Archiv der Kategorie: Medien und Bildung / Religion

Ukraine u. Russland: Geschichtslücken

Historische Notizen fehlen oft in aktuellen Berichten

Hans Högl – Basiswissen von Osteuropa-Experten

Fast nur Qualitätsmedien bieten Basiswissen zu Konflikten. Darum lasse ich Osteuropa-Experten über die Ukraine zu Wort kommen – in: „Russische Geschichte“ von Manfred Alexander (Kröner Verlag, Stuttgart 2018, mit Register, 924 Seiten !). Hier zeichnen wir nur große Linien ab 1917 – von der Roten Armee über Stalin bis zur Orangenen Revolution.

1917: Für die Bolschewisten war die Ukraine existentiell. Ohne sie mit ihrem Reichtum an Menschen und Naturprodukten erschien keine russische Großmacht möglich, gleichgültig ob ein Zar oder ein Zentralkomitee herrschte. Doch die Träume der ukrainischen Nationalisten von einem eigenen Staat scheiterten an der Uneinigkeit der Ukrainer (S. 586). Der deutsche Vormarsch im Frühjahr 1918 befreite die Ukraine von den Bolschewisten; doch den abziehenden Deutschen folgte Ende 1918 die Rote Armee, die im Mai 1920 vorübergehend den Polen (!) Kiew überlassen musste.

Stalin ab 1930: Die Kollektivierung der Landwirtschaft unter Stalin brachte ein „ungeheures“ Leid über die Ukraine. Obwohl die Zahlen unsicher sind, rechnet man mit 600.000 bis 800.000 Familien, die von ihren Höfen vertrieben wurden. Und die Zahl der Todesopfer übersteigt mehrere Millionen. Besonders in der Ukraine hat man in Stalins Aktion einen gezielten Völkermord durch Hunger erblickt, „aber auch hier hat die neuere Forschung vor voreiligen Schlüssen gewarnt; denn auch russisch besiedelte Gebiete an der Wolga und im Nordkaukasus waren in ähnlicher Weise betroffen“ (S. 644 f.)

1954 war die Krim an die Ukraine übertragen worden. Einer Mehrheit von 72,6 % Ukrainern standen 22,2 % russisch sprachigen Staatsbürgern gegenüber, die im östlichen Gebiet des Donbass und auf der Krim lebten. Das Referendum vom 1. Dez. 1991 ergab eine Zustimmung von 90 % zur Souveränität, auch die zu 67 % von Russen besiedelte Krim hatte mehrheitlich zugestimmt. Gegenüber dem Westen konnte die Ukraine das Überlassen der Atomwaffen an Russland zu einem politischen Handel nutzen, der ihr Kredite und Hilfe für die Modernisierung oder gar einen Ersatz des Kernkraftwerkes Tschernobyl verschaffte.
Aus Moskauer Sicht wird der Bezug zur Ukraine als Problem einer besonderen Nachbarschaft gesehen- mit einer langen gemeinsamen Geschichte. Doch die Ukraine entfernte sich immer mehr von der GUS (S. 814 f.). Moskau lehnte alle Formen einer Eingliederung der Ukraine in westliche Strukturen ab und unterstützte russisch orientierte Kandidaten bei den Wahlen, wurde jedoch durch die „Orange-Revolution“ im Herbst 2004 mit der Wahl von Juschenko brüsk zurückgewiesen (S. 813-820).

Jugend: Angst und Hass

Medien vom Bild dominiert

Hans Högl –
Resumé des Vortrages: Angst und Hass in Jugendkulturen von Bernhard Heinzelmaier 

Der bekannte Jugendforscher hielt kürzlich beim Philosophicum in Lech den Vortrag „Angst, Ressentiment und Hass in den Jugendkulturen “. Er sieht bei der Jugend eine ohnmächtige Wut, die sich nach innen kehrt und zur „seelischen Selbstvergiftung“ führt, und er zeichnet nach, wie das Vertrauen zunehmend erodiert, so jenes zum Staat in den Mittel- und Unterschichten und sieht „so etwas wie ein postmodernes Duckmäusertum“. Dies liege an angstbesetzten Themen und führe zu einer Schweigespirale.

Wo jedoch Diskussionen geführt werden, seien diese hochgradig emotional. Eine Ursache dafür ortet der Jugendforscher in der Medienlandschaft, die immer mehr vom Bild dominiert sei und wo Argumente immer weniger eine Rolle spielten. Das wichtigste Bildungsmittel für Jugendliche sind YouTube und Instagram.

Behördensprache einfacher

Juristensprache: Neuseeland will klare Behördensprache

Hans Högl

Gegen Fachjargon, für eine einfachere Sprache: Ein neues Gesetz soll die neuseeländische Regierung zu klarer und präziser Kommunikation mit der Öffentlichkeit verpflichten. orf news berichtet dies und bezieht sich auf den britischen „Guardian“. Wer österreichische Juristen-Urteile über Presseverfehlungen liest, muss sich den Hals verrenken, um zu verstehen, wer nun warum verurteilt wird. Doch wer komplexe lateinische Sätze entschlüsselt hat, schafft es schon.

