Sympathiebekundungen von Außenminister Sebastian Kurz für den ägyptischen Herrscher bei seinem Kairo-Besuch rufen Bedenken und Verwunderung hervor.
Udo Bachmair
„In Ägypten gibt es systematische Verfolgung oppositioneller Gruppen mit Massenverhaftungen, Verurteilungen zu langjährigen Haftstrafen und einer unfassbaren Anzahl von Todesurteilen“. Mit diesen Worten begründete der deutsche Bundestagspräsident Norbert Lammert die Absage seines Treffens mit dem ägyptischen Staatschef Abdel Fatah al-Sisi.
Kaum ein Thema für Österreichs Medien. Offenbar auch nicht für Außenminister Sebastian Kurz. Er scheint keine Berührungsängste mit dem umstrittenen Präsidenten zu haben, der sein Land mit eiserner Hand im Griff hält. Ganz im Gegenteil: Kurz äußerte während der in harmonischer Atmosphäre verlaufenen Visite in Kairo durchaus Verständnis für Positionen des autoritären Machthabers.
Brüssel suche in Kairo einen Partner im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ (IS), Ägypten spiele dabei eine „wesentliche Rolle“, rechtfertigte Kurz seine Aufwartung im Kairoer Machtzentrum. Da spielt es keine Rolle, dass der frühere demokratisch gewählte Präsident zum Tode verurteilt worden ist…
Unserem Außenminister wären besorgte Überlegungen des besonders profunden Ägyptenkenners ORF-Korrespondent Karim El-Gawhari zu empfehlen gewesen. El-Gawhari auf Facebook :
„ Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz erklärt bei seinem Kairo-Besuch, dass der ägyptische Präsident Abdel Fatah El-Sisi die bessere Alternative zu den Muslimbrüdern darstelle. Europa brauche El-Sisi im Kampf gegen den IS. Auf die Menschenrechtslage in Ägypten könne durch Dialog Einfluss genommen werden. Das wirft einige Fragen auf?
- hat Europa durch Dialog die Menschenrechte in Ägypten irgendwo verbessert? Es werden immer noch hunderte in Massenprozessen fern jeglicher Rechtstaatlichkeit zu Tode verurteilt.
- Wenn ich ein System, das die Muslimbrüder kriminalisiert und das jegliche auch liberale Protestbewegung unterdrückt, als bessere Alternative bezeichne, glaube ich dann wirklich, dass damit Stabilität geschaffen wird, sprich, dass mit der Akzeptanz des kleineren Übels das größere verschwindet ?
- Wenn die Muslimbrüder nicht Teil des politischen System sind, welche Alternative lasse ich den Islamisten, außer sich zu radikalisieren und zu militarisieren ?
Egal ob ich die Muslimbrüder gut oder schlecht finde, sie sind ein Teil der politischen Landschaft der Arabischen Welt. Wäre es also nicht der einzige effektive Weg, sie durch bessere Alternativen an den Wahlurnen zu besiegen, wie das in Tunesien geschehen ist?
- Wenn ich auf repressive Regime als Partner im Kampf gegen den IS setze, funktioniert das?
Kurzum: Kurz und nächsten Monat auch Merkel, wenn El-Sisi Berlin besucht, machen das, was Europa seit Jahrzehnten macht. Sie setzen auf repressive arabische Regime als Garant der Stabilität und als Partner im Kampf gegen militante Islamisten. Sie akzeptieren dabei, dass moderateren Islamisten der Marsch durch die Institutionen verwehrt bleibt, mit all den Konsequenzen der Radikalisierung, die das nach sich zieht. Die Frage ist, ob man mit so einer Politik den IS bekämpft oder erst recht ernten wird?“