Archiv der Kategorie: JÜNGSTE BEITRÄGE

Ruf nach transformativem Journalismus

Die Politik ist gefordert, um die Existenz von Qualitätsmedien und deren Vielfalt zu gewährleisten.

Ilse Kleinschuster *

Am Tag der Pressefreiheit, am 3. Mai 2023, hat der FURCHE-Redakteur Otto Friedrich in seinem Artikel bedauert, dass es weder Plan noch Vision für den ORF gäbe. Das neue Gesetz zum ORF, das die Bundesregierung vorgelegt habe, sei mitnichten ein Produkt des Diskurses über Medien im Land, sondern es sei der Verfassungsgerichtshof gewesen, der eine Neuaufstellung der Finanzierung der größten Medienanstalt verlangte. Und vor kurzem lese ich da, wieder in der Furche, dass die Debatte über ORF-Spitzengehälter von den dringlichsten medienpolitischen Aufgaben ablenke. Ja sicher, diesbezüglich seien wohl vor allem Interessen vonseiten der Politik ein grundlegender Faktor für die Problematik einer Reform hin zu politisch unabhängigen Medien – speziell das Interesse der Regierung am öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Bald jährt sich wieder der Welttag der Pressefreiheit!

Unabhängige und freie demokratische Länder sollen die Öffentlichkeit unabhängig und zutreffend über aktuelle Entwicklungen informieren, Missstände aufzeigen und durch Kritik und vielfältige Diskussion zur öffentlichen Meinungsbildung beitragen. Um diese erfüllen zu können, muss die Medienlandschaft eines Landes frei, vielfältig und unabhängig von wirtschaftlicher oder politischer Beeinflussung sein.

Tja, klar, die digitale Transformation wie sie die Medien aller Art zurzeit erleben und erleiden, würden eine politische wie gesellschaftliche Diskussion der Sonderklasse verlangen. Denn Medienbetreiber müssen existieren und JournalistInnen von etwas leben können. Weil jedoch klassische Erlösmodelle weggebrochen sind – die Werbung von den internationalen Technologiegiganten abgesaugt wird – bleiben Alternativen im demokratischen Graubereich.

Es soll z.B. das neue Gesetz zum ORF, das die Bundesregierung vorgelegt hat, mitnichten ein Produkt des Diskurses über Medien im Land gewesen sein, sondern es wurde erzwungen aufgrund der Forderung des Verfassungsgerichtshofs nach einer Neuaufstellung der Finanzierung der größten Medienanstalt. Erst, weil etwas zu reparieren war, handelte die Regierung.

Tja, freie Meinungsäußerung ist wohl zentral für eine funktionierende kritische Öffentlichkeit.
Sie ist auch notwendig, wenn es darum geht, die UN-Menschenrechte zu verteidigen oder sich für eine gerechte und vernünftige Gesetzgebung in einer gewaltenteilenden, rechtsstaatlichen Demokratie einzusetzen. Erst wenn wir das erreicht haben, werden wir von einem Fortschritt der Menschheit reden können.

Es gibt seit vielen Jahren die Forderung der UNO nach nachhaltiger Entwicklung und es gibt auch einen globalen Plan, wie klimafreundliches Handeln (die ‚Große Transformation‘) zur Regel werden könnte (https://unric.org/de/17ziele/), aber nur sehr zögerlich finden sich die Mainstream-Medien bereit, darüber konstruktiv zu berichten.

Schon seit vielen Jahren wird von kompetenten Leuten „Transformativer Journalismus“ eingefordert. Als engagierte Umwelt- und Klimaaktivistin treibt mich das Thema um, weil ich glaube, dass klimafreundliches Handeln erst zur Regel werden kann, wenn Medienförderung an die Einhaltung ethischer Grundsätze gebunden wird.

Appell für Nachwuchsausbildung im Bereich transformativer Journalismus!

Es ist jetzt schon wieder 5 Jahre her, dass ich in der „Wiener Zeitung“ gelesen habe, dass sie zusammen mit dem Kuratorium für Journalistenausbildung Praktikantinnen und Praktikanten in journalistischen Grundlagen geschult hat. In ihrem Ausbildungsprogramm werden Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Profis in den Grundelementen des journalistischen Handwerkzeugs unterrichtet. Dazu vergab die Wiener Zeitung Praktikumstellen in ihren Ressorts (www.kfj.at/kooperationen-events/journalismuslernen). So weit, so gut! Aber, wie wird das heute gehandhabt? Ich fürchte, es gibt da wieder eine Bezahlschranke. Traurig, wo es doch vor allem junge, oft noch mittellose Menschen betrifft, die sich vielfach bereits als die „letzte Generation“ gerieren. Sie schreiben auch gegen die Verhältnisse an, aber zumeist in einschlägigen Medien. Ich frage daher, sollte nicht gerade diese Generation journalistisch ausgebildet und für die drängenden Fragen der Zukunft fit gemacht werden?

Mein Vorschlag: Strukturen schaffen, in denen eine Kooperation mit diversen Initiativen im NGO-Bereich, die es bereits aus ihrem zivilgesellschaftlichen Engagement heraus zu einem gewissen Expertentum gebracht haben, niedrigschwellig möglich sind. Freiwillige aus den Reihen der initiativen Zivilgesellschaft könnten dort ihre Erfahrung und ihr Wissen weitergeben, was, hopefully, in einer Art Bürger-Journalismus münden würde. Nach und nach könnten Bürgerinnen und Bürger zu „Meistern“ werden, die in „Werkstätten“ (seinerzeit nannte ich die Wiener Zeitung als eine mögliche) eine Art Praktikantenausbildung zur Verfügung stellen. Ich dachte, das wäre ein nicht zu unterschätzender Ansatz, um endlich Bürgerbeteiligung aus der Wissenschaft in die Medienwelt zu übertragen: Theorie- und Praxisgruppen zusammenzuführen, Medienentwickler, Netzwerker und Campaigner auf der Theorie-Seite und Neu-Journalisten in der Praxis. Sozusagen, eine Werkstatt für Transformation, die sich um transformativen Journalismus kümmert. Dazu braucht es nur noch einen Kümmerer, sozusagen einen Redakteur, bzw. ein Redaktionsteam!

Darüber hinaus ginge es darum, gemeinsam mit Nachhaltigkeits-Expert*innen und relevanten Vertretern aus Verwaltung, Politik, Wirtschaft und der Zivilgesellschaft dieses Know-how aus der Vielfalt von Pilotprojekten für ein internationales Roll-out verfügbar zu machen. Denn: Spätestens mit der Umsetzung der NFI-Richtlinie in Österreich hat sich die Nachhaltigkeitsberichterstattung nicht nur als Pflicht großer Unternehmen etabliert, sondern findet auch als Kür kleinerer und mittlerer Unternehmen immer weitere Verbreitung. Wenn nun aber dabei bereits auch internationale Regelwerke wie das der Global Reporting Initiative (GRI) angewendet werden, so bleibt der Beitrag zu echter Nachhaltigkeit immer noch verschwindend gering. Unternehmen/Organisationen, die sich strengen Nachhaltigkeitskriterien verpflichtet fühlen, fällt es immer schwerer, sich von der Masse der „berichtenden“ Unternehmen abzuheben. Zählen und erzählen im Sinne der demokratischen Transformation wären dafür die richtigen Kommunikationsinstrumente.

