Archiv der Kategorie: Medien und Bildung / Religion

Chinas Aufstieg zur Weltmacht

Empfehlenswerte Informationen zur Entwicklung Chinas liefert Gideon Rachmans Werk „Easternisation. War and Peace in the Asian Century“ – erschienen als Penguin Taschenbuch.

Hans Högl

Eine meisterhafte Studie über globale Entwicklungen zeichnet der Chefkommentator von „Financial Times“ Gideon Rachman, der früher im „Economist“ journalistisch tätig war. Es ist ein erstaunlich-reichhaltiges Werk.
Primär geht es um den Aufstieg Chinas zur führenden Weltmacht. Dies vor dem Hintergrund von 500 Jahren Herrschaft der Europäer über die Welt, dann nach den amerikanischen Jahrzehnten, als sich Europa in den Weltkriegen zerfleischte.

Doch ein solcher Strukturwandel entgeht in der Regel den Medien.

Nun steht China ökonomisch schon fast an der Spitze, und dies wird sich auch politisch auswirken. Mit einer Fülle von Daten wird dies belegt. Des weiteren werden die Verhältnisse in Europa, in Russland meisterhaft dargelegt, sodass es im Werk nicht nur um Südostasien geht, sondern um die Welt als Ganze.

Reiche Gebildete überschätzt

EU-Wahl – ein demokratiepolitischer Lernprozess? Wohin soll die Reise gehen? Bange Fragen rund um die Rolle von Bildung.

Ilse Kleinschuster *

Die Politikwissenschafterin und Demokratieberaterin Tamara Ehz im Ö1-Morgenjournal sieht eine Korrelation zwischen Wahlbeteiligung und dem Ergebnis von Wahlen: Wenn vor allem „die gut Gebildeten“ immer brav wählen gehen, so bildet sich ein verzerrtes Bild, sagt sie (ich vermute, letztlich hat Frau Ehz wohl Menschen gemeint, die sozioökonomische Ungleichheit repräsentieren!) – und, die Politiker richten ihr Wahlprogramm dementsprechend aus. Daraufhin werden diese wahlmäßig Unterrepräsentierten unzufrieden und meinen, die Politiker tun ohnedies nichts für uns, also gehen wir gar nicht zur Wahl. Ein Teufelskreis? – Die wahlpolitischen Folgen sind bekannt. Die Wahlbeteiligung ging in den letzten Jahren zurück, die Nichtwähler*innen sind die größte Gruppe! Eine starke Wahlbeteiligung sei aber wichtig für eine Institution wie das EU-Parlament, so Tamara Ehz im Morgenjournal vom 8.6. 2024.

Tja, zunächst war es für mich irritierend, dass eine akademisch gebildete Demokratieberaterin die Definition „gut Gebildete“ für eine nicht bis schlecht repräsentierte Wählerschicht verwendet. Bildung, so meine ich, ist doch weder ein Patentrezept gegen Armut noch eine Grundvoraussetzung zur Vermögensbildung in größerem Stil, denn weder Firmengründer noch -erben benötigen höhere Bildungsabschlüsse für die Mehrung ihres Reichtums. Ich habe da einer Studie von Ulrich Schneider („Wer sind die Armen! – von falschen Bildern und neuen Daten, in Soziale Sicherheit 12/2018, S.450) entnommen, dass sich das geläufige Vorurteil, die Einkommensarmen seien ungebildet, empirisch widerlegen lässt, denn 56% von ihnen weisen ein mittleres und weitere 7,1% sogar ein hohes Qualifikationsniveau auf, was laut ihm bedeutet: „Bei fast drei Viertel der Armen dürfte das Bildungsniveau nicht die Ursache für die prekäre Einkommenssituation darstellen.“

Bildung wird demnach, hinsichtlich ihrer Fähigkeit, Ungleichheit zu begrenzen, maßlos überschätzt. Sie ist offenbar kein Wundermittel, um die materielle Unterprivilegierung bestimmter Bevölkerungsschichten auszugleichen. Das hat wohl stark mit dem familiären Migrationshintergrund zu tun (siehe Arbeits- und Ausbildungsplätze, die aufgrund rassistischer und antisemitischer Vorurteile Kindern aus solchen Milieus trotz höherer Bildung oft nicht zu Verfügung stehen). Das mag wohl auch ein wesentlicher Grund für die Erosion unserer Gesellschaft sein. Die Zunahme chronisch unterfinanzierter öffentlicher Bildungsbereiche – hat sie nicht auch zur Herausbildung abgeschirmter Gesellschaftskreise geführt? Bildung, die zu einer Handelsware herabgewürdigt wird, hatte ein Schulwesen zur Folge, geprägt von sozioökonomischer Ungleichheit und einer stärkeren Klassenspaltung der Gesellschaft. Diese wachsende Ungleichheit ist wohl das Kardinalproblem unserer Gesellschaft, wenn nicht der Menschheit insgesamt.

