Archiv der Kategorie: Medien und Bildung / Religion

Zukunft- Ausfahrt, nächste

Hans Högl- Auszüge aus dem Buch:
Yogeshwar Ranga (2020, 3.Aufl.): Nächste Ausfahrt Zukunft. Geschichten aus einer Welt im Wandel, Ki Wi TB. (1.Aufl. 2017). 427 S. mit Personenregister. Ich habe selten ein so inhaltsreiches Buch von Anfang bis Ende gelesen.

Der Autor ist Dipl. Physiker, war beim ARD in Köln Wissenschaftsredakteur, ist gebürtiger Inder, studierte Physik in Deutschland, ist polyglott.

Über Social Media schreibt Yogeshwar: FaceBook hat die Zwei-Milliarden-Nutzermarke (bereits 2017) überschritten. Mehr als die Hälfte unserer (deutschen) Bürger (83 % der 20-jährigen) ist Anfangs 2018 bei Facebook dabei (S. 199). Zunächst wird jeder Nutzer anhand seiner Likes, Freundesgruppen und sonstige Online-Aktivitäten scharf profiliert und in Kategorien aufgeschlüsselt. Aus dem Spiel wurde der potenteste Werbe- und Marketingapparat des Internets.

Allgemein zu Medien: Nur 4 % der Deutschen glauben, dass die Zukunft besser wird. Ähnliches trifft für Frankreich, Großbritannien und Dänemark zu (S. 16). Wieso blik-ken wir derart verunsichert in die Zukunft? Das Neue geht anfangs stets mit Orientierungslosigkeit einher. In fast allen Lebensbereichen erleben wir Verunsicherung. Obwohl es den meisten Menschen materiell gut geht, machen sich diffuse Zukunftsängste breit. Selbst Meinungsführern (51 % der Befragten in 27 Ländern) gehen Veränderungen zu schnell. – Die Tendenz der Schwarzmalerei zeigte sich in vierzig Ländern einer Studie. „Vielleicht, so der Autor S. 393), „liegt es auch an unserer auf Negativschlagzeilen ausgerichteten Medienlandschaft….
…schlechte und bedrückende Nachrichten werden stärker rezipiert, was unser Bewusstsein prägt und Ängste erzeugt“. Doch es gibt besorgniserregenden Entwicklungen. Darauf geht der Autor ein (S. 18).

Der Autor schreibt im Resumé: Medien sollten sich aus der Arena des Geschäftemachens heraushalten.“Es kann nicht sein, daß im Wettlauf um Aufmerksamkeit unsere Sicht auf die Welt bewusst verzerrt wird. Klickraten und Auflagen sind keinesfalls ein Maß für die Wahrhaftigkeit und inhaltliche Relevanz. Demokratien bedürfen Foren des gemeinsamen Diskurses und eine Kultur des offenen Austausches. Hier sollten gute Argumente und Besonnenheit der Maßstab sein und nicht die aggressive Lautstärke der Marktschreier. Überhaupt sollten wir klarer als bisher Bereiche des Nicht-Ökonomischen festlegen, denn Marktregeln sind nicht für alles eine probates Mittel. Der Erhalt unserer Kulturgüter, die Gesundheit des Einzelnen, die wunderbare Vielfalt der Natur oder die offene Bildung sind kein Business und bedürfen eines besonderen Schutzes.“ (S. 393)

Über Social Media schreibt er: FaceBook hat die Zwei-Milliarden-Nutzermarke (bereits 2017) überschritten. Mehr als die Hälfte unserer Bürger (83 % der 20-jährigen) ist Anfangs 2018 bei Facebook dabei (S. 199). Zunächst wird jeder Nutzer anhand seiner Likes, Freundesgruppen und sonstige Online.Aktivitäten scharf profiliert und in Kategorien aufgeschlüsselt. Aus dem Spiel wurde der potenteste Werbe- und Marketingapparat des Internets,

Kriegsrhetorik und Aufrüstungshysterie

Und wieder einmal eine ORF-Podiumsdiskussion mit Schlagseite. Einmal mehr war eine Runde zu Krieg und Frieden einseitig zusammengesetzt. Drei gegen Einen : Drei mit Kriegsrhetorik, ein einziger hingegen, der in der TV-Sendung „Das Gespräch“ für Diplomatie und Waffenstillstandsverhandlungen plädierte. Dabei wäre der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch in außenpolitischen Fragen zur Ausgewogenheit verpflichtet.

