Archiv der Kategorie: JÜNGSTE BEITRÄGE

Heiße Eisen im neuen INTERNATIONAL

Die jüngste Ausgabe der renommierten Zeitschrift INTERNATIONAL behandelt, wie Herausgeber Fritz Edlinger vermerkt, „einige absolut heiße Eisen“.

Udo Bachmair

Aufmacher-Story ist Covid-19. In ihr befasst sich Franz Piribauer mit der Corona-Politik der EU, die er als skandalös bezeichnet. Einer der Gründe für diese Einschätzung: Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen habe sich bei den Verhandlungen mit der Pharmaindustrie über den Tisch ziehen lassen und dann noch sämtliche Aufzeichnungen auf ihrem Handy gelöscht.. Das Verhalten der meisten EU-Staaten, allen voran Österreichs und Deutschlands, eine Aufhebung der Impfpatente in der WTO zu blockieren, sei absolut inakzeptabel. Eine Freigabe würde den kostengünstigen Verkauf von Impfstoffen in die Staaten des Globalen Südens ermöglichen. Der EU seien offensichtlich die Profite der Pharmaindustrie wichtiger als Menschenleben in Afrika und Asien, so der Tenor der Analyse.

Wendelin Ettmayer packt in seinem Beitrag „Wozu dient die Allianz der Demokratien?“ das nächste heiße Eisen an. Er kritisiert vehement und fundiert die Politik der USA, die auch unter Joe Biden an der „America first“ Politik festhalte. Diese werde sogar noch angeheizt, befindet der Autor. Den USA gehe es in einer neuen „Kalten Krieg Politik“ darum, die Welt in gut und böse zu trennen und von den „Guten“ die absolute Vorherrschaft der USA anzuerkennen.

Weitere Themen im jüngsten Heft von INTERNATIONAL: Die dramatische Situation in Afghanistan, die neue spannungsgeladene Lage am Westbalkan, die ebenfalls spannende Entwicklung rund um die Iran-Atomverhandlungen, der belarussisch-polnische Konflikt, die palästinenserfendliche Wasserpolitik Israels, etc. etc..

Fritz Edlinger, engagierter Chefredakteur und Herausgeber von INTERNATIONAL, weist auf das dieses Mal besonders umfangreiche Kapitel mit Buchrezensionen hin. Nicht zuletzt vor Weihnachten attraktive Tipps für Buchgeschenke. Informationen auch zu Abos sind ebenfalls unter https://international.or.at abrufbar.

Leben „kleiner“ Leute: Dorf in Russland

Perle im Fernsehen – entdeckt in bewusster Wahl

Hans Högl

Aus Metropolen kommen Auslandsberichte, handeln von großer Politik, kaum vom Leben gewöhnlicher Leute. Die Sendung „Dorf im Süd-Ural“ war anders, gedreht vom NDR, gesendet von Arte am 5. Dezember. Hier – nahe an sanften Waldhügeln und doch mit Feldern und Eigengärten – leben in kleinen Häusern und Hütten knapp tausend Menschen, Tataren und Russen, Christen und Moslems. Friedlich – die Jüngeren auch miteinander Ball-spielend. „Sie sind doch alle Menschen“, sagt ein zeitungslesender Pensionist – „Warum kämpfen sie dort miteinander?“

Unser Ort liegt vier Flugstunden von Moskau. Welche Ausländer verirren sich hierher? Wir sehen alltägliches Tun der Leute, ihr Sich-Selbst-Versorgen mit Milch, Kartoffeln, Pilzen, Fischen. Der Garten einer alten Frau ist voll an Unkraut, früher konnte sie davon überleben. Alles ist überaus bescheiden wie in den 50-igern in Mitteleuropa und doch anders: Einer Mutter missfällt, dass ihr Sohn nur vor dem Computer sitzt und bewegt ihn zur Mitarbeit auf der Viehweide. Schulkinder, chic gekleidet, tragen – ähnlich wie bei uns – schwere Taschen am Rücken.

Halbwüchsige Mädchen lockt das Leben in der Stadt. Doch die meisten Leute schätzen einfaches Leben und die herzliche Gemeinschaft, und wir vernehmen den Klang russischer Worte. Die Stadt ist fern, sie fahren dort hin, wenn etwas nötig ist

Männer sind geschickt in diversem Handwerk, bauen selbst ein Haus und verschulden sich auf Jahrzehnte. Eine Frau kocht ihrem Mann zum Abschied eine gute Fischsuppe; denn morgen geht`s nach Sibirien in die Arbeit in Gaswerken – auf sechs Monate. Beim Paar lebt von den fünf Kindern nur ein Nachzügler.