Es ist heute kein Problem mehr von Arm und Reich, sondern es ist ein Problem von Rassismus und Antisemitismus. Das ist auch im sg. Sylter Weckruf stark hervorgehoben, wenn der Slogan „Reichtum schützt vor Dummheit nicht“ bei einer Demonstration gegen Rechtsextremismus in Essen zu lesen war. Für Österreich zeigen die Ergebnisse des Demokratie-Monitors von SORA/FORESIGHT, dass auch im Drittel der Bevölkerung mit den höchsten Einkommen die Zufriedenheit mit dem politischen System seit 2018 deutlich gesunken ist. Auch antidemokratische und autoritäre Einstellungen sind unter den Privilegierten relativ weit verbreitet. So stimmen 14% der Aussage zu, „es sollte einen starken Führer geben. 9% dieser Gruppe sprechen sich für eine „Diktatur auf Zeit“ aus, die uns in den kommenden fünf Jahren aus der Krise führt, zudem sprechen sie sich gegen „unsere parlamentarische Demokratie“ aus. Der Professor für Allgemeine Soziologie, Jörg Flecker dazu: „Es ist zu befürchten, dass uns die Ergebnisse der extremen Rechten bei den Wahlen zum Europäischen Europaparlament anschaulich zeigen, wohin die Reise geht.“ – Werden wir daraus lernen?!?

*Gastautorin Ilse Kleinschuster ist Journalistin und ein besonders engagiertes Mitglied der Zivilgesellschaft

https://www.pressreader.com/austria/der-standard/20240608/282200836069013

https://oe1.orf.at/player/20240608/760029/1717823195000nd

Werbeverbot für klimaschädliche Produkte?

Die Internet-Plattform „Perspective daily“ hat sich in einem ausführlichen Artikel mit dem Reizthema „Klimaschutz und Werbung“ befasst. Im Folgenden Inhalt und analytischer Kommentar dieses Beitrags von

Hans Högl

Die deutsche Regierung verbietet seit einem halben Jahr Werbung. die dem Klima schadet. Es gilt: Wenn eine Firma dagegen verstößt, kann dies dem neu eingerichteten Onlineportal gemeldet werden. Wo und wann wurde davon je in Österreich berichtet?

Mir stößt schon lange ein Widerspruch auf, die Schizophrenie in Medienunternehmen – auch in Print-Qualitätsmedien. In öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und im privaten Fernsehen – da warnen sie fast täglich vor Klimakrise, und gleichzeitig wird für Klimaschädliches geworben. Auch für SUV-Autos, die sehr viel CO 2 verpuffen.

Dieses und Folgendes müssten schon längst leitende, fest angestellte (Chef) Redakteure bemerkt haben, und es kann von ihnen erwartet werden, dass sie mit der unternehmenseigenen Werbeabteilung Vereinbarungen treffen. Von freien jungen Mitarbeitern mit Minihonoraren wird ein solcher Protest nicht zu erwarten sein.

Danke an den Blog „Perspective daily“ aus Münster, der dieses Thema, heute am 30. Mai, aufgreift, was ich hier kommentierend darstelle: 1/3 der Produkte in TV-Werbung schaden dem Klima. Johanna fährt an einer Kreuzung vorbei, auf der Unternehmer:innen ….protestieren – mit Schildern und Sprüchen wie »Ohne Werbung stirbt die Wirtschaft«. Ein paar Journalist:innen scheinen dabei zu sein…weil sie… von dem Verbot betroffen sind. Magazine/ Zeitungen gingen pleite wegen weggefallenen Werbeeinnahmen..

Johanna ist das Verbot positiv aufgefallen: Im Fernsehen, vor YouTube-Videos gibt es keine nervigen Werbeunterbrechungen mehr, die ihr zubrüllen, was sie noch alles benötigt, kein direkt an sie adressierter Müll mehr, weder im analogen noch im digitalen Briefkasten. Ich ärgere mich auch über zahllose Spendenzuschriften im Briefkasten. Mein Briefträger sagt mir, dagegen ist fast nichts zu unternehmen. Ich selbst und wir alle können nicht jeder Spendenaufforderung entsprechen.

