„Bertelsmann. Ein globales Medienimperium macht Politik“ lautet der Titel eines im Anders Verlag erschienenen Buches von Thomas Barth. Das Werk stammt zwar aus dem Jahr 2006, es erscheint aber nach wie vor aktuell.
Hans Högl
Ein treffliches Buch habe ich „ausgegraben“ und analysiert. Es bleibt höchst aktuell,obwohl 2006 publiziert. Es besticht durch eine klare parteipolitische Analyse, ist aktuell bis heute 2024, und zeigt Besitzverhältnisse deutscher Medien auf. Auch wer die latenten Ziele des Buches nicht teilt, es ist anzuerkennen, dass darin die öffentliche Argumentation zur Sozial-und Wirtschaftspolitik sehr pointiert zum Ausdruck kommt. (Mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssels Diktum „Mehr Privat weniger Staat“ haben wir eine österreichische Parallele).
Das Buch ist Ergebnis eines dreitägigen Anti-Bertelsmann-Kongresses bereits 2005, an dem Widerstandsmöglichkeiten gegen den Bertelsmann-Verlag diskutiert wurden. Es nahmen teil: Gewerkschaften, NGOs wie Attac….Finanziert wurde er von der Rosa-Luxemburg-Stiftung und von Hamburgs Hochschulen. Der Tagungsband wurde mit Mitteln des Günther Anders Institutes für Medienethik und Technikphilosophie erstellt (Barth 6 f.). Mit anderen Worten: Das Buch hat eine eindeutige Linksperspektive. Ob die Linke alles defacto besser realisiert (oder nur einen klingenderen Diskurs führt), auch wenn Ziele wie soziale Gerechtigkeit moralisch gut und theoretisch sehr einleuchtend klingen, ist deren konkrete Umsetzung oft mehr als fraglich – man sehe doch bis heute die wirtschaftlichen Schwächen und den Jammer in den Transformation-Staaten Osteuropas und die „neue Klasse“ in damals realsozialistischen Ländern. Wirtschaft zu kritisieren ist eine Sache, sie erfolgreich zu führen eine andere. Das Beispiel Venezuela mit Sozialismus hat erschreckend negative Folgen für die Menschen. Auch der linke „Le Monde Diplomatique“ ist von Venezuelas linker Politik nicht überzeugt.
Doch nun zum inhaltlichen Kern des Buches. Der Bertelsmann Medienkonzern gehört zu den mächtigsten der Welt (hinter Time Warner, Disney, Viacom und Rupert Murdoch ). Unter Reinhard Mohr entwickelte sich der mittelständische Buchverlag zu einem internationalen Medienkonzern mit 600 Firmen und über 75.000 Beschäftigten weltweit, der in Märkten für Bücher, Zeitschriften, Musik und TV alle anderen deutschen und europäischen Medienunternehmen weit hinter sich ließ (37). Die Stiftung sichert die Kontinuität des Konzerns.
Zum Bertelsmann-Verlag (in Gütersloh) gehören ganz oder teilweise: die TV- und Radio Sender RTL-Gruppe, die Zeitschriften Gruner+Jahr (mit stern, Capital, Geo) , Brigitte, Gala; Verlag Random House; ferner Anteile von VOX-TV, Anteile von n-tv (3). Verflechtungen bestehen mit dem Spiegel und der ZEIT-Stiftung (also dem linksliberalen Mediensegment).
(Zum Axel-Springer Konzern gehören „Bild“, die „Welt“ und die „Berliner Zeitung“ (BZ). Zum Holtzbrinck- Konzern gehören DIE ZEIT, der „Südkurier“(mit Monopol für Bodenseeregion), die Lausitzer Rundschau, die Saarbrücker Zeitung. Von Essen kommt der WAZ-Konzern (der Anteile an der „Krone“ hält).
Die Bertelsmann-Stiftung ist der größte private Thinktank Deutschlands, beschäftigt 300 hochqualifizierte Mitarbeiter (36). Bertelsmann vertritt „neoliberale“ Lobgesänge auf den freien Markt: der Haushaltsnotstand droht, alle Bundesländer müssen Haushalt kürzen, Bürokratieabbau. Motto: Weg mit dem Staat, die Kassen sind leer. Es geht um den Sturmangriff auf den Sozialstaat, um Reduzierung der Lohn- u. Staatsquote. Der Sozialstaat soll ausbluten zu Gunsten von Steuersenkung. So soll Arbeitslosigkeit bekämpft werden (11). Die Erfolge von Keynes mit Schuldenmachen werden klein geredet. Bertelsmann Medien trommeln für Deregulierung, Privatisierung, Kommerzialisierung. Studiengebühren sollen eingeführt werden. Die „Initiative neue Soziale Marktwirtschaft“ stammt von der Arbeitgeberseite.(15). Die rot-grüne Regierung (Schröder) bewirkte in diesem Sinne Sozialabbau (Hartz IV).(15).
