Gewinner als Sieger

Die SPÖ hat bei der Kärntner Landtagswahl 9 Prozentpunkte eingebüßt, bleibt aber mit Abstand stärkste Partei. Leichte Gewinne von jeweils 1,6 Prozentpunkten verzeichnen ÖVP und FPÖ. Letztere jedoch gilt in fast allen Medien fälschlicherweise als „Wahlsiegerin“.

Franz Schlacher *

Als Anlass-Wechselwähler und phasenweise auch ideologisch, jedenfalls parteipolitisch „Ungebundener“ verspüre ich großes Unbehagen, wenn Redakteurinnen und Redakteure in mutmaßlich unabhängigen Print- und Online-Medien das politische Vokabel „Wahlsieger“ immer wieder strapazieren, aber den Fakten widersprechend verwenden. Belege finden sich in Qualitäts-Medien ebenso wie in Boulevard-Medien, regionalen Medien, etc.). Was ist das? Unbedachte, bestenfalls unbeabsichtigte, schlimmstenfalls jedoch beabsichtigte Partei-Propaganda? Harmloser Fertigteil-Journalismus im Mainstream-Jargon? Oder einfach superlativ-verliebter Schreib-Duktus? Was auch immer. Für mich als Medien-Konsument ist das jedenfalls eines: Falsch-Information! Und in ihrer Aufdringlichkeit gar nicht mehr harmlos.

Beispiele:

vienna.at

„Ergebnis steht fest: FPÖ ist der Wahlsieger in Niederösterreich
Die FPÖ legte stark zu und erreichte nach den 14,76 Prozent von 2018 nun 24,19 Prozent. Damit überholten die Freiheitlichen die SPÖ, die gut drei Prozentpunkte einbüßte.“

Die Presse 29.01.2023 um 21:31, von Ulrike Weiser

Das Ende der schwarzen Allmacht in Niederösterreich
„Die ÖVP braucht nun zum Regieren einen Partner. Der Wahlsieger FPÖ will nicht – bleibt nur der Wahlverlierer SPÖ.“

DER STANDARD Michael Völker 29.1.23

Der große Wahlsieger in Niederösterreich ist eindeutig die Freiheitliche Partei. Das hat weit über Niederösterreich hinaus Bedeutung.“

meinbezirk.at

Klarer Wahlsieger der Landtagswahl 2023 ist die FPÖ. In Wien sind die Gefühle ob der ersten Ergebnisse gemischt.

… Als klarer Wahlsieger geht die FPÖ mit Udo Landbauer hervor, die Partei kommt laut Hochrechnungen auf knapp 25 Prozent. Damit belegen die Blauen erstmals Platz zwei in Niederösterreich“. (Anm.: ein klarer Wahlsieger auf Platz zwei?)

Anm.: Laut Duden ist (wie zu erwarten) ein Sieger der Erste/der Beste. Beispiel: „Sie ging als Erste (als Siegerin) durchs Ziel.“

Georg Renner – kleinezeitung.at – Rubrik „Meinung“

„Die niederösterreichische Landtagswahl ist geschlagen, und im ehemals schwarzen Kernland überstrahlt ein beispielloser blauer Wahlsieg alle anderen Parteien.“

ORF ZIB2 – Armin Wolf – 5.3.2023 (Abend nach der Kärntner Landtagswahl)

„Außer der SPÖ haben heute alle gewonnen.“

Es ginge auch so: teilweise korrekt (faktisch, weniger stilistisch)

ORF ZIB2 – Armin Wolf – 5.3.2023

„Peter Kaiser hat nach 2 Wahlsiegen heute eine krachende Niederlage eingefahren“ –
„Außer der SPÖ haben heute alle gewonnen.“…

Übrigens: Armin Wolfs Kommentar zum Wahlergebnis in Kärnten, wonach Landeshauptmann Peter Kaiser „eine krachende Niederlage“ eingefahren habe, ist weder originell noch originär. Er ist eine Anleihe bei Dominik Nepp aus dessen Laudatio anlässlich der NÖ-Wahl: „Udo Landbauer hat einen sensationellen Erfolg für die FPÖ erreicht. Sowohl ÖVP als auch SPÖ wurden heute krachend abgewählt“.

Abschließend zwei Beispiele, wie es einfach UND korrekt ginge:

https://www.klick-kaernten.at/615542023/kaernten-hat-gewaehlt/
Margit Dietrich

„SPÖ: Ein erster Platz, der schmerzt

Gewinner der Wahl ist die SPÖ, die mit 38,9 Prozent die meisten Stimmen erhielt. Da dieses Ergebnis einem Verlust von 9,02 Prozent zur letzten Landtagswahl im Jahr 2018 entspricht, stellt sich das Wahlergebnis für die SPÖ als große Niederlage dar.“

faz.net – Stephan Löwenstein – 5.3.2023

Kärntens Wahlsieger Kaiser: Mit einem blauen Auge davongekommen ….“

* Mag. Franz Schlacher, langjähriger AHS-Lehrer, lebt in Neunkirchen. Er ist Vorstandsmitglied der Vereinigung für Medienkultur

Ein Gedanke zu „Gewinner als Sieger

  1. Angeregt von diesen manipulativ-medialen Mißbrauchsfällen einige Anmerkungen:

    „Man kann nicht nicht framen“
    – so ein Zwischentitel aus der Veröffentlichung des „framing manual“ durch „netzpolitik.org“. Dabei handelt es sich um ein Gutachten für die ARD, das angeblich „die Vorzüge des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch Erkenntnisse der Framing-Theorie“ kommunizieren soll.
    Man kann den Beteuerungen Glauben schenken, das Gutachten wäre nur für diesen beschränkten Bereich gedacht. Man kann aber auch sehr gern an den Weihnachtsmann glauben.

    Verfolgt man die ARD-Berichterstattung etwas genauer, stellt man fest, daß Informationen über den „Werte-Westen“, die NATO, die EU, von positiver Konnotation nur so trieft. Ganz anders die Beiträge über Iran, Libyen, Venezuela, Russland, China. Nicht mal Katalonien als weiteres Beispiel kommt ohne negativ-herablassenden Grundton in der Information weg. Regelrecht parteiisch waren auch die Berichte über Griechenland, Tsipras und Varoufakis.

    Abseits der Möglichkeiten des „Framings“ ist es erschütternd, wie ausgerechnet ein deutsches Medium aller Welt erklärt, wie sie nach seiner Sicht auszusehen hat. Bis in die 70er-Jahre durfte eine deutsche Frau nicht berufstätig werden ohne Zustimmung ihres Gatten – klitzekleines Beispiel. Eine Nation, der die repräsentative „Demokratie“ durch die Siegermächte aufgezwungen wurde, erhebt sich zum Richter über alle anderen, geht es nach dem „Flaggschiff“ der deutschen Medienlandschaft. Was für eine Anmaßung.

    Man darf sicherlich davon ausgehen, daß die aufgeführten österreichischen Falsch-Informationen einen ähnlichen Hintergrund haben wie das erwähnte Handbuch der ARD.

    Hier noch die Links:
    https://netzpolitik.org/2019/wir-veroeffentlichen-das-framing-gutachten-der-ard/
    https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2019/02/framing_gutachten_ard.pdf

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