Bevölkerung marginal geworden. Es ist eine andere Partei als unter George W. Bush, der ein evangelikaler Präsident war.“ .. Gerade die junge Generation von republikanischen Wählern identifiziert sich hauptsächlich mit der Religion über ihre Opposition gegen Demokraten oder säkulare Liberale und weniger über Inhalte.“ „Joe Biden und Nancy Pelosi sind als Katholiken in Amerika geboren und erzogen worden“.

J.D. Vance verkörpert diese neue Generation von Katholiken, die sich aus Enttäuschung über den amerikanischen Protestantismus – der ihnen viel zu liberal und offen für weibliche Priesterinnen sowie für gleichgeschlechtliche Ehen geworden ist – für den Katholizismus entschieden haben.“
„Jetzt ist Religiosität eine Entscheidung bzw. ein Statement gegen die Mainstream-Kultur.“
Diese Konversionsbewegung hat in den 80-er und 90er-Jahren begonnen und vor allem Journalisten und Intellektuelle betroffen, aber mit J.D. Vance hat sie nun einen hochrangigen Politiker, der der nächste Vizepräsident oder sogar Präsident werden könnte.“…..“In seiner Rede beim Republikanerkonvent hat er seinen Katholizismus nicht erwähnt.“

Diplomatie mehr denn je gefordert

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist wie viele andere Kriege auch ein Informationskrieg. Propaganda für die eine oder andere Seite überwiegt je nach Standpunkt und Interessenslage. Westliche Politik und Medien haben sich nach jahrzehntelanger antirussischer Feindbildpflege konsequenterweise voll auf die Seite Kiews geschlagen und plädieren mehrheitlich für die Lieferung immer schwererer Waffen. Dabei überbieten sie einander an Kriegsrhetorik. Friedensrhetorik ist kaum zu vernehmen. Vor diesem Hintergrund ist bzw. wäre eine differenzierte und deeskalierende Annäherung an diese komplexe Causa höchst nötig und sinnvoll. Ein eher positives Beispiel dafür hat nun die Politikwissenschafterin Nina Chruschtschowa geliefert. Sie war jüngst Interview-Gast in der ZiB 2
(Einleitungstext Udo Bachmair)

Wolfgang Koppler *

Nina, Chruschtschowa, die Enkelin von Nikita Chruschtschow, die seit den 90-er Jahren in der USA lebt und zur Eröffnung der Salzburger Festspiele nach Österreich eingeladen wurde, war mir zwar schon seit längerem bekannt, ebenso ihre auch dem Westen gegenüber kritische Haltung. Trotzdem fürchtete ich angesichts der aufgeheizten Stimmung und des öffentlichen Druckes, dass auch sie langsam mürbe gemacht worden wäre.

Ich war angenehm überrascht. Dass sie den Angriffskrieg ablehnt, hat sie schon früher deutlich gemacht, indem sie betont hat, ihr Großvater hätte diesen Krieg niemals angefangen.

Sie lehnt aber die Kategorien Gut und Böse ab und sieht eine Mitverantwortung der USA und Europas. Die Diplomatie hätte nach den ersten Kriegsmonaten ausgesetzt, obwohl sie gerade in einem Krieg mehr denn je gefordert sei. Den Besuch des ukrainischen Außenministers Dmytro Kuleba in Peking bzw. die Vermittlungsbemühungen Chinas sah sie positiv und ließ aufhorchen, als sie meinte, dass es nun auch in der Ukraine Erwartungen gebe, den Krieg vielleicht bis Jahresende zu beenden.

Sie zeigte sich aber realistisch genug, die Chancen auf eine Friedenslösung aus heutiger Sicht als gering einzuschätzen. Die Haltung auf beiden Seiten hätte sich (Anm: nach Jahren unablässiger Kriegsführung und Propaganda) verhärtet und Putin sähe sich derzeit im Vorteil, zumal die Sanktionen nicht die vom Westen erhoffte Wirkung gezeitigt hätten.

Trotzdem sah sie Verhandlungen nicht als aussichtslos an, wobei sie es vermied, konkrete Lösungsvorschläge zu machen. Wohl deswegen, weil man im derzeitigen Stadium nichts präjudizieren sollte. Die Parteien müssen selbst den Kompromiss erarbeiten und ihre Schmerzgrenzen feststellen. Sie ließ aber anklingen, dass weder das Thema Neutralität noch Gebietsfragen unüberwindbare Hindernisse darstellten.

