Archiv der Kategorie: JÜNGSTE BEITRÄGE

„Gute Nacht, Demokratie!“

Demokratiepolitische Gefahrenpotentiale rund um Millioneninserate und sonstige finanzielle Unterstützung von Medien erscheinen keineswegs gering. Eine Entwicklung, die die Medienvielfalt weiter einzuschränken droht.

Ilse Kleinschuster *

Kürzlich im Südwind-Magazin www.suedwind-magazin.at/millionen-fuer-die-massenmedien war zu lesen:

„Einige wenige bekommen sehr viel Geld und bleiben dementsprechend mächtig. Eine Stärkung der Medienvielfalt schaut anders aus.“

Mag sein, dass die Medienkrise zuvorderst eine ökonomische und regulatorische ist! Ich kann mir aber schwer vorstellen, dass in Folge der Journalismus in Österreich derart unterminiert wird, denn würde das nicht bedeuten, dass mit dem Wegfall sämtlicher öffentlicher Förderungen und Inserate in der Mehrzahl der noch bestehenden Tageszeitungen und in etlichen Verlagen das Licht ausgeht. Und das ist von Seiten der Politik wohl nicht gewollt!?!

Ich könnte mir vorstellen, dass es auch in Österreich möglich wäre, dass der Wegfall öffentlicher Subventionen die Zahlungsbereitschaft der Menschen für unabhängige Medien beflügeln könnte. Zeigt sich vielleicht bereits ein neues Mäzenatentum im Journalismus? Wie steht es denn wirklich mit dieser Vertrauenserosion und dem behördlich verfolgten Verdacht gekaufter Berichterstattung?!?

Das ist wohl das Schlimmste, was einer Massendemokratie passieren kann: Massenmedien ohne journalistisches Ethos des Boulevards! Wenn sie die Komplexität des Zeitgeschehens nicht mehr allgemein verständlich vermitteln können, ohne dabei zu manipulieren, dann Gute Nacht, Demokratie! „Mehr als an Geld, fehlt es also der Politik an Willen gute Rahmenbedingungen zu gestalten“, so Walter Hämmerle in „Die unreife Republik – zum Zustand Österreichs“.

Tja, aber wie steht’s mit dem Willen der Bürgerschaft dysfunktionale Dinge zu verändern? Das Selbstbewusstsein der Österreicher hält der ehemalige Chefredakteur der „Wiener Zeitung“ und heute Chef der Innenpolitik bei der „Kleinen Zeitung“ für unterentwickelt. Er mahnt eine parteiübergreifende Initiative für bessere Verwaltung ein, um dieser „Alibipolitik, wo das Erzählte reicht und nicht das Erreichte zählt“, ein Ende zu bereiten.

* Ilse Kleinschuster ist Journalistin und ein besonderes engagiertes Mitglied der Zivilgesellschaft und lebt in Wien

Initiative Engagierte Neutralität

In Politik und Medien sind Tendenzen zu registrieren, die auf eine Aushöhlung der Neutralität Österreichs hinauslaufen. Diese wird in manchen Kommentaren und politischen Stellungnahmen als überholt und nicht mehr sinnvoll bezeichnet. Eine neue Initiative will nun dagegenhalten.

Udo Bachmair

„Initiative Engagierte Neutralität“ nennt sich eine neue Gruppe, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Bedeutung und Nützlichkeit der immerwährenden Neutralität gerade in krisenhaften Zeiten wie diesen zu betonen und zu bekräftigen.

Im Vorfeld des Nationalfeiertages am 26. Oktober, dem Jahrestag der Unterzeichnung des Neutralitätsgesetzes, fordert die Initiative in einem Appell Bundesregierung und Parlament dazu auf, die Neutralität zu wahren und für eine engagierte Friedenspolitik zu nutzen.

Details des Appells werden in einer Pressekonferenz am Montag, 23.11. ab 10.30 Uhr im Presseclub Concordia präsentiert. JournalistInnen aus dem Bereich der Vereinigung für Medienkultur sind dazu natürlich ebenfalls eingeladen.

