Archiv der Kategorie: Gastbeiträge

Mythos des Internet

Yuval Noah Harari – Texte aus seinem Buch „Homo Deus“

…..Und erlauben Sie Google und Facebook, all ihre E-Mails zu lesen, all ihre Chats und Nachrichten zu überwachen und all ihre Likes und Klicks zu speichern. Wenn Sie all das tun, dann werden Ihnen die Algorithmen sagen, wen Sie heiraten, welche berufliche Laufbahn Sie einschlagen und ob Sie einen Krieg anzetteln sollen (p. 531). 

Und Harari zeigt auf, dass uns Google und Facebook besser kennen als wir uns selbst. Und in diesem Fall – was politische Meinungen betrifft, so könnten somit Wahlen überflüssig werden und auch die Parlamente und die Demokratie; denn die Menschen würden erkennen, dass irgendwelche Kräfte die Welt bestimmen und nicht sie selbst.

Die „Neutralisierung“ des ORF

„Worte, die den Boden für Taten bereiten“

Udo Bachmair

In den Reaktionen auf meine Karlsplatz-Rede mit dem Plädoyer für einen unabhängigen ORF ist immer wieder die Rede davon, dass es ja auch schon bisher parteipolitischen Einfluss auf den ORF gegeben habe.  Ja, aber..

Es ist freilich nicht zu leugnen, dass auch schon bisher Parteizentralen vor allem bei ORF-Postenbesetzungen mitzureden versucht haben. Dieses Mal jedoch ist der Druck auf den ORF, besonders auf dessen JournalistInnen im Informationsbereich, von neuer Qualität.

Der Druck wird verstärkt durch unsägliche Äußerungen aus der Regierungspartei FPÖ. Sie reichen von generellen Lügenvorwürfen, Geißelung „unbotmäßiger“ Interviews bis hin zu Kündigungsdrohungen gegenüber ORF-Auslands-Korrespondenten. Die größere Regierungspartei ÖVP schweigt und lässt gewähren..

Vor diesem Hintergrund ist es salonfähig geworden, jedenfalls demokratiepolitisch in höchstem Maß bedenklich, dass ein FPÖ-Landesrat unter dem Jubel seiner rechten deutschen AfD-Kameraden allen Ernstes die „Neutralisierung“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks fordert.

Dazu ein in den Oberösterreichischen Nachrichten veröffentlichter Kommentar des Autors Ludwig Laher :

Von der Neutralisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Als Elmar Podgorschek und ich vor gut 60 Jahren auf die Welt kamen, hatte sich der Begriff „Neutralisieren“ im politisch-kriegerischen Diskurs längst dahingehend gewandelt, dass er vornehmlich, wie der Duden schreibt, das Ausschalten, das Unschädlichmachen, das Beseitigen, das An-einer-weiteren-Einflussnahme-Hindern ausdrückt.

Etwas später sinnierte man bereits intensiv über Formen begrenzter Kriegsführung, etwa die Neutralisierung feindlicher Städte mittels Neutronenbombe. Wenn also Landesrat Podgorschek vor AfD-Publikum die Neutralisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einfordert, der in Österreich schlimmer sei als seinerzeit in der DDR, weiß er genau, welche Diktion er im Mund führt. Dummstellen gehört zum Repertoire gewiefter Burschenschafter, der Mann wird beteuern, damit nur objektive Berichterstattung statt Demontieren verlangt zu haben, „auch auf die Gefahr hin, dass uns eine sogenannte Orbanisierung vorgeworfen wird.“

