Archiv der Kategorie: JÜNGSTE BEITRÄGE

Grünliberale Partei in der Schweiz

Es lohnt ein Blick auf die wirtschaftsliberale Grünpartei in der Schweiz.

Hans H ö g l

In Zürich, der größten Schweizer Stadt, möchten die Grünliberalen zurück in die Stadtregierung. Die ist ein Anlass, auf diese ungewöhnliche Partei im deutsch-sprachigen Raum einen Blick zu werfen. Sie wurde am 25. Juni 2004 (im Kanton Zürich als Abspaltung von den eher links positionierten Grünen) gegründet, seit 19. Juli 2007 ist sie Nationale Partei. Bei den Schweizer Nationalratswahlen erreichten sie 2019 einen Wähleranteil von 7,8 Prozent.

Die Grünliberale Partei Schweiz (glp; französisch Parti vert’libéral suisse, pvl;italienisch Partito Verde Liberale svizzero, pvl;rätoromanisch  Partida Verda-Liberala?/i, pvl) will eine liberale Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik mit einer nachhaltigen Umweltpolitik verbinden. Die Partei ist seit den Schweizer Parlamentswahlen 2019 mit 16 Sitzen im Nationalrat vertreten und hält Sitze in 20 kantonalen Parlamenten. Ihre Website: www.grunliberale.ch. Vgl. Wikipedia.

Krise im Qualitätsjournalismus

Zum viel beachteten Beitrag „Krieg und Kriegspropaganda“ (von Udo Bachmair) auf der Website der Vereinigung für Medienkultur sowie in der Zeitschrift INTERNATIONAL hat Hermine Schreiberhuber kurz und prägnant Stellung bezogen:

Hermine Schreiberhuber *

Die Berichterstattung über den Ukraine-Krieg ist ein bedauerswertes Beispiel für die Krise im Qualitätsjournalimus. Militär- und Kriegslogik beherrschen die Szene. Wichtige Aspekte werden nicht hinterfragt. Grundregeln wie Quellentreue werden missachtet. Man folgt dem mainstream. Die für die Meinungsbildung massgeblichen Medienmacher und auch die unter großem Druck stehenden Berichterstatter tragen große Verantwortung.

* Hermine Schreiberhuber ist Journalistin, frühere Vizechefin der APA-Auslandsredaktion sowie Vorstandsmitglied der Vereinigung für Medienkultur

Von Helden, Heiligen und Dämonen

Manche von uns sehnen sich nach Helden und Heiligen. Dem entsprechend sind die Medien voll von diesen. Superheroes bevölkern Comics, Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehen und Internet. Und auch die passenden Dämonen werden von den Medien frei Haus geliefert.

Gastbeitrag von Wolfgang Koppler *

Nicht nur Boulevardmedien, auch Qualitätsmedien lieben es, die Welt in Gut und Böse einzuteilen. Während beispielsweise manche Boulevardmedien die „Ausländer“ für alles verantwortlich machen, ob Kriminalität, Arbeitslosigkeit oder Umweltzerstörung und das Heil in eher einfachgestrickten Jungpolitikern suchen, teilen Qualitätsmedien die Welt im Wesentlichen in Nazis und Gutmenschen (oder sagen wir mal in „politisch korrekt und politisch unkorrekt“) ein und übersehen geflissentlich, dass unser Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, also wir alle, sehr viel zu dem Elend beiträgt, welches die Flüchtlingsbewegungen erst verursacht. So haben etwa Dürren oft sehr viel mit dem Klimawandel zu tun und dieser wiederum mit unserem Energiehunger und unserer Lebensweise. Aber sich etwa mit Konsumsucht, SUVs, Auslandsreisen, erpresserischen Handelsabkommen und Profitgier unserer Wirtschaft auseinanderzusetzen könnte ja die Leser und Inserenten verärgern…

Eine andere Ursache von Flüchtlingsbewegungen sind Kriege. Diese eignen sich besonders gut für das Schwarz-Weiß-Denken und die Einteilung der Welt in Gut und Böse. Im Ukrainekrieg tritt dies besonders krass zutage. Da der Angreifer nicht – wie im Irakkrieg – aus dem Westen kommt und das Opfer hier eine – wenn auch stark von Oligarchen beeinflusste – Demokratie ist, scheint alles auf den ersten Blick sehr einfach. Keine Verhandlungen und immer mehr, immer teurere Waffen. Ohne Rücksicht auf Menschenleben, Missernten und Hunger in weiten Teilen der Welt. Und natürlich Aufrüstung und eine weitere Ausdehnung der NATO. Obwohl so gut wie alle Militärexperten der Ansicht sind, dass die russische Armee an den Grenzen Ihrer Möglichkeiten angelangt sei, wird sogar noch die Angst vor einem russischen Einmarsch im Baltikum, Polen oder Finnland geschürt. Während gleichzeitig den Hungernden im Südsudan mangels Spendenbereitschaft der großen Geberländer laut UNO die Essensrationen gekürzt werden.