Podiumsteilnehmer der Pressekonferenz sind Ex-Botschafterin Gaby Matzner, der frühere Sozialminister Erwin Buchinger, der Politikwissenschaftler Heinz Gärtner, Bundesheergeneral i. R. Günther Greindl sowie Ex-NR-Abg. und Diplomat Wendelin Ettmayer. Moderiert wird die PK von Udo Bachmair, Ex-ORF-Journalist und Präsident der Vereinigung für Medienkultur.

Dem Appell haben sich bereits zahlreiche namhafte Persönlichkeiten angeschlossen, unter ihnen Christoph Leitl, Karl Blecha, Peter Jankowitsch, Irmtraut Karlsson, Heinrich Keller, Andrea Komlosy, Ali Kohlbacher, Ferdinand Lacina, Erwin Lanc, Fritz Edlinger, Alfred Noll, Madeleine Petrovic, Emmerich Talos, Adalbert Krims, Renata Schmidtkunz, Manfried Rauchensteiner, Peter Diem und viele andere mehr.

Bruno Kreisky aktuell

Bruno Kreiskys Idee eines Marshallplans für die Dritte Welt erscheint aktueller denn je. Unser Gastautor hat sich dieser komplexen Thematik angenommen:

Wolfgang Koppler *

Zufällig überflog ich die Beiträge der Vereinigung für Medienkultur aus den letzten Wochen, als mir der Artikel „BRICS-Staaten für globale Entwicklungsbank“ vom 19.9. ins Auge stach. Hans Högl nimmt darin dankenswerter Weise Bezug auf einen Aufsatz von Thomas Roithner in der Furche zum von unseren Medien – insbesondere im Ukrainekrieg – stark vernachlässigten Thema Geoökonomie und erwähnt den Plan der BRICS-Staaten zur Schaffung einer „New Development Bank“ als Gegengewicht zu den von den USA nach wie vor forcierten Brettonwoods-Institutionen Weltbank und IWF zur Finanzierung von Entwicklungs- und Infrastrukturprojekten in den so genannten „ärmeren Ländern“.

Nur wenigen Journalisten dürfte bekannt sein, dass schon seit mehr als 60 Jahren die Idee eines Marshallplans für die Dritte Welt (wie man den globalen Süden damals nannte) existiert. Sie stammt von Bruno Kreisky, weshalb der Plan 1984 nach ihm benannt wurde. Sein diesbezügliches Engagement wurde schon in seiner Jugendzeit geweckt im Zuge der damals aktuellen antikolonialen Bewegung und später verstärkt durch seine Begegnung mit Nehru. Anfang der 60-er Jahre kam es auf seine Initiative zu einer Konferenz für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft und in der Folge zur Gründung des bis heute existierenden Wiener Instituts für Entwicklungsfragen.

Kreisky war der Ansicht, dass der ERP-Fonds aus dem Marshallplan, der (West-)Europa wirtschaftlich wieder auf die Beine geholfen hatte (und der durch Kreditrückzahlungen bis heute immer wieder aufgefüllt wird) zumindest teilweise umgewidmet werden sollte, um die Finanzierung von Infrastrukturprojekten in Entwicklungsländern zu ermöglichen. Wobei Kreisky dabei Summen in Höhe von mehreren Hundert Milliarden Dollar vorschwebten, die von Europa als Ganzes aufgebracht werden sollten (vielleicht etwas sinnvoller als der Ukrainekrieg). Dazu konnten die USA und Europa sich bis heute nicht entschließen. Statt dessen führen die oft für wenig zweckmäßige Projekte verwendeten Kredite der Weltbank (Stichwort: Festhalten an Brettonwoods) zu immer weiterer Verschuldung des globalen Südens. Der Zinsanstieg der letzten Jahre verstärkt diese Armutsfalle. Kein Wunder, dass die BRiCS-Staaten nach Auswegen aus dem Finanzsystem des Westens suchen (wobei Staaten wie China und Russland natürlich ihre eigenen Interessen verfolgen, was aber nichts an der Problematik von Brettonwoods für den globalen Süden ändert):

Zum Schluss einige Sätze aus Kreiskys Biographie „Im Strom der Politik“ (S 261 ff.), die nach wie vor hochaktuell erscheinen:

„Die Welt ist so klein geworden, dass politische Grenzen der Solidarität von Mensch zu Mensch nicht Einhalt gebieten können…Ich war der Ansicht, dass man den Entwicklungsländern, je nach ihrem Reifegrad mit einer multilateralen Vereinbarung helfen müsse, die ihnen angemessene Infrastruktur zu schaffen…Dass ich mit meiner Empfehlung den Ausbau des Eisenbahnnetzes voranzutreiben, zuletzt nicht falsch lag, geht daraus hervor, dass die Schulden der Länder der Dritten Welt zum großen Teil auf die während vieler Jahre sehr hohen Ölpreise zurückzuführen sind…“

Und vielleicht noch etwas von Kreisky zum Thema Visionen:
„Aber eines hat die Imagination dem Kleinmut des Krämers voraus: Sie schafft langfristige Perspektiven, für die es sich einzusetzen lohnt.“

Wer Visionen hat, braucht also nicht unbedingt einen Arzt.

Abgesehen von einigen zeitbezogenen Stellen sind Kreiskys Ausführungen nach wie vor sehr aktuell. Vielleicht sollten einige Journalisten und Politiker -unabhängig von ihrer politischen Einstellung – vielleicht weniger Kreisky-Bashing betreiben und statt dessen einmal seine Biographie zur Hand nehmen. Es kann nicht schaden, wieder ein gutes Buch zu lesen. Es beißt nicht.

* Mag. Wolfgang Koppler lebt als Jurist und freier Journalist in Wien

Ächtung jeglicher Kritik ?

„Die gleiche Welt überall“ betitelt unser Gastautor den folgenden Beitrag. Er befasst sich u.a. mit medial vermittelten demokratiepolitischen Gefahren von Selbstzufriedenheit.

Wolfgang Koppler *

Man redet uns ein, dass wir in einer – nahezu – perfekten Welt leben. Bei uns im Westen. Wir haben Frieden (pardon, im Moment nicht, daran hindert uns der böse Putin), Freiheit, Menschenrechte verwirklicht und müssen sie nur jenen bringen, die noch nicht ganz so weit sind wie wir. Der US-amerikanische Politologe Francis Fukuyama meinte 1992 gar, wir hätten das Ende der Geschichte erreicht. Also das Ende der Fahnenstange. Denn da der Kommunismus besiegt sei und offenbar alle Länder zu westlichen Demokratien würden, gäbe es eigentlich nichts mehr zu erreichen. Nur was macht man dann, sich irgendwo hinunterstürzen ?

Diese Meinung galt bald als überholt und auch Fukuyama musste seinen Irrtum bald einsehen. Mit dem Aufkommen des radikalen Islamismus und der Katastrophe von 9/11 entstand die Idee vom „Kampf der Kulturen“ (Huntington), wobei natürlich wieder wir die Guten und die anderen die Bösen sind. Huntingdon selbst sah in seinem Jahre davor erschienenen Buch den Westen zwar noch durchaus kritisch und wurde wohl auch missverstanden, aber im Irak- und Afghanistankrieg entwickelte sich tatsächlich wieder ein Schwarz-Weißdenken. Und war das nicht auch im Ukrainekrieg zu hören? Kampf der Werte, meinte ein Experte. Klingt besser als Kampf der Kulturen, ist aber nichts anderes.

Und das Erschreckende ist, dass wir mit genau dieser Selbstzufriedenheit und der sozialen Ächtung jeglicher Kritik daran nicht nur den Dialog mit anderen Kulturen verweigern, sondern auch unsere eigene Demokratie gefährden. Unsere Meinungs- und Gewissensfreiheit. Man braucht doch nur die Zeitung – ganz gleich welche – aufzuschlagen und findet dort weitgehend dieselben Ansichten. Insbesondere zum Ukrainekrieg. Man darf nicht einmal die Motive auf beiden Seiten hinterfragen und für Verhandlungen eintreten.. Kritik an den Vorgängen in Brüssel ? Am dortigen Demokratiedefizit ? Am Einfluss der Wirtschaft ? Auch nur an Ursula Von der Leyen oder Borrell ? An Stoltenberg ? Indiskutabel.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler lebt als Journalist und Jurist in Wien

Blutige Hähne

Ein bedenkenswerter Text zu einem Brecht-Lied lässt die medialen und politischen Vorgänge rund um den Ukraine-krieg ziemlich aktuell erscheinen.