Jede dritte TV-Werbung preist klimaschädliche Produkte an.

Eine Welt ohne Werbung ist schwer vorstellbar. Soll Werbung für Tabak, Alkohol, Sportwetten, Junkfood und an Kinder gerichtete Werbung für Süßigkeiten – nicht verboten sein? Es sind gesundheitsschädliche Produkte….Werbung für klimaschädliche Produkte ist kein Randphänomen: Knapp 10.000 Werbespots, die vor Videos der 20 größten deutschen YouTube-Kanäle sowie auf den fünf reichweitenstärksten Fernsehsendern liefen, stellten Forscher fest: Fast 1/3 davon bewarben klimaschädliche Waren und Dienstleistungen.

Die Wirkung von Werbung: Ob und wie Menschen konsumieren, hängt neben Werbung von anderen Faktoren ab, dem Charakter oder der wirtschaftlichen Lage. Wenn bei Autos klimaschädliche Modelle beworben werden, könnte das durchaus Einfluss haben. Werbung allein verleitet uns nicht dazu, ein Produkt sofort zu kaufen. Sie beeinflusst langsam. So weckt Werbung positive Emotionen und versucht, ein Verlangen nach dem Produkt selbst (wie schöne Kleidung) auszulösen oder erfüllt Funkionen (Anerkennung durch schöne Kleidung, mehr Mobilität durch ein E-Bike, Abenteuerurlaub dank Flug). Bei Hygiene- und Kosmetikprodukten kommen negative Emotionen ins Spiel, die Makel vor Augen führen sollen, die sich durch das beworbene Produkt beheben lassen.

In der Werbewirkungsforschung gibt es dazu zwei populäre Modelle. Der Mere-Exposure-Effekt beschreibt, dass Menschen ein Produkt positiver bewerten, wenn sie es häufiger sehen. Die Bekanntheit macht es Konsumenten attraktiver, egal ob sie das Produkt bewusst oder unbewusst wahrnehmen. Das Involvement-Konzept geht davon aus, dass es für Produkte verschiedener Werbestrategien bedarf. Bei Alltagsgütern wie Backpulver/ Zahnpasta ist das Involvement niedrig, bei Urlaubsreisen oder Elektronik oftmals hoch.

Wirken Werbeverbote?

Firmen müssen sich mit Werbung an Spielregeln halten. Das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb nennt unerlaubte Werbeformen. Dazu gehört, mit Versprechen zu werben, die man nicht einhalten kann.
Werbung für Alkohol ist eingeschränkt, aber möglich. Ein Werbeverbot betrifft Tabak. In Deutschland wurden Werbespots im Radio und Fernsehen für Tabakwaren bereits 1975 verboten. Seit 2021 verschwindet auch die Plakatwerbung für Tabakprodukte.

Weil Tabakwerbung reguliert ist, können Aussagen getroffen werden, ob Werbeverbote etwas bewirken. Die Cochrane-Review »Wirkung von Tabakwerbung auf das Rauchverhalten junger Menschen« verglich 19 Studien zwischen 1983 und 2008. In 18 davon erwies sich die Wahrscheinlichkeit später zu rauchen bei jenen Teilnehmenden erhöht, die mehr Werbung ausgesetzt waren.

Das Werbeverbot für Tabak hat flankieren Maßnahmen wie höhere Zigarettensteuern, Rauchverbote in öffentlichen Gebäuden sowie Verkehrsmitteln und Warnhinweise auf Zigarettenschachteln. Was stark wirkt, lässt sich nicht eindeutig messen. Auch ein potenzielles Werbeverbot für klimaschädliche Produkte wäre kein Allheilmittel.

Werbung für klimaschädliche Produkte treibt CO2-Emissionen in die Höhe. Greenpeace ließ errechnen, welchen Anteil Werbung im Jahr 2021 an den Emissionen der Schweiz ausmachte. Es heißt: »So kann man im Szenario ›von hoher Werbewirksamkeit‹ von bis 8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten ausgehen. Das entspricht 7% der Gesamtemissionen der Schweiz.« Ein anderer Bericht zeigt, dass die Werbeindustrie in Großbritannien im Jahr 2022 für 208 Millionen Tonnen an CO2-Äquivalenten verantwortlich war.