Angenehm wieder einmal die zurückhaltende und nur die wirklich notwendigen Fragen stellende ZiB 2-Moderatorin Marie-Claire Zimmermann. Mich störte lediglich die Bezeichnung „Kommunistenchef“ für Chruschtschow. Dem verstorbenen Staats- und Parteichef verdanken wir immerhin den Staatsvertrag, der in der sowjetischen Führung gar nicht so unumstritten war. Auch sein letztlich eleganter Kompromiss der zugegebenermaßen von ihm ausgelösten Kubakrise sollte nicht vergessen werden, da er zeigt, wie man mit ein bisschen Kreativität und Flexibilität auch aus scheinbar ausweglosen Situationen wieder herauskommt: Man entschloss sich hinter den Kulissen, nicht nur die russischen Raketen aus Kuba, sondern auch die amerikanischen aus der Türkei abzuziehen. Was im Westen lange Zeit verschwiegen wurde.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Schweizer Neutralität in der Praxis

Der Zürcher „Tages-Anzeiger“ berichtet heute von einem Fall, der verdeutlicht, wie strikt die Schweiz Neutralität auffasst.

Zitate daraus hat Hans Högl ausgewählt

„Zurück in die Ukraine: Menschen mit Schweizer Staatsangehörigkeit, welche für die Ukraine kämpfen, müssen hierzulande mit einer Strafe rechnen. Denn: Fremder Dienst ist verboten. Doch das hat Jona Neidhart nicht davon abgehalten.

Nach zwei Jahren in der Ukraine, unter anderem auf dem Schlachtfeld im Donbass, kehrte er im Juni diesen Jahres in die Schweiz zurück. Eine Bestrafung nimmt der gebürtige Zürcher in Kauf, mehr noch: Er stellte sich selbst den Behörden, möchte gar eine harte Strafe. Mit seiner Geschichte will er die Schweiz «aufwecken» und kritisiert deren Haltung im Ukraine-Krieg als heuchlerisch.

Redaktor Thomas Knellwolf erzählt in seinem Text die Geschichte Neidharts: Was den 36-Jährigen dazu bewegt hat, für die Ukraine in den Krieg zu ziehen, was er dabei erlebt hat und warum er eine harte Strafe für sich will“ .

US-Wahl: Herkunft und Religion

Bei den wichtigsten Akteuren rund um die kommende US-Wahl fällt der jeweilige religiöse Hintergrund auf. Er lässt damit besondere Rückschlüsse auf Persönlichkeiten wie Kamala Harris oder J.D. Vance zu.

Hans Högl

Wie Obama – Sohn eines schwarzen Vaters aus Kenia und einer weißen Mutter aus Kansas – symbolisierte auch Kamala Harris, die wahrscheinliche demokratische Präsidentschaftskandidatin den kulturellen US – Schmelztiegel, der in dieser Ausprägung für Spitzenpositionen in wenigen EU-Ländern gut vorstellbar ist. Der Vater von Harris, Donald Harris, ist Wirtschaftsprofessor an der Stanford University und stammt aus Jamaika. Ihre Mutter Shyamala Gopalan, eine auf Brustkrebs spezialisierte Ärztin, wurde in Indien geboren. Das Mädchen Kamala besuchte Gottesdienste im Hindutempel und in der Baptistenkirche. Sie wuchs in Oakland auf, einer Stadt in der Bucht von San Francisco.

Trump hat den jungen Senator J.D. Vance zu seinem Stellvertreter (running mate) gemacht. Vance stammt aus einfachen Verhältnissen und hat sich hoch gearbeitet. Weniger bekannt wurde bisher, dass er 2019 getauft wurde und praktizierender Katholik ist und damit einer großen Wählergruppe angehört. Mit seiner hinduistischen (!) Frau und mehreren Kindern lebt er im Mittleren Westen. Bei den Amerikanern gilt die Demokratische Partei als elitär, urban und säkular. Und so sprechen die Republikaner eher den ländlichen Raum und vernachlässigte Gebiete an und die Freunde der Waffenlobby und agieren gegen Migration aus Mexiko.

Trump sprach einen Tag nach dem Attentatsversuch in einem Interview vom Glück oder von Gott gerettet worden zu sein. Dabei hat er begonnen, die sogenannte „God bless the USA-Bibel“ zu verkaufen. Sie enthält neben dem Alten und Neuem Testament zentrale Rechtssätze der USA wie die Verfassung. Dass er selber sich wenig sittlich verhält, ist bekannt. Und wer es zu Reichtum geschafft hat, gilt für den Puritanismus als von Gott gesegnet. Die obige Information zu Vance stammt aus dem insgesamt wenig bekannten Wochenblatt „Christ in der Gegenwart“ aus dem Herder Verlag (21. Juli).

Gute Nacht, Journalismus?

Millionen für Massenmedien ohne journalistisches Ethos schaden der Demokratie! Braucht‘s eine Stärkung der Medienvielfalt?