Diese Ideen stammen aus dem Konzept der Cooppa-Genossenschaft https://cooppa.at/ die nach fünf jährigem Bestehen wahrscheinlich, mangels Finanzierbarkeit, bald zu Grabe getragen werden muss.

* Gastautorin Ilse Kleinschuster engagiert sich in mehreren Bereichen der Zivilgesellschaft

Lob für Universum History

„Universum History“ ist eine lobenswerte Programmserie des ORF. Sie erfüllt vorbildlich den öffentlich-rechtlichen Informationsauftrag des Unternehmens. Das belegt auch die jüngste Ausgabe der Sendereihe.

Wolfgang Koppler *

Es war jüngst ein besonders interessantes ORF-Universum History über die Geschichte der Kindheit, beginnend mit den alten Ägyptern, der Zeit der Griechen und Römer (mit Abstechern zu den Kelten) über das Mittelalter und die frühe Neuzeit bis zur Aufklärung und natürlich endend mit der Gegenwart und ihren immer neuen Erziehungskonzepten.

Interessant waren für mich in diesem Zusammenhang vor allem die von uns Europäern ja immer als Ursprung aller Weisheit betrachteten Griechen. Dass diese behinderte und ungewollte Kinder aussetzten, war mir schon bekannt. Dass sie sie manchmal in einen Abgrund warfen, überraschte mich ebenfalls nicht. Aber dass der als Ursprung unseres wissenschaftlich-rationalen Denkens angesehene Aristoteles die Aussetzung und Tötung verkrüppelter oder sonst wie unbrauchbarer Kinder explizit befürwortete, war auch für mich neu. Und sollte zu denken geben. Auch die Römer orientierten sich hier am griechischen Vorbild und überließen dem pater familias die Entscheidung über die Annahme eines Kindes (das bei den Römern wenigstens gelegentlich nur vor den Stufen eines Tempels abgelegt und nicht immer umgebracht wurde). In der gegenständlichen Doku wurden dann natürlich sofort wieder die Leistungen der alten Griechen, etwa in Sachen Demokratie und Philosophie hervorgehoben.

Das ändert aber nichts daran, dass der von uns Europäern immer so hochgelobte antike „Humanismus“ nichts mit Menschenwürde zu tun hat. Wie auch die antike Sklaverei (Versachlichung des Menschen), Gladiatorenkämpfe, Tierhetzen und andere Grausamkeiten zeigen. Und die Tatsache, dass die Kindstötung erst unter Konstantin und dem Einfluss des Christentums verboten wurde, wie in der Doku auch korrekt ausgeführt wurde. Bei allen theologischen Irrwegen und allem Pharisäertum insbesondere in der Amtskirche kann man diesen urchristlichen Aspekt nicht ganz beiseiteschieben.

Das griechisch-römische Denken war und ist nämlich kalt und rational und versucht den Menschen bis zum heutigen Tag als reines Vernunftwesen zu sehen. Was er nicht ist und nie werden wird. Deshalb versuchen ja Intellektuelle gelegentlich für ihre Vorurteile und sehr oft auch nur für ihren Opportunismus rationale Begründungen zu finden. Und tarnen dies als geistige Überlegenheit. Statt sich selbst zu hinterfragen

Genau das hat mir in der ansonsten hochinteressanten Doku gefehlt: Das Hinterfragen des selbstgefälligen europäischen Intellektuellentums (was vielleicht auch erklärt hätte, warum der in Erziehungsfragen so bewanderte Rousseau seine fünf Kinder allesamt in ein Heim steckte): Bei allem naturwissenschaftlichen Fortschritt sind wir nämlich menschlich zurückgeblieben. Vor allem hinter den – in der Doku mehr als Klassengesellschaft dargestellten – Ägyptern (waren das Griechen und Römer nicht auch?), die – soweit ersichtlich- keine Kinder aussetzten, Behinderte in die Gesellschaft integrierten und deren Göttin maat am Ende des Lebens das Herz gegen eine Feder abwog. Kein Wunder, dass selbst die Bibel von der „Weisheit Ägyptens“ spricht. Also endlich raus aus der europäischen Selbstgefälligkeit!

https://www.spektrum.de/magazin/mumien-kindheit-im-pharaonenreich/1586246

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist. Er lebt in Wien.

NATO-Einheitsberichterstattung

Die veröffentlichte Meinung zeigt ein fast ausnahmslos positives Bild der NATO. Ungeachtet des durchaus kritikwürdigen Umstands, dass das westliche Militärbündnis mehr denn je mit Kriegsrhetorik provoziert.

Wolfgang Koppler *

Ukraine als NATO-Mitglied ? „Die Frage ist nicht ob, sondern wann“ titelt der Kurier in seiner heutigen Online-Ausgabe. Kat.at zitiert ebenfalls Stoltenberg, aber etwa zurückhaltender: „Ukraine wird NATO-Mitglied“. Und die Gratiszeitung „Heute“ übersetzt dieselbe Aussage für den Boulevard: „Hammer-Ansage an Putin ! Ukraine wird NATO-Mitglied“. Raphaela Schaidreiter sieht in der heutigen ZiB1– anlässlich des NATO-Außenministertreffens – in der Unterstützung der Ukraine einen „Härtetest“ für die NATO. Und der polnische Ministerpräsident Donald Tusk erntet keinerlei medialen Widerspruch, als er eine neue „Vorkriegszeit“ konstatiert – wohl eher ernst als besorgt. Heute titelt geradezu begeistert: „Neue Vorkriegszeit? NATO-Land legt alle Karten offen.“ Zumindest Russland-Experte Mangott darf in einem anderen Blatt noch ein bisschen relativieren.

Eigentlich könnte man unsere Medien – zumindest was den Ukrainekrieg betrifft – durch einen europaweiten Brüsseler Anzeiger ersetzen. Den Rest erledigt dann ein Übersetzungsprogramm. Da könnte man viele Journalisten einsparen. Wozu brauchen wir eigentlich Pressefreiheit bei einer derartig unkritischen Einheitsberichterstattung ?.

Irgendwie kommt mir Nordkorea in den Sinn. Wie geht doch schnell das Lied auf den dortigen Staatsgründer ? Kim Il Sung, unsre große Sonne… oder so ähnlich. Ist gar nicht so weit vom selbstgefälligen Jubel in unserer Europahymne entfernt, für die Beethoven herhalten musste. Freude, schöner Götterfunken…

Wem dieser Vergleich überspitzt erscheint, der möge sich die westliche Ukrainekriegsberichterstattung noch einmal ansehen. Oder seinen Chefredakteur mit einem kritischeren Artikel herausfordern…

Nestroy ist offenbar nach wie vor gültig. Auch in Demokratien. Wie heißt es in Judith und Holofernes ? Und weil er uns sonst niederhaut, drum preisen wir ihn alle laut (Anm: Den oder die Herrschenden).

