Archiv der Kategorie: Gastbeiträge

Europäische Atomwaffen?

Die ZiB 1 des ORF hat kürzlich besonders wohlwollend über das neueste Buch von Herfried Münkler berichtet, das in der komplexen Ukrainekriegs-Frage allerdings nötige Differenzierungen weitgehend vermissen lässt.

Wolfgang Koppler *

Nach Katja Gassers ziemlich unkritischem Beitrag über Herfried Münklers neuestes Buch (in der ZiB1 vom 29.3), der mehr einer blumigen Hommage als einer Rezension glich und sogar ZiB-Moderator Tarek Leitner zum Lächeln brachte, recherchierte ich ein bisschen im Netz und stieß auf ein nicht uninteressantes Interview mit Münkler. Man erkennt wieder einmal, wie ein „renommierter“ Experte nach dem andern den Brüsseler Mainstream wiedergibt – der im Wesentlichen aus einem Aufrüstungsdogma und einer Vorstellung von einer angeblich offenen Gesellschaft besteht, die Europa als deren letzter Hort gegen die gesamte restliche Welt verteidigen müsse.

Aber hören wir Münklers „lucide“ Ausführungen selbst gegenüber gegenüber dem deutschen Nachrichtensender ntv **. Schon die Überschrift lässt Schlimmes ahnen: „Die Russen werden die USA sowieso hereinlegen“. Diese von Münkler tatsächlich getätigte Aussage legt den nicht uneleganten Brüsseler Spagat zwischen der bis vor kurzem geübten Loyalität zu Washington und der unbedingten Unterstützung Kiews hin zu einer vorsichtigen Distanzierung zu der nun auf Isolationskurs steuernden US-Administration unter dem etwas unberechenbaren Donald Trump dar. Man hofft ein bisschen auf sein Scheitern in den Verhandlungen im Putin, hätte aber anderseits den immer teurer werdenden Krieg doch ganz gern beendet.

Im Verlauf des ntv-Interviews wird aber klar, was wieder einmal das Gebot der Stunde ist: Aufrüstung und auch europäische Atomwaffen, wobei Münkler – ebenso wie der NATO-nahe Militärexperte Gady jüngst im ORF – auf die Bedeutung taktischer Atomwaffen verweist, die eine wesentlich realistischere Abschreckung böten als Atombomben, die gleich ganze Städte verwüsten würden. Dass auch taktische Atomwaffen durchaus die Sprengkraft einer Hiroshimabombe haben können, erwähnt er natürlich nicht.

Was die Außenpolitik betrifft, könne man sich laut Münkler China und dem ebenso wie Putin unberechenbaren Xi-Jinping nur vorübergehend und in Teilbereichen annähern. Ansonsten sei Europa auf sich allein gestellt. Und Deutschland müsse unbedingt wieder eine Führungsrolle in Europa übernehmen und nicht alles Paris und dem trotz Austritts aus der EU sich wieder annähernden Großbritannien überlassen. Was sonst ?

Kein Wunder, dass ein Witzbold vor Kurzem meinte, Frankreich solle die (1876 den USA geschenkte) Freiheitsstatue zurückfordern. Ich frage mich nur, wo man sie aufstellen sollte. Vielleicht im Hamburger Hafen ?. Als ein Symbol von Freiheit, die in Wirklichkeit niemand haben will ?

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist in Wien

** https://www.n-tv.de/politik/Die-Russen-werden-die-USA-sowieso-hereinlegen-article25664252.html

Kriegsrhetorik und Aufrüstungshysterie

Und wieder einmal eine ORF-Podiumsdiskussion mit Schlagseite. Einmal mehr war eine Runde zu Krieg und Frieden einseitig zusammengesetzt. Drei gegen Einen : Drei mit Kriegsrhetorik, ein einziger hingegen, der in der TV-Sendung „Das Gespräch“ für Diplomatie und Waffenstillstandsverhandlungen plädierte. Dabei wäre der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch in außenpolitischen Fragen zur Ausgewogenheit verpflichtet.

