Archiv der Kategorie: JÜNGSTE BEITRÄGE

Wer wir sind, bleibt offen

Fehlende Antworten in Wissenschaft und Medien zur tiefsten Frage: Was ist der Mensch?

Hans Högl

Wissenschaft kommt oft ziemlich breitspurig daher, im „Gehabe“ „wir wissen`s“. Oft tut sie so, als hätte sie „alles im Griff“. Doch der größte Feind der Erkenntnis ist die Illusion des Wissens. Das größte Lernhindernis ist die Arroganz, schreibt der originelle Alternativ-Schuhfabrikant Heini Staudinger aus dem Waldviertel in der neuesten Ausgabe seiner Zeitschrift „brennstoff, nr. 59. Die Einleitungsworte oben finden sich in diesem Heft, das in der Regel bemerkenswerte Artikel bietet.

Staudinger: „Wer und was wir sind, ist heute um keinen Deut weniger geheimnisvoll als zur Zeit der ersten Menschen. Die Wissenschaften haben dieses Rätsel nicht gelöst, sondern vertieft. Verweis auf einen Beitrag im Heft von Fabian Scheidler.

Die gleiche Frage stellte ich mir spontan, als ich gestern mit dem Rad in der vielbesuchten Wiener Mariahilfer Straße war und auch die Menschenmassen auf dem Stephansplatz sah. Medien konzentrieren sich auf die Sekunden der Weltgeschichte, auf das reelle vielfältige Geschehen. Auch die Wissenschaft, so wichtig sie ist, gibt uns auf existentielle Fragen nach dem Sinn des Lebens und des Menschen kaum eine Antwort.

Unglück und Fundglück

Seltene Informationen

Hans Högl

Manchmal sind Rückblicke wichtig, wenn diese aktuelle Ereignisse relativieren – in diesem Fall Überschwemmungen. So bringt heute Georg Markus im Wiener „Kurier“( 25.Juli) eine umfangreiche Reportage darüber, dass es wiederholt an der Donau – so 1954 z.B. in Melk zu einer großen Überschwemmung gekommen ist.

Eher selten sind Berichte darüber, dass drei Geldbörsen mit Bargeld gefunden wurden, die deutsche Urlauber versehentlich in Österreich liegen gelassen haben (Die Krone, 25. Juli) und die ihnen zurückgegeben wurden.

Ich selbst machte einmal die Erfahrung bei einer Autofahrt nach Spanien über Frankreich. So ließen wir beim Tanken in Lyon unsere Tasche versehentlich liegen – mit dem Geld der Gruppe. Bei meiner Rückfahrt aus Spanien suchte ich das Fundamt in Lyon auf. Meine Freunde meinten, es sei sinnlos. Und es wurden mir aber alle Fundstücke mit Bargeld zurückgegeben. Der Finder: ein Mann mit italienischem Namen.

Die Stadt Wien hat am Gehsteig vor den Amtshäusern der Bezirke Behälter aufgestellt, in welche Fundstücke hineingegeben werden können, ohne es der Polizei zu melden. Diese Maßnahme bewährt sich.

Dänischer Mohammed-Karikaturist gestorben

Wertekonflikt bei Globalisierung und Pressefreiheit

Hans Högl

Der dänische Mohammed-Karikaturist Kurt Westergaard ist gestorben.
Seine umstrittenen Mohammed-Karikaturen hatten Proteste und gewalttätige Ausschreitungen in zahlreichen Ländern ausgelöst. Wie die Zeitung «Berlingske» am Sonntag online meldete, starb Westergaard nach langer Krankheit im Alter von 86 Jahren, wie seine Familie mitteilte.

Unser Publikum wird ersucht, zu kommentieren, wie es diesen Wertekonflikte beurteilt. Ist „Medien-Freiheit“ grenzenlos oder sind auch mögliche Folgen zu beachten? Es geht also um Gesinnungsethik und Verantwortungsethik.

Flugzeuge mit nachhaltigem Treibstoff

Häufige Neigung, begrüßenswerte Änderungen nicht hervorzuheben.