Podgorschek denkt offenbar permanent in Kategorien der Vernichtung und Zerstörung. Dem politischen Mitbewerber gehe es um Vernichtung, schärft er in der erwähnten Rede den konzentriert lauschenden AfDlern ein, die Grünen etwa, als würdige Nachfolger der Jakobiner, „würden, wenn sie könnten, uns alle an die Guillotine schicken.“ Kein Wunder, dass da die Freiheitlichen selbst nicht zimperlich sein dürfen, alles nur Notwehr. Für den Schriftsteller steht außer Frage, dass bewusst gesetzte Worte den Boden bereiten für Taten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Österreicher wirklich wieder, wie vor dem Krieg, bürgerkriegsähnliche Szenarien statt respektvoller politischer Auseinandersetzung haben wollen, die ja durchaus hart sein kann, wenn gute Argumente geliefert werden. Vernichtungsphantasien und angedrohte präventive Erstschläge aus dem Mund eines Milizoffiziers sind ein Alarmzeichen. Wer gebietet solchen politischen Verantwortungsträgern Einhalt, wer gebietet ihnen den sofortigen Rücktritt?

Private Medien und ORF. Publikums-Beurteilung

An Mitglieder und Interessierte der Vereinigung für Medienkultur !

Von Hans Högl

Wir leiten Ihre, Deine Wünsche, Beschwerden an private Medien und den ORF weiter.  Senden Sie/sende Du mir Ihre/Deine  Antworten – eingefügt an die Fragen.  Dazu schrieb eine Interessentin der Medienkultur.

  1. Was gefällt Dir am ORF besonders ? Was siehst Du, hörst Du besonders gern? : ZIB, ZIB 2, Weltjournal, Weltjournal+, konkret, Universum, Universum History, kreuz & quer, 2.
  2. Was gefällt Dir an privaten TV-Sendern und Zeitungen besonders? Was siehts Du und liest Du besonders gern? Politiksendungen, amerikanische Krimiserien, Falter, Der Standard
  3. Was wünschst Du besonders vom ORF und was missfällt Dir am ORF besonders? Welche Sendungen? Positive Anregungen? Wissenschafts- und Informationssendungen, für Kinder so etwas wie „Die Sendung mit der Maus“, KEINE Werbung während eines Films oder einer Sitcom. Negativ:  Volksmusik-Shows, einfallslose Familienshows am Samstag Abend
  4. Was wünscht Du Dir besonders von privaten Sendern und Zeitungen? Was missfällt Dir besonders an ihnen? : Weniger Werbung mitten in den Sendungen! Objektiven und unabhängigen Journalismus, weniger Hetze, mehr Tatsachenberichte, mehr Expertenmeinungen, weniger politische Anbiederei.
  5. Bist Du für die Abschaffung der GIS (ORF-Gebühren) und dass der  ORF jedes 2. Jahr sein Budget direkt von der Regierung erbittet?  Nein:  Begründung. Bitte nicht das ORF Budget in die Hände der jeweiligen Regierung legen! Auf keinen Fall! Die relative Unabhängigkeit der ORF-Berichterstattung ist dadurch stark gefährdet. „Wird nicht positiv über unsere Arbeit berichtet, dann gibt’s weniger Geld“. Der ORF verkommt zum Regierungsfernsehen. Nur erwünschte Meldungen werden gesendet, kritische Fragestellungen ist dann nicht mehr möglich. Unerschrockene Redakteure wie Armin Wolf sind dann nicht mehr beim ORF tätig.
  6. Sonstige Detail-Wünsche und Kritiken versus ORF und privaten Medien:  Bitte das Funkhaus behalten, das Radiostudio nicht auf den Küniglberg übersiedeln. Direkte Berichterstattung aus der Stadt wird dann schwierig. Gäste kommen nicht mehr so gerne und häufig in die Studios. Ein Radio sollte mitten unten den Menschen sein und nicht abgehoben am Berg.

 

Mensch – Grenzgänger

                                        Anna Krapfenbauer

Gesucht neue Haltung zur Welt

Nicht nur tun was gerade gefällt.

Offen sein für das Unsichtbare

Für Schönes und das Wunderbare.

Innenräume zum Ich

Nicht jeder nur für sich.

Vgl. Helga Helnwein (Hg.):  130 Jahre Verein der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen. Anthologie, Wien 2015, hier S. 126.