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Kriegerische Schlafwandler

Spannungsgeladene Zeiten wie diese mit drohender Steigerung des Gefahrenpotentials erinnern fatal an die Jahre vor dem Ersten Weltkrieg. Politik und Medien halten kaum dagegen.

Fritz Edlinger *

Der bei globalbridge veröffentlichte Kommentar von Stefano di Lorenzo hat mich dazu verführt, eines der wichtigsten historischen Werke der letzten Jahre wieder in die Hand zu nehmen und zu schmökern: Christopher Clark: Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog. (Dt. Verlagsanstalt 2012). Es ist – meiner Ansicht völlig zurecht – bereits früher darauf hingewiesen worden, dass die Situation in Europa in den Jahren vor dem 1. Weltkrieg große Ähnlichkeiten mit den Jahren vor dem russischen Angriff auf die Ukraine am 25.2.2022 aufweist. Um es zu vereinfachen: In beiden Fällen hat es genügend Hinweise auf vorhandene, aber in ihrem Gefahrenpotential (mehr oder minder bewusst) zu wenig beachtete Interessenskonflikte gegeben. Ich darf mir erlauben, aus der Einleitung des mit 895 Seiten äußerst umfangreichen Werkes des in Cambridge lehrenden australischen Historikers zu zitieren:

„Seit Ende des Kalten Krieges ist an die Stelle des Systems globaler, bipolarer Stabilität ein weit komplexeres und unberechenbareres Gefüge an Kräften getreten, einschließlich einiger Reiche im Niedergang und aufsteigender Mächte – ein Zustand, der zum Vergleich „Das vorliegende Buch…. befasst sich weniger mmit der Situation in Europa anno 1914 geradezu einlädt.“ (S. 15).

„Das vorliegende Buch…. befasst sich weniger mit der Frage, warum der Krieg ausbrach, als damit, wie es dazu kam.“ (S. 17).

Vor allem das zweite Zitat erinnert mich auch an den völlig unsinnigen und polemischen Vorwurf an manche Analysten und Kommentatoren, sie seien „Putinversteher“. Wie bereits des öfteren festgestellt, bedeutet Verstehen nicht Akzeptieren und Unterstützen sondern einfach Entwicklungen und Situationen zu analysieren, eben zu verstehen. Dies ist meines Erachtens viel zu wenig getan worden und wird auch weiterhin sträflich vernachlässigt, sodass Europa 2022 in einen Konflikt getaumelt ist, der schon 1914 katastrophale Folgen gehabt hat und dies auch diesmal tun wird. Bei etwas mehr Kenntnis der Probleme und der unterschiedlichen Interessen und bei größerem politischen Willen, eine neuerliche Katastrophe unermesslichen Ausmaßes verhindern zu wollen, wäre dies vielleicht doch zu vermeiden gewesen.

So droht also Europa innerhalb von einem Jahrhundert bereits zum dritten Male zum Auslöser und großteils auch zum Schauplatz eines Weltkrieges zu werden. Aber eines ist meines Erachtens unbestritten: Trotz der durch nichts zu rechtfertigenden Tatsache, dass Russland diesen schrecklichen Krieg ausgelöst hat, so konnte man die Zeichen an der Wand sehr wohl bereits in den Jahren zuvor erkennen, konnte und/wollte dies aber nicht tun. Somit ist die Mitverantwortung mancher europäischer Staaten, vor allem aber auch der USA, nicht von der Hand zu weisen.

Doppelstandards als Prinzip der geopolitischen Realitäten

Im Ukrainekonflikt kommt auch ein weiteres Element der Geopolitik, welches in krassem Gegensatz zu den formellen nach 1945 vereinbarten völkerrechtlichen Spielregeln (Charta der Vereinten Nationen, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte) steht, wieder einmal zum Vorschein: Doppelstandards. Es ist ganz offensichtlich, dass es nach dem Prinzip von „Quod licet Iovi not licet bovi“, weltweit und global zweierlei Recht gilt. Dass die Schöpfer der 2. Weltkriegsnachordnung selbst gewisse legale Umgehungsmöglichkeiten nicht vermeiden wollten oder konnten beweist z.B. die Regelung, dass im völkerrechtlich entscheidenden Gremium der UNO, dem Sicherheitsrat, fünf Mitgliedern (USA, Großbritannien, Frankreich, Sowjetunion/Russland, China) Vetorechte eingeräumt worden sind. Damit konnten diese fünf Mächte ihnen nicht genehme verbindliche Beschlüsse verhindern. Dass es darüber hinaus vor allem von diesen Fünf auch immer wieder zur Umgehung des Sicherheitsrates gekommen ist, erinnert uns daran, dass es noch immer genügend Bedarf zu globaler Gleichberechtigung gibt.

Um mit einem kleinen Prinzip Hoffnung zu schließen: Die USA, welche seit 1945 dieses Vetorecht wohl am häufigsten angewandt haben, könnten im Hinblick auf den Angriff Israels auf den palästinensischen Gazastreifen jenen Staaten, welche seit vielen Jahren auf eine Veränderung der Machtstrukturen bei den Vereinten Nationen hinarbeiten, indirekte und nicht-gewollte Schützenhilfe geben. Die Stimmenthaltung bei der jüngsten Resolution, welche unter anderem zu einem sofortigen Waffenstillstand in Gaza aufgerufen hat, könnte durchaus den Bemühungen um die dringend benötigte Reform der UNO neue Dynamik verleihen. In diesem Sinne verweise ich auf den verlinkten Bericht von Al Jazeera.

Links:

Gehen auch wir schlafwandelnd in einen dritten Weltkrieg?

https://www.aljazeera.com/news/2024/3/26/will-the-un-ceasefire-resolution-stop-israels-war-on-gaza

* Gastautor Fritz Edlinger ist Herausgeber und Chefredakteur der renommierten Zeitschrift INTERNATIONAL www.international.or.at

Wohnen als Reizthema

Politik und Medien haben das Reizthema „Leistbares Wohnen“ bisher weitgehend ausgeklammert. Angesichts der Wahlerfolge der KPÖ findet diese Causa nun aber mehr öffentliche Aufmerksamkeit.

Wolfgang Koppler *

Leistbares Wohnen, ein Thema, das bis jetzt eigentlich fast nur die KPÖ aufgegriffen hat. Es ist von anderen Parteien schlichtweg verschlafen worden. In Wien etwa hat sich die Wohnbauleistung trotz Zuzugs von 2021 bis 2023 von 16000 auf 9000 Wohnungen reduziert. Auch der soziale Wohnbau ging zurück. Und der Bau von Gemeindewohnungen hat offenbar überhaupt nur mehr symbolische Bedeutung, während Hunderte Millionen in Straßenverschönerungen, Musiktheater und Museumsbauten gesteckt werden.