Wie lässt sich eine derart kindergartenhaft vereinfachte Weltsicht selbst bei Intellektuellen erklären ?

Zu Schwarmverhalten, Neigung zu Vereinfachungen und bipolarem Denken sowie Ausrichtung an Stimmungen von Leserschaft und Inserenten kommt etwas hinzu, was wir oft nicht sehen wollen (zumindest nicht in uns selbst): Die menschliche Aggression. Wir gehen im Allgemeinen davon aus, dass nur Kriminelle und Geisteskranke wirklich gefährlich aggressiv sein können, weil wir in einer Gesellschaft leben, in der Aggressionen vor allem bei Intellektuellen nur verdeckt zutage treten. Es werden zwar Leute fertig gemacht. Aber natürlich nur subtil und im Sinne der Sanktionierung irgendeines vorgeblich nicht adäquaten Verhaltens. Der Fall des von den Medien zeitweise verhöhnten Peter Michael Lingens ist dafür ein beredtes Beispiel. Physische Gewalt tritt selten auf und einen Krieg und dessen Brutalitäten vermögen wir uns gar nicht wirklich vorzustellen.

Wir sind ja die gute Generation. Im Gegensatz zu unseren Großeltern, der so genannten „Tätergeneration“. Dass der Steinzeitmensch und auch die Barbarei immer noch ins uns steckt, ist uns weit weniger bewusst, als der Nachkriegsgeneration, die bezeichnenderweise für Helden nicht viel übrig hatte, wie etwa George Bernhard Shaws noch nach dem Krieg öfters gespielte Antiheld Bluntschli zeigt.

Vergessen ist Freud und vor allem sein Spätwerk. Im „Unbehagen in der Kultur“ aus dem Jahr 1930 zeigt er auf, wie die nur notdürftig kulturell umgeformten Triebe immer wieder aufbrechen und der Mensch letztlich nur die Wahl hat, die in ihm schlummernde Aggression gegen andere oder gegen sich selbst zu richten. Vergessen ist auch Stefan Zweigs „Welt von gestern“, wo er anschaulich schildert, wie sich fast urplötzlich die Kriegsstimmung von 1914 aufbaute. Vielleicht wäre der Dritte Weltkrieg wirklich die Lösung. Dann hätte die Erde endlich ihre Ruhe von uns.

So, jetzt war einmal ich schwarz-weiß unterwegs. Natürlich gibt es auch Leute, die wenig bedankt Schwerarbeit verrichten. Leute, die die von uns abgeschobenen Eltern im Heim betreuen, die etwa Tag für Tag die Hölle einer Demenzstation durchleben. Leute, die unseren Müll wegräumen, Leute, die in der Gluthitze unsere Dächer reparieren. Und wirklich Engagierte wie Ute Bock, Otto Tausig (der vielbelächelte Mann mit dem Körberl) oder auch Elke Kahr, die sich inzwischen auch Respekt bei einigen Bürgerlichen erworben hat. Aber es werden immer weniger.

Der Mainstream sind in Wirklichkeit Sprühnebelduschen und mit „schmutzigem“ Strom betriebene Elektroautos gegen den Klimawandel. Und Aufrüstung für den Frieden. Denn Verhandlungen sind unmoralisch. Und wenn es noch so viele Tote kostet.

* Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Publizist und lebt in Wien

Zur Lage von Österreichs Medien

Zu den Werbeerlösen des ORF und der Printmedien

Hans Högl

Über die aktuelle Lage des Medienstandorts Österreichs sprachen gestern von 15-17 Uhr ORF-Generaldirektor Roland Weißmann und Gerald Grünberger, der Geschäftsführer des Verbands Österreichischer Zeitungen, in Wien-Meidling in der Politischen Akademie (ÖVP). Der Anlass: 50 Jahrfeier dieses Zentrums.