Wolfgang Koppler *

Die gestrige Diskussionsrunde „Das Gespräch“ in ORF2 bewies wieder einmal, dass man – ebenso wie im Vorgängerformat „Im Zentrum“ – vor einer ausgewogenen Gästeliste bei heiklen Themen eher zurückscheut. Mag sein, dass auch noch andere zur Diskussion geladen waren – aber man rechnete – wie auch in anderen Fällen – wohl nicht mit ihrem Kommen. Faktum ist, dass beim Thema „Europäische Aufrüstung“ wieder einmal drei weitgehend übereinstimmende Diskutanten den Brüsseler Mainstream vertraten und nur einer tapfer dagegenhalten dürfte.

Wobei man Diskussionsleiter Tobias Pötzelsberger zugestehen muss, dass er sich selbst um Objektivität bemühte und von seinen persönlichen Erfahrungen aus seinem Politologiestudium erzählte, in dem noch vom „Friedensprojekt Europa“ die Rede war. Klar, dass die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des EU-Parlaments Strack Zimmermann ebenso wie Franz Stefan Gady und ein Vertreter des Bundesheeres mit den Versatzstücken aus dem Kalten Krieg (auf den mehrmals Bezug genommen wurde) antworteten: Frieden durch Stärke.

Wie die geplanten 800 Milliarden für die Aufrüstung zu finanzieren wären und welche Auswirkungen dies auf unsere Gesellschaft als auch auf den globalen Süden hat, wenn wieder einmal Gelder in die Rüstung fließen, mit denen man das Elend, aber auch gesellschaftliche Spannungen und vielleicht auch Terror- und Kriegsgefahr wesentlich effektiver mindern kann. davon war weniger die Rede.

Dafür wurde die Gefahr eines russischen Überfalls auf das Baltikum beschworen, wobei Gady sich auch eher kryptisch auf Geheimdienstinformationen bezog und vor allem auf den nachlassenden Schutz der USA. Dass die US-Kriege der letzten Jahrzehnte eher weniger zur allgemeinen Sicherheitslage beigetragen haben als zu deren Verbesserung, blieb natürlich unerwähnt. Immerhin gestand man zu, dass auch die Diplomatie eine gewisse Rolle spielen müsse – aber natürlich erst nach einer gewaltigen Erhöhung der Militärbudgets.

Der durchaus differenziert argumentierende Chefredakteur der Zürcher „Weltwoche“, Roger Köppel, konnte sich da nur selten Gehör verschaffen und wurde von Strack-Zimmermann auch noch der Verharmlosung Putins verdächtigt. Man kennt das schon. Dabei verwies er durchaus zurecht auf eine allgemeine Kriegs- und Aufrüstungshysterie. Und meinte, dass man sich vielleicht auch mit Interessenlagen und der Vorgeschichte von Kriegen auseinandersetzen sollte. Und dass das Blutvergießen in der Ukraine endlich ein Ende finden müsse.

Wie sagte doch schon Freud: Die Stimme der Vernunft ist leise. Vor allem in Zeiten des Kriegs und der Orientierungslosigkeit.

* Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist in Wien

Medientagung in Linz

„Demokratieverhandlungen für den digitalen Raum der Freiheit“ ist Thema einer bemerkenswerten Tagung am 21.03.2025 in Linz

Erwin Leitner *

Wir erleben derzeit einen tiefgreifenden Medienwandel. Seit mehr als einem Jahrzehnt gehören Social-Media-Anwendungen zu unserem Alltag, bestimmen als Big-Tech-Plattformen zunehmend die kognitive Orientierung und gefährden mit Fake News, Manipulation und Desinformation immer häufiger das demokratische Gefüge (Infodemie).