Auch die Medien haben dieses Thema mehr oder weniger ignoriert. Erst die dramatische Lage auf dem Wohnungsmarkt – nicht nur in Österreich – und die Erfolge der KPÖ in Salzburg und Graz scheinen einigen Journalisten bewusst gemacht zu haben, dass es Menschen gibt, die auf eine Mietwohnung angewiesen sind. Und die sich eine Eigentumswohnung schlicht nicht leisten können. Oder den Kredit für den Eigenheimbau (der zudem zur Zersiedelung beiträgt). Unangenehm, dass man sich gelegentlich mit den Bedürfnissen des „Pöbels“ (laut Thomas Schmid) auseinandersetzen muss. Aber unter den Medienkonsumenten und Wählern finden sich halt leider auch viele solcher Menschen außerhalb der Seitenblicke-Gesellschaft. Menschen, die man doch nicht gänzlich ignorieren kann.

Immerhin, der ORF hat jetzt das Grundbedürfnis Wohnen entdeckt. Zunächst in der ersten Folge seines neuen Magazins „Weltweit“. Und nun sogar als Diskussionsthema in der jüngsten Ausgabe von „Im Zentrum“. Da war von wahrhaft erstaunlichen Zahlen die Rede. So sprach die Diskutantin Katharina Rogenhofer von 650.000 leerstehenden Wohneinheiten in Österreich. Was Jan Kluge vom neoliberalen Institut Agenda Austria prompt zu bagatellisieren suchte. Das seien großteils zeitweise Leerstände. Und im Übrigen rentiere sich halt das Vermieten zu wenig. Weil zu viel in den Markt eingegriffen würde.

Dass es im freifinanzierten Neubau (und dazu zählen immerhin Gebäude, die nach dem 30.6.1953 errichtet wurden) keinerlei Mietzinsbeschränkungen gibt, wurde nicht erwähnt. Ebenso wenig etwa, dass in den letzten Jahrzehnten von den privaten Bauträgern ein gewaltiges Überangebot von Büroflächen geschaffen wurde. Weil diese billig zu errichten sind und scheinbar noch mehr Mietertrag bringen. Wenn man sich einredet, sie doch noch anbringen zu können. Tatsächlich besteht schon seit langem kein Bedarf mehr und werden Büros zurückgegeben. Ein Umdenken bei den privaten Bauträgern hat aber nicht eingesetzt. Der Markt wird – nicht nur in diesem Bereich – von unvernünftiger Gier bestimmt. Nicht nur im Fall Benko.

Aber unverständig ist ja nur der Pöbel…

* Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Nawalny-Doku in ARTE

Wie Alexej Nawalnys Zivilcourage Putin gefährlich wurde

Hans Högl

Angesichts der Wiederwahl von W. Putin ist zu empfehlen, eine Dokumentation über Alexej Nawalny für die Medienkultur aufzugreifen. Denn sie wurde – so scheint es- bei uns kaum beachtet. Der Film zeigt Nawalnys Leben und Engagement und nur knapp seine Verhaftungen, aber nicht das Gefängnis in Sibirien. Am Film arbeitete lange heimlich der russische Filmemacher Igor Sadreev.

Ich sah die Doku von A. Nawalny im TV-Sender Arte nun zum zweiten Mal und versuche ein objektives Resumé, empfehlend, diesen inhaltsreichen Film unvoreingenommen zu sehen und zu kommentieren. Er ist in ARTE bis 11. März 2025 in der Mediathek verfügbar, und wurde ebenda am Dienstag, den 12. März 2024, von 20:15 -21.45 gezeigt, und die Doku bringt auch politische Hintergrundereignisse in Russland – beginnend mit Jelzin und mit dem Machtwechsel zu Putin.

Der Film zeigt anfangs die Kindheit von N.. Sein Vater war Armeeoffizier. N. wuchs in einem Dorf auf, wir sehen die Schule, die A. Nawalny und sein Bruder besuchten und ein Interview mit der Schulleiterin. Seine Großmutter veranlasste, dass er getauft wurde. Es findet sich im Film eine kurze, sehr lobende Stellungnahme Nawalnys zu Jesus Christus.

N. studierte Jus und fiel im Studium nicht besonders auf. Bei einem Urlaub lernte er seine Frau kennen. Nawalny nahm an der Yale-Universität an einem Kurs teil und erfuhr, was niemand damals ahnte, dass You-Tube und soziale Medien eine größere Rolle spielen würden als Fernsehen. Dies wird Nawalny als Mitglied in der Liberalen Partei anwenden. Erst allmählich wird er als Moderator bekannt und ernst genommen.

Da N. Bedenken gegen die Migration nach Russland äußerte und Russlands Ruhm betonte, wurde er aus der Liberalen Partei ausgeschlossen. Dann kämpfte mit You-Tube -Videos gegen die Korruption in Russland und tritt als Aktivist in Aktionärsversammlungen auf. Er wurde Unternehmensanwalt.

Nawalny hatte von Anfang an Vorbehalte versus Putin. Er nahm an, dass Putin und seine Umgebung Milliarden unrechtmäßig einsteckten. 2011 gründete er die Stiftung gegen Korruption. Alexei N. wusste, dass es für ihn gefährlich wurde, aber sagte: „Ich habe mich entschieden, das zu ignorieren!“ N. zeigt in Videos Luftaufnahmen von Medwedews Datscha. Dieser ist ein Vertrauter Putins. Und Nawalny präsentiert den bisher unbekannten Palast von Putin. Die Innenräume wurden mit 3- D-Methode nachgestellt. 2012 wurde Putin erneut Präsident. Es gab Razzien in der Wohnung von Nawalny. Nawalny kritisierte Medien, auch solche, die ihn unterstützt hatten. Zu Unrecht, wie eine Journalistin sagte.

2013 nimmt N. an der Bürgermeisterwahl in Moskau teil und erhält 30 % der Stimmen. Immer wieder erlebt er körperliche Aggressionen. 2023 kommt Nawalny in ein sibirisches Straflager. Seine Botschaft: Putins Herrschaft wird vergehen.

Wieder ins Gespräch kommen

In die Endlosschleife der Interviews zu den russischen Präsidentschaftswahlen hat sich ein weiteres mit ähnlichem Inhalt eingereiht: In der ZiB2 kam jüngst Rüdiger Fritsch zu Wort, deutscher Ex-Botschafter in Moskau. Der Erkenntnisgewinn des von Armin Wolf geführten Gesprächs war überschaubar.

Wolfgang Koppler *

Solche Interviews sind meist entbehrlich, zumal man gerade bei einem Konservativen wie dem ehemaligen deutschen Botschafter in Moskau sich die Antworten ausrechen konnte. Trotzdem kann man – wenn man eine Art Vogelperspektive einnimmt und sowohl die russischen als auch die westliche Ansicht zu Putin, Russland und dem Ukrainekrieg unbefangen und unemotional zu beurteilen sucht – vielleicht zu neuen Schlüssen gelangen. Die russische und die westliche Seite sind einander nämlich nicht gar so unähnlich. Und wirken eigentlich wie Kleinkinder, die an einer Puppe ziehen und sie entzwei reißen.