Auch Wikipedia bestätigt: Stimmen in den Medien (s.u.) sehen die Stiftung als wirtschaftsnahe PR-Initiative, ähnlich der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) oder der Stiftung Marktwirtschaft, insbesondere da personelle Verflechtungen mit der INSM bestehen. Zur Veröffentlichung ihrer Botschaften dienen ihr die zum Bertelsmann-Konzern gehörenden TV-Sender RTL und Vox und zahlreiche Zeitschriften von Gruner und Jahr. Auch am Spiegel und Financial Times Deutschland ist Bertelsmann beteiligt.
Interessant für Bürgerinitiativen ist eine Nebenbemerkung im zitierten Buch, dass der SPIEGEL eine Geringschätzung für demokratische Initiativen von unten (von Bürgerinitiativen) habe (27). Die Nichtbeteiligung an direkt überschaubaren kommunalpolitischen Entscheidungen werde geschwächt. Von Medien würden grundsätzlich Interna von Arbeitswelt vernachlässigt.
Als ehemaliger Funktionär der untersten Ebene der IG Druck und Papier möchte ich einige Ergänzungen zu dem Thema anbringen. Die Bertelsmann-Stiftung hat maßgeblich an der „Hartz IV“-Gesetzgebung mitgewirkt. Die Agenda 2010 Schröders ist ein äußerst umstrittenes Reformpaket. Von Konservativen und Marktextremisten in den höchsten Tönen gelobt, bezeichne ich sie als Kampfinstrument gegen die Arbeitslosen, wohlgemerkt nicht gegen die Arbeitslosigkeit.
„Hartz IV“ ist das gravierendste Beispiel der Einflussnahme der Stiftung auf die Politik. Während der Durchschnittsbürger geneigt ist, in einer Stiftung etwas grundsätzlich Positives zu sehen, soll nicht aus dem Fokus geraten, daß steuerliche Gründe diesbezüglich eine massive Rolle im Bertelsmann-Imperium spielen. Es geht um mehr als „Linke Tasche, rechte Tasche“-Jonglieren, es geht um ein Labyrinth, das seinesgleichen sucht.
Nicht vergessen werden darf auch die Frage, ob „Wirtschaft“ und Demokratie überhaupt vereinbar sind. Unternehmen sind nicht demokratisch strukturiert. Die wenigen Genossenschaften, die dem nicht entsprechen, kann man in dem Zusammenhang vernachlässigen. Davon ausgehend, ist nichts gültiger als der Slogan „Geld regiert die Welt“. Der rechtliche Rahmen, die Besitzverhältnisse und Demokratie sind unversöhnliche Gegensätze. Unter dem Aspekt und auch dem der Sanktionspolitik der USA sollten Versuche sozialistischer Systeme bewertet werden.
– Lediglich juristische Ansätze wie Erbpacht und Jedermannsrecht könnten daran was reparieren, soweit die These von linken Ökonomen.
Reinhard Mohn (nicht Mohr…!) hat ein höchst durchdachtes Gebilde erschaffen, das verlockend wirkt. Mohndruck in Gütersloh hat seine Beschäftigten konditioniert auf unglaubliche Weise. Von Genussscheinen als Prämien (ohne Stimmrecht natürlich) bis hin zu Werkswohnungen, die von konzerneigenen Architekten entworfen wurden – alles da, was kritische Betriebsräte oder gar Gewerkschaften fernhält. Mohn war auch einer der gedanklichen Väter des Weltwirtschaftsforums in Davos. Das alles klingt wie soziale Gerechtigkeit, ist aber nur die Inszenierung eines zugegeben klugen Kopfes. Wie die Welt außerhalb von Gütersloh aussieht, ist für jeden ersichtlich.
Noch eine kleine Anmerkung: Der „Südkurier“ in Konstanz ist seit 2011 in der Hand der Mediengruppe Pressedruck, einfacher, der „Augsburger Allgemeinen“. Das war wohl nicht im Zeitraum des Buches aktuell. Wer gerne eine launige aber dunkelrot-linke Betrachtung der deutschen Medienlandschaft genießen möchte: Volker Pispers hat da was Informatives und Unterhaltsames zusammengestellt. Einfach googeln.