Die orf news bieten eine gute und kurze Nachrichtenübersicht. Kein Wunder, dass die Printmedien gegen dieses ORF-Angebot sind.

Im Übrigen: Die „Vereinigung für Medienkultur“ erfuhr aufgrund der Schweden-Kontakte von der Wichtigkeit einfacher Nachrichten – auch wegen der großen Anzahl von Menschen mit Migrationshintergrund vor allem in Großstädten – und regte diese dem ORF an. Mein Brief an einen leitenden ORF-Redakteur wegen der Prioritätsfrage wurde als unfreundlicher Akt von einer ORF-nahen Person bezeichnet. Als hätte ich eine Majestät beleidigt. Immerhin die „Presse“ publizierte dazu meinen Leserbrief, der sich so kritisch und sozial-liberal überlegen gebärdende „Falter“ lehnte dies ab, wobei sich die Redaktion bei mir – wegen der Ablehnung- privat entschuldigte. Ja, da gibt es auch Hinsichtl- und Rücksichtl.

Russische Geschichte

Zeitgeschichte bis in die Ära Putins

Hans Högl

Ein guter Bekannter machte mich auf das Buch „Russische Geschichte“ von Manfred Alexander aufmerksam, das ursprünglich von Günther Stökl verfasst wurde (Kröner Verlag, Stuttgart 2018, mit Personen-, Orts-u.Sachregister, 924 Seiten !). Ich habe die Periode ab Gorbatschow bis in die Ära Putins genau gelesen und kann mich der folgenden Rezension nur voll anschließen:

Diese verlässliche und äußerst anschaulich geschriebene Darstellung rekapituliert die ereignisreiche russische Geschichte, die seit dem Zerfall der Sowjetunion und den Entwicklungen im Russland der letzten Jahre sehr an Aktualität gewonnen hat. Für die nun vorliegende 7. Auflage hat Manfred Alexander (Univ.Prof.u. Spezialist für Osteuropa) den gesamten Text gründlich überarbeitet, auf den neuesten Stand der Forschung gebracht und bis in die Ära Putin hinein fortgeschrieben.

Journalist hat kaum Zeit zum Nachdenken

Infragestellung des konstruktiven Journalismus

Hans Högl-
Resumé eines Interviews mit Johannes von Dohnanyi. Er ist Autor, war Topjournalist und lebt im steirischen Salzkammergut (Ausserland).

Dohnanyi zur Aufgabe der Journalisten: Wichtig wäre, zu erklären, wie es zum Konflikt gekommen ist, was die Menschen bewegt, in diesem System zu leben. Unsere Aufgabe ist zu berichten, einzuordnen,

aber nicht mit der Hochnäsigkeit von Experten Lösungsvorschläge zu präsentieren. Ich halte deshalb auch nichts vom so genannten konstruktiven oder positiven Journalismus. Wir sind keine Vordenker – die Leser nehmen uns das sowieso nicht ab.

Es bleibt Journalisten keine Zeit zum Nachdenken und Recherchieren. Der als Erster berichtet, bestimmt oft die Tonalität für die nächsten Tage. „Dabei ist gerade das nicht die Aufgabe von Journalisten.“ Kleine Zeitung 11.9.22

Filme von Werner Herzog in Arte

Anthropologischer Tiefgang im Film

Hans Högl

Montag 5. Sept. ab 20:15 Themenabend mit Werner Herzog

Zu dessen 80. Geburtstag zeigt ARTE zwei Filme von Werner Herzog. Ich selbst verfolgte von Anfang an sein außergewöhnliches Schaffen. Der Radiosender Ö 1 brachte von ihm diesen Donnerstag abend in der Sendung im „Gespräch“ ein sehr feines Hintergrundbild. Ihm gehe es nicht um äußere Fakten, sondern um zu tiefer Liegendes, um Anthropologisches.

Arte zeigt dessen Film „Fitzcarraldo“, der sich in den Kopf setzt, ein Opernhaus im Regenwald am Amazonas zu bauen. Der folgende Film „Die Flucht aus Laos“ ab 22:45 handelt von einem Vietnamkriegs-Piloten, der abgeschossen, zuerst als Kriegsgefangener und dann im Dschungel um sein Leben kämpft.

Herzog Biografie erscheint im Hanser Verlag – mit dem Titel „Jeder für sich und Gott gegen alle“

Zum öffentlichen Diskurs

Wir brauchen den öffentlichen Intellektuellen ohne Öffentlichkeitssucht!

Peter Strasser: em. Grazer Univ.Prof. (Hans Högl- Resumé eines Beitrages)

Eine pluralistische Demokratie mit ihren Routinen und ihren Blickverengungen braucht kluge und kritische Stimmen, welche die Öffentlichkeit aufrütteln. Leider gibt es zu viele Skandalbewirtschafter und Selbstdarsteller.