Was für Werbeverbote spricht

Zurück zu den »Klimakillern« in deutschen Werbespots. So sind 86% der Spots aus der Kategorie Schokolade, Eis und Gummibärchen klimaschädlichen Produkten zugeordnet, 78% der Autos und Autodienstleister sowie 72% aus der Kategorie Körperpflege, Hygiene und Beauty. Teilweise wären »mit einem einzigen der angepriesen Autos, mit einem einzigen der beworbenen Flüge oder Urlaubsziele, mit einer einzigen Kreuzfahrt« das Pro-Kopf-CO2-Budget bereits aufgebraucht, in vielen Fällen weit überschritten, fassen die Forschenden die Ergebnisse zusammen.

Dass überhaupt klimaschädliche Produkte beworben werden, ist das Problem. Denn damit verstoßen die Sender – öffentlich-rechtliche ebenso wie private – gegen ihre eigenen Regeln. Im deutschen Medienstaatsvertrag heißt es nämlich: Werbung darf nicht […] Verhaltensweisen fördern, die die Gesundheit oder Sicherheit sowie in hohem Maße den Schutz der Umwelt gefährden.§8 Deutscher Medienstaatsvertrag. Die Studienautor:innen mahnen, es sei geboten, die Werbung auch hinsichtlich ihrer Klimawirkung zu regulieren. Ein denkbarer Weg – aber nicht der einzige – sind Verbote.

Nachbarländer Deutschlands zeigen den Weg. So wurden 2021 Werbungen für SUVs, fossile Brennstoffe und Billigflüge in Amsterdam aus dem öffentlichen Raum verbannt. In Frankreich gilt seit 2022 national sogar ein Werbeverbot für fossile Brennstoffe; Autowerbung muss zumindest auf umweltfreundliche Verkehrsmittel verweisen.

Dies Beispiele beziehen sich nicht explizit auf Fernsehwerbung. Die Stärke des niederländischen und französischen Ansatzes liegt darin, dass es kein allgemeines Werbeverbot »klimaschädlicher Produkte« gibt. So beziehen sich die Verbote auf einzelne Produktgruppen, die zweifelsfrei klimaschädlich sind.

Welche Alternativen gibt es?

Werbeverbote stoßen bei Lobbyverbänden auf Widerstand und sind nur schwer umsetzbar. Sie sind aber nicht die einzige Möglichkeit. Die Studienautor:innen der Uni Leipzig machen eine Reihe alternativer Vorschläge, wie Werbung noch reguliert werden könnte: Verpflichtende Warnhinweise für klimaschädliche Produkte: Ein solcher Hinweis könnte ähnlich wie der Pflichttext nach Werbeclips für Medikamente eingefügt werden. Der Preis für die Platzierung im Programm könnte analog zum CO2-Fußabdruck des beworbenen Produkts steigen. Je mehr Emissionen ein Produkt verursacht, desto teurer wäre es demnach, dafür einen Werbespot zu schalten.

Die Forschenden fanden, dass Werbespots oft die negativen Effekte der Produkte auf das Klima unsichtbar machten: Eine Fernreise wird mit Naturschutz in Verbindung gebracht, ein Hybrid-SUV wird mit Wildtieren und Naturlandschaften beworben, der Konsum von Kaffeekapseln soll eine gescheiterte Klimapolitik ersetzen. Die Werbebotschaften sind zuweilen als absurd bzw. sogar als irreführendes Greenwashing zu bezeichnen.

Greenwashing ist ein Problem. Laut EU-Kommission enthalten 53% aller umweltbezogenen Produktangaben von Unternehmen vage oder irreführende Informationen. 40% der Aussagen werden nicht belegt. Damit soll bis 2026 in allen Mitgliedstaaten der EU Schluss sein. Von Verpackungen über Plakatwerbung bis hin zu Werbespots – Greenwashing ist dann unabhängig von Produkt und Medium,hoffentlich Geschichte.

Anfang des Jahres verabschiedete die EU eine Richtlinie »zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel«. Jedes Produktversprechen muss demnach wissenschaftlich belegt und nachweisbar sein. Auch wenn die Wirtschaft nicht ohne Werbung auskommt, sollten Verbraucher:innen ihre Entscheidung mündig anhand von Fakten und nicht von grün gefärbten Lügen treffen können.

Diese heuchlerische Als-Ob-Ethik von Medien soll endlich aufgezeigt werden. Ich mache es hier mit diesem Blog und werde den Inhalt auch an die Kundenabteilung des ORF und an den Publikumsrat weiterleiten.