 

 

Magisches Afrika: Geister, Hexen und Opferkult

Medientipp (Hans Högl)
Ein NZZ Format über das magische, heidnische und unbegreifliche Afrika. Heute Gründonnerstag,  29. März um 23 Uhr auf SRF1 (1. Schweizer Fernsehen) .
In Afrika gehört der Glaube an Übersinnliches zum Alltag. Vom Westen belächelt, trotzt diese Sicht auf die Welt seit Jahrhunderten der Modernisierung und der Aufklärung, und ist tief in der Gesellschaft verankert.

Hexerei gehört zum Alltag

In Senegal, dem Land an der westafrikanischen Küste, sind die meisten Menschen überzeugt, dass Geister oder Verhexungen im Spiel sind, wenn ein Mensch an einer unbegreiflichen Krankheit leidet, eine berufliche Pechsträhne hat oder kein Glück in der Liebe. Die Lösung suchen sie nicht bei Psychiatern und Ärzten, sondern bei Geistheilern und Wahrsagern. Der Glaube an die Hexerei prägt das soziale Miteinander. Wer Misserfolge verzeichnet, wird die Schuld nicht sich selbst zuweisen, sondern macht gerne böse Magie dafür verantwortlich. Findet jemand keine Arbeit, ist er nach afrikanischem Glauben von einem Geist besessen, oder der böse Fluch einer Hexe lastet auf ihm. Hat jemand wiederum Erfolg, wird auch das nicht als Folge klugen oder engagierten Handelns interpretiert, sondern vielmehr als Zeichen für magische Kräfte.

Opferrituale: Eier, Rinder, Menschen

Das Opferritual spielt in Afrika eine zentrale Rolle und dieses kann im Extremfall mörderische Ausmasse annehmen. Zwar werden in den meisten Ritualen Tiere oder Tierprodukte geopfert – vom Ei über die Ziege bis zum Rind. Doch mitunter müssen im Werben um die Gunst der Geister oder im Kampf gegen schlechte Magie schwerere Geschütze aufgefahren werden. Und als wertvollstes Opfer gelten Menschen.

Warnung vor Übertreibung bei Globalisierung

Kevin O`Rourke,  Prof. Univ.Oxford

Hier fasse ich zentrale die Passagen eines  außergewöhnlichen Interviews  dieses  irischen Prof. für Wirtschaftsgeschichte zusammen (Hans Högl).

Frage: Wie erklären Sie den Unmut der Wähler für die globale wirtschaftliche Integration? Beispiele sind der Brexit-Entscheid  und die Wahl von Trump: „Es wäre sonderbar, wenn wir den Unmut nicht hätten.So stagnieren in den USA die Löhne der Mittelklasse seit bald vier Jahrzehnten, während die wirtschaftliche Ungleichheit wächst.“ Diese Entwicklung  kann durch die Öffnung der Schwellenländer (wie China) erklärt werden  und durch die Bevorzugung der Banken (Bankenkrise).

Warum manifestiert sich die Unzufriedenheit besonders in den USA und Großbritannien? Anwort: In diesen Ländern hat sich das Pendel am stärksten zum Markt und weg vom Staat bewegt. Die sozialen Netze wurden immer löchriger…Es wäre wichtig, das zu sichern, was wir haben. Nicht noch mehr Privatisierung nicht noch weniger Steuern der globalen Konzerne.

„Wenn man fordert, es brauche eine Politik völlig offener Grenzen in Europa, birgt dies die Gefahr, bei faschistischen Regierungen zu enden. ..Wer die Verpflichtungen gegenüber Flüchtlingen und  Asylbewerbern erfüllen will, darf bei der Migrationspolitik nicht utopisch werden. Es gilt politische Sensibilität zu zeigen. Das können aber Ökonomen aber oft nicht besonders gut.“

Ferner kritisiert der Autor folgende  Auffassung: Höhere Gewinne  durch die Globalisierung seien am Schluss für alle besser. Das ist der Irrtum des sogenannten  Kaldor Hicks Kriterium. „Jeder Ökonomiestudent sollte verpflichtet sein, zehn mal vor dem Zubettgehen zu sagen: Kaldor Hicks is not a fix“. Dieses Kriterium trifft am ehesten in skandinavischen Ländern mit hohen progressiven Steuern zu,  wo auch soziale Absicherung gegeben ist (NZZ, 2017-11-22).