Wolfgang Koppler *

Die gestrige Diskussionsrunde „Das Gespräch“ in ORF2 bewies wieder einmal, dass man – ebenso wie im Vorgängerformat „Im Zentrum“ – vor einer ausgewogenen Gästeliste bei heiklen Themen eher zurückscheut. Mag sein, dass auch noch andere zur Diskussion geladen waren – aber man rechnete – wie auch in anderen Fällen – wohl nicht mit ihrem Kommen. Faktum ist, dass beim Thema „Europäische Aufrüstung“ wieder einmal drei weitgehend übereinstimmende Diskutanten den Brüsseler Mainstream vertraten und nur einer tapfer dagegenhalten dürfte.

Wobei man Diskussionsleiter Tobias Pötzelsberger zugestehen muss, dass er sich selbst um Objektivität bemühte und von seinen persönlichen Erfahrungen aus seinem Politologiestudium erzählte, in dem noch vom „Friedensprojekt Europa“ die Rede war. Klar, dass die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des EU-Parlaments Strack Zimmermann ebenso wie Franz Stefan Gady und ein Vertreter des Bundesheeres mit den Versatzstücken aus dem Kalten Krieg (auf den mehrmals Bezug genommen wurde) antworteten: Frieden durch Stärke.

Wie die geplanten 800 Milliarden für die Aufrüstung zu finanzieren wären und welche Auswirkungen dies auf unsere Gesellschaft als auch auf den globalen Süden hat, wenn wieder einmal Gelder in die Rüstung fließen, mit denen man das Elend, aber auch gesellschaftliche Spannungen und vielleicht auch Terror- und Kriegsgefahr wesentlich effektiver mindern kann. davon war weniger die Rede.

Dafür wurde die Gefahr eines russischen Überfalls auf das Baltikum beschworen, wobei Gady sich auch eher kryptisch auf Geheimdienstinformationen bezog und vor allem auf den nachlassenden Schutz der USA. Dass die US-Kriege der letzten Jahrzehnte eher weniger zur allgemeinen Sicherheitslage beigetragen haben als zu deren Verbesserung, blieb natürlich unerwähnt. Immerhin gestand man zu, dass auch die Diplomatie eine gewisse Rolle spielen müsse – aber natürlich erst nach einer gewaltigen Erhöhung der Militärbudgets.

Der durchaus differenziert argumentierende Chefredakteur der Zürcher „Weltwoche“, Roger Köppel, konnte sich da nur selten Gehör verschaffen und wurde von Strack-Zimmermann auch noch der Verharmlosung Putins verdächtigt. Man kennt das schon. Dabei verwies er durchaus zurecht auf eine allgemeine Kriegs- und Aufrüstungshysterie. Und meinte, dass man sich vielleicht auch mit Interessenlagen und der Vorgeschichte von Kriegen auseinandersetzen sollte. Und dass das Blutvergießen in der Ukraine endlich ein Ende finden müsse.

Wie sagte doch schon Freud: Die Stimme der Vernunft ist leise. Vor allem in Zeiten des Kriegs und der Orientierungslosigkeit.

* Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist in Wien

Urteil gegen Mietwucher

Mietwucher fordert ungemindert und meist auch ungehindert seine Opfer. In der Schweiz hat man darauf nun offenbar einen anderen Blick geworfen, wie ein Gerichtsurteil zeigt.

Wolfgang Koppler *

Ein interessantes Urteil des Schweizer Bundesgerichts: Eine Vermieterin wurde wegen stark überhöhter Untermieten wegen Mietwuchers zu zwei Jahren bedingter Haftstrafe verurteilt. Das ist noch kein wirklich starkes Zeichen gegen zweifelhafte Investoren, an die man sich bei uns im Westen nicht so richtig vorzugehen traut – außer es lässt sich (wie etwa im Fall Benko) doch nicht mehr vermeiden. Abendessen und Jagdausflüge mit illustren Reichen sind schließlich wichtiger.