Gleichzeitig ist mit der vernetzten Welt das Versprechen verbunden, dass alle Beteiligten ihre eigenen Wahrnehmungen, Interpretationen und Meinungen gleichberechtigt veröffentlichen können. Tatsächlich übernehmen Algorithmen die Bewertung und vermitteln ein falsches Bild von Partizipation, die nur auf Zustimmung hofft und vielfach geteilt werden will.

Im Rahmen der Tagung wird die Partizipation in heutigen Demokratien aus der Perspektive der Digitalisierung beleuchtet, neue Möglichkeiten der Medienaneignung im Hinblick auf das demokratische Ideal der Mündigkeit diskutiert mit dem Ziel, das Bewusstsein für eine demokratiepolitische Neuerschließung des digitalen Raums und seiner Freiheiten auf breiter öffentlicher Basis zu stärken.

Vorträge. Worshops. Podiumsdiskussion. Buffet
Eintritt frei. Anmeldung erwünscht.

* Mag. Erwin Leitner ist Gründer und Bundessprecher der Initiative „mehr Demokratie: erwin.leitner@mehr-demokratie.at

Bombige US-Waffengesschäfte

Heute empfehlenswerte ARD-Doku zum Thema

Hans Högl

Heute Dienstag, am 11. März, bringt ARTE, der deutsch-französische Kultursender,
ab 20:15 den Dokumentarfilm „Amerikas Kriege“ zum Thema Weltmacht USA
. In der Mediathek ist der Film bis 8. Juni verfügbar.

Ab 21:45 ist in ARTE die Doku „USA- Der Aufstieg der Ultrarechten“ unter Donald Trump.

Der Hintergrund: TRUMP forderte kürzlich, die NATO-Staaten müssten ihre Ausgaben auf 5 Prozent des Brutto-Inlandsprodukts erhöhen. Das hat – so schreibt das ARTE-Magazin 03/25 auf Seite 15 – nicht nur sicherheitspolitische Gründe. Dahinter steckt das US-Kalkül- so die Politologin Ulrike Frank – die heimische Industrie zu stärken und die weltweit dominierende Rolle der USA zu festigen.

Zusätzlich zu den für die USA produzierten 2.456 modernen Tarnkappenjets F-35 haben andere NATO-Staaten insgesamt 636 Flugzeuge dieses Typs bestellt. 35 von ihnen sollen ab 2027 bei der deutschen Bundeswehr fliegen.

Mehr als 400 weitere dieser Maschinen werden von Japan, Australien, Israel und anderen Nationen geordert. Der Stückpreis liegt je nach Ausstattung bis zu 108 Millionen US-Dollar. Hersteller Lockheed Martin und sowie Dutzenden Zulieferfirmen sichert das F-35 lukrative Geschäfte auf Jahre hinaus.

Die Forderung des US-Präsidenten Trump nach Erhöhung der Militärausgaben hat zum Hintergrund auch 2,5 Millionen Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie, und dass daran ebenso viele Wählerstimmen hängen (S. 15).

Pädokrimineller gefeiert

Ignoranz versus Otto Mühl

Hans Högl

In dem Magazin „news“ 7/2025, S. 61 entdecke ich folgende Zeilen des bekannten deutschen Publizistikprofessors Bernhard Pörksen

zum neuen Aktionsmuseum in Wien. Er schreibt: Dieses Wiener Museum „feiert das Werk dieses Pädokriminellen (Otto Mühl) auf geradezu groteske Weise. Die einstigen Kinder der Kommune, manche von ihnen wurden schwer missbraucht, sind hier nahezu unsichtbar; die Taten werden weggenuschelt. Auch dies ist ein Beispiel wissender Ignoranz und fehlenden Zuhörens mitten in Wien.“

„News“ gibt dazu einen zutreffenden Kommentar:
„Priester sind nicht notwendig Heilige. Und völlig zu Unrecht bewunderte Aktionskünstler wie Otto Mühl können sich als schlimme Missbrauchstäter entpuppen, die gesellschaftliche Ächtung verdienen.“

Großes Lob für ZDF neo

Hans Högl

Heute sah ich zeitversetzt – auf ZDF.neo die Sendung „Wunderwelt Chemie“ (Terra X) – also am 6.März ab 6 Uhr.