Ilse Kleinschuster *

Im Südwind-Magazin, einer von mir sehr geschätzten Zeitschrift für internationale Politik, Kultur und Entwicklung – https://www.suedwind-magazin.at/millionen-fuer-die-massenmedien/ – war kürzlich zu lesen: „Einige wenige bekommen sehr viel Geld und bleiben dementsprechend mächtig. Eine Stärkung der Medienvielfalt schaut anders aus.“
Mag sein, dass die Medienkrise zuvorderst eine ökonomische und regulatorische ist! Ich kann mir schwer vorstellen, dass in Folge der Journalismus in Österreich total unterminiert wird, denn, würde das nicht bedeuten, dass mit dem Wegfall sämtlicher öffentlicher Förderungen und Inserate in der Mehrzahl der noch bestehenden Tageszeitungen und in etlichen Verlagen das Licht ausgeht. Und das kann von Seiten der Politik wohl nicht gewollt sein!?!

Ich kann mir aber gut vorstellen, dass wir es in Österreich doch auch irgendwann einmal schaffen, dass – durch den Wegfall öffentlicher Subventionen – die Zahlungsbereitschaft der Menschen für unabhängige Medien beflügelt wird. Zeigt sich nicht bereits der Ansatz zu einem neuen Mäzenatentum im Journalismus an? Werden in den neuen digitalen Medien nicht immer stärker einzelne Personen sichtbar, die geschickt eine riesengroße Anhängerschaft mobilisieren und sie anzusprechen verstehen. Jedoch, Vorsicht! -Wie steht es nun wirklich mit dieser Vertrauenserosion und dem behördlich verfolgten Verdacht gekaufter Berichterstattung?

Ist es nicht das Schlimmste, das einer Massendemokratie passieren kann, Massen-/Leitmedien des Boulevard ohne journalistisches Ethos zu haben? Denn, wenn Demokratie nicht länger nur eine Frage des Systems, sondern auch eine Frage der Haltung und des Charakters der handelnden Personen sein soll, dann Gute Nacht, Demokratie! Und wenn Leitmedien die Komplexität des Zeitgeschehens nicht mehr allgemein verständlich vermitteln können, ohne dabei zu manipulieren, dann Gute Nacht, Journalismus! Es ist ein Teufelskreis! –„Mehr als an Geld fehlt es der Politik am Willen gute Rahmenbedingungen zu gestalten“, so Walter Hämmerle in seiner Publikation „Die unreife Republik – zum Zustand Österreichs“.

Tja, aber wie steht’s denn mit dem Willen der Zivilgesellschaft– Rahmenbedingungen zu schaffen, die sinnstiftenden Journalismus unterstützen, einen Journalismus, der als „vierte Gewalt“ im Staat dazu beiträgt, dysfunktionale Dinge zu verändern?

Diese „vierte Gewalt“ also, die ohne gesetzlich verankerte Gewalt mittels wahrhaftiger Berichterstattung und Vermittlung der öffentlichen Meinung eine Kontrollfunktion über die drei Staatsgewalten, Legislative, Exekutive und Judikative ausüben soll, um Machtmissbrauch zu verhindern. Sind die Österreicher*innen als Medien-Konsument*innen en kritisch oder nehmen sie was ihnen geboten wird -, am liebsten gratis! Das demokratische Selbstbewusstsein der Österreicher hält der ehemalige Chefredakteur der „Wiener Zeitung“ (heute Chef der Innenpolitik bei der „Kleinen Zeitung“) für unterentwickelt. Er mahnt eine parteiübergreifende Initiative für bessere Verwaltung ein, um dieser „Alibipolitik, wo das Erzählte reicht und nicht das Erreichte zählt“, ein Ende zu bereiten.

Zunächst einmal wäre schon viel gewonnen, wenn die Bürgerschaft fähig wäre, die PRESSE als public service, als einen öffentlichen Dienst, zu sehen, vergleichbar dem Gesundheits- und Bildungssystem, das ja eigentlich nicht marktfähig und deshalb nicht kommerzialisiert ist, sondern als gemeinnützige und öffentlich-rechtliche Einrichtungen zu organisieren wäre (etwa als eine Art Klima- und Umweltjournalismus). Kaum vorstellbar? – ein europäisches, öffentlich-rechtliches Netzwerk, das der algorithmischen Logik der kommerziellen Netzwerke nicht folgt, weil es ihnen nicht folgen muss -, ein öffentlich-rechtlicher Europafunk? – Ein nachhaltiger Aufklärungsjournalismus, der sich seiner eigenen Existenzvoraussetzungen bewusst und diesen verpflichtet ist: ein konstruktiver Journalismus, der sich mit der Demokratie gemein macht?