Zentraler Punkt des Gesprächs war die wirtschaftliche Situation. Während laut Weißmann der ORF zu zwei Drittel über Gebühren und zu einem Drittel über Werbung finanziert wird, ist das Verhältnis bei Printmedien anders: 45 % der Einnahmen resultieren über Werbung, 55 % über Abonnenten. Gerald Grünberger verwies auf die Verdoppelung des Preises von einer Tonne Papier. Sie kostet nun 1.000 €.

Ein kritischer Punkt sind die Werbeerlöse: 90 % der digitalen Werbeeinnahmen in Österreich gehen ins Ausland (meist an US-Plattformen), nur 10 % davon bleiben in Österreich. Und über diese zehn Prozent verhandeln der ORF und die Printmedien. Ein Interessenskonflikt zwischen dem ORF und den Printmedien ist das vielbesuchte ORF-Portal www.orf.at. Zentrales ORF-Argument, sein erfolgreiches digitales Portal zu behalten, ist die Intention, über diesen Weg junge Menschen für ORF-Fernsehen zu gewinnen, die kaum fernsehen. Dies betrifft die Alterskategorie der 12-29 jährigen, die pro Tag 4 1/2 Stunden das Handy nutzen. Und jedes zweite Kind hat im Alter von sechs Jahren ein Handy.

Der ORF versucht dieser Situation adäquat zu begegnen und plant, eine Young Audience AG für die 12 bis 29-jährigen zu bilden. Und der ORF-Direktor verwies darauf, dass nur 3 % der ORF-Mitarbeiter im Alter unter 30 sind.

Seit dem 20. Juni ist das umstrittene ORF-Newscenter eröffnet. Laut Generaldirektor Weißmann werde einerseits inhaltliche Diversität zw. Radio und TV gesichert, gleichzeitig aber würden neue Synergieeffekte genutzt. Und dies würde gut angenommen, meint der ORF-Generaldirektor. Im ORF-Newsroom wird ein sogananntes Verifikations-Set aufgebaut, also zur Kontrolle von Fake news und Fake Fotos.

ORF-Generaldirektor Weißmann erwähnte, dass auf eine ausgeschriebene ORF-Redaktionsstelle 100 Bewerbungen eintreffen, hingegen sei es sehr schwer IT-Personal zu finden. Der Zeitungsverband versucht in Schulkursen Medienkompetenz zu vermitteln und erreiche 100.000 Schüler*innen pro Jahr.

„Apokalypse kommt!“ – Daher nichts tun?

Medien warnen stets. Wichtig ist, zu handeln. Ist Erwarten der Apokalypse – ein Vorwand, nichts zu tun? Hier: Energiespartipps

Hans H ö g l

Es gab ein Buch mit sehr praktischen Öko-Tipps, das sehr wenig gekauft wurde, sagte mir der Buchhändler. Das ist doch seltsam! Preise explodieren: Energiekosten, Lebensmittelpreise, Wohnkosten usw. Spartipps aus Dornbach/Neuwaldegg Wien – 100 Tipps zum Stromsparen im DerStandard vom 2.7.2022

Geschirrspülen: Nicht mit der Hand (bei laufendem Wasser) abwaschen, sondern den Geschirrspüler nutzen, wenn er voll ist (ebenso für Waschmaschine)!
Wäschetrockner NICHT nutzen, stattdessen Wäschespinne.Elektrische Geräte NICHT auf STANDBY lassen, sondern abschalten, was nicht gebraucht wird. Zeitschaltuhr nutzen.LED statt Glühbirnen

Raumtemperatur senken, bzw Klimageräte nicht einschalten (Tipp: stromsparend die Wohnung kühlen). Heizungen nicht abdecken, Stoßlüften statt Fenster kippen. Backofen im Winter bei offener Tür auskühlen lassen. Lebensmittel: Nur einkaufen, was gegessen wird. Lieber öfters wenig, statt einmal zu viel. Mindesthaltbarkeitsdatum IST NICHT GLEICH Wegwerfdatum!

Kochen mit Deckel, lieber Wasserkocher, Eierkocher usw. verwenden, als die Herdplatte. Kühlschränke, Tiefkühlfächer: regelmäßig Dichtung überprüfen, ggf abtauen. Bei Neukauf auf Energielabel achten.