CO 2- Preisschild wirkt

Metastudie beweist: CO2 Preisschild reduziert bis 21 % den Ausstoß. Kurz gefasst von Hans Högl- entnommen dem Blog „Perspective Daily- heute 26.5. 2024

Eine Metastudie hat nun bewiesen, dass CO2-Bepreisung Emissionen um bis zu 21% reduzieren kann. Dies belegt eine in Nature Communications veröffentlichte Metastudie. Dafür wurden Ergebnisse von 80 Untersuchungen zum Thema systematisch ausgewertet. CO2-Bepreisung kann Emissionen um 5–21% reduzieren.

Es spielt eine geringere Rolle, ob die Bepreisung durch Steuern oder Emissionshandel erfolgt. Es gibt allerdings viele CO2-Bepreisungssysteme, deren Effekt noch nicht ausreichend untersucht wurde.

Dabei sollte jedoch nicht vergessen werden, dass CO2-Bepreisung auch zu höheren Preisen für Endkund:innen führt – zum Beispiel bei nicht vermeidbaren Konsum wie Heizen.

Verlorenes Urvertrauen

Regelmäßig zu den Feiertagen zeigt uns der ORF, dass Unterhaltung nicht nur aus Krimis bestehen muss. Und strahlt den einen oder anderen guten Film aus.

Wolfgang Koppler *

Zu den ausgestrahlten Filmen zählt auch die Verfilmung von Hermann Hesses „Narziss und Goldmund“ durch Stefan Ruzowicki.

Die meisten von uns haben das Buch irgendwann einmal als Jugendliche gelesen. Und wieder vergessen. Dabei behandelt das Buch und natürlich erst recht Ruzowickis Film das zentrale Thema der europäischen Kultur: Unser verloren gegangenes Urvertrauen. Symbolisiert durch Goldmunds und letztlich auch Narziss‘ Suche nach der Mutter. Der Intellektuelle Narziss findet sie nicht und selbst der Künstler Goldmund vermag sie in unserer lieblos-materialistischen Gesellschaft nicht zu entdecken. Wenngleich er mit seinen Kunstwerken, in die er sein Herzblut steckt, seinen Mitmenschen wenigstens eine Ahnung davon zu geben vermag. Doch selbst sein größtes Kunstwerk, ein allzu sinnlicher Altar, wird von einem wahnsinnigen Mönch zerstört.

Materialismus und Rationalismus auf der einen, und weltfremde, leibfeindliche Ideale auf der anderen haben uns Europäer bis heute fest im Griff. Wir werden immer noch zerrieben zwischen Plato und Aristoteles, außerhalb und innerhalb der Kirche.

Mehr als ein Wort des Mitgefühls, wie in Wolfram von Eschenbachs „Parzival“ oder Goldmunds vergebliche Suche nach der Mutter ist für uns bis heute nicht drin. Urvertrauen und Liebe sind vor allem unserer intellektuellen Elite etwas höchst Befremdliches. Obwohl wir sie alle irgendwann einmal erfahren haben. Aber es hat keine Bedeutung in unserer Werteskala. Dafür hat unser kopflastiges Schul- und Erziehungssystem schon gesorgt.

Daher sollte man sich solche Filme unbedingt ansehen. Und einmal darüber nachdenken oder nachspüren, was uns Europäern seit der Antike meistens fehlt.

* Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Mit der Keule des Antisemitismus

Langsam wird es unerträglich. Jeder Versuch, eine sachliche Debatte über den Krieg Israels gegen Gaza zu führen, wird abgewürgt von der sattsam bekannten Antisemitismus-Keule.

Udo Bachmair

Jede noch so berechtigte Kritik an der gewaltsamen Überreaktion Israels auf das ebenfalls zu verurteilende grausame Massaker der Hamas gilt als antisemitisch. Sogar ein gemäßigter humanistischer Intellektueller wie der jüdische Philosoph Omri Boehm, der gestern auf dem Judenplatz besonders versöhnliche Worte fand, wird als antisemitisch verunglimpft. Vor dem Hintergrund eines indirekten Gewaltaufrufs seitens des früheren Chefs der israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Musicant, Eier auf den Redner zu werfen. Dabei will Boehm nichts anderes als einen gemeinsamen Staat mit Gleichberechtigung für Israelis und Palästinenser, um damit der ewig scheinenden Gewaltspirale ein Ende zu setzen.

Das interessierte eine kleine Schar proisraelischer AktivistInnen nicht, die mit Transparenten, die die Sicht auf den Redner verstellten sowie Fernsehjournalisten an ihrer Arbeit hinderten, von der Rede Boehms abzulenken versuchten. Man stelle sich umgekehrt vor, jemand hätte mit palästinensischen Losungen eine Veranstaltung und journalistische Arbeit gestört, die Polizei wäre sofort eingeschritten.. Es ist wahrlich unerträglich, jeglicher Kritik am brutalen militärischen Vorgehen Israels in Gaza, das mittlerweile weit über 30.000 Todesopfer gefordert hat, mit der Keule des Antisemitismus zu begegnen.