Nun ja, vielleicht ist das zu hoch gegriffen und wir sollten uns schon mal mit der Forderung nach qualitativen Voraussetzungen begnügen in dem Sinne, dass „der Kern des Journalismus weder darin liegt, Spielwiese für die individuellen weltanschaulichen Vorlieben der Journalistinnen und Journalisten zu sein, noch darin, jedem Ablenkungsmanöver der Politik eine Plattform zu bieten. Sein Ziel muss es sein, Sinn von Unsinn zu trennen, und den Menschen zu ermöglichen, sich ihre eigene Meinung zu den Themen der Zeit zu bilden. Dazu muss die Distanz zur Politik wachsen und die Kommunikationsübermacht regierender Parteien beschränkt werden. Längst arbeiten in den Content-Abteilungen von Ministerien und Landesregierungen mehr Menschen als in den Redaktionen.“ (Zitat Walter Hämmerle aus „Die unreife Republik“).

Nun hat aber in der Öffentlichkeit ein starker Strukturwandel stattgefunden und auch das bestehende Mediensystem befindet sich im radikalen Umbruch. Womöglich müssen wir uns grundsätzlich von der Idee stabiler Rahmenbedingungen im Hinblick auf Massenmedien und Journalismus verabschieden.

Wenn sich nun die Politik hinsichtlich der Ursachen für aktuelle Krisen solchen Fragen nicht wirklich gestellt hat, so haben sich kreative Menschen sehr wohl längst damit auseinandergesetzt und erkannt, dass Innovationen wie Künstliche Intelligenz ständig für neue Chancen, aber auch Gefahren sorgen.

Ich selbst stamme aus einer Zeit, in der Zeitunglesen und Fernsehen genügten, um sich als durchschnittlich gut informierter Mensch zu fühlen. Manchen werde ich nicht viel Neues berichten, aber vielleicht ist doch noch nicht allgemein bekannt, was ich kürzlich über den Newsletter vom Presseclub CONCORDIA aus dem letzten Teil einer 3-teiligen Sende-Reihe #journalimus erfahren habe – www.w24.at/Sendungen – # ZUKUNFT – Medienzukunft in Wien – mit Daniela Kraus, der Geschäftsführerin des Presseclubs Concordia, Andy Kaltenbrunner (Medienforscher) und drei jungen Medienunternehmer*innen, Tatjana Lukas (Gründerin des Happy House Media), Julia Herrnböck, Plattform für investigativen und Datenjournalismus, DOSSIER und Stefan Apfel (#media).
Die Frage ist zunächst, wen erreicht Journalismus noch und wo und mit welchen Ideen und Formaten? Papier sei nur noch bei Älteren beliebt. 2/3 aller Menschen seien online, um klassisch Nachrichten zu hören. Alle anderen wählen verschiedene Kanäle, Podcasts und Videos. Diese Vielfalt sei wohl eine große Chance!

Eine Social Media Plattform in Digitalformat wie #media – erreicht vor allem sehr junge Leute, die Zahl der Rückmeldungen ist stärker als bei Print aufgrund permanenter Interaktionen! D.h. enorme Reichweite durch Livestreams (50.000 Zuschauer, eventuell bis zu einer Million).

‚DOSSIER‘ – eine mediale, gemeinnützige Redaktion, die versucht Leute an investigativen und Daten-Journalismus heranzuführen, zu verschiedenen Themen auf verschiedenen Formaten. Jetzt auch als Print-Format, das Magazin! Die ehrlich kritische Aufbereitung der Inhalte ist dort wichtig, soziale Interaktion auch in der Redaktion werden als ein Beitrag zu Demokratie und Gesellschaft gesehen.

Über Social Media-kanäle werden zunächst viele Menschen erreicht, dann werden Angebote zur Diskussion, Information und Aufklärung gemacht, z.B. per kurzen Videos und Podcasts. Das nennt sich „Trojanischer Journalismus“! Wie aber wird Vertrauen gewonnen? Personalisierung sei dafür wichtig und trage auch zur Transparenz bei. Dafür bedarf es starker Quellenangaben-Tools, um für Verantwortlichkeit zu sorgen.

Wie nun aber kommt Journalismus zum Publikum und wie das Publikum zu den Medien?!? Natürlich braucht es dazu die Medien mit der großen Reichweite und auch analoge Veranstaltungen (diverse Streuungsmittel – z.B. Live-Chats mit Lagerfeuercharakter!)

Social Media-Plattformen wie Tik Tok, Instagram u.a. werden zusätzlich mit Podcasts und Newslettern verbunden. So entstehen mediale Biotope, die weitgehend kostenlos sind. Das ist zwar ein stark demokratischer Zugang –aber, ist das demokratiepolitisch nicht dennoch ein Problem!?!

Es geht also heute sehr wohl um das Entstehen eines starken medialen Pioniergeists und großer Experimentierlust bei jungen Menschen und Freigeistern, am Rand! Das sei gut so, aber dazu braucht es doch auch unternehmerischen Geist von Menschen, denen es mehr als um Gewinn, um Freiheit geht! Wie also kann Lust am Lernen, an Ausprobieren von Neuem, aber auch Mut zum Scheitern, zu sinnstiftendem Journalismus führen?!? Selbst wenn in großen Media-Unternehmen oft mutige Leute sind, die sich als Innovatoren betätigen wollen, werden ihnen rasch Grenzen gesetzt, weil zu viel auf dem Spiel stehe (Geld/Arbeitsplätze!).