Tipps zum Geldsparen: Auto wann immer möglich nicht nutzen, Sparschiene nutzen. Second Hand Kleidung kaufen, Kleidung tauschen.Gerettete Lebensmittel abholen – und haltbar machen (einkochen, trocknen, einfrieren etc)

Umfang der Nato-Aufrüstung

Verlässliche Infos sind nötig – so zur Nato-Rüstung.
Die Sendung Ö1-Diagonal hat vor einiger Zeit die Neue Zürcher besonders lobend hervorgehoben.

Hans H ö g l ( zitiert aus nzz – online )

Die Staats- und Regierungschefs haben sich angesichts der russischen Bedrohung auf eine massive Aufrüstung an der Nato-Ostflanke geeinigt: Die Zahl der einsetzbaren Truppen soll von 40 000 auf 300 000 steigen. Derzeit kommen die Soldaten der schnellen Eingreiftruppe mehrheitlich aus 13 Ländern. Künftig braucht es die Kräfte aller 30 Mitgliedstaaten. Und die Nato muss nach wie vor auch auf nukleare Abschreckung vertrauen.

In der Ukraine ist es zum größten Gefangenenaustausch seit Kriegsbeginn gekommen: Beide Seiten haben nach eigenen Angaben insgesamt knapp 300 Gefangene ausgetauscht.

Bulgarien weist 70 russische Diplomaten aus. Viele Bulgaren fühlen sich dem orthodoxen Bruder Russland traditionell verbunden. Doch der Zuspruch für Putin hat seit Kriegsbeginn stark nachgelassen.

Die Schweiz ist bedroht! Ja?

Negativliste überrascht selbst ein medienkundiges Publikum. Papiersäcke gehen aus!

Hans H ö g l

Im Vorstadtcafé Ritter las ich, dass in der wohlhabenden Schweiz und einer der besten Demokratien der Welt, im Journalismus oft von drohendem Untergang die Rede ist. Dazu eine Dame: Manche wollen gar nicht gute Nachrichten hören. Es ist ein Vorzug Wiener Cafés, dass eine Fülle von diversen Printmedien aufliegen. So findet sich u.a. im Ottakringer „Ritter“: „Le Monde“, die „Süddeutsche“, eine chinesische Zeitung, der „Economist“ und auch die „Weltwoche“. Sie steht der Schweizer SVP um Blocher nahe. Als weltoffener Leser fand ich darin (Nr. 24. 2022) eine Auflistung von drohendem Unheil für die Schweiz. Überall Schrecken. Überall Bedrohung:

„Es droht eine große Hungersnot“ schreibt „Der Blick“, eine Boulevardblatt wie die Zeitung „Österreich“ und die deutsche „Bild“)
„Es drohen Stromausfälle“ (Luzerner Zeitung)
„Es droht ein Chaos-Sommer“ (St. Gallener Tagblatt)
„Es droht schlechte Luft“ (Schweizer Radio)
„Es droht Abstieg“ (Neue Zürcher Zeitung)
„Es droht Versprödung“ (Tages-Anzeiger). Was es ist, wird gefragt. Wichtig: Es ist bedrohlich.
„Der Schweiz droht eine Abfallkrise“ (Sonntagszeitung)
„Der Schweiz droht ein Mangel an Arbeitskräften“ (Aargauer Zeitung)
„Der Schweiz drohen mehr Arbeitslose“ ( 20 Minuten)
„Der Schweiz drohen die Papiersäcke auszugehen“ (St. Gallener Tagblatt)

Skandale immer und überall

Der digitale Pranger laut Publizistikprofessor Bernhard Pörksen

Hans Högl: Kontrollverlust.Buch:“Die grosse Gereiztheit“ (Teilrezension Kap. 5)

Das weltweite Netz bietet enorme Chancen für die politische Teilhabe breiter Kreise. Und so kommen Sachverhalte ans Tageslicht, die früher nie beachtet oder tabuisiert wurden. Den traditionellen Redaktionen steht nicht mehr ein homogenes Publikum gegenüber, das sich fallweise in Leserbriefen meldet. Das Netz erlaubt, dass jeder mit Wort und Bild aktiv werden kann. Das einst zur Passivität verdammte Publikum hat an Einfluss gewonnen (S. 159).

Und Pörksen räumt ein:“Es gibt durchaus relevante Enthüllungen von Ungerechtigkeit, Gewalt und Übergriffen, die allein deshalb bekannt werden, weil jemand im richtigen Moment mit seinem Smartphone ein Video dreht und den Film später online stellt“(.S. 178).