Vor diesem Hintergrund sind besonnene und differenzierende Stimmen gerade in hoch emotionalisierten Zeiten wie diesen nötiger denn je. Stellvertretend dafür ein Facebook-Eintrag des Politikwissenschafters und Kulturanthropologen Univ. Prof. Thomas Schmidinger kürzlich auf Facebook:

Derzeit zeigt sich sehr deutlich, dass aus der Shoah und den anderen Verbrechen der Nazis sehr unterschiedliche Lehren gezogen werden können. Einerseits kann man daraus die universalistische Konsequenz ziehen, dass man immer und überall gegen Unterdrückung und Verfolgung ethnischer, religiöser, sozialer oder sexueller Gruppen auftritt und weltweit für die Menschenrechte aller Menschen konsequent eintritt. Andererseits kann man daraus die partikularistische Konsequenz ziehen, dass der jüdische Staat Israel immer und überall Recht hat und die Handlungen der Regierung dieses Staates jedenfalls zu verteidigen sind. Der politische Mainstream in Österreich und Deutschland hat sich offensichtlich parteiübergreifend für letzteres entschieden und geht dabei so weit, auch die Versuche der israelischen Rechtsregierung, Kritik an deren Politik grundsätzlich mit dem Verdacht des Antisemitismus abzuschmettern, zu übernehmen.

Wenn auch gemäßigte jüdische KritikerInnen der israelischen Kriegsführung in Gaza bereits delegitimiert werden und von österreichischen und deutschen PolitikerInnen unter Antisemitismusverdacht gestellt werden, dann läuft meines Erachtens in dieser Debatte etwas gewaltig schief. Dieser deutsch-österreichische Sonderweg scheint mir nichts anderes als ein identitätspolitischer Versuch zu sein, sich seiner eigenen historischen Verantwortung durch Externalisierung des Antisemitismusvorwurfes zu entledigen.

Durch Mainstream reduzierter Diskurs?

Die jüngste ORF-Diskussion „Im Zentrum“ trug den Titel: Verwirrt, frustriert, resigniert – Warum noch wählen?

Wolfgang Koppler *

Ein bisschen beklemmend wirkte der zugeschaltete Beitrag zu Beginn der Sendung, in dem man unsere Spitzenpolitiker von Maurer über Edtstadler bis Nehammer auf TikTok in den dort üblichen Posen und mit kurzen Slogans bewundern konnte. Diskussionsteilnehmer Prof. Filzmaier erklärte das schlüssig damit, dass man zunächst mit den potentiellen Wählern (in diesem Fall Jugendliche) dort Kontakt aufnehmen müsste, wo sie sich meist aufhalten bzw. erreichbar sind. Das könne aber nur ein erster Schritt sein. Dann müssten weitere folgen, um Inhalte nahezubringen und einen Diskurs zu führen, Interesse zu wecken.

Die anwesenden Jugendpolitiker sahen das naturgemäß etwas weniger realistisch. Sie beklagten etwa den durch den Mainstream eingeschränkten Diskurs (was interessanterweise von manchen Populisten brachial ausgenutzt wird, indem diese nur mehr auf Emotionen und nicht auf Sachargumente setzen, sodass allzu viel political correctness zum Gegenteil dessen führt, was sie beabsichtigt),sie beklagten aber auch die eingeschränkten Möglichkeiten der Politik durch vorgegebene rechtliche und wirtschaftliche Erfordernisse.

Und hier hätte es interessant werden können. In der unmittelbar vorangegangenen ZiB2 kam zumindest im Rahmen eines kurzen Straßeninterviews der EU-Spitzenkandidat der KPÖ, Hopfgartner, zu Wort. Neben dem Einsatz für eine Verhandlungslösung im Ukrainekrieg will sich die KPÖ ja auch für leistbares Wohnen auch auf EU–Ebene einsetzen. Und da stellte er einen interessanten Vergleich an: Während die Wirtschaft jederzeit gegen Wettbewerbshindernisse vorgehe, also ihre „Rechte“ problemlos durchsetzen kann, stehen Grundrechte des Einzelnen meist nur auf dem Papier. Wie etwa das Recht auf Wohnen (auch wenn es sich nur in der UN-Menschenrechtsdeklaration vom 1948 findet).