 

 

 

 

 

Digitaler Drohbrief in Neunkirchen

15.03.2018, 17:55 Uhr. Bezirksblätter Neunkirchen
Udo Bachmair, Franz Schlacher, Johann Pfenninger, Benedikt Al-Shami, Susanne Casanova-Mürkl, Alexander Dvorak, Hans Högl, Hannes Giefing (v.l.).

 

BEZIRK NEUNKIRCHEN. Das Internet und der Zugang dazu mit Smartphones ist allgegenwärtig – auch in der Schule. Gerade hier ist der Bereich Social Media und Verbreitung von „Fake-News“ – Trump lässt grüßen – ein echtes Problem. So tauchten manipulierte Nacktfotos von Lehrern auf.
Besonders bedenklich: Auch Kettenbriefe, worin gedroht wurde, Schüler mit blutigen Händen um Mitternacht heimzusuchen, kursierten vor zwei Wochen an der Schule, wie nun bekannt wurde. Davon berichtete Franz Schlacher, Lehrer am Neunkirchner Gymnasium.

Im Falle des blutigen Kettenbriefes erklärte Schlacher im Bezirksblätter-Gespräch, die betroffene Schülerin habe sich an deren Eltern gewandt. Von einer Anzeige bei der Polizei habe man seines Wissens nach abgesehen. Vorerst.

Aufklärung und intensivere Medienerziehung

Grund genug für die Schulleitung Susanne Casanova-Mürkl hier einzugreifen. Sie lud mit der Vereinigung für Medienkultur und Saferinternet den Internet-Experten Hannes Giefing, Elternvereinsobmann Johann Pfenninger, Udo Bachmair – (Präs. Vereinigung für Medienkultur) bekannt von Ö1 und ORF – als Moderator sowie den Bildungssoziologen und Vizepräs. der Vereinigung für Medienkultur Prof. Dr. Hans Högl am 15. März zum Dialog.
Mit Alexander Dvorak und Benedikt Al-Shami waren auch zwei Oberstufenschüler in die Podiumsdiskussion eingebunden. Tenor: die Digitalisierung ist nicht aufzuhalten und in Summe überwiegt der Nutzen. „Das Ziel muss sein, die Vorteile rauszufiltern und die Nachteile hintan zu halten“, so Johann Pfenninger, der sich auch sicher ist: „Dass ein Handy nicht die verbale Kommunikation ersetzen kann.“

Handy-Spiel statt Kommunikation

In der AHS ging man dazu über, dass – zumindest in den Unterstufenklassen – die Handys im Spind zu verbleiben haben. Eine Regel, die Teil der Hausordnung wurde. Gym-Direktorin Casanova-Mürkl: „Anlass war, dass Schüler nach einem Monat noch nicht wussten, wie ihre Sitznachbaren heißen, weil sie in Pause nur ihre Handys rausgeholt und sich damit beschäftigt haben.“
In den Oberstufenklassen würden die Schüler zum Smartphone einen anderen, besseren, Zugang haben. Vor Falschinformationen aus dem Netz sind aber auch die Oberstufenschüler nicht gefeit. Benedikt Al-Shami: „Es werden teilweise sehr unseriöse Nachrichten verbreitet. Das Problem ist, man erkennt das nicht gleich. Wer das nicht hinterfragt, fällt oft auf solche Falschmeldungen herein.“ Eine Gefahr bergen da vor allem die sozialen Netzwerke im web, die – wie Alexander Dvorak einräumte – durchaus ein gewisses Suchtpotential besitzen.