Wolfgang Koppler *

Es wechseln die Zeiten. Die riesigen Pläne
der Mächtigen kommen am Ende zum Halt.
Und gehen sie einher auch wie blutige Hähne
Es wechseln die Zeiten. Da hilft kein Gewalt.

Brechts Lied von der Moldau über die Vergänglichkeit (auch jene der Macht) wird sonst gerne in Zeiten des Umbruchs zitiert. 1968 etwa in einem Spiegel-Artikel, der die Geschehnisse dieses Jahres damals Revue passieren ließ. Auch nach der Wende in der Tschechoslowakei hat man es öfters gehört. Danach verschwindet es regelmäßig wieder in der Versenkung, obwohl es – ganz unabhängig vom Autor – unmittelbar berührt und zum Nachdenken anregt.

Dabei wäre es aktueller denn je. Wenn man ehrlich ist, wirken Putin und Selenskyj tatsächlich wie blutige Hähne. Und beide werden irgendwann wieder in der Versenkung verschwinden. Aber Selenskyj als blutigen Hahn sehen ? Obwohl er Menschen genauso bedenkenlos opfert wie Putin und dabei auch noch vorgibt, sie retten zu wollen ? Jegliche Verhandlungen ablehnt ? Wenn sich das jemand traut, zu schreiben, kann er seine journalistische Karriere an den Nagel hängen.

Da leitet man seine Artikel besser ein wie vor Kurzem ein Schreiber der NZZ (die sich im Übrigen – was den Ukraine Krieg betrifft – nicht so sehr von anderen Zeitungen unterscheidet):

Die Illusion vom greifbaren Frieden:
Am Verhandlungstisch lässt sich Putin nicht bezwingen

Die Gegenoffensive der Ukraine verläuft langsamer als erhofft, aber sie ist nicht gescheitert. Auch aus anderen Gründen ist es der falsche Moment, die Ukrainer zu Verhandlungen mit Moskau zu drängen.

Und darunter ein Foto mit ukrainischen Soldaten vor der Mutter-Heimat-Statue in Kiew. Sie wirken wie ein Teil eines Kriegerdenkmals. Und danach wird aus der ukrainischen Hymne zitiert.

Selbstverständlich muss man beide Seiten mit Fingerspitzengefühl behandeln. Zumal hier uralte Minderwertigkeitskomplexe gegenüber Westeuropa und unbewältigte Vergangenheit mit im Spiel ist. Aber es muss auch an wieder an die Vernunft erinnert werden. Und an die Opfer und Kollateralschäden dieses Krieges. In allen Teilen der Welt.

Es wechseln die Zeiten. Da hilft kein Gewalt.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Zum Zustand von Politik und Medien

Walter Hämmerle, früher Chefredakteur der „Wiener Zeitung“, jetzt Innenpolitik-Chef der „Kleinen Zeitung“, hat den Zustand von Österreichs Medien und Politik kritisch unter die Lupe genommen. Unter dem Titel „Die unreife Republik“ durchleuchtet er in der Serie der Leykam-Streitschriften (Nr. 11) die Schwächen unseres Kleinstaates in Mitteleuropa, die Neigung der Österreicher zu Schlamperei und Bequemlichkeit, den Hang zu Übertreibung und Aggression. Zugleich geht er mit den Medien hart ins Gericht.

Von Hermine Schreiberhuber *

Bei der Präsentation des Buchs im Presseclub Concordia fielen auf dem Podium klare Worte. Autor Hämmerle stellte einleitend fest: Das kleine Österreich sei reich und habe viel Potenzial. Doch: „Schlamperei ist in Österreich, besonders in Wien, sprichwörtlich.“ Zugleich konstatierte er „eine gewisse Hilflosigkeit“ zwischen den Möglichkeiten und dem, was getan werde. „Politik ist kein Spiel.“ Auch die Medien betrachteten Politik oft als Spielwiese, statt dem Bürger Einschätzungs- und Urteilsfähigkeit zuzuerkennen.

Politikberaterin Heidi Glück schlug ebenfalls kritische Töne an. „In Österreich herrscht das Mittelmaß. Wir orientieren uns an anderen, größeren Staaten, aus Bequemlichkeit.“ Schuld seien immer die anderen. „Trittbrettfahren ist Usus.“ Diese Charakterzüge ließen sich aus der Geschichte ableiten: „Seit der Monarchie sind wir Mitläufer.Wir beherrschen den institutionellen Kompromiß.“ In anderen Worten: Politisches und wirtschaftliches Durchwursteln sei an der Tagesordnung und führe zu einer Erosion des politischen Systems.