Wovon leben diese unternehmerisch-motivierten Journalisten, denen es meist auch um Kritik an Systemfehlern, um Anstoß zu Verbesserungen (Socialism!) geht – Ein dafür vorbildliches Medienprojekt ist ‚Zetland‘, ein Mitglieder-finanziertes Unternehmen mit Text- und Audiojournalismus – www.zetland.dk

Da Geld also auch hier wieder die große Rolle spielt und investigative, werbefreie Medien davon abhängig sind, hat die Wirtschaftsagentur Wien eine Medien-Initiative eingerichtet – https://medieninitiative.wien/ueber-uns

Erwünscht sind natürlich gewisse Qualitätskriterien für die Fördervergabe. Kritiker meinen, es wäre darüber hinaus wünschenswert, wenn Medienförderung noch weitergedacht würde, dafür bräuchte es aber mehr Zusammenhalt innerhalb der Branche! Förderung vom Staat hat auch Schattenseiten, daher mögen Überlegungen weitergegeben werden, wie etwa jene in Bezug auf das Bewusstsein der Leser*innen (den persönlichen Medienkonsum und seine Steuerung – im Sinne der Demokratie!)

Letzten Endes glaube ich, dass aktueller Journalismus auf jeden Fall in seiner Berichterstattung mutiger werden sollte, ohne fürchten zu müssen, als aktivistisch gescholten zu werden. Es braucht normativen Journalismus mithilfe normativer Wissenschaft – nur das könnte den notwendigen Perspektivenwechsel herbeiführen. Zu behaupten, Journalismus muss neutral sein, ist unsinnig.
Wenn heute für allgemein notwendige sozial-ökologische Veränderungen (eine nachhaltige Entwicklung!) mehr Verständnis gefordert wird, wenn dafür mehr Fürsprecher (gestärkte Vielfalt in den Medien!) gesucht werden, dann muss – sowohl analoge wie digitale – Journalismus-Ausbildung auf Verantwortungsethik fokussiert werden. Ethische Haltung basierend zumindest auf den bereits erkämpften menschen- und verfassungsrechtlichen Grundlagen sollte als roter Faden in den Redaktionen dienen!

* Gastautorin Ilse Kleinschuster ist engagiertes Mitglied der Zivilgesellschaft

„Wenn sie es denn wollen…“

Was hat Alexander Solschenizyn, ein Kritiker der Sowjetunion, aber auch ein großrussisch Denkender, über den Freiheitswillen der Ukrainer gedacht. Er hat vorsichtig erwogen, dass die Ukrainer sich auch von Mütterchen Russland lösen dürfen, wenn sie es denn wollen.

Hans Högl 

Solschenizyn verpasste den Sowjets im „Archipel Gulag“ tödliche Schlag-Zeilen, aber auch im Westen, wo er Jahrzehnte lebte, sah er neben Positiva eine Menge Kritisches. Für Nachzügler und Nachbeter der Wohltaten der Sowjetunion Stalins ist Solschenizyn ein blutig-rotes Tuch. Man rühre nicht daran! Sein Name lässt kognitive Dissonanzen ungeahnter Schärfe explodieren, so als hätte nie die fundamentale Abrechnung im „Livre noir du communisme“ 1997 in Paris geschrieben werden dürfen – auf 987 Seiten – eine der Erklärungen dafür, warum die früher so dominante Linke in Frankreich ihre Revolution nicht mehr mit der russischen gleichsetzt. Lange haben Generationen von französischen Intellektuellen darum gerungen. 

Doch nun zur Schrift „Russlands Weg aus der Krise“, verfasst von Solschenizyn schon 1990 – zu Beginn der Perestroika. Er stellt die konstante Frage, was denn nun Russland ist. Er sieht es in Gemeinschaft mit Weißrussland und der Ukraine. Das russische Volk nahm seinen Anfang in Kiew. Uns – mit den Kleinrussen (Ukrainern) und Weißrussen regierten dieselben Fürsten. Doch für ihn ist 1990 „unumgänglich“, dass sich die drei baltischen Republiken, drei transkaukasische und mittelasiatische Republiken abspalten werden. Doch Russland verbleiben dann immer noch hundert nichtrussische Völker. Die Trennung von zwölf Republiken würde Russland frei machen für eine „kostbare innere Entwicklung“. 