Apps für den Unterricht. In naher Zukunft kommt man selbst im Unterricht nicht an Apps vorbei. So stehen laut Schlacher bereits in Englisch-Unterrichtsbüchern für die Unterstufenschüler Apps für den Download bereit.

Analoger Unterrichtsgenuss

Trotz aller Digitalisierung halten Schüler nicht hinter dem Berg, dass sie den „analogen Unterricht“ genießen. Ein digitales Aufrüsten für die AHS Neunkirchen kommt bei 30.000 Euro Jahresbudget  ohnehin nicht in Frage. Wie Casanova-Mürkl einräumte, sind damit keine Laptops für 730 Schüler finanzierbar. Noch nicht einmal alle Lehrer haben (Schul-)Laptops. So stehen den 70 Pädagogen der AHS Neunkirchen nur 15 Geräte zur Verfügung.

Aufruf: Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks  

Alexander Filipovic. Prof. (Hochschule f. Philosophie München)

120 Medienethikerinnen und Medienethiker (u.a. Hans Högl von der „Medienkultur“) erinnern an die demokratische Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Bei der Tagung des Netzwerks Medienethik 2018 (22./23. Februar 2018) haben sich die über 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer über die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verständigt. Sie publizieren folgenden Aufruf:

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk als Konzept eines Rundfunks, der allen Bürgerinnen und Bürgern gehört und von der Vielzahl der gesellschaftlich-relevanten Gruppen kontrolliert wird, ist seit beinahe siebzig Jahren Garant einer qualitativ hochinformierten Gesellschaft und Faktor eines vielstimmigen demokratischen Diskurses in Deutschland. Dass Deutschland bis heute eine stabile Demokratie geblieben ist, verdankt es auch diesem starken Rundfunksystem.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist seit vielen Jahren Gegenstand einer kritischen Debatte über die Zukunft der Mediengesellschaft und reagiert auf diese Kritik in vielfältiger Weise. Neuerdings aber stellen politische Kräfte, die einen autoritären Staat fordern und die Integration der diversen gesellschaftlichen Gruppen für nachrangig erklären, die Legitimität dieses Rundfunksystems grundsätzlich in Frage.

Deutlich wird das in diesen Tagen in einer Reihe von europäischen Ländern, in denen der Rundfunk parteipolitisch vereinnahmt wird oder unter massiven politische Beschuss gerät, wie beispielsweise in der Schweiz, die in den kommenden Tagen über die Existenz des öffentlich-rechtlichen Systems abstimmen wird.

Wir, das Netzwerk Medienethik rufen die Politik und die gesellschaftlich relevanten Gruppen auf, das deutsche duale Rundfunksystem mit dem verfassungsrechtlich tief in der Gesellschaft verankerten öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu verteidigen und zu schützen und damit einen der wichtigsten Faktoren für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.

Alles nur „Einzelfälle“

Udo Bachmair

Wahltag in Niederösterreich. In diesem Land ist es also möglich, dass tatsächlich ein FPÖ-Politiker als Spitzenkandidat antritt und nicht zurücktritt, der bis vor kurzem noch Vizeobmann einer Burschenschaft war, deren Liedtexte Holocaust-Opfer verhöhnen und den Nationalsozialismus verherrlichen.

Eine Rücktrittskultur hat hierzulande keine Tradition. Offenbar jetzt erst recht nicht, zumal rechtsextremistische Töne für viele bereits salonfähig geworden zu sein scheinen. Ein Aufschrei in den Medien ist kaum vernehmbar. Noch vor 20 Jahren undenkbar.

Mangel an Medienkultur , mitverursacht durch einflussreiche Boulevardzeitungen, dürfte diese Entwicklung begünstigt haben. So lässt auch eine ernsthafte Auseinandersetzung mit zahlreichen „Einzelfällen“ im Dunstkreis der Freiheitlichen zu wünschen übrig .