„Der intellektuelle Diskurs ist fast verschwunden“, beklagte Glück, ehemals Pressesprecherin von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Zugleich sei die Boulevardisierung der Presse in Österreich weit fortgeschritten. Die Politiker umgeben sich mit vielen PR-Beratern, auf der anderen Seite würden die Journalisten immer weniger. Daraus resultiere „eine Schieflage“. Es mangle an Wertschätzung zwischen Politikern und Journalisten. Hämmerle merkte zum politischen Diskurs an, die Medien liefen Gefahr, sich für eine Seite festzulegen. Vor „gutem Boulevard“ habe er aber Respekt.

Armin Thurnherr, Herausgeber des „Falter“, argumentierte, hierzulande gehe es nicht nur um Schlamperei, sondern auch um den“Unwillen zur politischen Analyse“. Was gut sei, werde oft nicht genügend „argumentativ unterfüttert“. Es gelte, das Handwerk der Politik zu lernen. Die Öffentlichkeit habe oft den Eindruck, von den Politikern „beschwindelt“ zu werden. In den Medien habe sich ein korruptes System etabliert. In diesem Kontext übte Thurnherr heftige Kritik an der Subventionierung des Boulevard nach Auflagenstärke. Außerdem müsse die Jugend kritischer an IT-Belange herangeführt werden.

In der Folge einige Textstellen aus der Streitschrift von Walter Hämmerle.

(Vom Vielvölkerstaat zum Kleinstaat) „Das Spiel mit der geringen Größe des Landes irritiert Außenstehende und Landsleute, die höhere Ansprüche stellen. Der Satz ‚Österreich ist ein kleines Land’ aus dem Mund heimischer Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger ist zu oft keine Tatsachenbeschreibung, sondern eine Ausrede für den fehlenden Mut, ausgetretene Pfade zu verlassen. Manchmal bietet die geringe Größe auch Schlawinern Deckung.“

(Zustand der Medien). „Ohnehin bringen Alarmismus und Empörung niemand irgendwohin, trotzdem sind sie allgegenwärtig… Journalismus im 24-Stunden-Hamsterrad trägt seinen Tel zu dieser Entwicklung bei. Atemlos werden Schlagzeilen produziert, selbst wenn wenig bis nichts passiert. Die Logik der Digitalisierung will es so. Headlines müssen Sensationelles versprechen, auch wenn im anschließenden Text maximal Unspektakuläres zu lesen ist. Der Drang und digitale Druck zur Zuspitzung haben ihren Preis. Diskussionen werden als Duelle, Gesprächsrunden als Showdowns in Szene gesetzt; und das auf allen Kanälen.“

„Die Welt der Nachrichten ist zum Kampfplatz geworden. Nicht alle Akteure setzen dabei auf Transparenz und Fairness. Statt dessen wird getarnt, getäuscht, verwischt – alles nur, um zu verwirren.“

Das Buch hat nur gut 100 Seiten, doch der Inhalt wiegt schwer: Historische Fakten über das Werden Österreichs, Einschätzungen von Literaten wie Karl Kraus, Stefan Zweig, Robert Musil, Joseph Roth. Reaktionen auf Aktuelles von der Pandemie bis zum Ukraine-Krieg. Der Autor ist überzeugt: Die Republik braucht eine neue Verantwortungskultur.

* Mag.a Hermine Schreiberhuber ist Journalistin und Vorstandsmitglied der Vereinigung für Medienkultur

„Die Furche“ -im ORF nie zitiert!?

Rätselhaftes Übersehen im ORF

Hans Högl

Gestern verwies ich auf unserem Blog www.medienkultur.at auf einen Beitrag in der Wochenzeitung „Die Furche“. Nun eine kritische Anfrage an die Chefredaktionen des ORF, die nicht allen gefallen wird.