Meldungen im Netz können ungeahnte Folgen für Betroffene haben, die in Twitter anscheinend harmlos klingende Infos ins Netz stellen. So schrieb Justine Sacco, eine PR-Managerin aus New York, die nach Afrika flog, auf Twitter: „Hoffentlich bekomme ich kein Aids.Ich mache nur Spaß. Ich bin weiß.“ Ein Journalist entdeckt den Tweet,er hat 15.000 Follower.Tausend Empörte schalten sich ein. Als sie in Südafrika am Flughafen landet, warten schon Fotografen auf sie. Ihren Südafrikaurlaub bricht sie ab, Hotelangestellte würden mit Streik drohen, wenn sie erscheint (S.160f.). Ihr Dienstgeber in New York feuert sie.

Die Folgen von solchen Ereignissen sind Publikumsurteile, ohne dass wie in Gerichten eine Verteidigung möglich ist. Früher entschieden maßgebliche Redakteure, ob ein Fall z.B. von Korruption und dergleichen aufgegriffen wurde.

Diese neue digitale Situation nennt der Autor die fünfte Gewalt. Sie betrifft nicht nur Prominente, sondern auch unbekannte, harmlose Menschen (S.159). Erst im Nachhinein, auf Basis einer gründlichen Analyse von Einzelfällen, lässt sich das Ausmaß von unbedachten Twitter- und Facebook-Meldungen erahnen. Und es tut nichts zur Sache, wenn das Buch vor ein paar Jahren, nämlich 2018 erschien. Und wer Falschmeldungen korrigiert, provoziert dadurch besonderes Interesse. Es gibt kaum eine effektive Rechtfertigung.

„Zum anderen arbeiten auch klassische Medien mit Pseudo-Aufregern, Prangermethoden und frei erfundenen Geschichten, die Klickzahlrekorde, Auflage und Quote versprechen.“ Im Furor der Skandalisierung geht auch im Journalismus die Orientierung an einem Ethos der Aufklärung verloren (S.178).

Im September 2015 verbreitete das britische Boulevardblatt „Daily Mail“ die Geschichte, der damalige Premierminister habe während der Initiationszeremonie des Männerclubs Piers Gaveston Society „eine obszöne Handlung mit dem Kopf eines Schweines vollzogen“ und „einen intimen Körperteil in das Tier eingeführt“ (S.179). Ein paar Tage nach der Veröffentlichung stellte die verantwortliche Daily-Mail-Reporterin Isabel Oakeshott klar: „Sie wisse auch nicht, ob diese Geschichte stimme, aber sie sei nun mal im Umlauf. Die Leute müssen selbst entscheiden, ob sie der Sache Glauben schenken oder nicht, so meinte sie, nach Belegen gefragt.“ (S.179).

NB. -Und jetzt behaupte noch wer, das Publizistikstudium sei unnötig. Leider schleifen sich in der Praxis des journalistischen Berufes auch bedenkliche Verhaltensweisen ein, die selten so extrem sind. Und der Wiener Essayist Franz Schuh betonte kürzlich in der „Wiener Zeitung“ (22.6.22):“Es hat mir nichts auf der Welt ein solches wunderbares Leben ermöglicht, wie der Computer. Das sei ein unfassbarer Fortschritt für einen Schreiber.“

Krieg und Kriegspropaganda

Ein Krieg geht immer einher auch mit einem Informationskrieg. Kriegspropaganda betreiben alle Kriegsparteien. Besonders gut inszeniert sich dabei die Ukraine. Mit voller Unterstützung westlicher Medien. (Beitrag veröffentlicht im Magazin INTERNATIONAL Juni 2022)

Udo Bachmair

Zwei Hauptnarrative beherrschen den Disput rund um den russischen Krieg gegen die Ukraine: Erstens der Glaube daran, dass Wladimir Putin ausschließlich mit weiteren schweren NATO-Waffen in die Knie gezwungen werden könne. Russlands Präsident würde ausschließlich die Sprache militärischer Gewalt verstehen. Das zweite Narrativ besteht darin, dass immer mehr (schwere) Waffen den Krieg und unermessliches Leid nur verlängern würden und eine weitere Eskalation damit vorprogrammiert sei. Diesem Narrativ schenken westliche Medien weder Glauben noch Aufmerksamkeit. Im Gegenteil: Friedensbewegte, die noch einen Spielraum für diplomatische Bemühungen und sinnvolle Friedensinitiativen sehen, werden als „Putinversteher“ oder naive Pazifisten gebrandmarkt.