Zur Reduktion dieses Defizits im Bewusstsein der Öffentlichkeit im Folgenden Informationen, die uns Karl Heinz Wingelmaier, Vorstandsmitglied der Vereinigung für Medienkultur, übermittelt hat:

Das Mauthausen Komitee Österreich (MKÖ) hat im letzten Herbst eine Broschüre über rechtsextreme Aktivitäten von FPÖ-Politikern veröffentlicht. Diese Broschüre stellt rund 60 „Einzelfälle“ aus der jüngeren Vergangenheit dar. Ein enormes Medienecho und eine breite Debatte waren die Folge. Nun muss das Mauthausen Komitee diese Broschüre bereits ergänzen: In den letzten Wochen sind wieder sind Rassismus, Antisemitismus und NS-Wiederbetätigung Teil der „Einzelfälle“: Nazi-Lieder werden von Burschenschaftern gesungen, es wird die Wiedereröffnung des Konzentrationslagers Mauthausen gefordert, Nazi-Diktion wie „Saujuden“, wird verwendet und es wird gegen Kinder mit „falscher“ Herkunft gehetzt.

Hier die Broschüre vom letzten Herbst:
http://www.rechtsextrem.at/sites/default/files/files/MKOE-A5-Broschuere-Die-FPOE-und-der-Rechtsextremismus.pdf

Die Abteilung Verfassungsschutz im Innenministerium hat laut einer Meldung gestern in den ORF-Nachrichten im Jahr 2017 über 200 Fälle von Rechtextremismus dokumentiert die einen FPÖ – Hintergrund haben.

Der Verein „Mauthausen-Komitee“ und das „Dokumentationsarchiv für den österreichischen Widerstand“ sind (laut einem Zitat im Profil) vom jetzigen Innenminister Kickl als „…der unnötigste Verein den es gibt…„ bezeichnet worden.

Zum Abteilungsleiter Verfassungsschutz wurde nun ein Kickl-Vertrauter eingesetzt der dieser Abteilung mehrmals im Zusammenhang mit Rechtsextremismus aufgefallen war…

 

 

Medien mit „Tunnelperspektive“ ?

Udo Bachmair

Die jüngste Podiumsdiskussion im Presseclub Concordia, veranstaltet von der Vereinigung für Medienkultur, war wieder von großem Publikumsinteresse begleitet. Kein Wunder, gab es zum gestellten Thema „Tendenzen außenpolitischer Berichterstattung“ gleich mehrere spannende Wortmeldungen. Etwa zur Frage, warum denn Kriterien der Ausgewogenheit für Auslandsressorts unserer Medien nicht oder nur eingeschränkt gelten sollten.

Auch in einem öffentlich-rechtlichen Medium wie dem ORF fällt bei noch so komplexen Themenbereichen, wie dem Syrienkonflikt usw. immer wieder unverhohlene Parteinahme für eine Seite der Konfliktparteien auf. Ganz zu schweigen von Informationen über antikapitalistisch geführte Staaten wie Kuba oder Venezuela. Das überrascht nicht. Denn Grundlage für die meisten Auslandsberichte in unseren Mainstream-Medien sind nur wenige große Nachrichtenagenturen, die trotz beteuerten Objektivitätsanspruchs eine bestimmte (USA- und NATO-orientierte) weltpolitische Sicht vermitteln. Beispiele: Assad böse, Opposition gut. Oder: Putin böse, EU und Ukraine gut. Differenzierung bleibt da oft weitgehend auf der Strecke..

Die renommierte Forschungsgruppe Swiss Propaganda Research hat zum Thema kürzlich den Bericht eines Schweizer Journalisten veröffentlicht, der sich gegen von ihm erwarteten Mainstream zugunsten einer Seite des Meinungsspektrums nicht unterwerfen will. Um seine künftige berufliche Existenz nicht zu gefährden, ist der Name des Autors nicht veröffentlicht worden. Unter anderem schreibt er unter dem Titel

Die Tunnelperspektive der Mainstream-Medien

Meine Strategie war immer, drinnen die subtile Gegenstimme zu sein, immer so weit zu gehen wie möglich. Als Redaktionsmitglied und Ressortleiter habe ich über Jahre versucht zu verstehen, wie Entscheide, in diese oder jene Richtung zu publizieren, zu Stande kamen – und wie ich sie beeinflussen konnte, ohne als zu konträr oder destruktiv zu gelten.