Der Westen ist der Ansicht, dass der Krieg unbedingt gewonnen werden müsste. Alles andere wäre ein Katastrophe für die freie Welt. Auch Putin möchte den Krieg gewinnen (wobei ihm angesichts der wirtschaftlichen Probleme, die auch Fritsch erwähnte, insgeheim vielleicht Verhandlungen doch lieber wären, wie einige Signale aus den letzten Monaten zeigen). Seine Rhetorik im Hinblick auf Forderungen nach einem Sturz der ukrainischen Regierung oder gar eine Wiedereingliederung ins russische Reich oder das Spiel mit der atomaren Bedrohung nimmt selbst im Westen in Wirklichkeit niemand ernst. Dass er sich mit dem Angriff auf die Ukraine verschätzt hat, ist nichts Neues und wiederum eine Endlos-Rhetorik des Westens, die zu nichts führt.

Nicht ganz uninteressant waren Fritschs Hoffnungen auf einen Sturz Putins und seine Unsicherheit, wer dem 71-jährigen russischen Staatschef nachfolgen könnte. Er hatte natürlich – so wie wir alle – keine Ahnung, wer das sein könnte bzw. wie die Zukunft Russlands aussehen könnte. Als Alternative fiel ihm eigentlich nur Nawalny ein. Dieser ist erstens tot und wäre wahrscheinlich auch kein echter Hoffnungsträger gewesen. Sowohl von seinen ziemlich chauvinistischen Ansichten als wohl auch von seinen Fähigkeiten her. Das hat jetzt nichts mit unserem Mitgefühl und unserer Empörung über Haft und Tod Nawalnys zu tun.

Tatsächlich fällt so gut wie allen politischen Kommentatoren, wenn es um Alternativen zu Putin und die Zukunft Russlands geht, immer nur ein: Nicht-Putin, alles ist besser als Putin. Ein westlicher Experte sprach das sogar vor einigen Monaten ganz offen aus.

Auch mir ist klar, dass die Putin-Ära, die ich keineswegs beschönigen will, sich in nicht allzu ferner Zukunft ihrem Ende zuneigen wird. Da wir aber alle nicht wissen, was dann kommen wird und was sich im Hintergrund der Nomenklatura abspielt, sollte man mit Wünschen nach einem Umsturz eher vorsichtig sein. Zumal der Zerfall einer Atommacht und die Transformationsprozesse in einem seit Jahrhunderten autoritär geführten Staat unabsehbare Folgen haben können. Nicht nur für Russland selbst.

Auch aus diesem Grund sollte man sich auf Verhandlungen im Ukrainekrieg einlassen. Denn die Wahrscheinlichkeit eines friedlichen Machtwechsels in die Nach-Putin-Ära würde sich nach einem für beide Seiten tragbaren Frieden zumindest erhöhen. Denn gekränktes Nationalgefühl ist gefährlich. Gerade bei den diesbezüglich eher empfindlichen Russen- Mit denen man wieder ins Gespräch kommen sollte. Ganz ohne westliche Selbstgefälligkeit. Zumal es auch bei uns mit der Meinungsfreiheit nicht gar so weit her ist. Wie man gerade am Ukrainekrieg sieht.

* Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien.

Si vis pacem para pacem

Kriegsberichterstattung und Propaganda, Neutralität und Streben nach Frieden: einige der Aspekte, die das Spannungsfeld von Politik und Medien mehr denn je charakterisieren.

Udo Bachmair *

Kriegsrhetorik in Politik und Medien greift immer weiter um sich. Vor diesem Hintergrund mutiert Frieden zunehmend zu einem negativ geladenen Begriff. Er wird vorwiegend in Kombination mit Begriffen wie Diktatfrieden oder Friedensdiktat verwendet. In der veröffentlichten Meinung dominiert die ausschließliche Sinnhaftigkeit aller militärischen Lösungen. Das veranschaulichen die aktuellen Beispiele der Kriege in der Ukraine und Gaza besonders deutlich.

Grundsätzlich erscheint klar: Kriegspropaganda betreiben immer beide Seiten eines Konflikts.

Gleichgeschaltet wirkende westliche Medien und auch zahllose PolitikerInnen gehen davon aus, dass nur Russland Kriegspropaganda betreibt, nicht aber auch die Ukraine.
Daraus resultiert jener durch diverse Studien bereits mehrfach belegte Eindruck, dass in der Kriegsberichterstattung vieler unserer Medien, besonders aber der deutschen, ukrainische Kriegsrhetorik und Propaganda oft als faktenbasierte Inhalte präsentiert werden, gemischt mit einem sich weiter radikalisierenden Wording. Friedensrhetorik hingegen wird als naiv abgetan, eine solche würde Aggressoren, wie Putin, nur weiter ermuntern.

Am Anfang des Ukraine-Krieges war noch die territoriale Integrität der Ukraine oder Hilfe vor Ort im Zentrum der öffentlichen Wahrnehmung. Danach wurde medial zunehmend vermittelt, dass ein Sieg der Ukraine unbedingt nötig sei, die Existenz und der Fortbestand ganz Europas würden ansonsten auf dem Spiel stehen. Damit auch „unsere westlichen Werte“. Aber man fragt sich, ob denn die Ukraine diesbezüglich tatsächlich als Vorbild dienen könne, ein Staat, der hinsichtlich Korruption oder Pressefreiheit weltweit die hintersten Ränge belegt.
Ungeachtet dessen wird ein Sieg gegen Putin von Politik und Medien gleichsam zur Pflicht erkoren.

Damit entfällt folgerichtig jede Verpflichtung zu Bemühungen für Waffenstillstandsgespräche und eine baldige friedliche Lösung.
Eine Forderung, die kürzlich auch der Papst erhoben hat – und er musste sich vom traditionell antirussischen Standard-Journalisten Hans Rauscher umgehend als Unterstützer eines Aggressors rügen lassen u.a. mit der Äußerung:

„Der Heilige Vater weiß nicht, wovon er da redet“

In derselben Zeitung feuerte Markus Reisner von der Theresianischen Militärakademie die Rüstungskonzerne an mit den Worten:

„Die Rüstungsindustrie könnte durchaus mehr produzieren!“.

Speziell in Deutschland verdichtet sich der Eindruck, dass die meisten Medien, ausgerechnet auch die öffentlich-rechtlichen, die zur Objektivität auch der außenpolitischen Berichterstattung verpflichtet wären, die Politik vor sich hertreiben, immer mehr und immer weiter aufzurüsten.
Beispiel der Druck auf Kanzler Olav Scholz, unbedingt schwere Panzer an Kiew zu liefern, eine Forderung, der er nach einigem Zögern schließlich doch nachgekommen ist.
Oder jüngst: Noch zögert Scholz, die weit reichenden gegen Russland gerichteten Taurus-Raketen zu liefern. Er trotzt damit dem Druck der konservativen Opposition sowie vor allem auch dem Boulevard, wie der allmächtigen BILD-Zeitung.

Eine Frage der Zeit, bis Scholz wieder in die Knie geht..?