Die pluralistische Demokratie hat ihre Lobby, ihre Korruption, ihre nationale Blickverengung und geistig weiße Flecken, die von quotenabhängigen Massenmedien kaum aufgegriffen werden. Darum bedarf es intelligenter Stimmen, die nicht am Mainstream orientiert sind, wohl aber am sachverständigen Kommentar.

Im Verlag Sonderzahl erschien Peter Strassers Buch „Eine Hölle voller Wunder. Spätes Philosophieren“ (2021)

Unglaubwürdige Ökologie-Appelle

Pro Medien-Ökologie! Leserkritik

Hans Högl

Ein Leser der steirischen „Kleinen Zeitung“ findet die Redaktion unglaubwürdig, weil sie sich zum einen über den von Menschen mitverursachten Klimawandel entsetzt, aber zum anderen seitenweise über Motorsport berichtet oder Flüge anbietet….

Medien sind voll von Ökologie und Forderungen, die sich daraus ergeben. Es wird die Apokalypse heraufbeschworen, wenn nichts geschieht. Doch wie ernst meinen es Medien wirklich? Gilt eine ökologische Ethik der (Medien) Organisationen nicht ebenso wie eine solche für Individuen? Sind Organisationen und Unternehmen nicht in einem höheren Ausmaß ökologisch gefordert als Einzelne?

Doch Medien drücken sich um diese Frage. Die Motorsportseiten werden von vielen gelesen. Den Lesern dieser Seiten ökologische Tipps zu geben, ist noch keinem Medium eingefallen, auch nicht der steirischen „Kleinen Zeitung“, wo es doch bei Zeltweg den Österreichring gibt. Es wäre endlich an der Zeit, ökologische Forderungen in einen Gesamtkontext zu stellen, wo viele Aspekte zu beachten sind. Dies hat kürzlich der ehemalige österr. Notenbankdirektor Dr. Ewald Nowotny in der „Wiener Zeitung“ sehr klug dargelegt.

Zurück zum Ausgangspunkt. Ein Leser der Kleinen Zeitung nennt diese unglaubwürdig, weil sie u.a. sehr ausführlich über den Motorsport, die Formel I, berichtet. Immerhin: die „Kleine Zeitung“ druckte den kritischen Leserbrief am 28.8.2022 ab und ein Redaktionsmitglied antwortete darauf, ohne recht zu überzeugen.

Woran sich Medienqualität misst

Impuls zu dialektischem Denkprozess als Qualitätskriterium

Hans Högl

Ein Schweizer Leserbrief bringt es auf den Punkt, worin die Qualität einer Zeitung (oder einer Plattform) besteht, nämlich nicht darin, dass der Leser/die Leserin sich in Meinungen und Standpunkten wiedererkennt, sondern dass die Lektüre einen Denkprozess in Gang zu setzen vermag. Insofern dies gelingt, wird das Interesse der Lesenden gewahrt. (NZZ 10.8.2022)

Alexander Dugin – Ideengeber für Putin

Alexander Dugin – eine ideelle Bezugsperson für Putin

Hans Högl:
Resumé aus einem Text des Wiener sozial-liberalen „Standards“ (12.3.2022).

Es ist schon zutreffend, dass westliche Medien im Ukrainekrieg nicht immer ausgewogen berichten. Doch gewisse Fakten sollen nicht übersehen werden. In einer Fülle von Russlandartikeln blieb ein „Standard“-Beitrag vom 12.3.2022 besonders aktuell: Der Titel lautet „Russlands falsche Propheten“. Neben Iljin (1883-1954) wird Alexander Dugin angeführt, dessen Tochter kürzlich ermordet wurde. Dugin ist eine Bezugsgröße für Putin.

Der „Standard-Beitrag “ beschreibt Dugin so: „Dugin pfeift auf Errungenschaften wie die universelle Geltung der Menschenrechte, auf Liberalismus und individuelle Freiheit. Dieser Mann, in den 1990igern noch Vorsitzender der Nationalbolschewistischen Partei, lehnt strikt alle Globalismen ab. Er plädiert stattdessen für die Wiederherstellung alter Größe und nimmt dafür Krieg und Gewalt in Kauf und stützt sich auf die Idee des „Eurasismus“.

Dugin: Wider postmoderne Werte und freien Markt können nur „revolutionärer Faschismus“ den Funken zum Überspringen bringen. Kein Wunder, dass Dugin die Ukraine als „Vorposten des Westens“ in ihrer jetzigen Form nicht akzeptiert. Das Wort von den „Kriegstreibern“ in Kiew hat Wladimir Putin bei Dugin entlehnt.

Putin stütze sich auch auf Thesen von Iwan Iljin (1883-1954), wonach die Demokratie nach westlichem Muster schädlich für Russland sei und durch eine „erzieherische und wiedergebärende Diktatur“(!) ersetzt werden sollte (Wiener Zeitung 10. Aug.2022, S. 16 (ein Beitrag von Otmar Lahodynsky, Ehrenpräsident von Association European Journalists (AEJ).