Natürlich habe ich riskiert, die rote Linie zu überschreiten und habe sie auch überschritten und dafür gebüßt. Ich habe den Chefredaktoren und anderen Ressortleitern gesagt, wenn ich ihre Thesen falsch fand, ich habe argumentiert, gestritten, resigniert. Für die einen galt ich als Gewissen der Redaktion, an anderen perlte alles ab und weitere versuchten mich zu untergraben. Wenn der Alltag unerträglich wurde, half meistens ein Redaktionswechsel. So arbeitete ich bereits für diverse Schweizer Tages- und Wochenzeitungen, das Fernsehen, Agenturen und weitere Medienformate.

Die Entscheidungsprozesse, die zum jeweiligen Fokus und zur Gewichtung von Berichten führen, erscheinen für einzelne Journalisten vielfach beliebig und oft ist unklar, wie sie zustande kamen. Doch die Entscheide basieren auf einer klaren Wertehaltung, die viele Perspektiven ausblendet, sowie einer Quellenlage, die sehr selektiv ist.

Dieses Fahrlässige, dieses Diffuse und Beliebige habe ich immer als Wursterei empfunden. Doch die Würste, die herauskamen, waren immer sehr normiert – konform mit einer Weltanschauung, wo schon immer klar ist, wer der Gute und wer der Böse ist. Schließlich stammen die Quellen, wenn man sich das genau überlegt, vor allem von der „guten“ Seite.

Das Grundproblem des Mainstream-Journalismus ist nicht, dass er bewusst einer Ideologie folgt oder bewusst eine Weltanschauung vertritt, sondern vielmehr seine Beliebigkeit, sein vorauseilender Gehorsam und die Selbstzensur, der wichtige Fragen und Quellen entgehen. Die Tunnel-Perspektive ist selbstauferlegt.

Man kann der breiten Palette der Journalisten und Journalistinnen vieles vorwerfen. Aber, wenn sie merken würden, dass sie offensichtlich gesteuert würden oder einem vorgegebenen Narrativ folgen müssten, dann hätten wohl viele genügend Rückgrat und Know-how, um sich zu widersetzen.

Dass sie bereits Teil eines bestimmten Narrativs sind und gewisse Denkmuster verinnerlicht haben, dieses Bewusstsein fehlt jedoch weitgehend.

Das ist besonders auffällig in der Auslandberichterstattung. Dort herrscht die US-EU dominierte Sicht- und Erklärweise der Weltereignisse vor. Ich fragte mich über die Jahre oft, mit wem die Korres­pon­denten vor Ort sprechen und sich auseinandersetzen.

Bei internationalen Konflikten wie in der Ukraine oder Syrien dominiert die Sicht der USA. Bei Terroranschlägen dasselbe.

Der Propaganda wird nur die „böse“ Seite bezichtigt.

Es besteht keinerlei Bereitschaft/Anlass, die bestehenden Feindbilder zu hinterfragen. Aufgrund der Verarbeitung der Informationsflut, vor allem aus dem Ausland (Agenturen), bleibt keine Zeit für Grundsätzliches.

Es ist nicht so, dass es vor 20 bis 30 Jahren auf den Redaktionsstuben keine Selbstzensur, Gleich­schaltung, vorauseilenden Gehorsam und Tunnelblick gegeben hätte. Doch die Rahmen­bedingungen in den heutigen „Redaktions­fabriken“ der Mainstream-Medien fördern geradezu den ideologielosen, opportunistischen, Klick-orientierten Journalismus, dem die wichtigen Fragen entgleiten.