Obgleich ich in der Regel nicht explizit an Chemie interessiert bin, hat mich die Präsentation und der Inhalt dieser Sendung sehr angesprochen. Die ausführliche Sendung war exzellent präsentiert und sie widerlegt jeden, der vor allem Tadel für Medien hat.

Verengtes Meinungsspektrum

In Medien und Politik häufen sich neutralitäts-kritische und NATO-freundliche Stimmen. Auch im öffentlich-rechtlichen ORF, der auch in der außenpolitischen Berichterstattung auf Objektivität Bedacht nehmen müsste. Der folgende Beschwerdebrief eines bekannten Ex-ORF-Journalisten an den zuständigen Chefredakteur steht stellvertretend für wachsende Kritik auch an mangelnder Ausgewogenheit jüngster Ö1-Mittagsjournale.

Klaus Ther *

Ö1-Mittagsjournale der letzten Tage ** haben bei mir Fragen ausgelöst, sie hatten starke Schlagseiten, die an der Objektivität, der unsere Anstalt verbunden sein müsste, zumindest zweifeln lassen.

Beispiel: Das Interview mit Franz-Stefan Gady, ein – salopp gesagt – „NATO Freak“, der kann endlos lang zu Wort kommen, hatte Prämissen, die nie hinterfragt werden. Das westliche Bündnis sichere Frieden und Stabilität in der EU, die lange Vorgeschichte des Ukraine-Konflikt bleibt unreflektiert und wird nicht angesprochen.
Es wird ständig suggeriert: Alles begann mit der Aggression Russlands. Die daraus abgeleitete Militarisierung der Gesellschaft wird als alleinige Sicherheitsgarantie für unsere Zukunft gesehen. Kein Hinterfragen dieses Mainstream- Klischees.

Am Tag darauf dann im MiJ: Christoph Chorherr, Helmut Brandstätter und ein ÖVP-Mann zum Thema, alle vertreten Ansichten, die das Ende der bisherigen Neutralität Österreichs latent implizieren. Keine Gegenstimme, kein Audiatur et altera pars. Das ist ärgerlich! Das Mittagsjournal als subkutan bellizistischer Transmissionsriemen. Könnte man zugespitzt behaupten?!

Eine solche Verengung des Meinungsspektums ist das wirklich wünschenswert!? Nur weil Leute aus 3 Parteien zu Wort kommen.

Würde mich interessieren, wie Sie das sehen? Unsere Anstalt hat m. E. besseres verdient. So werden wir uns nur Ärger derer zuziehen, die den öffentlich rechtlichen Auftrag einschränken wollen.

* Dr. Klaus Ther, langjähriger ORF-Redakteur, nun freier Journalist.

** Bezugnahme auf die Ö1-Mittagsjournale vom 24. und 25.2.2025

100 Jahre Radio Österreich

Hans Högl: Ausstellungstipp

Bis 2. Sept.2025 kann noch die Ausstellung 100 Jahre Radio Österreich im Technischen Museum besucht werden. Und ein Besuch lohnt sich.

Wir erleben eine faszinierende Zeitreise durch die österreichische Radiogeschichte. Über 500 Exponate und 100 Hörbeispiele zeigen das Radio als Bildungsinstrument, als Informations- und Propagandamedium sowie als Alltagsbegleitung. Gezeigt wird unter anderem auch, dass schon früh das Radio Gegenstand von politischen Interessensstreit um den Zugriff war.

In Übrigen: Ein ganzes Stockwerk im Technischen Museum befasst sich mit dem Bereich Medien im breitesten Sinne. auch mit Fotografie, Bildsprache, Kameras usw.