Doch was ist reales Leben in einem Staat von kontinentalem Ausmaß und zehn (!) Zeitzonen. Wie kann der Typus der Idealisierung und des Katastrophismus vermieden und wie Vielfalt an Lebenswelt eingefangen werden – gibt es doch schon in Zentraleuropa ausgehöhlte Bauerndörfer, Schlaforte im Umfeld von Großstädten, Gebirgsdörfer, Industrie- und Bergbauorte und Kleinstädte? Gewiss ist: Journalismus hat eine massive Schlagseite auf Katastrophen und Extreme hin, und dies wird vielfach als d i e Wirklichkeit gesehen.

Tag-zu-Tag-Journalismus und Publikum

Tagesjournalismus klammert Strukturwandel aus -ein Buch vor 60 Jahren – was blieb aktuell im „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ (1961) – von Jürgen Habermas?

Hans H ö g l

Bürgerliche Öffentlichkeit war das Publikum direkt versammelter Privatleute, wo sich öffentliches Raisonnement ereignete – ein Wort, das auf Vernunft verweist und zugleich auf ihre verächtliche Herabsetzung zur nörgelnden Vernünftelei (S. 334).

Massenmedien verstehen sich als Stellvertreter des Publikums. Doch hierbei wird ein Großteil der Bevölkerung ausgeschlossen. Für Habermas hat Demokratie den Vorrang, doch Experten (Politiker, Top-Manager, Juristen…) koppeln sich immer mehr von Normalbürgern ab. Damit hat öffentliches Raisonnement keinen Ort mehr. Kultur und soziales Miteinander werden stark von Wirtschaft und Verwaltung geprägt.

Hubertus Niedermaier meint in dem Buch: „Wozu Demokratie“ – Konstanz 2017: Die interaktiven Medien bieten neue Chancen politischer Partizipation (S. 355). Doch oft sind es nicht Chancen, es schlägt ins Gegenteil um. Unsere Zitate weisen auf Niedermaiers Resumé über Habermas hin.

Der Untertitel des Buches „Wozu Demokratie?“ lautet „Politische Philosophie im Spiegel der Zeit“. Dem Autor gelingt es, im Erörtern historischer Hintergründe politische Denker uns nahe zu bringen – beginnend von der Antike über das Mittelalter bis in die Gegenwart. So über: Platon, Cicero, Augustinus, Machiavelli, Hobbes, Locke, Kant, Rousseau, Hegel, Marx, J. Stuart Mill, Adorno, Parsons, Luhmann, Habermas, Beck.

Feindbild Moskau

Die jüngste KURIER-Analyse von Konrad Kramar hat eine wohltuend differenzierende Sicht des Ukraine-NATO-Russland-Konflikts vermittelt. Eine Seltenheit in unseren Medien.

Udo Bachmair

Die Analyse Konrad Kramars hebt sich positiv ab von einseitigen Kommentaren in anderen westlichen Medien, die beharrlich das Feindbild Russland pflegen. Denn gerade auch dieser komplexen Causa ist mit einem bloßen Schwarz-Weiß-Denken nicht beizukommen.

Der außenpolitische Mainstream westlicher Berichterstattung unterstellt fast ausschließlich der russischen Seite die Befeuerung des Säbelrasselns zwischen Russland und der NATO. Kaum in Medien zu vernehmen ist hingegen, dass Russland sich einem Bedrohungsszenario seitens der NATO gegenübersieht.

Dem US-dominierten Militärbündnis wirft Moskau ein in jüngster Zeit besonders aggressives Verhalten mit provokanten militärischen Aktivitäten unmittelbar an der russischen Ostgrenze vor. Gleichzeitig betrachtet Russland sich durch eine immer wieder angekündigte NATO-Mitgliedschaft der Ukraine in seiner Sicherheit bedroht.

Dass Qualitätsjournalismus beide Seiten eines Konflikts beleuchten sollte, erscheint als Binsenweisheit. Diese sollte aber dennoch immer wieder in Erinnerung gerufen werden, besonders auch in geopolitischen Fragen.

( Gekürzter Beitrag eines von Udo Bachmair im KURIER erschienenen Kommentars )

Autowerbung : Mogelpackung Ökologie

Klimaheucheln hat noch niemand geschadet, denken manche.

Hans Högl

Bestimmte Widersprüche in Medien sind irritierend – so in ökologischen Fragen. In einer Flut von Berichten und Kommentaren wird vor ökologischen Katastrophen gewarnt, und gleichzeitig bringen TV-Stationen und Printmedien hurtig ausgiebig Werbung für Benzin- und Dieselautos.

Sicherlich: Redaktionen und Werbeabteilung sind in Medien zweierlei. Doch auf der Spitze eines Unternehmens sollte dieser Widerspruch gesehen werden. Ökologisches Verhalten betrifft auch Unternehmen – und so auch Medien selbst.