Aber es ist ein Signal. Und in Österreich – wo der Wuchertatbestand mehr oder weniger totes Recht ist – völlig undenkbar. Hier wird Derartiges von Medien und etablierter Politik mehr oder weniger unter der Decke gehalten. Und allenfalls nebenbei erwähnt. Bezeichnend auch, dass sich der untenstehende Artikel** in der Boulevardzeitung „Heute“ fand. Und nicht in einer der „Qualitätsmedien“. Kein Wunder, dass sich immer mehr Menschen von Politik und Qualitätsmedien abwenden.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Journalist und lebt in Wien

** https://www.msn.com/de-at/nachrichten/ausland/wucher-vermieterin-kassiert-freiheitsstrafe/ar-AA1AXMB8?ocid=msedgdhp&pc=HCTS&cvid=1e257bc66d37475e96947d7d26cf2c96&ei=13

Medientagung in Linz

„Demokratieverhandlungen für den digitalen Raum der Freiheit“ ist Thema einer bemerkenswerten Tagung am 21.03.2025 in Linz

Erwin Leitner *

Wir erleben derzeit einen tiefgreifenden Medienwandel. Seit mehr als einem Jahrzehnt gehören Social-Media-Anwendungen zu unserem Alltag, bestimmen als Big-Tech-Plattformen zunehmend die kognitive Orientierung und gefährden mit Fake News, Manipulation und Desinformation immer häufiger das demokratische Gefüge (Infodemie).

Gleichzeitig ist mit der vernetzten Welt das Versprechen verbunden, dass alle Beteiligten ihre eigenen Wahrnehmungen, Interpretationen und Meinungen gleichberechtigt veröffentlichen können. Tatsächlich übernehmen Algorithmen die Bewertung und vermitteln ein falsches Bild von Partizipation, die nur auf Zustimmung hofft und vielfach geteilt werden will.

Im Rahmen der Tagung wird die Partizipation in heutigen Demokratien aus der Perspektive der Digitalisierung beleuchtet, neue Möglichkeiten der Medienaneignung im Hinblick auf das demokratische Ideal der Mündigkeit diskutiert mit dem Ziel, das Bewusstsein für eine demokratiepolitische Neuerschließung des digitalen Raums und seiner Freiheiten auf breiter öffentlicher Basis zu stärken.

Vorträge. Worshops. Podiumsdiskussion. Buffet
Eintritt frei. Anmeldung erwünscht.

* Mag. Erwin Leitner ist Gründer und Bundessprecher der Initiative „mehr Demokratie: erwin.leitner@mehr-demokratie.at

Verengtes Meinungsspektrum

In Medien und Politik häufen sich neutralitäts-kritische und NATO-freundliche Stimmen. Auch im öffentlich-rechtlichen ORF, der auch in der außenpolitischen Berichterstattung auf Objektivität Bedacht nehmen müsste. Der folgende Beschwerdebrief eines bekannten Ex-ORF-Journalisten an den zuständigen Chefredakteur steht stellvertretend für wachsende Kritik auch an mangelnder Ausgewogenheit jüngster Ö1-Mittagsjournale.

Klaus Ther *

Ö1-Mittagsjournale der letzten Tage ** haben bei mir Fragen ausgelöst, sie hatten starke Schlagseiten, die an der Objektivität, der unsere Anstalt verbunden sein müsste, zumindest zweifeln lassen.

Beispiel: Das Interview mit Franz-Stefan Gady, ein – salopp gesagt – „NATO Freak“, der kann endlos lang zu Wort kommen, hatte Prämissen, die nie hinterfragt werden. Das westliche Bündnis sichere Frieden und Stabilität in der EU, die lange Vorgeschichte des Ukraine-Konflikt bleibt unreflektiert und wird nicht angesprochen.
Es wird ständig suggeriert: Alles begann mit der Aggression Russlands. Die daraus abgeleitete Militarisierung der Gesellschaft wird als alleinige Sicherheitsgarantie für unsere Zukunft gesehen. Kein Hinterfragen dieses Mainstream- Klischees.

Am Tag darauf dann im MiJ: Christoph Chorherr, Helmut Brandstätter und ein ÖVP-Mann zum Thema, alle vertreten Ansichten, die das Ende der bisherigen Neutralität Österreichs latent implizieren. Keine Gegenstimme, kein Audiatur et altera pars. Das ist ärgerlich! Das Mittagsjournal als subkutan bellizistischer Transmissionsriemen. Könnte man zugespitzt behaupten?!

Eine solche Verengung des Meinungsspektums ist das wirklich wünschenswert!? Nur weil Leute aus 3 Parteien zu Wort kommen.