Schließlich kommt Druck auch aus seiner Ampelkoalition, aus der FDP, allen voran seitens der mittlerweile als hartnäckige Kriegstreiberin kritisierten Chefin des außenpolitischen Bundestagsausschusses, Strack -Zimmermann. Besonders auch seitens der Grünen, allen voran der im Selbstverständnis nach wie vor grünen Außenministerin Annalena Bärbock. Sie hat sich in den Augen von Beobachtern als kriegsbegeisterte militaristische Hardlinerin entpuppt. Sie scheint vergessen zu haben, dass die Grünen sich früher einmal als parlamentarischer Arm der Friedensbewegung verstanden haben – eine Absurdität, ein Hohn sondergleichen, wenn man ihre aktuelle Haltung betrachtet.
Ganz zu schweigen von der EVP-Politikerin und EU-Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen, die ebenfalls den Eindruck einer militaristischen Einpeitscherin erweckt, ohne auch nur einen einzigen Lösungsvorschlag präsentieren zu können.

Jedenfalls muss Frau Von der Leyen auch jene fahrlässige Untätigkeit der Europäischen Union insgesamt bezüglich Bemühungen um eine diplomatische Lösung und eine Beendigung des Blutvergießens angelastet werden. Im Sinne der Waffenlobby und im Interesse von NATO und USA fehlt offenbar jeglicher Wille, weiterer intensiver Aufrüstung abzuschwören und zumindest zu versuchen, mit Moskau diplomatisch oder persönlich in Kontakt zu treten. Optimismus über eine wohlwollende Gesprächsbereitschaft Putins hält sich zurzeit freilich in Grenzen.

Aber Versuche wären’s doch wert !

Putin machts natürlich seinen Gegnern mit seiner völkerrechtswidrigen Aggression in der Ukraine leicht – und so läge es auch an ihm, erneut Verhandlungsbereitschaft zu zeigen, auch wenn ihm der Westen noch so sehr die kalte Schulter zeigt.
Zuviel Porzellan wurde auch seitens des Westens und der gefährlichen Erweiterung der NATO bis an die Grenzen Russlands zerschlagen. Jede Bereitschaft und Fähigkeit scheint dafür zu fehlen, sich auch in den Kriegsgegner Russland hineindenken zu können. So wird die subjektiv gefühlte und aus Sicht Moskaus ernstzunehmende Bedrohung durch die NATO-Erweiterung ebenfalls als bloße Propaganda abgetan.

Einseitigkeit in Bezug auf die Beurteilung des Ukrainekrieges bzw. der Mangel an differenzierten und differenzierenden Betrachtungsweisen in Politik und Medien erscheinen besonders schmerzlich dann, wenn sie in einem neutralen Staat wie Österreich gang und gäbe sind.–

Leider muss sich da auch mein altes Unternehmen ORF manche Kritik gefallen lassen. So werden überwiegend Experten und Expertinnen in Ö1-Journale, ZiB 2-Sendungen oder Punkt.Eins.-Sendungen eingeladen, die undifferenziert proukrainisch und militaristisch argumentieren. So werden auch die zahlreichen Hintergründe, die mit zum Ausbruch des Krieges 2014 bzw. 2022 geführt haben, weitgehend ignoriert.

Die meisten JournalistInnen-KollegInnen fühlen sich im Strom des antirussischen Mainstreams wahrscheinlich wohler, einzelne, die Waffenstillstandsverhandlungen oder Friedensgespräche fordern, werden als Putinversteher gebrandmarkt, die angeblich nur dem Kriegsherrn in Moskau in die Hände spielen wollen. Sie geben ihren Widerstand gegen den Mainstream meist bald auf.
Einer der vorbildlichen Ausnahmen unter den ORF-Redakteuren, Christian Wehrschütz, wird sich auch nicht mehr lange halten können, denn leider wird nicht nur in Kiew, sondern auch hierzulande gegen ihn Stimmung gemacht und ihm dadurch der Weg in die Pension erleichtert.

Es ist ja nicht so, dass pauschal alle JournalistInnen sich nicht zumindest bemühen würden, auch in heiklen außenpolitischen Fragen einigermaßen objektiv und seriös zu berichten. Vielen ist einfach nicht bewusst, dass sie sich für eine Seite (pro Ukraine, pro Israel) vor den Karren spannen lassen. Unter der Devise: Die Einen sind gut, die Anderen nur böse.
Davon lebt freilich der Boulevard, leider aber auch sogenannte seriöse Medien wie der ORF oder der Standard etc.
So ist und bleibt das bereits lange aufgebaute Feindbild Russland unverrückbar. –

Ein Grundproblem besteht u.a. darin, dass die außenpolitischen Ressorts, auch die im ORF, personell ausgedünnt worden sind, sodass oft weder Zeit noch Energien mehr bestehen für die Verwendung auch ausreichend alternativer Quellen. So bekommen MedienkonsumentInnen zu einem großen Teil serviert, was die beiden großen westlichen Agenturen mit ihrem speziellen Wording und ihrer US-orientierten Sicht der Welt vermitteln und vorbeten.

Die andere Seite der Propaganda, die der russische TV-Kanal „Russia today“ betreibt, ist der westlichen Zensur zum Opfer gefallen und nicht mehr empfangbar. Demokratiepolitisch und im Sinne der Meinungsvielfalt problematisch. Dabei wäre es doch interessant und aufgeklärten MediennutzerInnen zumutbar, auch die andere Seite zu hören, auch wenn Propagandainhalte überwiegen.

Umso lauter polemisieren manche PolitikerInnen und heimische Medien gegen die Nützlichkeit der Neutralität Österreichs. In Kommentaren etwa der Zeitungen Standard oder Kurier wird mehr oder weniger unverhohlen Stimmung aufbereitet für einen Beitritt Österreichs zur NATO.
Dabei hätte Österreich hätte als neutrales Land große Chancen, Vertreter der Kriegsparteien an einen Tisch zu holen. Wien als UNO-Standort, Wien als Austragungsort internationaler Konferenzen, wäre prädestiniert dafür.

Nur: Österreichs Neutralität hat Schaden gelitten durch eine österreichische Außenpolitik, die den Namen nicht verdient, die sich bei globalen Konflikten jeweils relativ einseitig positioniert.
Nicht nur in der Ukrainefrage – etwa wenn das Parlament Selenskyj zu einer seiner Propagandareden einlädt – oder wenn auf dem Gebäude des Bundeskanzleramts ausschließlich die israelische Fahne gehisst und nicht auch Empathie für das Leid der palästinensischen Bevölkerung symbolisiert wird –

All das ist freilich nicht ein formaler Verstoß gegen die immerwährende bewaffnete Neutralität, jedoch gegen den Geist der Neutralität gerichtet.

Sollte eine weitere Aushöhlung der Neutralität erfolgen oder gar ein NATO-Beitritt Österreichs Realität werden, wäre eine mediative und friedensstiftende Rolle Österreichs wie zu Zeiten Bruno Kreiskys jedenfalls endgültig verspielt.

Werden wir nicht müde, da klar dagegenzuhalten !