Hans Högl

Swiss betankt seine Flugzeuge in Zürich mit nachhaltigem Treibstoff: Ab sofort werden alle Flugzeuge, die vom Flughafen Zürich starten, mit einem als nachhaltig zertifizierten Treibstoff betankt, der die CO2-Emissionen um bis zu 80 Prozent reduziert. Der Einsatz des teureren Treibstoffs wurde möglich, weil Swiss-Kunden bereit sind, dafür einen Aufpreis zu bezahlen.

Welt sehen, wie sie wirklich ist

Panische Zukunftsangst in Gesprächen und Medien

Hans Högl

Beiläufig wird uns in Gesprächen und auch in Qualitätsmedien eine panische Zukunftsangst vermittelt. Darum greife ich -auch mit eigener Überzeugung – eine Literaturempfehlung wortwörtlich auf, die Matthias Horx, der bedeutende Zukunftsforscher und frühere „ZEIT“-Journalist, in seinem Buch „15 1/2 Regeln für die Zukunft. Anleitung zum visionären Leben“ (2019) gibt (S. 337).

Hans Rosling Nachlass – sein Buch: Factfulness- Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist, Berlin 2018 – ist eine wichtige Grundlage, um panische Zukunftsangst zu überwinden -und die Welt in ihrem Wandel konstruktiv zu betrachten. “Das Buch bietet neben einer Zusammenfassung von Rosling Welt-Statistiken auch eine Einführung in die future biases, jene Wahrnehmungsverzerrungen, die uns die Zukunft ausschließlich aus der Warte der Angst sehen und positive Entwicklungen ignorieren lassen. Die Tatsache, dass es zu einem Weltbestseller geworden ist, gibt mir Hoffnung.“

Als Symptom von Entwicklungsländern – nur die Armut?

Das übliche Verständnis von Entwicklungsländern ist fragwürdig, meint der indische Philosoph Amartya Sen.

Hans Högl- vertiefte Buchrezension

Zu Andreas Sator: Alles Gut?! Unangenehme Fragen & opimistische Antworten für eine gerechtere Welt, Wien 2019.

Andreas Sator (30) studierte „Internationale Entwicklung“: Oft wenn von Entwicklungsländern die Rede ist, meint man ärmere Länder. „Ich mag den Begriff nicht sehr“, schreibt Andreas Sator; denn entwickelt zu sein, heißt für den indischen Philosophen Amartya Sen, frei zu sein. Frei davon, Hunger zu haben oder als Kind früh sterben zu müssen. Frei sein, heißt ein Leben zu führen, das man möchte, lesen, schreiben, rechnen zu können, sich politisch zu beteiligen und frei seine Meinung äußern zu können.

China ist heute wesentlich reicher als vor 40 Jahren, aber wie entwickelt ist dieses Land wirklich? Dennoch: Den stärksten Rückgang extremer Armut verzeichnet China, dort ist die extreme Armut in 25 Jahren von über 66 Prozent auf 0,7 Prozent gefallen (p. 91). Eine fulminanten Entwicklung durch eine relativ freie Marktwirtschaft unter Lenkung der kommunistischen Partei.

Doch die Menschen in China können nicht frei reden. Wer ein falsches Wort über Xi Jinping sagt, wird eingesperrt. Frei wählen ist nicht möglich, es gibt nur eine einzige Partei in einem Land mit 1.300 Millionen Menschen.
Sen definiert also Armut nicht als niedriges Einkommen, sondern als Mangel an Möglichkeiten (Sator p.36 f.)

Dass ein Land reicher wird, ist nicht genug. Sicher: in einem bitter wirtschaftlich armen Land, fehlt Geld für Schulen, gute Universitäten, zu wenig Geld für Straßen und Infrastruktur, für Krankenhäuser. Wie ist dies mit Kuba?

Entwicklungs-„Hilfe“, aber wie Welt retten?

Lösungsorietierter Journalismus: Wege und Umwege für Entwicklungs-Mithilfe

Hans Högl: Buchrezension

Andreas Sator : Alles Gut?! Unangenehme Fragen & optimistische Antworten für eine gerechtere Welt, Wien 2019. (206 p.)