ORF existentiell bedroht?

Für Österreichs (unabhängige) Medien, insbesondere für den ORF, besteht Gefahr in Verzug. Angesichts von Plänen der möglichen Kanzlerpartei FPÖ erscheint höchste Wachsamkeit angebracht. Das gibt u.a. der Presseclub Concordia zu bedenken.

Udo Bachmair

Die Pläne der FPÖ zum strukturellen und inhaltlichen Umbau unserer Medienlandschaft in ihrem Sinn-Stichwort Orbanisierung -erregt die Gemüter in einem Ausmaß, das noch erweiterbar wäre. Geht es doch um nicht mehr und nicht weniger als um die demokratiepolitische Gefahr einer rigorosen Einschränkung der Presse- und Medienfreiheit auch in Österreich.

Die Freiheitlichen schießen sich (ohne spürbaren Widerstand seitens der ÖVP) nun vermehrt auf den ORF ein. Sie wollen ihn zu weiteren drastischen Kürzungen verpflichten, die den ORF in eine existentielle Notlage bringen würde. In Reaktionen ist mitunter von „gezielter Zerschlagung“ des öffentlich-rechtlichen ORF die Rede.

Vor dieser Entwicklung warnt neben anderen der renommierte Presseclub Concordia. Dessen engagierte Generalsekretärin Daniela Kraus erklärte etwa kürzlich in der Ö1-Serie Im Journal zu Gast, dass weitere extreme Sparmaßnehmen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht verfassungskonform wären.

Die FPÖ wolle eine Gegenöffentlichkeit aufbauen mit ihr nahestehenden Propagandamedien, wodurch faktenbasierte und kritische Information verloren ginge. Mit einer Änderung der Medienförderung, so der Plan, würden völlig einseitig orientierte „journalistische“ Medien Millionen an Steuergeldern erhalten. In erster Linie auf Kosten des ORF und anderer Qualitätsmedien.

Das Interview mit Daniela Kraus

Auch Concordia-Präsident Andreas Koller hat in seiner Kolumne in den Salzburger Nachrichten „ernsthafte Zweifel an der demokratiepolitischen Verträglichkeit” der FPÖ angemeldet: „Medien dienen nicht der Glorifizierung einer Partei oder einer Regierung, sondern dem kritischen Diskurs. Politiker, die es nicht aushalten, dass ihre Arbeit von kritischen Journalisten durchleuchtet wird, sind in einer Demokratie fehl am Platz.

Die Kolumne von Andreas Koller:
https://www.sn.at/kolumne/kollers-klartext/die-fpoe-medien-freiheit-172693240

Zuversicht für die Zukunft?

„Haben Sie noch Zuversicht für die Zukunft?“ lautete kürzlich in der Zukunftsbeilage der Tageszeitung STANDARD eine der Fragen an die Transformationsforscherin Maja Göpel.*

Ilse Kleinschuster **

Maja Göpel antwortet auf die Frage nach der Zukunft mit einem Zitat von Hanna Arendt: „Das Gute hat nie komplett gewonnen – aber das Böse auch nicht. Das sollten wir uns immer wieder in Erinnerung rufen. Während es in der Natur echte Kipppunkte gibt, von denen es kein kurzfristiges Zurück mehr gibt, gilt das für gesellschaftliche Entwicklungen nicht. Der soziale Wandel ist viel schneller möglich – und damit bleibt die Zukunft immer offen für Veränderung“.

