Hans Högl. Direktbericht aus Schweden
Ein üblicher Schwachpunkt der Medien ist ihr Fokus auf Extreme: so heute auf die große Hitze in Portugal. Unbeachtet bleibt nicht ganz Exzeptionelles so wie in Schweden. Darum ergänzt der Verfasser den Mainstream im Sinne von Medienkultur.
Die langen Hitzephasen in Schweden sind mit denen in Österreich vergleichbar, aber für Schweden sind die Temperaturen doch ungewöhnlich hoch. Seit Mai fiel in Schweden kein Regen, was Dürre auf Bäumen und Wiesen hervorruft und stark negative Konsequenzen auf die Land- und Forstwirtschaft bewirkt. Die Wiesen sind oft so dürr wie in Griechenland. Waldbrände sind in Schweden ein neues Phänomen. Das Getreide konnte allerdings in der fruchtbaren Region Schonen im Süden Schwedens bereits geerntet werden.
Ein Wort zur Flüchtlingssituation, die in Schweden auch 2015 einen Höhepunkt erreichte. Damals wurden die Grenzübertritte streng kontrolliert, Ende Juli 2018 nicht mehr. Schweden traf auch Maßnahmen, wenn auch ungern, um die Zahl der Flüchtlinge einigermaßen in Griff zu bekommen. Denn es ereigneten sich Vorfälle, die in diesem Umfang und Typus bisher unbekannt waren.
Das Schulwesen hat große Probleme mit der Integration. Der schwedische TV-Kanal 5 zeigt zu zweit auftretende Polizisten, die Passanten kontrollieren, Betrunkene ansprechen oder jene, die auf öffentlichen Bänken ihre Nacht verbringen. Diese Szenen im Fernsehen dauern bis zu 20 Minuten um halb acht morgens.
Ein Querverweis: Der Stadt Wien ist die Sauberkeit auf der U-Bahnlinie 6 ein großes Anliegen. Dieser Sachverhalt – zwar weithin seit Jahren öffentlich bekannt, aber fast nie Thema in Medien, löste im Intellektuellen-Blatt „Standard“ Überraschung aus, und er verniedlichte das Probleme auf Naschen von Kartoffelchips, wohl auch weil diese populäre U-Bahnlinie nicht benützt wird. Was von Schwedens Verkehrsmitteln gelernt werden kann, sind relativ unauffällig positionierte Plastiksäckchen in Zügen, in welche Abfälle wie Papier usw. abgelegt werden können. In Wiens Verkehrslinien liegen Gratisblätter am Boden herum.
Eine historische und aktuelle Notiz zu Schwedens Migrationsthema: Die Hungersnot im 19. Jahrhundert suchte auch Schweden und Norwegen heim. So zählte Schweden um 1868 insgesamt 4 Millionen Einwohner. Von diesen 4 Millionen wanderten 1 Million nach den USA und Kanada aus. Das war jeder vierte Schwede. Das „Haus der Auswanderer“ („Utvandrar Hus“) in der Stadt Växjö erinnert daran. Viele verließen ihre Heimat, vor allem aus der ärmlichen, wald- und granitreichen Region Smaland, die Ähnlichkeiten mit dem Waldviertel aufweist.
Dieser Tatbestand verweist auf den historischen Wandel in Schweden und dass damals Menschen auf der Suche nach einem besseren Leben waren. Allerdings jeder New York-Besucher kann ein wenig erahnen, wie die Aufnahmeprozedur für USA-Einwanderer war.
Ellis Island war von 1892 bis 1954 strenge Durchgangsstation für mehr als 12 Millionen Migranten auf dem Weg in ein neues Leben in diesem riesigen Land, und es erinnert an die demütigen ersten Stunden in Amerika, aber auch an die Erfüllung ihrer Träume.
Mehr als 2 % aller Neuankömmlinge wurde der Zutritt verweigert und Tausende starben in dem Krankenhaus auf der Insel Ellis Island. Die Behörden der USA und Kanada setzten Einwanderern rigiden Kontrollen aus.