Würde mich interessieren, wie Sie das sehen? Unsere Anstalt hat m. E. besseres verdient. So werden wir uns nur Ärger derer zuziehen, die den öffentlich rechtlichen Auftrag einschränken wollen.

* Dr. Klaus Ther, langjähriger ORF-Redakteur, nun freier Journalist.

** Bezugnahme auf die Ö1-Mittagsjournale vom 24. und 25.2.2025

EU ohne Lösungskompetenz?

Schuldzuweisungen statt Lösungsansätzen dominieren Medienberichte und EU-Politik rund um den Ukrainekrieg.

Wolfgang Koppler *

Interessant, wie sich die EU und mit ihr die Medien angesichts der sich nun ankündigenden Wende der US-Politik und einer sich auch in der Ukraine abzeichnenden Kriegsmüdigkeit winden. Hieß es bis jetzt, Abwehrkampf um beinahe jeden Preis und Verhandlungen seien unmoralisch, tauchen da und dort Berichte über die Folgen des Kriegs, ungeheure Zerstörungen und die Sinnhaftigkeit von Verhandlungen auf.

Anderseits wird die fehlende Einbindung der Ukraine in die Verhandlungen beklagt und wieder einmal der ukrainische Journalist und Hardliner Denis Trubetskoy interviewt, der den Krieg fortführen möchte und sich wünscht, dass die EU auch noch die USA als Rüstungslieferant und Finanzier ersetzen möge. Was angesichts der militärischen und finanziellen Kapazitäten Europa eher unrealistisch ist, wie Experten zugestehen.

Noch bevor die Verhandlungen überhaupt richtig begonnen haben, werden sie desavouiert. Wie wäre es, wenn sich die Europäer mit eigenen Lösungsvorschlägen einbringen würden ?

Aber es gibt ja immer noch die Hoffnung auf Aufrüstung und eine EU-Armee. Warum nicht gleich auf Kriegswirtschaft umstellen ?

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist. Er lebt in Wien.

War da was ?

Der Mainstream der Berichterstattung über den Ukrainekrieg war und ist vielfach geprägt von Kriegsrhetorik. Nun aber taucht in Medien und Politik zunehmend der Begriff Frieden auf, verbunden mit der Hoffnung auf baldige Waffenstillstandsgespräche.

Wolfgang Koppler *

Angesicht der Turbulenzen um die Regierungsbildung in Österreich und der nahezu allgemeinen Erleichterung, dass es doch nicht zum risikoreichen und die allgemeine Spaltung verschärfenden Experiment einer Kickl-Regierung kommt, ging in Politik und Medien etwas sehr Wichtiges unter: Offenbar unmittelbar bevorstehende Verhandlungen zum Ukrainekrieg.

Fast hatte man den Eindruck, dass sei den Medien ganz recht. Ersparte man sich doch die Peinlichkeit, bei vielen eine 180-Gradwendung in der diesbezüglichen Berichterstattung allzu offen zur Schau stellen zu müssen. Dass man zu diesem Thema am Rande in der ZiB2 des ORF eine eher selten ins Bild kommende Kommentatorin interviewte, war vielleicht nur Zufall.

Hab‘ ich richtig gehört, Putin ist zu Verhandlungen bereit ? Und man fasst ins Auge, auf eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine gegen entsprechende europäische Sicherheitsgarantien zu verzichten ? Oder hatte ich da eine Halluzination ? Wurde nicht genau über diese Themen zu Beginn des Krieges verhandelt und scheiterte das Ganze nicht ?

Eigentlich gar nicht so schwer zu überprüfen. Die Rache der Journalisten an den Politikern ist bekanntlich das Archiv. Die Rache der Leser an den Journalisten ist ihr Gedächtnis.
Und vielleicht darf man das Wort Frieden wieder benützen – ohne es mit desavouierenden Zusätzen zu versehen.

Nichts für ungut. Aber wenigstens ein Blick in die eigenen Artikel der letzten Jahre könnte so manchem Medienprofi nicht schaden.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Journalist in Wien

Zuversicht für die Zukunft?