Revival fürs Fernsehen bei Jüngeren

Überraschendes Ergebnis einer Studie : Das Interesse junger Menschen an Qualitätsmedien hat im Lockdown deutlich zugenommen.

Udo Bachmair

Bisher sind Kommunikationsexperten davon ausgegangen, dass junge Erwachsene zwischen 18 und 25 Jahren Informationen nahezu ausschließlich via Social Media einholen. Eine Studie der Fachhochschule der Wiener Wirtschaftskammer hat nun überraschenderweise ergeben, dass die erwähnte Altersgruppe sich während des Lockdowns auch wieder vermehrt traditionellen Medien zugewandt hat, dem Fernsehen, aber auch dem guten alten Radio.

So haben junge Menschen öfter oder erstmals etwa die ZiB 1 des ORF genutzt. Das war aus Nutzungsstudien noch vor Corona nur äußerst selten abzulesen. Die Medienwissenschafterinnen Gisela Reiter und Jana Bernhard, die Autorinnen der Studie, zeigen sich verwundert über die neuen Erkenntnisse. Es habe sich bis vor den Lockdown-Phasen nicht abgezeichnet, dass es wieder einmal zu einem linearen Medienkonsum junger Erwachsener kommen würde.

Laut der Untersuchung haben vor allem Angebote der Öffentlich-Rechtlichen sowie Qualitätsmedien im Printbereich einen deutlich höheren Zuspruch bei den jüngeren Menschen erzielt, eine Tendenz weg von Social Media für die Informationsbeschaffung, weg auch von Boulevardmedien. Die Sozialen Medien werden jedoch weiter vor allem zur Unterhaltung genutzt. Wenn es aber in Krisenzeiten sozusagen ans Eingemachte geht, vertrauen auch die Jungen eher traditionellen Qualitätsmedien.

Sind in Medien zu viele Besserwisser?

Corona Politik: „Überall Desaster!?“ Medien lieben das zu melden, sie tun sich leicht, sie treffen keine Entscheidungen.

Hans Högl: Zitate aus der Badischen Zeitung (Freiburg im Breisgau)

Es ist erstaunlich, wie sich die Schlagzeilen ähneln- so aus Baden Württemberg und so in Wiener Medien. Überall melden Medien mit Vorliebe Desaster und Missgeschick der Politik.

Badische Zeitung
Von Florian Gann: 29.November 2021 um 21:04 Uhr
 Mehr als 100.000 Corona-Tote, so viele Neuinfektionen wie nie. Als Zeit gewesen wäre, der vierten Welle vorzubeugen, passierte nichts. Niedrige Zahlen führten zu Lockerungen.
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Badische Zeitung:
Von Michael Saure: So, 05. Dezember 2021 um 22:04 Uhr

Erst heißt es, Geboosterte brauchen einen negativen Schnelltest für den Restaurantbesuch. Dann rudert das Land zurück. Dann heißt es, 2G brauchen einen. Dann wieder nicht. Ein Desaster.

URTEILSPLATZ: Vom Lümmel zum Kümmel

Dies ist ein Kommentar von Hagen Späth –ebenfalls in der Badischen Zeitung – am 04. Dezember 2021

„Wähle die Worte mit Bedacht. Nicht nur vielen Politikern könnte man diesen Satz ins Stammbuch schreiben. Es gibt da ja jede Menge Berufe, die mit Sprache arbeiten und bei denen es auf die richtige Wortwahl ankommt. Journalisten zum Beispiel. Was steht da auf einem kleinen Zettel, der seit Jahren an meinem PC hängt? „Respect the power of words and choose them with caution.” Also respektiere die Macht der Worte und wähle sie mit Bedacht.“

Widersprüchliches zu Faßmann

Widersprüchlicher Journalismus in der Evaluation eines Politikers

Hans Högl

Es ist skurril und widersprüchlich, wie Journalismus urteilt. Noch vor einigen Tagen wurde Bildungsminister Faßmann in Journalen von Radio Ö 1 heftig kritisiert: Er gebe widersprüchliche Anweisungen- denn er lasse den Eltern die Wahl, ihre Kinder in die Schule zu senden oder nicht. Tatsache war, dass dann 70 % der Kinder den Unterricht besuchten.

Die Eltern empfahlen es und ihre Kinder zogen es vor, den Unterricht direkt zu besuchen, während der Rest der Kinder im Homeschooling zurecht kommt.

Ich denke, dass dies eine kluge und differenzierte Entscheidung war. Für den Journalismus in Ö 1 Journalen, die ich regelmäßig höre, war dies nicht eindeutig und kritikwürdig.