Hat es Kipppunkte im öffentlichen Diskurs immer schon gegeben und kann (soll) ich zuversichtlich bleiben, dass sich auch diese – meiner Meinung nach für kommende Generationen nichts Gutes versprechende – „Zeitenwende“ durch eine starke, öffentliche Debatte sich noch zum Guten wenden lässt?!?
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Aktuell wird ja die politische Debatte primär in den USA von Menschen beherrscht, die aufgrund ihres Reichtums die Medien beherrschen. Es sind Menschen, die daran interessiert sind, dass Fake News, alternative Fakten und dreiste Lügen salonfähig werden und so zu Kipppunkten im öffentlichen Diskurs führen. In einer „Nachrichtenwüste“ wie den US-amerikanischen Staaten entwickeln sie sich schnell zu destruktiven Influencern in der Politik (z.B. Jeff Bezos, der vor vier Jahren Amazon gekauft hat, sich zunächst aus dem Redaktionellen herausgehalten hat, aber im Vorjahr dem Blatt eine Wahlempfehlung verboten hat). Diese Kipppunkte sind in den USA wohl annähernd erreicht. Europa sollte jetzt alles daransetzen, sich noch rechtzeitig dieser Gefährdung zu entziehen.

Es ist für viele Menschen schwer zu verstehen warum der Staat zum Feindbild der Populisten geworden ist. War es die zu starke Bevormundung „von oben“, vonseiten eines Beamtenapparats mit rechtsstaatlich organisierter Infrastruktur, die von der „ach so aufgeklärten Bürgerschaft“ als restriktiv empfunden worden ist? Da frage ich mich aber schon, beginnt Freiheit nicht mit der Anerkennung von Sein und Sollen? Fehlt es da nicht oft an Perspektivenwechsel, um einen Standpunkt zu finden, von dem aus wir die Erfüllung von zwei oder mehreren Werten erkennen können? Freiheit kann doch nicht nur bedeuten, dass die Regierung uns in Ruhe lässt, aber auch nicht, dass wir die Regierung einfach in Ruhe lassen. Tja, denn zumindest zu meiner Vorstellung von Freiheit gehört auch, für möglichst viele Menschen die Voraussetzung für Glück (wellbeing) zu schaffen.

Nun, der sogenannte Libertäre propagiert Rationalität. Wenn nun Libertäre und ihre Vasallen die wissenschaftliche Propaganda der Fossil-Oligarchen verbreiten, stellen sie sich damit nicht gegen jene Faktizität, wie sie bereits weltweit durch die durch den Klimawandel ausgelöste Katastrophen dokumentiert wird. Wenn nun Fakten (Tatsachen) nicht zählen, dann siegen „aufwieglerische Verbände“, was bedeutet, dass Tyrannen und Oligarchen immer gewinnen. Timothy Snyder sagt: „Um den wenigen Lügen etwas entgegenzusetzen, müssen wir letztlich Millionen kleiner Wahrheiten produzieren.“ (In: „Über Freiheit“, C.H.Beck)

Nun, ist es aber nicht so, dass Fakten sich von selbst dokumentieren, sondern dass Fakten uns brauchen, um von ihnen zu berichten. Mit uns meine ich Menschen, die genau wissen was Fakten bedeuten, nämlich dass diese Bedingungen für Freiheit sind. Wird mit dem Wort Faktizität (Wahrheitsfindung!) nicht ausgedrückt, dass es Arbeit gibt, die sozial sein muss, und zwar in dem Sinn, dass Gemeinschaften die Tatsachenermittlung für Einzelne möglich und attraktiv machen? Faktizität erfordert demnach Institutionen, allen voran für investigative Berichterstattung, konstruktiven Journalismus, kurz: Qualitätsmedien. Ich glaube, um den derzeitigen Veränderungsprozess infrage zu stellen und um der Krisensituation noch rechtzeitig Herr zu werden, braucht es vieler solcher Gemeinschaften.

Wir brauchen daher mehr unabhängige Gemeinschaften wie z.B. den Presseclub Concordia in Wien www.concordia.at, aber natürlich auch die Vereinigung für Medienkultur www.medienkultur.at.

Der Link zum Interview mit Maja Göpel :

https://www.derstandard.at/story/3000000255085/transformationsforscherin-goepel-populisten-haben-die-zukunft-fuer-sich-besetzt

** Gastautorin Ilse Kleinschuster ist Journalistin und engagiertes Mitglied der österreichischen Zivilgesellschaft