Dann schreibt der Autor: „Ich bin fast zur Hälfte Ukrainer“ und wuchs mit dem Klang der ukrainischen Sprache auf. „Den Mythos des Kommunismus haben wir Russen wie Ukrainer in den Folterkammern der Tscheka seit 1917 am eigenen Leib gemeinsam verspürt. Dieser selbe Mythos stieß die Ukraine in den gnadenlosen Hunger der Jahre 1932 und 1933. Wir haben gemeinsam die mit Knuten und Genickschüssen erzwungene Kollektivierung der Landwirtshaft durchlitten“. Doch eine grausame Teilung zwischen Russen und Ukrainern muss nicht sein. Wir sind Brüder. Diese Verbindung ist „unteilbar, aber kein Gemisch“. Und es darf keine gewaltsame Russifizierung und keine gewaltsame Ukrainisierung geben, und es braucht Schulen in beiden Sprachen. Und dann kommen schwerwiegende Sätze, die kaum rezipiert werden: 

„Natürlich, wenn das ukrainische Volk sich tatsächlich abzutrennen wünscht, sollte niemand wagen, es mit Gewalt daran zu hindern“ (S. 16). Und er schreibt: „Jedes, auch das kleinste Volk, ist eine unwiederholbare Facette des göttlichen Plans.“ Und er fügt an: Der Philosoph Wladimir Solowjow legt das christliche Gebot so aus: „Liebe alle anderen Völker so wie dein eigenes“. Eine prägnante Formulierung und Lösungsformel zu der strittigen nationalen Frage.

Zurück zum „Archipel“, denn dieser berührt das historische Gedächtnis der Ukraine – auch als Getreidekammer. Eine kleine Szene, die Solschenizyn im „Archipel Gulag beschreibt, ist höchst irritierend. „Unter den Sowjets mussten die Bauern die meisten Tage für Kolchosen arbeiten, hatten ein kleines Feld zur Selbstversorgung. Eine Szene: Der Bezirkssekretär kommt aufs Feld, die Bauern beim Pflügen anzutreiben, da fragt eine alter Muschik, ob der Sekretär nicht wisse, dass sie in den sieben Jahren Kolchos für ihr Tagewerk kein Gramm Getreide – nur Stroh und auch davon zu wenig bekommen hatten. Wegen dieser Frage bekommt der Alte „ASA“- dies ist antisowjetische Agitation -10 Jahre Gefängnis“. 

Nun wie ergeht es einem Muschiks mit sechs Kindern: Er schont sich nicht bei der Kolchosarbeit, hoffend, dass es was zu holen gäbe. Und wirklich – er bekommt einen Orden. Festliche Versammlung, feierliche Überreichung, viele Reden. Da läuft dem Muschik vor lauter Rührung das Herz über und sagt: „Ach, hätte ich doch statt eines Ordens einen Sack Mehl! Geht das nicht?“ Wölfisches Gelächter schlägt ihm entgegen, und es wandert der neue Ordensträger samt seinen sechs Mäulern in die Verbannung (Archipel Gulag -1974 Bern, S. 78 f.). In der Covid -19 Pandemie fiel manchmal angesichts unserer auch fehlerhaften Verwaltung das Wort „Diktatur“. Welch` lässiges Gerede! 

Der Begriff „Schuld“ war in der proletarischen Revolution abgeschafft und zu Beginn der dreißiger Jahre als „rechter“ Opportunismus gesehen  worden. – Der Schriftsteller J.I. Samjatin (1884-1937) übte mit seinem Roman „Wir“, eine Zukunftsvision des totalitären Staates. Einfluss auf Orwell und Huxley aus. – Schon im russischen Mittelalter wurden widerspenstige Untertanen auf die Solowezi-Inseln im Weißen Meer verbannt. Nach der Oktoberrevolution entstand hier das erste Zwangsarbeitslager.
Solschenizyns Material waren Eigenerfahrung von elf Jahren im Gulag, und er nützte Briefe von 227 Personen. Da ist man doch perplex auf Wikipedia Fotos von Begegnungen Putins mit Solschenizyn – vor seinem Tod (am 3. August 2008) zu finden.

Spannendes vom ZEIT-Chefredakteur

Empfohlen sei das jüngste Buch von ZEIT-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo „Vom Leben und anderen Zumutungen“, erschienen im Verlag Kiepenheuer & Witsch. Es enthält Interviews mit teils beträchtlicher Sprengkraft.

Hans Högl

Die zahlreichen Interviews sind sehr aussagekräftig. Wer würde anderes erwarten vom Chefredakteur der ZEIT? Selbst seine Fragen bergen viel Informatives. Die Interviewpartner haben in der Regel deutsche Spitzenpositionen inne. Die Ausnahmen: Umberto Eco, Reinhold Messner, Udo Jürgens, Erdogan und Victor Orban, und sehr persönlich herausfordernd ist das Gespräch mit Papst Franziskus.

