Die ZiB 1 des ORF hat kürzlich besonders wohlwollend über das neueste Buch von Herfried Münkler berichtet, das in der komplexen Ukrainekriegs-Frage allerdings nötige Differenzierungen weitgehend vermissen lässt.
Wolfgang Koppler *
Nach Katja Gassers ziemlich unkritischem Beitrag über Herfried Münklers neuestes Buch (in der ZiB1 vom 29.3), der mehr einer blumigen Hommage als einer Rezension glich und sogar ZiB-Moderator Tarek Leitner zum Lächeln brachte, recherchierte ich ein bisschen im Netz und stieß auf ein nicht uninteressantes Interview mit Münkler. Man erkennt wieder einmal, wie ein „renommierter“ Experte nach dem andern den Brüsseler Mainstream wiedergibt – der im Wesentlichen aus einem Aufrüstungsdogma und einer Vorstellung von einer angeblich offenen Gesellschaft besteht, die Europa als deren letzter Hort gegen die gesamte restliche Welt verteidigen müsse.
Aber hören wir Münklers „lucide“ Ausführungen selbst gegenüber gegenüber dem deutschen Nachrichtensender ntv **. Schon die Überschrift lässt Schlimmes ahnen: „Die Russen werden die USA sowieso hereinlegen“. Diese von Münkler tatsächlich getätigte Aussage legt den nicht uneleganten Brüsseler Spagat zwischen der bis vor kurzem geübten Loyalität zu Washington und der unbedingten Unterstützung Kiews hin zu einer vorsichtigen Distanzierung zu der nun auf Isolationskurs steuernden US-Administration unter dem etwas unberechenbaren Donald Trump dar. Man hofft ein bisschen auf sein Scheitern in den Verhandlungen im Putin, hätte aber anderseits den immer teurer werdenden Krieg doch ganz gern beendet.
Im Verlauf des ntv-Interviews wird aber klar, was wieder einmal das Gebot der Stunde ist: Aufrüstung und auch europäische Atomwaffen, wobei Münkler – ebenso wie der NATO-nahe Militärexperte Gady jüngst im ORF – auf die Bedeutung taktischer Atomwaffen verweist, die eine wesentlich realistischere Abschreckung böten als Atombomben, die gleich ganze Städte verwüsten würden. Dass auch taktische Atomwaffen durchaus die Sprengkraft einer Hiroshimabombe haben können, erwähnt er natürlich nicht.
Was die Außenpolitik betrifft, könne man sich laut Münkler China und dem ebenso wie Putin unberechenbaren Xi-Jinping nur vorübergehend und in Teilbereichen annähern. Ansonsten sei Europa auf sich allein gestellt. Und Deutschland müsse unbedingt wieder eine Führungsrolle in Europa übernehmen und nicht alles Paris und dem trotz Austritts aus der EU sich wieder annähernden Großbritannien überlassen. Was sonst ?
Kein Wunder, dass ein Witzbold vor Kurzem meinte, Frankreich solle die (1876 den USA geschenkte) Freiheitsstatue zurückfordern. Ich frage mich nur, wo man sie aufstellen sollte. Vielleicht im Hamburger Hafen ?. Als ein Symbol von Freiheit, die in Wirklichkeit niemand haben will ?
* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist in Wien
** https://www.n-tv.de/politik/Die-Russen-werden-die-USA-sowieso-hereinlegen-article25664252.html