* Der Beitrag entspricht einer leicht gekürzten Textgrundlage für ein Referat, das Udo Bachmair bei einer Veranstaltung der „GewerkschafterInnen gegen Atomenergie und Krieg“ am 13.3.2024 im Amerlinghaus in Wien gehalten hat

Hier die Aufzeichnung der gesamten Veranstaltung :

Kampf gegen Klimawandel und Mikroplastik

Gegen Mikroplastik und pro Geoengineering

Hans Högl: Gute Nachrichten-gekürzt vom Blog „Perspektive Daily“ ( 10.3.2024):

UN-Vorschlag der Schweiz: Geoengineering gegen die Erderhitzung ausloten und Notfallplan, die Erde abzukühlen.

1815 brach auf der tropischen Insel Sumbawa der Vulkan Tambora aus. Er schleuderte Millionen Tonnen Lava, Asche und Rauch bis zu 45 Kilometer Höhe. So gelangten weniger Sonnenstrahlen auf den Erdboden, da die Partikel diese zurück ins All reflektierten, und unser Planet kühlte sich kurzfristig merklich ab. Ein Jahr später war der Sommer rund um die Welt außergewöhnlich kalt. Ganze Ernten gingen verloren. Dies könnte die Vorlage für einen Notfallplan gegen Klimawandel sein.

Besser wäre es, die Erhitzung der Erde durch eine Reduzierung von Treibhausgasen zu stoppen. Doch die internationale Politik scheitert daran. Das 1,5-Grad-Ziel ist bereits verfehlt, und es könnten besorgniserregende Kippunkte erreicht werden. Was passiert, wenn das schlimmste Szenario eintritt und die Menschheit den Klimawandel nicht in den Griff bekommt? In der kommenden Woche schlägt die Schweiz auf der Umweltversammlung der UN in Nairobi die Gründung einer Expertengruppe vor, die die »Risiken und Vorteile einer künstlichen Verdunkelung der Sonne untersuchen soll. Die Idee nennt man »Solar Radiation Modification« (SRM).

Die Menschheit könnte einen großen Vulkanausbruch imitieren, indem sie Schwefeldioxidpartikel in die Atmosphäre bläst. Ähnlich wie 1815 könnten diese Wärme und Sonnenlicht zurück ins All reflektieren. Die globale Durchschnittstemperatur könnte im Folgejahr um ein halbes Grad sinken, vergleichbar mit einem Vulkanausbruch, vermuten Expert:innen.

Sollten wir die Sonne verdunkeln, um die Erde zu retten? Der Schweizer Umweltbotschafter Felix Wertli will dafür nicht werben oder mit der Idee Klimaschutzmaßnahmen ersetzen. Er nenne das Projekt eine »Vorsichtsmaßnahme«, berichtet der britische Guardian. Wertli geht es darum, eine globale Debatte anzustoßen, die aktuell ein Tabu ist. Denn Geoengineering, ist seit 2010 international nach der Warnung von Wissenschaftler:innen mit einem De-facto-Moratorium belegt. Die Technik gilt als gefährlich – wegen Auswirkungen auf unser Ökosystem.

2010 glaubte man noch an das 1,5-Grad-Ziel, und die Folgen des Klimawandels waren noch in weiterer Ferne. Wertli weiß: Nur gemeinsam als internationale Gemeinschaft, abgesprochen und gut erforscht könnte Geoengineering zu einem Notfallplan werden – falls alles andere versagt. Schon 2019 hatte die Schweiz eine ähnliche Resolution angestoßen, scheiterte aber am Widerstand von Saudi-Arabien und Trump.

Univ.Prof. Stefan Turner (TU-Wien) betonte ebenfalls in einem ausführlichen „Presse“-Beitrag im Spectrum, dass wir „von der Energiewende viel weiter entfernt sind, als man uns weismachen will“-Die Presse, 9.März 2024.

Die nächste gute Nachricht: Mikroplastik findet sich überall, auch im Trinkwasser. Eine Studie zeigt, wie sich die Teilchen entfernen lassen.
Was haben Spinnen in der Wohnung und Kalkablagerungen im Wasserkocher gemeinsam? Viele Menschen sind genervt von beiden, obwohl sie recht nützlich sind. So fressen Spinnen Mitbewohner wie Mücken, Fliegen und Motten. Und Kalk? Der könnte indirekt die Menge von Mikroplastik im Trinkwasser reduzieren – das ergab eine im Fachmagazin Environmental Science & Technology Letters veröffentlichte Studie.

Mikroplastik sind Kunststoffpartikel, die kleiner als 5 Millimeter sind – so groß wie grober Sand. Bei einer Größe von bis zu 2 mm kannst du sie noch mit dem bloßen Auge erkennen. Mikroplastikpartikel, die mit Plankton von Fischen gefressen und in die Nahrungskette aufgenommen werden, sind jedoch so klein, dass sie nur mit speziellen Hilfsmitteln wie UV-Lampen erkennbar sind. Das meiste Mikroplastik stammt von Reifenabrieb, aus der Abfallentsorgung und der Abnutzung von Asphalt.

Zhanjun Li und Eddy Zeng von der Medizinischen Univ. Guangzhou (China) haben gefunden, dass sich die durch Trinkwasser aufgenommene Menge an Nano- und Mikroplastik um bis zu 90% reduzieren lässt. Und zwar so: Indem man das Wasser 5 Minuten abkocht und filtert; ein herkömmlicher Kaffeefilter reiche bereits aus.

Die Forscher:innen sammelten verschiedene Proben von Leitungswasser und verunreinigten sie mit unterschiedlich großen Mikroplastikpartikeln. Steigt die Temperatur ausreichend an, Z.B. im Wasserkocher, verfestigt sich das im Wasser enthaltene Kalziumkarbonat und es entstehen die bekannten Kalkablagerungen. So werden Plastikteilchen eingekapselt und können mit den Kalkstückchen herausgefiltert werden. Je »härter«, also kalkhaltiger das Wasser, desto besser funktioniert dieser Mechanismus.

Generell ist die Konzentration von Mikroplastik in unserem Körper nach wie vor relativ gering. Solltest du dein Leitungswasser also ab sofort immer abkochen, bevor du es trinkst? Nein – zumindest nicht, wenn du in Deutschland lebst. Der Nutzen unterliegt hier eindeutig dem Zeit- und Energieaufwand. Zwar findet sich überall Mikroplastik im Trinkwasser. Doch die Unterschiede sind enorm: Laut WHO schwankt die Zahl der Teilchen pro Liter Trinkwasser weltweit von 0 bis 10.000.

In Deutschland wird Mikroplastik nur in geringen Mengen im Trinkwasser nachgewiesen – denn Kläranlagen und Wasserwerke filtern größere Partikel heraus. Wasser aus gekauften Plastik- und Glasflaschen enthält aber viel mehr Mikroplastik. Die Erkenntnisse von Li und Zeng könnten aber im globalen Süden sinnvoll sein, wo Trinkwasser sich nicht zu großen Teilen aus Grundwasser speist – und wo es aus hygienischen Gründen ohnehin sinnvoll ist, Wasser abzukochen. Oberste Priorität muss bleiben, dass weniger Plastik produziert und konsumiert wird.