Es ist eine Unterschied, ob ü b e r eine Person berichtet wird oder eine Person selbst sich umfangreich äußern kann. In diesem Sinne war für mich auch das Interview mit Orban aufschlussreich, wo er seine Position u.a. zu Soros darlegte. Ich erfuhr Aspekte, die mir in Hörfunkreportagen nicht geläufig waren. Interviewaussagen werden nicht kommentiert. Sie lassen uns Personen besser verstehen. Verbrechern und Holocaustleugnern gibt di Lorenzo keine Bühne. Die Interviews wurden autorisiert, also dem Gesprächspartner noch einmal vorgelegt. Die Berater von Bundeskanzlerin Merkel waren sehr vorsichtig. Das Interview mit Helene Fischer konnte nicht veröffentlicht werden.

Ein inhaltlicher Höhepunkt für die Medienkultur – im Blick auf österreichische Trends- ist das Gespräch mit der ZEIT-Stellvertreterin Frau Sabine Rückert. Hier zentrale Aussagen mit beträchtlicher Sprengkraft, Aspekte, die selten oder nur einseitig zur Sprache kommen. Dies sollte bei unserem Publikum und im Rundfunk Diskussionen auslösen. Ich selbst enthalte mich eines Kommentars. Di Lorenzo stellte dieses Interview an den Schluss seines Buches.

Di Lorenzo weist im Interview auf das Unrecht hin, das Männer Frauen über Jahrhunderte angetan haben. Sabine Rückert: „Ja, das ist eine verbreitete Meinung. Aber was soll das für ein Rechtsstaat sein, indem der Unschuldige ins Gefängnis muss…?“ Eine Falschbeschuldigung ist ein schweres Verbrechen. Ich habe einen Fall erlebt, dass eine 18-jährige ihren Vater bezichtigte, sie zehnmal vergewaltigt zu haben. Der Vater war ein brutaler Kerl. Er wurde zu sieben Jahren verurteilt.“ Das Mädchen hat noch einen weiteren Mann beschuldigt, ihren Onkel, einen netten Kerl. „Seinetwegen habe ich mich in den Fall hineingekniet. Dass der gewalttätige Vater (oben) freigesprochen wurde, war sozusagen Beifang.“(S. 316).

Mit dem Podcast „Zeit“-Verbrechen wurde Frau Sabine Rückert zu einem deutschen Branchenstar. Ihren Podcast kennen Millionen (S. 308). Frau Rückerts Vater wurde von seiner ersten Ehefrau zu Unrecht beschuldigt. Das Motiv der falschen Beschuldigung hat Sabine Rückert als Gerichtsreporterin immer wieder beschäftigt. Sie meint, dass falsche Beschuldigungen oft von Frauen kommen. Sabine Rückert: „Ja. Gerade bei Sexualdelikten, die ja schwer aufzuklären sind und oft Aussage gegen Aussage steht.“

Manchmal beschuldigten Frauen Männer aus Rache. Rückert: „Manchmal geht es um Geld, um Hinterlassenschaften, und dann zeigt man halt den Vater oder Ex-Mann an.“ „Ich habe auch erlebt, dass Vergewaltigungen angezeigt und verurteilt wurden, die es nie gegeben hat“ (S. 315). „Da gab es Blutergüsse und schreckliche Wunden, die sich Anzeige-Erstatterinnen selbst zugefügt hatten. Da wird man mit der Zeit vorsichtiger- vor allem wenn es gar keine Beweise gibt.“

„Menschlicher Müll“

Eine „Friedenmission“ hat Ungarns Premier Victor Orban über Kiew und Moskau bis nach Peking geführt. Politik und Medien der EU lehnen Orbans Vermittlungsgespräche zur Beendigung des Ukrainekriegs jedoch als Alleingang und bloße Ego-Show ab.

Wolfgang Koppler *

Man muss Orban nicht mögen und auch keine Sympathie für seine chauvinistischen Anwandlungen zeigen. Aber man kann – um Sahra Wagenknecht zu zitieren – mit ihm darin übereinstimmen, dass „der Himmel blau ist“. Umso erschreckender die Reaktionen einzelner Leser, die tiefe Einblicke in die menschliche Psyche bieten. Auch in die jener Menschen, die sich als bequeme Vertreter des Mainstream moralisch überlegen wähnen und dabei ihre eigenen Abgründe verdrängen. Als besonders übles Beispiel möchte ich nachstehendes Posting zitieren: „Bis jetzt werden ja nur Kinderkrankenhäuser und Geburtenstationen von russischen Raketen angegriffen. Einfach nur krank dieser Psychopath. Aber genauso pervers ist der menschliche Müll in Österreich, der die russischen Eroberer noch verteidigt! Wie kann ein normal denkender Mensch so eine Partei wählen! Unbegreiflich!“

Das Posting ist sehr aufschlussreich. Zunächst werden Kriegsgräuel geschildert, um die eigene Aggression zu rechtfertigen. Dann werden Andersdenkende, die für Verhandlungen eintreten, als „menschlicher Müll“ verunglimpft und Ihnen dann am Ende noch unterstellt, samt und sonders FPÖ-Wähler zu sein. Der Ausdruck „menschlicher Müll“ ist trotzdem verräterisch und zeigt, welche Aggressionen im ach so intellektuellen und sich moralisch gebenden Mainstream schlummern. Auch die Nazis fühlten sich ihren Opfern moralisch überlegen.