Reine Militärlogiker fühlen sich allein schon provoziert von auch nur gemäßigten Äußerungen zur komplexen Causa. So etwa von der Meinung der SPÖ-Vorsitzenden Pamela Rendi-Wagner, Waffen und Sanktionen allein würden nicht ausreichen, um diesen Krieg zu beenden. Man müsse „mit mehr Intensität und Anstrengungen an diplomatischen Lösungen arbeiten“. Diese Perspektive ruft bei Politik und Medien jedoch kaum ein positives Echo hervor. Vielmehr dominieren Verwunderung bis Empörung über eine solche friedensorientierte Position. Im Besonderen Boulevardmedien scheinen einander in Kriegsrhetorik und Dämonisierung Putins und Russlands überbieten zu wollen.

Die regelmäßigen Auftritte des ukrainischen Präsidenten Selenskyj, einmal im Tarnanzug, festen Schrittes durch Kiew marschierend, einmal im olivgrünen Militärleibchen in einem beflaggten Studio, verfehlen ihre Wirkung nicht. Unermüdlich appelliert der zum Helden stilisierte Staatschef mit martialischen Worten an den Westen, speziell die NATO, weitere schwere Waffen zu liefern. Die schon vor dem Angriffskrieg Russlands seit Jahren bereits mit westlicher Hilfe aufgerüstete Ukraine kann auf weitere massive Waffenlieferungen hoffen. Politik und Medien im Westen begleiten sie dabei mit wohlwollender propagandistischer Unterstützung.

Was den Informationskrieg betrifft, der jeden Krieg begleitet, wirken westliche Medien nahezu gleichgeschaltet. Jenseits aller Objektivitätskriterien, die man sich als Medienkonsument gerade auch in der außenpolitischen Berichterstattung wünschen würde, dominiert einseitiger medialer Mainstream. Die Russen generell böse, die Ukrainer generell gut, so lautet vielfach die Devise. Dass damit weiterer Hass geschürt und eine noch spärlich vorhandene, aber noch mögliche Gesprächsbasis endgültig zunichte gemacht wird, interessiert nur marginal.

Vernebelt vom Schwarz/Weiß-Denken und dem Festhalten an einem starren Freund/Feind-Schema stellen westliche Medien ukrainische Quellen als ernstzunehmend dar, hingegen alles, was von russischer Seite kommt, als völlig unglaubwürdig und propagandistisch. Freilich ist es für journalistische Arbeit schwieriger denn je, auf seriöse Quellen zurückgreifen zu können, auch wenn ehrliche Absicht dazu besteht. Glaubwürdige Quellen im Informationskrieg sind nämlich kaum zu orten. Aber es wäre zumindest wünschenswert, Quellen überhaupt anzugeben, was leider auch im ORF selten passiert. Auch beim Konsum von ORF-Nachrichtensendungen bleibt als Botschaft mitunter der Eindruck hängen, dass ukrainische Informationspolitik als faktenbasiert vermittelt wird, die andere Kriegspartei hingegen agiere bloß mit Fakes und Propaganda. Dabei wäre schon der Versuch von Differenzierung im Sinne eines Qualitätsjournalismus ein Hoffnungsschimmer.

Wenn ein Sprecher des rechtsradikalen Asow-Regiments etwa in der ZiB 1 auftritt, ohne dass eine interpretierende oder differenzierende Analyse dazu beigesteuert wird, ist dies unseriös. Oder wenn in TV-Diskussionsrunden nahezu ausschließlich Kriegs- und Militärlogik verbreitet wird, wie etwa in der ARD-Sendung „Hart, aber fair“. Oder wenn in unausgewogen besetzten Diskussionsrunden wie etwa im ORF-Format „Im Zentrum“ antirussische Feindbildpflege dominiert, darf man sich nicht darüber wundern, dass Politik und Medien zunehmend an Glaubwürdigkeit einbüßen, wenn relativierende journalistische Einordnung zunehmend schwindet.