Der Autor ist Journalist der Wiener Qualitätszeitung „Der Standard“, ihm ist der globale Süden ein praktisches und kritisch-reflexives Anliegen, er studierte Ökonomie in Wien, ging diversen Jobs nach. Eine Zeitung, die erzählt, dass gestern der Verkehr normal war, Spitäler funktionierten und Flugzeuge gut landeten, eine solche Zeitung verkauft sich nicht gut. Das liegt in der Natur der Sache (S. 85). Doch darin liegt ein Problem.

Medien bestimmen unser Weltbild, aber übersehen Megatrends, wie sie Hans Rosling im exzellenten Buch „Factfulness“ ortet und auf wachsende Mittelschichten in China und Indien verweist und den Rückgang extremer Armut – mit Ausnahme in Sub-Sahara-Afrika.
Sator empfiehlt, längere Reisen in den Süden oder Aufenthalte von Dauer.

Ein Einschub des Rezensenten: Für einen Entwicklungsexperten war die erste Reise nach Westafrika inspirierend. Er wirkte zuvor viele Berufsjahre in einem Institut. Doch selbst vier Studienjahre eines meiner brasilianischen Kollegen bei Brüssel, änderte kaum sein Weltbild: So sagte er mir abschätzend über Österreich, weil er in Zeitungen nie über Konflikte und Streiks in Österreich las, „darüber liest man ja gar nichts“. Manchmal denken Latinos in Extremen, dem Kollegen blieb das Konzept sozialer Marktwirtschaft fremd- ganz Anderes vermerkte eine Sozialexpertin aus Afrika mit Ihrer Aussage über Österreich: „Ihr lebt in einem Paradies“. Auch US-amerikanische Student*innen staunen über unser System der Stipendien. Und in Schweden finanzieren sich Studierende mit langfristigen Krediten. Wirtschaftssysteme sind nicht nur zweipolig.

Mit gutem Willen die Welt zu retten, reicht nicht. Wir sollen den fernen Süden nicht idealisieren: Perplex war ich, als ich bei meinem Einsatz auf den Cap Verden erfuhr, dass einheimische Eliten mit Geld für Entwicklungshilfe Tennisplätze für sich zu bauen suchten – doch die Wiener Behörde beharrte auf die volle Hilfe für die Kleinbauern. Wer mitteilt, dass buddhistische Länder um eine wertvolle Buddhastatue Krieg führten, riskiert Missbilligung. Dies als Einschub versus Superidealisten. Zurück zum Buch von Sator.

Andreas Sator: „Zeitungen und Online-Medien geben uns ein allzu negatives Bild von der Welt.“ Er empfiehlt, Bücher zu lesen oder die „Die Zeit“ und den „Economist“. Was Sator auszeichnet: Er stellt sich konkrete Fragen: Wie die Klimakrise lösen und was hilft wirklich den Armen? Das 1. Buchkapitel lautet: Beim Einkaufen die Welt retten? Wer bei H&M kauft, sichert Jobs in Bangladesh, verschmutzt aber die Umwelt. Wer ein teures Shirt in Vorarlberg kauft, schont die Umwelt, macht aber die positiven Effekte der Globalisierung zunichte (p. 180). Doch ein Kauf mit GOTS Label (Global Organic Textile Standard) verweist auf faire Arbeitsbedingungen und Nachhaltigkeit.

Sator: Auf vieles gibt es keine richtige Antwort, und wir können nicht jede einzelne Handlung auf die Goldwaage legen. Wir sollen uns Mühe geben, doch keiner könne alles richtig machen. So der lebensnahe Zugang.

Belästigungsaffäre im Schweizer Fernsehen

Medien sind über Verfehlungen von eigenen Mitarbeitern meist recht verschwiegen

Hans Högl

Belästigungsaffäre: Das Westschweizer Fernsehen (RTS)mit Sitz in Genf eröffnet Untersuchungen und suspendiert zwei Mitarbeiter – diese wissen aber noch gar nichts davon.

Über 200 Angestellte des Westschweizer Fernsehens haben sich an eine Hotline gewendet. Zahlreiche Persönlichkeitsverletzungen wurden gemeldet. Welche genau, ist unbekannt – der Bericht bleibt geheim.