In den US-amerikanischen Experimenten „Die Welle“ und „Prison“ wurden diese unappetitlichen Seiten des westlichen Menschen anschaulich freigelegt. Aber bis heute will sich keiner damit auseinandersetzen. Dabei stand der Satz „homo homini lupus“ uns schon in der Antike Pate. Menschen zu Müll zu erklären, schaffte aber erst unsere moderne Industriegesellschaft.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler lebt als Jurist und Journalist in Wien

Schule ohne Handy

Nach einigen anderen Ländern wird nun auch Italien das Handy aus den Schulen verbannen.

Hans Högl

Wichtiges in der Medienwelt kann sehr verschieden bewertet werden. Dazu ausgerechnet ein Exempel aus dem Eliteblatt der „Frankfurter Allgemeinen“ vom 12. Juli 24. Die Seite bringt eine riesige Reportage über einen jungen Deutschen, der im Zug lebt und arbeitet. Der Beitrag umfasst fast die gesamte Seite 8 mit sechs Spalten. Ganz unten findet sich unter ferner liefen ein Zweispalter mit dem Titel „Schule ohne Handy“, der wohl viel größeres Gewicht hat.

Die Schule ohne Handy soll ab Herbst für alle Altersstufen von der Grundschule bis zur Oberschule in Italien gelten. Tablets und Computer können jedoch weiter im Unterricht zum Einsatz kommen – nach Zustimmung der Lehrkräfte. Die entsprechende Verordnung erließ nun der italienische Bildungsminister. Ihre Aufgaben sollen die Schüler auf Papier und mit Bleistift im Schülerkalender notieren. Die Rückkehr zu analogen Methoden soll den Eltern erleichtern, den Lernfortschritt ihrer Kinder zu beobachten. Außerdem soll mit der Rückkehr zum Papier und Stift mehr Ruhe in den Unterricht einkehren. Bei der Bildungskonferenz kündigte der Minister zugleich ein Pilotprojekt zur Nutzung von Künstlicher Intelligenz im Unterricht an – so bei der Verbesserung von Schüleraufgaben.

Mitunter auch die Krone seriös

Man sollte nur zwischen gutem und schlechtem Journalismus unterscheiden und nicht immer manche Zeitungen einfach als Boulevard abstempeln, weil es so üblich ist.

Wolfgang Koppler

Schlechter Journalismus findet sich gelegentlich auch in so genannten Qualitätszeitungen und guter Journalismus auch in Blättern wie der Kronenzeitung. Die etwa mit Nikolaus Frings einen der wahrscheinlich besten Jungjournalisten aufzuweisen hat (man denke an seinen Beitrag zur Aufdeckung der Riedl-Affäre).

Die Krone bringt aber auch das eine oder andere, was etwa die ZiB2 des ORF verschweigt. So den jüngsten Appell Putins zur Aufnahme von Verhandlungen beim Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, eine Art erweitertes Forum der BRICS-Staaten. Während die ZiB2 in einem Beitrag dieses Treffen nur mehr oder weniger als kasachisches Meeting von Autokraten abtat, die den Westen ablehnten (die Moderatorin leitete den Beitrag wenigstens objektiv mit dem Hinweis ein, dass die betroffenen Staaten 40 % der Weltbevölkerung ausmachen), titelte die Krone wesentlich informativer und neutraler: „Ukraine: Putin bekundet Verhandlungsbereitschaft“. Im Text selbst findet sich dann natürlich das Auseinanderklaffen der ukrainischen und der russischen Positionen, vor allem im Hinblick auf die besetzten Gebiete. Aber ohne das übliche Lamento, dass deswegen Verhandlungen aussichtslos seien.

Das klingt jedenfalls wesentlich besser als das Aufwärmen üblicher Feindbilder: Hier der gute Westen, dort die bösen Diktatoren und der reaktionäre globale Süden. Zugegebenermaßen war im ORF-Beitrag auch von der von Putin geforderten multipolaren Weltordnung die Rede, aber das ging unter angesichts der breit ausgewalzten Kooperation zwischen China und Russland und dem Unterlaufen von Sanktionen.

Die Wörter Friede und Verhandlungen scheinen auch im ORF zu einem Unwort geworden zu sein. Zumindest Bundeskanzler Karl Nehammer blieb bei seinem Interview in der ZiB2 bei seinem Standpunkt: „Europa muss raus aus der westlichen Echokammer“. Der Krieg und das Sterben müssen ein Ende haben.