Was sollen die Menschen denn noch glauben, wenn Journalismus nicht in der Lage zu sein scheint, zu differenzieren und die Interessenslage von allen Seiten eines Konflikts her zu sehen und zu hinterfragen. Besonders krass tritt dieses Manko in einer so komplexen Causa wie der des Kriegs gegen die Ukraine zutage.
Dass es auch anders geht, beweist immer wieder der besonnene und sachorientierte ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz, der sich jenseits bloßer Kriegsrhetorik und wegen seiner nichtmartialischen und differenzierenden Beiträge großes Lob verdient. Wehrschütz kann auf authentische Quellen vor Ort verweisen, die meisten Redaktionen westlicher Medien hingegen können dies nicht. Deren Hauptquellen sind die großen US-nahen Agenturen, die nur eine Seite geopolitischer Weltsicht repräsentieren. Auch das ORF-Büro in Moskau greift kaum auf andere Quellen zurück…

Schon Jahre vor dem Krieg haben westliche Medien und PolitikerInnen Russland beharrlich zu einem Feindbild mit aufgebaut. Dabei helfen einzelne Begriffe und Worte, wie sie auch in der sogenannten objektiven Nachrichtensprache verwendet werden. So fällt kritischen Medienbeobachtern auf, dass Äußerungen russischer Politiker durchgängig mit Prädikaten wie „behaupten“, „unterstellen“, etc. versehen werden. Wenn ein US- oder EU-Politiker eine Stellungnahme abgibt, lauten die Prädikate „betonen“, „bekräftigten“, „erklären“ etc. also positiv geladene Begriffe.

Abermals sei bekräftigt, dass ein Angriffskrieg im 21.Jahrhundert in Europa ein absolutes „No go“ sein sollte. Großmachtphantasien mit einem realen Krieg erzwingen zu wollen, ist menschenrechtlich und völkerrechtlich strikt abzulehnen. Krieg und Gewalt sind per se Verbrechen, besonders ein aggressiver militärischer Überfall wie der Russlands. Das heißt aber nicht, dass automatisch nur der Aggressor Kriegsverbrechen begeht. So sind etwa Meldungen über Misshandlungen russischer Gefangener durch ukrainische Soldaten rasch von der Bildfläche verschwunden..
Auch aus politikwissenschaftlicher Perspektive findet da oft eine Verzerrung statt : Wenn „unsere“ Seite einen Krieg anzettelt, herrscht mehr Zurückhaltung, es werden wesentlich mehr Beweise für mögliche Kriegsverbrechen gesucht, bevor darüber berichtet wird. Wenn „Feinde des Westens“ dasselbe machen, ist die Empörung groß. Weil die Politik empörter ist und Medien das spiegeln. Aber auch Medien ihrerseits setzen die Politik unter Druck, noch härter gegen den „Feind“ aufzutreten. Nicht zuletzt deshalb musste sich auch der zunächst zurückhaltend gewesene deutsche SPD-Kanzler Scholz dazu durchringen, der Lieferung von schweren Waffen letztlich doch zuzustimmen

Der Irak-Krieg im Jahr 2003 war ebenfalls ein illegaler Angriffskrieg, ausgeführt von den USA. Medien waren damals aber bei Weitem nicht so empört. Wichtige Details darüber, wie verheerend sich die Invasion auf die Zivilisten im Irak ausgewirkt hat, haben Medien damals kaum beachtet. Völkerrechtswidrige Aspekte und die Tatsache, dass wir es auch beim Irak-Krieg mit einer Aggression zu tun haben, sind damals weitgehend ausgeblendet worden.
Trotz des Irakkrieges, trotz der Bomben auf Bagdad und Belgrad, trotz des gewaltsamen Regime Change in Libyen, etc. wird die NATO in westlichen Medien durchgehend als Verteidigungsbündnis verharmlost. Dass Russland und auch andere die NATO als aggressive Militärallianz wahrnehmen und sich von ihr bedroht sehen, entzieht sich bei Medien und Politik im Westen der Vorstellungskraft und stößt weitgehend auf Unverständnis. Solange der Westen sich nicht auch in die geopolitische Interessenslage Russlands hineindenken kann, Stichwort dazu die NATO-Erweiterung, so lange werden keine effektiven Friedensschritte zu erwarten sein. Von russischer Seite ist dies zurzeit ebenfalls kaum zu erwarten, Putin verharrt in seiner seltsam historisch basierten Kriegslogik. Das muss allerdings nicht so bleiben. Auch der Westen, allen voran die EU, sollten nicht auf Dauer an militaristischer Ideologie im Zusammenhang mit diesem Krieg festhalten.