„Die Furche“ ist eine anspruchsvolle, angesehene Wochenzeitung. Sie deckt ein breites Spektrum an Berichten und ausführlichen Kommentaren ab: Sei es von österr. oder internationaler Politik, sei es von Ökologie, kulturellen Berichten und Kommentaren (insbesondere auch zur Literatur). Und die „Furche“ bekennt sich zu einem weltoffenen, ökumenisch-christlichen Hintergrund.

Mich wundert ein Faktum als einer, der die Medienszene seit vielen Jahren beobachtet: Abgesehen von der Sparte „Religion“, die im ORF gut vertreten ist, hat meines Wissens keine sonstige ORF-Sendung (weder ein Magazin im Hörfunk noch im TV noch eine Nachrichtensendung) je einen Beitrag von der „Furche“ aufgegriffen.

Es wurde auch nie die Chefredaktion der „Furche“ zu einer Gesprächsrunde im ORF eingeladen. Nun leitet sie eine Chef-Redakteurin! Sollte meine Beobachtung nicht zutreffen, denn wer vermag denn das Gesamtangebot eines Senders zu überblicken, so ersuche ich meinen Eindruck mit 3 Gegenbelegen aus den letzten 10 Jahren zu widerlegen. Geht es darum, dass ein angesehenes Blatt mit ökumenisch-weltoffenem, christlichem Hintergrund keine Chance hat, zitiert zu werden?

BRIC-Staaten für globale Entwicklungsbank

USA verweigern Reform der Weltfinanzen

Hans Högl

Es mag ja sein, dass irgendwo über Folgendes berichtet wurde, das ich in der Wochenschrift „Die Furche“ fand – im Beitrag des Friedensforschers Thomas Roithner mit dem Titel „Von Geopolitik und Geoökonomie“ (Furche Nr. 35, p. 14). Von den BRICS-Staaten (Indien, China, Brasilien, Russland, Argentinien…) wird meist wenig berichtet; denn unsere Haupt-Informationen stammen überwiegend von westlichen Informationsagenturen.

Ich greife folgenden Satz in der „Furche“ auf: „Rund um die BRICS …wurden neue globale Finanzinstitutionen geschaffen.“ Die „New Development Bank“ – gegründet von den BRICS-Staaten- ist operativ, um Entwicklung- und Infrastrukturprojekte zu finanzieren (wie Straßen, Häfen, Eisenbahnen, Elektrizität- und Glasfasernetze im globalen Süden). Der Sitz der Bank ist in Peking.

Bei der Gründung stand die Absicht Pate, dass sich die USA weigern, die Bretton-Woods-Institutionen, welche die USA seit dem Ende des 2. Weltkrieges massiv bevorzugen, zu reformieren.

Echtes BIO oder Mogelpackung?

Fair, bio, klimapositiv: Schlagworte

Gekürzter Text vom Blog „Perspective Daily“ (Hans Högl)
12. September 2023

Im Supermarkt landen Kartoffeln aus »regionalem und kontrolliertem Anbau«, »ressourcenschonender« Glasreiniger und »biobasierte« Müllbeutel im Einkaufskorb. Auf dem Weg zum Bus, der mit »100% erneuerbaren Energien« betrieben wird, werben »klimapositive« Unternehmen an der Plakatwand. Zu Hause angekommen, gönnen wir uns einen Schluck »klimaneutrales« Wasser aus der Leitung, wie die Stadtwerke stolz verkünden.

Im Alltag werden wir nur so von Produktversprechen zugeballert. Alle wollen sie uns überzeugen, wie toll und nachhaltig sie sind. Dabei formulieren Unternehmen ihre Produktversprechen kurz und eingängig mit bekannten Schlagworten, doch bleiben gleichzeitig möglichst vage – so wie Horoskope. Denn dann füllen Verbraucher:innen die Versprechen automatisch mit den Inhalten, die sie erwarten möchten. Belastbare Nachweise, dass Unternehmen ihre Versprechen auch erfüllen, gibt es nur selten.