Menschenwürde ist in unseren Gesellschaften offenbar ein Lippenbekenntnis und Menschenrechte werde oft als weit weniger bedeutsam erachtet als der freie Wettbewerb und das Recht auf weitgehend schrankenlosen Gewinn. Auch wenn das vielen Leuten vielleicht nicht so ganz bewusst ist. Ob es den Mangel an leistbarem Wohnraum (bei leerstehenden Bürobauten und Luxuseigentumswohnungen), die zugrunde gehenden Kleinunternehmer, den Klimawandel oder unseren Dreck an afrikanischen Küsten betrifft. An dem angeblich nur der Konsument schuld ist. Und nicht primär die schrankenlose und umweltschädigende Überproduktion. Sowie die ständige Expansion von Großunternehmen.

Und Menschen, die Derartiges hinterfragen, sind meist Miesmacher oder gefährliche Radikale. Oder werden zumindest schnell vom dringend erforderlichen Diskurs über unsere Werte ausgeschlossen.

Was vielleicht auch ein Grund für die vielen Nicht- und Protestwähler ist.

Und unsere Medien: Die beschäftigen sich mit so wichtigen Dingen, wie dem Schutz von Wölfen, die längst keine gefährdete Tierart mehr sind. Wie die Coverstory des jüngsten Profil. Kein Wunder, wenn sich viele von Politik und Medien abwenden. Mit einer gesunden und freien Diskussionskultur könnte man vielleicht den einen oder die andere wiedergewinnen.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Medientipp: „Le Monde Diplomatique“

Weltpolitik- Hintergrund-Infos

Hans Högl

Kürzlich kaufte ich die deutsche Ausgabe von „Le Monde Diplomatique“, herausgegeben von der Berliner taz. Es war die Aprilnummer dieser Monatsschrift. Sie kostet 5,60 Euro in Österreich, in Deutschland 5,20 €. Die einzelnen Beiträge sind sehr ausführlich und so gründlich und informativ, dass sie alles ersetzen, was sonst so zu lesen und zu hören ist.

Die wesentlichen Inhalte dieser Nummer waren: „Indien – neue Werkbank der Welt“ und das Indien, auf das der Westen hofft – als geopolitisches Gegengewicht zu China, die Wut der indischen Bauern und wie Modi das Land zugunsten der Hindus umbaut und über seine reichen Freunde.

Ein sehr langer Beitrag erörtert Gaza und das israelische Selbstbild – bis hin zu religiösen Bezügen – sogar auf das Alte Testament wird verwiesen. Ein anderer Beitrag erörtert den fatalen Siegeszug der deutschen Autobahn, ein weiterer das Erstarken der Rechten in Portugal heute und erinnert an die Nelkenrevolution 1974. Der Beitrag über die Ukraine trägt den Titel „Russische Obsessionen“.

Eine Reportage handelt von San Francisco auf zwei großen Doppelseiten. Der Titel lautet „Tod einer Stadt“. Dies drückt z.B. folgender Satz aus: „Ich bin 1980 nach San Francisco gezogen, als die Straßen und Bars voller Leben waren… Seit der Jahrtausendwende sah man in den Cafés nur noch überwiegend junge, weiße Gäste stumm auf ihre Apple-Geräte starren, als säßen sie in einem Großraumbüro. Die nächste Phase scheint zu sein, in der man die Gäste austreiben will, längere Zeit im Café zu verweilen“. Der Untertitel des Beitrages lautet: San Francisco verkommt zum Experimentierfeld der Technikmilliardäre aus dem Silicon Valley.

Ein weiterer Beitrag lautet „Bauernfänger“: „Warum die französische Rechte auf dem Land offene Türen einrennt“.

Kurzbeiträge befassten sich mit Reportern ohne Grenzen und bezogen sich auf die Causa Julian Assange. Ein Beitrag über einen Autokonzern interessierte mich weniger.

Meine Botschaft: Sich fallweise über „Le Monde Diplomatique“ gründlich zu informieren.

Kulturhauptstadt Salzkammergut

Hans Högl

Lob für den Beitrag von Heinrike Paulus über die Kulturhauptstadt Salzkammergut (in Zeitschrift „Christ in der Gegenwart 14/2024. Verlag Herder)

Mit einem Zweitwohnsitz bin ich im steirischen Ausseerland verankert und darum sehr interessiert an den Veranstaltungen der Kultur-„Hauptstadt“ Salzkammergut.