„Haben Sie noch Zuversicht für die Zukunft?“ lautete kürzlich in der Zukunftsbeilage der Tageszeitung STANDARD eine der Fragen an die Transformationsforscherin Maja Göpel.*

Ilse Kleinschuster **

Maja Göpel antwortet auf die Frage nach der Zukunft mit einem Zitat von Hanna Arendt: „Das Gute hat nie komplett gewonnen – aber das Böse auch nicht. Das sollten wir uns immer wieder in Erinnerung rufen. Während es in der Natur echte Kipppunkte gibt, von denen es kein kurzfristiges Zurück mehr gibt, gilt das für gesellschaftliche Entwicklungen nicht. Der soziale Wandel ist viel schneller möglich – und damit bleibt die Zukunft immer offen für Veränderung“.

Hat es Kipppunkte im öffentlichen Diskurs immer schon gegeben und kann (soll) ich zuversichtlich bleiben, dass sich auch diese – meiner Meinung nach für kommende Generationen nichts Gutes versprechende – „Zeitenwende“ durch eine starke, öffentliche Debatte sich noch zum Guten wenden lässt?!?
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Aktuell wird ja die politische Debatte primär in den USA von Menschen beherrscht, die aufgrund ihres Reichtums die Medien beherrschen. Es sind Menschen, die daran interessiert sind, dass Fake News, alternative Fakten und dreiste Lügen salonfähig werden und so zu Kipppunkten im öffentlichen Diskurs führen. In einer „Nachrichtenwüste“ wie den US-amerikanischen Staaten entwickeln sie sich schnell zu destruktiven Influencern in der Politik (z.B. Jeff Bezos, der vor vier Jahren Amazon gekauft hat, sich zunächst aus dem Redaktionellen herausgehalten hat, aber im Vorjahr dem Blatt eine Wahlempfehlung verboten hat). Diese Kipppunkte sind in den USA wohl annähernd erreicht. Europa sollte jetzt alles daransetzen, sich noch rechtzeitig dieser Gefährdung zu entziehen.

Es ist für viele Menschen schwer zu verstehen warum der Staat zum Feindbild der Populisten geworden ist. War es die zu starke Bevormundung „von oben“, vonseiten eines Beamtenapparats mit rechtsstaatlich organisierter Infrastruktur, die von der „ach so aufgeklärten Bürgerschaft“ als restriktiv empfunden worden ist? Da frage ich mich aber schon, beginnt Freiheit nicht mit der Anerkennung von Sein und Sollen? Fehlt es da nicht oft an Perspektivenwechsel, um einen Standpunkt zu finden, von dem aus wir die Erfüllung von zwei oder mehreren Werten erkennen können? Freiheit kann doch nicht nur bedeuten, dass die Regierung uns in Ruhe lässt, aber auch nicht, dass wir die Regierung einfach in Ruhe lassen. Tja, denn zumindest zu meiner Vorstellung von Freiheit gehört auch, für möglichst viele Menschen die Voraussetzung für Glück (wellbeing) zu schaffen.

Nun, der sogenannte Libertäre propagiert Rationalität. Wenn nun Libertäre und ihre Vasallen die wissenschaftliche Propaganda der Fossil-Oligarchen verbreiten, stellen sie sich damit nicht gegen jene Faktizität, wie sie bereits weltweit durch die durch den Klimawandel ausgelöste Katastrophen dokumentiert wird. Wenn nun Fakten (Tatsachen) nicht zählen, dann siegen „aufwieglerische Verbände“, was bedeutet, dass Tyrannen und Oligarchen immer gewinnen. Timothy Snyder sagt: „Um den wenigen Lügen etwas entgegenzusetzen, müssen wir letztlich Millionen kleiner Wahrheiten produzieren.“ (In: „Über Freiheit“, C.H.Beck)

Nun, ist es aber nicht so, dass Fakten sich von selbst dokumentieren, sondern dass Fakten uns brauchen, um von ihnen zu berichten. Mit uns meine ich Menschen, die genau wissen was Fakten bedeuten, nämlich dass diese Bedingungen für Freiheit sind. Wird mit dem Wort Faktizität (Wahrheitsfindung!) nicht ausgedrückt, dass es Arbeit gibt, die sozial sein muss, und zwar in dem Sinn, dass Gemeinschaften die Tatsachenermittlung für Einzelne möglich und attraktiv machen? Faktizität erfordert demnach Institutionen, allen voran für investigative Berichterstattung, konstruktiven Journalismus, kurz: Qualitätsmedien. Ich glaube, um den derzeitigen Veränderungsprozess infrage zu stellen und um der Krisensituation noch rechtzeitig Herr zu werden, braucht es vieler solcher Gemeinschaften.