Gegen Korruption und Machtmissbrauch

Das Anti-Korruptionsvolksbegehren ist gestartet. Nun können Unterstützungserklärungen abgegeben werden.

Udo Bachmair

Mindestens 8.401 Unterstützungserklärungen sind notwendig, damit das „Rechtsstaat & Anti-Korruptionsvolksbegehren“ durchgeführt werden kann. Die Proponentinnen und Proponenten sind sehr zuversichtlich, dieses Ziel zu erreichen. In ihrer Erklärung an die Medien heißt es:

„Fälle von schwerwiegendem Korruptionsverdacht bis zu massiven Angriffen auf den Rechtsstaat verpflichten uns, unsere Stimme auch öffentlich zu erheben“.

„Die schon bisher starke Resonanz zeigt uns, dass die Österreicherinnen und Österreicher nicht länger bereit sind, Korruption und Angriffe auf unseren Rechtsstaat hinzunehmen“, zeigt sich Ex-OGH-Präsident Irmgard Griss, eine der Proponentinnen, höchst erfreut.

„Wir müssen umkehren, bevor es zu spät ist!“ mahnt der renommierte Verfassungsrechtler Heinz Mayer.

Auch eine Reihe von ÖVP-Politikern schließt sich dem Appell an, etwa Ex-EU-Kommissar Franz Fischler. Und Michael Ikrath, früherer ÖVP-Justizsprecher, sagt :

„Wir alle haben ein Recht auf respektierte Gewaltentrennung statt geprobter Regierungsallmacht.“

Heide Schmidt , ehem. 3. Nationalratspräsidentin formuliert als ihr Motiv, einmal mehr aktiv zu werden:

„Die Art der politischen Kultur prägt die Maßstäbe für das Miteinander und damit für unsere Gesellschaft. Die derzeitige Entwicklung gibt Anlass zur Sorge. Dagegen müssen wir etwas tun.“

Unterstützungserklärungen können mit einer persönlichen Unterschrift – unabhängig vom Hauptwohnsitz – in einer beliebigen Gemeinde (in Statutarstädten beim Magistrat, in Wien auf den Magistratischen Bezirksämtern) während der jeweiligen Amtsstunden abgegeben werden.

Die Abgabe von Unterstützungserklärungen ist auch online möglich. Nähere Informationen dazu finden Sie unter
www.oesterreich.gv.at/themen/leben_in_oesterreich/buergerbeteiligung___direkte_demokratie/2/Seite.320472.html

ORF nicht durch Parteipolitik ruinieren

Im Parlament in Wien sind kürzlich die Concordia-Preise für außerordentliche publizistische Leistungen verliehen worden. Preisträger in der Kategorie „Pressefreiheit“ ist ORF-Redakteur Dieter Bornemann.

Udo Bachmair

Dieter Bornemann, Vorsitzender des ORF-Redakteursrates hat in seiner Dankesrede mit durchaus kritischen Worten aufhorchen lassen. So warnte er vor einer Besetzung wichtiger ORF-Führungspositionen nach „politischer Farbenlehre“ sowie vor fortgesetzter personeller Ausdünnung von Redaktionen.

Wirtschaftlicher Druck lasse Redaktionen ähnlich wie Gletscher schmelzen, während gleichzeitig eine „Flutwelle“ an Propaganda und PR von Ministerien, Parteien und Unternehmen sie mit ihrem Spin überschwemme. „Von unabhängiger, kritischer Berichterstattung haben sich viele im Politikbetrieb offenbar schon verabschiedet“, beklagte Bornemann in seiner Rede.

Medien mutieren „immer mehr zum Werkzeug der Politik“, befindet der Concordia-Preisträger, Bei kritischen Interviews werde man rasch als „Feind“ angesehen, der vom Informationsfluss abgeschnitten werden müsse, bemängelt Bornemann.

Der Redner äußerte sich auch zu seinem eigenen Unternehmen, zum ORF, dessen oberste Führung am 10. August vom ORF-Stiftungsrat gewählt wird. Bei der Neuwahl der ORF-Spitze gehe es nicht um die besten Ideen, sondern darum, wen Kanzler Kurz auf dem Chefsessel haben möchte…

Nähere Infos unter www.orf.at/#/stories/3219110/