Archiv für den Monat: August 2024

Liebesgrüße aus Moskau?

Russlandbezogene Auszüge aus dem Buch: Löw, Raimund (2022 April): Welt in Bewegung. Warum das 21.Jahrhundert so gefährlich geworden ist. Falter Verlag.224 Seiten. Der Autor des Buches übermittelt keine Liebesgrüße aus Moskau

Hans Högl

Die Aussagen von Raimund Löw „Welt in Bewegung“ (2022) über Stalins Russland und die Ukraine sind in ihrer Klarheit und ihren Positionen bemerkenswert. Raimund Löw war in Moskau ORF-Korrespondent. Seine Darlegungen sind tatsachen- und nicht ideologiebetont.

Raimund Löws Aussagen – in Auszügen und kurz gefasst:

Große Teile der Linken weltweit haben die Verbrechen des Stalinismus „beschönigt oder verdrängt“. Stalin hat die emanzipatorische Grundidee des Sozialismus erschüttert. 2021 löste das russische Höchstgericht die Menschenrechtsorganisation Memorial auf, die seit den Anfängen von Glasnost die Erinnerung an die Opfer des Stalinismus hochgehalten hat (p.24 f.).

Als Stalin starb weinten Millionen. „Ohne den Glauben an Stalin wäre der Widerstand gegen Hitler unmöglich gewesen“. Die Nachfolger Stalins haben während Jahrzehnten die halbe Welt bewaffnet und ernährt, und das trug zum Untergang der Sowjetunion bei. – Die Sowjets marschieren 1979 in Afghanistan ein, um die regierenden Kommunisten in Kabul zu retten. Mit sowjetischer Hilfe wurde Fidel Castros Kuba ernährt, Millionenwerte flossen an Entwicklungshilfe und Rüstungsgüter nach Äthiopien, Angola, Somalia, Vietnam, Syrien, Ägypten und Irak. Der riesige Moloch der sowjetischen Rüstungsindustrie brachte die wirtschaftliche Entwicklung zum Erliegen.

Gorbatschow hatte den Traum der demokratischen Reform von Kommunismus und Planwirtschaft. Darüber kann man sich mokieren. Aber er war es, der die im Stalinismus wurzelnde Angst vor Partei, Staat und Polizei genommen hat. Im ersten Volkskongress mit freien Wahlen schleuderte Andrej Sacharow ohne jede Zensur Anklagen gegen KGB und Partei und Stalinismus und Diktatur in den Raum (p.25).

Der russische Anwalt Sergej Magnitski deckte Korruptionsfälle in höchsten Moskauer Regierungskreisen über 230 Millionen Dollar auf und bezahlte dies mit seinem Leben (p. 29).

Zu Putins Plan für eine neue Sowjetunion ohne Sozialismus (p. 31-33). Raimund Löw: Es wird ein Angebot geben müssen, wie die feindseligen Machtblöcke ihre Einflussgebiete abstecken. Der Außenpolitikexperte Zb. Brzezinski, einst Sicherheitsberater von Jimmy Carter, schlägt einen an das neutrale Finnland angelehnten Status für die Ukraine vor (p 32.).

Der von Kiew gewünscht Beitritt zur Nato wird von Frankreich und Deutschland verhindert, weil man das Verhältnis zu Russland nicht zusätzlich belasten will. Aber der Kreml findet kein tragbares Verhältnis zur ukrainischen Souveränität (p. 33).

Medienwelt Österreichs

Hinweis auf das Buch „So funktioniert Österreichs Medienwelt“ von Standard-Medienredakteur Harald Fidler. Falter Verlag 2023

Hans Högl

Harald Fidler hat viele Jahre Medienerfahrung, ist wohl bester Kenner unserer Medienwelt, er verfasst die Rubrik Etat im „Standard“. Dieses Buch ist so reichhaltig, so dass es schwer fällt, Wesentliches kurz zu fassen. Der Band bietet einen Blick auf die Vielfalt von Östereichs Medien und deren Rezeption, und es lohnt, das Buch anzuschaffen.

Es geht um Vertrauen und Informationsvermeidung.
(Gemiedene Themen sind:53 % der Ukrainekrieg, 39 % Gesundheitsfragen (Covid), 33 % meiden Infos über Promis und Unterhaltung,30 % über soziale Gerechtigkeit, 29 % über Klimawandel, 27 % über Sportnachrichten, 23,5 % zu Innenpolitik)

Es geht um die Werbewirtschaft:(Österreichs Medienhäuser lukrieren 60 % ihrer Einnahmen aus der Werbung),

Es betrifft die Reichweite von Medien (Die „Krone“ deckt österreichweit 22,2 % der Bevölkerung ab, der „Standard“ 6,8 %, „Die Presse“ 3,3 %). (S.97) (die verkaufte Auflage beträgt bei der „Presse“ 66.101, beim Standard 48.788- NB. bei der „Krone“ sind dies 588.000).

Auch Stellungnahmen diverser Chefs in Medien sind zu finden (S. 41-63). Vgl. die zahlreichen Kurzessays (S. 126-197).

Internationale Vergleiche sind eher selten. Die universitäre Publizistik ist so gut wie nicht präsent. Wie es zur Einstellung der „Wiener Zeitung“ kam, bleibt unklar. Eine Kritik am ORF-Publikumsrat, obgleich Harald Fidler regelmäßig teilnimmt, ist nicht zu finden. Dies ist rätelhaft: Meine Kritik am mangelnden Funktionieren des ORF-Publikumsrates wurde in einem Presseclub abgeblockt und auch ein ehemaliger ORF-Redakteur meinte abwehrend, es seien doch diverse Organisationen darin vertreten (als wäre dies schon Garantie für das gute Funktionieren eines Komtrollorgans des ORF).

Wir werden im Buch nochmals informiert, warum der „Presse“-Chef zurücktreten musste. Die Bereitschaft für Online-Abos hält sich noch in Grenzen.
Von 2001-2019 haben sich die Netto-Werbeeinnahmen von deutschen Zeitungen halbiert. Hier sind die große Konkurrenz die Werbegiganten wie Alphabet (mit Google, YouTube) und Meta (Facebook, Instagram).Während die Bertelsmann Gruppe (mit RTL) 3,9 Milliarden Dollar einnahm, sind es bei Alphabet 224,5 Milliarden Dollar (also mehr als das 50 fache)