Doch heute im Journal um 17 Uhr, Freitag 3. Dezember 2021, drückt die Ö1- Redakteurin ihre Überraschung aus, dass Faßmann nun als Bildungsminister abgelöst wurde. Man kann dieser widersprüchlichen Haltung nur mit Kopfschütteln begegnen.

Impfquote in deutschsprachigen Ländern

Mögliche Hintergründe für hohe Impfverweigerung in Deutschland, Österreich und der Schweiz

Hans Högl

Besonders in Deutschland, Österreich und der Schweiz wollen sich viele Menschen nicht impfen lassen. Die Impfquote liegt bei rund 67 Prozent.

Zum Vergleich: In Portugal sind mehr als 86 Prozent der Menschen geimpft, auch in Italien, Spanien oder den Niederlanden ist die Impfquote höher als im deutschsprachigen Raum. In der neuen Folge von «NZZ Akzent» bietet unsere Auslandredaktorin Meret Baumann mögliche Erklärungen. Einerseits wurden die deutschsprachigen Länder zu Beginn der Pandemie in der ersten Welle weniger hart getroffen als Italien oder Spanien. Auch die weitverbreitete Tradition der Anthroposophie und die Erfahrungen während des Zweiten Weltkrieges spielen eine Rolle bei der Impfskepsis.

Zu ergänzen ist der Kampfbegriff Schulmedizin, die von Esoterikern und Naturheilkundlern in Frage gestellt und Alternativmedizin empfohlen wird. Hierfür gibt es manchmal sicherlich auch berechtigte Kritik. Übrigens: Hitler bezeichnetet die moderne Medizin als jüdisch.

Impfverweigerer finden sich in allen politischen Parteien Österreichs, wie eine Studie feststellte. Gewisse Medien machen es sich zu einfach, alle Impfgegner einfachhin als rechtsradikal zu punzieren – dies ist auch bei einigen ORF-Kommentatoren festzustellen. Sie tun dies nicht zufällig und in Unkenntnis- es sind gute Parteisoldaten.

Rätsel des Menschseins: Irlands Hungersnot ab 1845

Europa verstehen: Bildungschance des Fernsehens. Ausgezeichnete Länderdokumentation in ARTE

Hans Högl

Heute, den 30. November, brachte ARTE ab 20:15 eine Doku über die unglaubliche Hungersnot in Irland ab 1845. Jeder Gebildete hat davon irgendwann gehört. Aber welche Chance bietet Fernsehen, Geschehnisse wie die Folgen dieser Hungersnot zu veranschaulichen, davon sich eine Vorstellung, einen Begriff zu machen. Ich wundere mich über einen Akademiker, der mir sagte, kein TV-Gerät zu nützen. Wohl aus Überheblichkeit. Wer bewusst im TV-Angebot auswählt, findet auch Bildungschancen. Hier der Medientipp, diese Sendung in der TV-Theke zeitversetzt zu sehen.

Ein paar blasse Wörter von diesem Ereignis. 1842 trat in Nordamerika eine bis dahin unbekannte Kartoffelfäule auf, welche Ernten vernichtete. Irland war davon massiv betroffen, aber auch die Niederlande, Belgien und Frankreich.

Kann man die britische Politik als „zurückhaltend“ nennen, war sie nicht vorurteilsbehaftet? Nach dem wirtschaftsliberalen Dogma des laissez-faire sollte sich der Staat möglichst wenig in die Wirtschaft einmischen und auch n i c h t helfen. Deshalb wurde ein Verbot des Exports von irischem Getreide selbst in der Hungersnot nicht in Betracht gezogen.

Die europaweiten Missernten von 1845 bis 1849 führten zu einer steigenden Nachfrage nach Weizen. Länder auf dem Kontinent haben den Export eigener Lebensmitteln unterbunden, um in ihre Landsleute vor einer Hungersnot zu bewahren (so Belgien).

Doch die englische Regierung versagte. Die Iren erlebten zu ihrer großen Verbitterung, dass große Mengen an noch vorhandenen tierischen und pflanzlichen Nahrungsmitteln von Irland nach England gebracht wurden, während viele Menschen in Irland bitter hungerten – in einer unvorstellbaren Art und Weise oder auswanderten.

Ein Rätsel des Menschseins: Das aufgeklärte England ließ wissentlich und sehenden Auges die Iren, Land und Leute – ja ich sage das derbe Wort -„krepieren“: 1 Million Tote, 2 Millionen Ausgewanderte.(US-Präsident Joe Biden ist irisch-stämmig und katholischer Demokrat).

In der ARTE-Mediathek kann die Sendung bis 29.Dez. gesehen werden.