Der Ukraine sei zu wünschen, so rasch wie möglich friedliche Zustände erleben zu können. Doch beide Kriegsparteien bewegen sich nicht. Dies lässt vorerst keine Hoffnung auf eine Waffenruhe oder auf Friedensverhandlungen keimen. Das Heil ausschließlich in der Lieferung schwerer Waffen zu sehen, wie es etwa die EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen unermüdlich wiederholt, erscheint höchst kontraproduktiv, ein Friedenskonzept der „Friedensunion“ EU fehlt. Für kreative Überlegungen, auf nichtmilitärischem Gebiet Friedensinitiativen anzudenken, mangelt es an Willen und Phantasie. Besonders bemerkenswert ist die militante Haltung vor allem der deutschen Grünen, die sich als früherer parlamentarischer Arm der Friedensbewegung nun ins ideologische Lager der Militaristen begeben haben und damit weiter Öl ins Feuer gießen, allen voran die grüne deutsche Außenministerin Annalena Baerbock. Österreichs Grüne halten da nicht dagegen
Natürlich soll hier nicht einem naiven Pazifismus das Wort geredet werden, allerdings einer von Friedensethik getragenen aktiven Friedenspolitik. Diese müsste auch Kompromissen Raum geben. Eine primitive und ebenfalls naive Kriegslogik sowie weitere beharrliche Feindbildpflege lassen jedenfalls ein sehnlichst erwartetes Kriegsende in noch weitere Ferne rücken.

Vor diesem Hintergrund plädiert der renommierte Medien- und Konfliktforscher Florian Zollmann für einen „konstruktiven Journalismus“ gerade auch in der Kriegsberichterstattung. Medien schauen auf den Krieg oft wie auf eine Sportveranstaltung: Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer? Und im Prinzip ohne konstruktive Lösungen einzubringen, ohne zu schauen: Welche sind die verschiedenen Interessen, was gibt es für Lösungsstrategien, und wie kann man journalistisch deeskalierend wirken? Fragen, über die es gerade auch für die Politik rege nachzudenken gilt.

Leben eines Landarztes

Offenes Wort eines Landarztes, der Havard-Prof. werden wollte

Hans H ö g l

Es ist eine Wiener Eigentümlichkeit, dass Schauspieler und Komödianten einen derart hohen Stellenwert haben. Eben hörte ich Sonntag Mittag ein Interview mit einer Schauspielerin auf dem Kultursender Ö 1. Das interessiert besonders das großstädtische, vor allem Wiener Bildungspublikum. Da ist es eine Ausnahme, wenn ein Landarzt über sein Leben berichten darf: Der langjährige steirische Landarzt in Halbenrain, Engelbert Frühwirt, geht nun mit 69 in Pension und was sagt er darüber. Zu lesen in der in der Steiermark und in Kärnten verbreiteten „Kleinen Zeitung“ am 18. Juni 2022.

„Ich wollte zwar am Anfang in einer Klinik arbeiten, aber das hat mir nicht gefallen. Als Landarzt kann ich für mich selbst arbeiten und entscheiden.“ Er ordiniert seit 1987 als Landarzt und bereut es nicht, würde noch einmal Landarzt werden, aber kein Kassenarzt mit Administration, die eine „Katastrophe“ sei. „Die Dokumentationspflicht muss dringend eingedämmt werden“. Bürokratische Aufgaben machen „mindestens “ zwei Drittel der Arbeit aus. Doch der Dank der Leute habe ihm Kraft gegeben. Rund 100 Patienten und Patientinnen betreut er täglich. „Wir Ärzte verdienen gut, aber wir arbeiten auch wie Viecher“, sagt er.

Bei der Frau eines Wiener praktischen Vorstadt-Arztes erkundigte ich mich über den Umfang der Büroarbeit. Sie findet zwei Drittel an Bürokratiezeit doch als hoch gegriffen, aber sie und ihr Mann haben oft Wochenenden mit Abrechnungen und Steuersachen verbracht. Und erstaunlich sei, was ein Installateur für ein paar Handgriffe verdiene, doch auch sie hätten viele Nebenkosten.

Mich erinnert das an meine Lehrtätigkeit. Wenige wissen darum, wieviel Zettel da von der Bildungsdirektion zu lesen sind und was da an Bürokratie anfällt. Beim Arzt würde ein weniger an Bürokratie mehr an Zeit für persönliche Gespräch eröffnen.