Selbstverständlich wurde hierzulande sehr oft schon darüber berichtet. Das Meiste davon war ein Verriß. Darum ist der genannten Autorin außerordentlich zu danken für die gediegene und sehr informative Darstellung von „kultur salzt Europa“. Der Beitrag bietet reichlich Hintergrundinfos und auch Praktisches zu Broschüren usw.

Beliebtes Anti-ORF-Bashing

Hinhauen auf den ORF hat Tradition. Trotz aller auch berechtigten Kritik ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk aber allein schon aus demokratiepolitischen Gründen unverzichtbar.

Udo Bachmair *

Anti-ORF-Bashing war schon früher beliebt, jetzt feiert es angesichts neuer Entwicklungen -Beispiele Gagen sowie Haushaltsabgabe – fröhliche Urständ‘. Für konstruktive Kritik am ORF hingegen liegen durchaus Gründe vor. Nicht jedoch für dessen Zerschlagung, die sich manche vor allem aus dem FPÖ-Dunstkreis wünschen.

Freilich ist die Optik der veröffentlichten Spitzeneinkommen einer Minderheit im ORF denkbar schlecht. Viele fühlen sich zu Recht provoziert, wenngleich sich die hohen ORF-Gagen verglichen mit Managergehältern in der Privatwirtschaft im Rahmen des Üblichen in einer freien Marktwirtschaft bewegen, auch wenn einem darob übel werden könnte.

Extreme Einkommensunterschiede sind auch innerhalb des ORF selbst gewaltig und sorgen für Unmut. So besteht etwa zwischen teils kärglich verdienenden freien MitarbeiterInnen und Höchstverdienenden, deren Einkommen oft nicht ihrer Leistung entsprechen, ein eklatantes Missverhältnis.

Neben der Empörung über die Spitzengagen steht der ORF auch in Bezug auf die (schlecht kommunizierte) Haushaltsabgabe weiter im Visier der Kritik. Der auch medial aufgeheizte Unmut richtet sich dabei paradoxerweise gegen eine Abgabe, die im Vergleich zur früheren GIS-Gebühr niedriger ausgefallen ist.

Darüber hinaus findet sich der ORF seit jeher- nicht ganz zu Unrecht- wegen des Vorwurfs parteipolitisch motivierter Postenbesetzungen immer wieder in den Schlagzeilen. Besonders nervend nicht zuletzt für unabhängige ORF-JournalistInnen waren und sind traditionelle Einflussversuche von außen. Besonders hervorgetan hat sich bereits vor 20 Jahren der damalige FPÖ Politiker Peter Westenthaler. Er sitzt seit kurzem abermals im höchsten ORF-Gremium. Von ihm wird ORF-intern neuerliche Interventionitis befürchtet. Aber auch dieses Mal werden sich ORF-RedakteurInnen bei ihrer insgesamt guten Arbeit nicht stören lassen.

Westenthaler gefällt sich dennoch weiter darin, ungebremst in Servus-TV-Talkshows-sowie als Dauergast bei Oe24 Attacken gegen den ORF und dessen MitarbeiterInnen zu reiten. Das Anti-ORF-Bashing von außen wird damit gleichsam durch eines von innen ergänzt. So ist der ORF für Westenthaler generalisierend eine „Propagandamaschinerie“. Dem ZiB2-Anchor Armin Wolf unterstellt er „politische Agitation“. Vorwürfe, die nach meiner persönlichen Erfahrung als einer von Wolfs Ex-ORF-Kollegen haltlos sind.

Als ORF-Redakteur und Ö1-Journal-Moderator hatte ich selbst einschlägige Erfahrung mit Anrufen Westenthalers bis hinein ins Studio in der Zeit der ersten ÖVP/FPÖ-Regierung. Es ist fraglich, ob jemand als Aufsichtsratsmitglied eines Unternehmens, das er in aller Öffentlichkeit angreift, tatsächlich geeignet ist. Als einem Stiftungsratsmitglied des ORF stünde es jedenfalls gut an, dessen Interessen zu vertreten und nicht die einer politischen Partei.

Kritik am ORF ist legitim, gerade auch, wenn er manchmal Objektivitätsgebote im Zusammenhang mit Reizthemen wie Neutralität/NATO, Ukraine- oder Gazakrieg verletzt. Verallgemeinerndes Hinhauen auf den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk, dem eine demokratiepolitisch wichtige Rolle zukommt, entbehrt aber jeder Grundlage und Sachlichkeit.

* Dieser Beitrag von Udo Bachmair, Ex-ORF-Redakteur und verantwortlich für die Vereinigung für Medienkultur, ist auch als Gastkommentar im KURIER (Ausgabe 20.4.2024) erschienen.