Medien-Politik im Abseits?

Die Zukunft von Medien angesichts wachsender Probleme und fehlerhafter Entwicklungen ist eine der drängendsten Fragen, die nicht nur seitens der Politik einer Lösung harren.

Ilse Kleinschuster *

Noch immer, also genau neun Monate nach der „völlig unnötigen Einstellung der der Republik gehörenden Wiener Zeitung“ (Fritz Hausjell) – ‚meiner‘ abonnierten Tageszeitung, vermisse ich sie. Gerne denke ich an die Zeit zurück, in der ihre tägliche Lektüre mir geholfen hat, die Welt in ihrer Schönheit aber auch mit all ihren Widersprüchen besser verständlich zu machen.

Die Frage, die sich Clemens Pig stellt „Muss es denn wirklich eine Vision bleiben, dass Journalismus dazu dient Welterklärungen zu demokratisieren und nicht als Einbahnstraße zu begreifen“ bewegt auch mich (Clemens Pig, u.a. geschäftsführender Vorstand der Austria Presse Agentur (APA) und Autor von „Hat die Wa(h)re Nachricht eine Zukunft?“. Er sieht die APA als „Gedächtnis der Nation und andererseits als medialen Pulsschlag der Republik.“ Er wünscht sich jedoch mehr Selbsterkenntnis im Journalismus, um die Bedürfnisse und Erwartungshaltung der Menschen in Bezug auf die Medien zu verstehen und darauf entsprechend einzugehen. Als Politikwissenschafter und kritischer Journalist ist er Mitbegründer von Media-Watch – Institut für Medienanalysen GmbH, das von der APA 2001 erworben wurde. Dort gibt es seither ein eigenes Ressort für Fact-Checking, d.h. dort werden Versuche unternommen, so nahe als möglich an normative Konzepte wie Wahrheit und Objektivität heranzukommen.)

Nun aber, wo unsere Welt in den letzten Jahren im Zuge der Globalisierung immer komplexer wird, fühlen sich viele Menschen abgehängt. Die Komplexität zu simplifizieren wird immer schwieriger und es erfordert dafür Meister des journalistischen Handwerks. Zeitungen mit Redaktionen, die sich unabhängig nennen, setzen sich unweigerlich einem mörderischen Wettlauf zwischen Schnelligkeit und Richtigkeit aus. Am Ende sollte sich natürlich immer die Richtigkeit durchsetzen. Wenn nun aber Fakten-Check aus Zeitmangel wegfällt, kommt es unweigerlich zu Massenmedien mit „medialer Einigkeit“ – was die Demokratie gefährdet (siehe Richard David Precht und Harald Welzers Buch „Die vierte Gewalt – Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist“).

Wenn es also bei uns in Österreich nicht zu einem totalen Verfall der APA als unabhängiger Nachrichtenagentur kommen soll, dann muss sich diese neue Geschäftsfelder erschließen. Das kann das multimediale Verbreiten von Pressemeldungen sein, aber auch professionelle Medienbeobachtung und damit in Zusammenhang die Erstellung von Qualitätskriterien für neue Medienförderung. Dafür sollte es aber mehr staatliche Unterstützung geben, denn unabhängiger Agenturjournalismus ist ein wesentlicher Baustein für eine freie Medienwelt und damit für eine liberale Demokratie.

In seinem Gastkommentar „Visionen für analogen Journalismus!“ (DIE FURCHE vom 29. Februar 2024) schreibt Fritz Hausjell: „Wie weit nach unten soll die tagesaktuelle Medienvielfalt noch gehen, bis endlich spürbar von Medienwirtschaft und Medienpolitik gegengesteuert wird? Neugründungen von tagesaktuellen journalistischen Digitalmedien sind Mangelware oder aus unterschiedlichen Gründen (Partei- und andere Interessensnähe, journalistische Substandards), sehr mangelhafte Ersatzangebote für die Verluste im Printbereich.“ Nun, Fritz Hausjell ist ein angesehener Medienhistoriker und Medienwissenschaftler an der Universität Wien und ich vertraue seiner Kritik an Österreichs Printmedien: „Die Branche hat kaum in Forschung und Entwicklung investiert. Und Versuche, Journalismus in der digitalen Welt auf eine ausreichend finanzierte Basis zu stellen, blieben bescheiden.“

Offensichtlich, so schließe ich daraus, sind es schwere Versäumnisse im Bereich der Medien-Politik, die zu einem verhängnisvollen Vertrauensverlust in die gesamte Politik geführt haben.

Es seien daher Medienmanager gewarnt,
wenn sie ihre journalistische Tätigkeit nach wie vor gerne als Vierte Gewalt im Staate sehen wollen, dann sollten sie alle Möglichkeiten wahrnehmen und erweitern, um ihre Aufgabe als Watchdogs besser erfüllen zu können. Hier und jetzt – in Anbetracht der Notlage, so denke ich -, wäre es ihre noble Aufgabe im Namen des Gemeinwohls als verantwortungsvolle Whistleblower zu fungieren, d.h. als Verhinderer einer zunehmenden Infragestellung der demokratischen Bedeutung von Parlamenten.

Ich meine, erst wenn Journalisten imstande sind, unseren Volksrepräsentanten zu helfen, Alarm zu schlagen, sich mehr um die Lösung langfristiger Probleme zu bemühen, diese nicht durch kurzfristiges Denken in Wahlzyklen in den Hintergrund zu verdrängen, werden sie verdienterweise als die Vierte Gewalt im Staat und als Meister öffentlicher Machtüberwachung anerkannt werden.

Es wird jetzt von verantwortungsvollen Politikern die Zivilgesellschaft oft zur Hilfe gerufen, wenn es darum geht, vertrackte Probleme ins Visier zu nehmen, wie z.B. in Hinblick auf Künstliche Intelligenz, Steuerparadiese, Umweltverschmutzung, Seuchen, Menschen auf der Flucht, unregulierter Waffenhandel und endlose Zermürbungskriege.

Warum braucht es jetzt immer öfter für jedes Problem außerparlamentarische Initiativen und warum werden Bürgerräte angefordert – statt den Ruf nach Qualitätsjournalismus, nach konstruktivem Journalismus lauter werden zu lassen? Ich glaube, erst wenn diesem Ruf auf breiterer Basis Folge geleistet wird, müsste uns um die demokratische Bedeutung von Parlamenten nicht mehr so bange sein. Dann könnten wir vielleicht eher wieder Demokratie ‚neu‘ denken. Bestenfalls aus der Perspektive von Bürgern, die sich emanzipieren wollen, weil sie darin eine Garantie sehen – die Garantie für ihre Freiheit vor räuberischer Macht in all den abstoßenden Ausprägungen, einschließlich ‚unseres‘ rücksichtslosen Umgangs mit der ERDE, auf und von der wir leben.

* Gastautorin Ilse Kleinschuster ist Journalistin und engagierte Akteurin der Zivilgesellschaft. Sie lebt in Wien