Wir brauchen daher mehr unabhängige Gemeinschaften wie z.B. den Presseclub Concordia in Wien www.concordia.at, aber natürlich auch die Vereinigung für Medienkultur www.medienkultur.at.

Der Link zum Interview mit Maja Göpel :

https://www.derstandard.at/story/3000000255085/transformationsforscherin-goepel-populisten-haben-die-zukunft-fuer-sich-besetzt

** Gastautorin Ilse Kleinschuster ist Journalistin und engagiertes Mitglied der österreichischen Zivilgesellschaft

Nachrichten besser verstehen

 
Hans Högl:Hinweis auf Text im Blog „Perspective Daily“ 2. Februar 2025 

So werden politische Nachrichten besser verstanden: Ein einfacher Satzbau und weniger komplizierte Wörter helfen bereits. Immer mehr Medien und Politiker:innen erkennen die Vorteile. 

„Welches der beiden folgenden Beispiele findest du auf Anhieb leichter zu verstehen?
»Aktuell sind in der Landesverwaltung rund 6 Prozent Arbeitnehmerinnern und Arbeitnehmer mit Behinderungen beschäftigt. Im Zukunftsvertrag haben sich CDU und GRÜNE darauf verständigt, sicherzustellen, dass mindestens fünf Prozent der Neueinstellungen in der Landesverwaltung Menschen mit Behinderungen sind.«
Oder:
»In NRW arbeiten aktuell etwa 6 Prozent Menschen mit Behinderungen in der Landes-Verwaltung.
Die CDU und die Grüne haben einen Zukunfts-Vertrag.
Hier steht:
Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Landes-Verwaltung müssen mindestens 5 Prozent Menschen mit Behinderungen sein.«

Ö1-Im Gespräch als Lichtblick

Selten, aber doch gibt es sie noch jenseits des medialen Mainstreams: Differenzierende Berichte und Analysen zu komplexen Themen wie zur dramatischen Lage in Gaza und dem Westjordanland. Beispiel dafür die journalistische Auswertung eines bemerkenswerten Referats der Nahostexpertin Francesca Albanese, die an der Universität Wien ein Referat gehalten hat sowie kürzlich in der Ö1-Reihe Im Gespräch interviewt worden ist.

Peter Öfferlbauer *

Die UN-Berichterstatterin für die besetzten Gebiete Westbank und Gaza Francesca Albanese sprach an der Uni Wien am 6.12., worüber u.a. DER STANDARD am 7.12. umfangreich berichtete und feststellte: So scharfe Kritik an der israelischen Kriegsführung in Gaza bekommt man in Wien selten öffentlich zu hören.

Die ORF stories berichten bereits 37 Minuten nach Beginn der in zwei weitere volle Hörsäle übertragenen Veranstaltung nur kurz und knapp und titeln: Kritik am Auftritt der UNO-Berichterstatterin... In früheren Zeiten hätte man wahrscheinlich auf Ö1 dazu ein Journalpanorama hören können, das ist mit dem heutigen, ziemlich undifferenzierten Mitstricken an der westlichen Konsensfabrik kaum zu erwarten.

Umso erfreulicher (auch für das für den ORF immer noch gültige Objektivitätsgebot), dass die Reihe Im Gespräch doch immer wieder Gäste mit erhellenden, weiteren Aspekten und Informationen bringt, wie man sie aus Wien eher selten öffentlich zu hören bekommt, so am 24. und 30.1. eben Francesca Albanese. Das ist in dieser von Peter Huemer begonnenen Sendereihe gute Tradition. Ich erinnere mich, dass damals zum Jugoslawienkrieg erstaunlich anderes zu hören war als aus den täglichen Sendungen. Hoffentlich gibt es noch viele solcher Lichtblicke!

• Gastautor Dr.Peter Öfferlbauer, ehemaliger AHS-Lehrer, ist Politik- und Medienanalyst und lebt in Wels