Wie selten, das hat eine große Onlineuntersuchung der Europäischen Kommission in Kooperation mit nationalen Verbraucherbehörden 2021 herausgefunden. Die Behörden gehen in 42% der Fälle von Greenwashing aus, also übertriebenen, falschen oder irreführenden Produktversprechen. Um der Verbrauchertäuschung einen Riegel vorzuschieben, hat die Europäische Kommission Regeln für Ökomarketing erarbeitet, so wie es sie für gesundheitsbezogene Angaben schon gibt. Diesen haben das Europäische Parlament und der Europäische Rat im Mai zugestimmt:

Die neuen Regeln sollen in Zukunft irreführende Werbung und allgemeine Umweltaussagen wie »umweltfreundlich, natürlich, biologisch abbaubar, klimaneutral oder öko« verbieten, wenn diese nicht detailliert belegt werden können.
Aus der Werbung muss hervorgehen, wenn es Einschränkungen gibt oder Versprechen nur auf Teile eines Produktes zutreffen. Wenn etwa nur der Flaschendeckel ressourcenschonend produziert wird, die Flasche selbst aber nicht. Oder die Komponenten eines Smartphones besonders langlebig sind, der Akku aber nicht.
Es sollen nur noch Nachhaltigkeitskennzeichnungen zugelassen werden, die vorher zertifiziert worden sind oder von öffentlichen Behörden eingeführt wurden.

Umgang mit knappen Ressourcen

Die Themen Wohnungsnot einerseits und Bodenversiegelung anderseits gehören zu den vordringlichsten Problemen der Gegenwart. Nur selten widmen sich Medien dieser Thematik so wie die jüngste Ausgabe des ORF-Wirtschaftsmagazins Eco.

Wolfgang Koppler *

Im gegenständlichen Eco-Beitrag ging es um zum einen um Abgaben für ungenutztes Bauland, die von einigen Bundesländern eingehoben werden, um die Grundeigentümer zum Verkauf statt zum Horten wertvoller Baugründe zu bewegen. Immerhin 21 % der als Bauland gewidmeten Gründe liegen brach, auch innerhalb von Siedlungsgebieten, während anderseits immer mehr Ackerflächen an der Peripherie in Bauland umgewidmet und dann aufwendig erschlossen werden. Was natürlich auch zu weiterer Zersiedelung und Bodenversiegelung führt. Und zu Wohnraumnot und einem weiteren Anstieg der Grundstückspreise. Die dann wiederum jenen zugute kommen, die mit ihrem Bauland spekulieren.

Abgaben von einigen Tausend Euro pro Jahr werden natürlich nicht alle zu einem Verkauf ihrer Grundstücke bewegen, aber einige vielleicht doch. In Innsbruck hat man noch eine andere Idee: Die Aktivierung eines Bundesgesetzes aus dem Jahre 1974 (des so genannten Bodenbeschaffungsgesetzes), das im Falle eines im Gesetz definierten Wohnungsnotstands sogar Enteignungen gegen Entschädigung ermöglicht. Das Land Tirol müsste dazu eine entsprechende Verordnung erlassen und sperrt sich natürlich, zumal das Eigentum ja geradezu als unantastbar gilt. Interessanter Weise haben sich auch SPÖ, Liste Fritz und sogar die Neos dem Ansinnen der Innsbrucker Grünen angeschlossen. Man wird sehen, ob sie es wirklich ernst meinen.

Im Standard ist dazu schon im Vorjahr ein bemerkenswerter Artikel erschienen, der ausnahmsweise einmal eine wirklich interessante und differenzierte Leserdiskussion auslöste. Da tauchten interessante Zahlen auf, wonach zwar die Zahl der Wohnungssuchenden das Angebot erheblich übersteigt, aber anderseits auch viele leerstehende Wohnungen gar nicht auf den Markt kommen. Zahlen, die zeigen, dass mit Abgaben auf Bauland allein dem Problem wohl nicht beizukommen ist: Es wird auch Leerstehungsabgaben und andere Lenkungsinstrumente benötigen. Wie etwa eine strengere Raumordnung ohne Möglichkeit zur Willkür von Bürgermeistern und Gemeinderäten. Und strengere Bestimmungen für Appartmentvermietungen, die dem Markt jedes Jahr Tausende Wohnungen entziehen.

Ein Tabu für unseren neoliberal geprägten Journalismus. Sozialbindung des Eigentums ? Verantwortungsvoller Umgang mit knappen Ressourcen ? Ökosoziale Marktwirtschaft ? Das war einmal. Solche Gedanken gelten ja inzwischen geradezu als kommunistisch.

https://www.derstandard.at/story/2000138276599/enteignungen-das-innsbrucker-experiment

* Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien