Archiv der Kategorie: Medienkritik

Ukraine-Krieg: Medien im Fokus

Die Gutenberg-Universität Mainz hat eine Studie über die Berichterstattung der deutschen Leitmedien über den Ukraine-Krieg veröffentlicht. Die Ergebnisse dürften sich weitgehend auch auf Österreich umlegen lassen.

Udo Bachmair

Hauptergebnis der Studie: Die meisten deutschen Leitmedien haben im Ukraine-Krieg überwiegend für die Lieferung schwerer Waffen plädiert und diplomatische Verhandlungen als wenig sinnvoll charakterisiert. Von den insgesamt 8 untersuchten Leitmedien hielten sich nur beim SPIEGEL positive und negative Einschätzungen zur Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine sowie zur Sinnhaftigkeit diplomatischer Verhandlungen in etwa die Waage.

„Auch wenn die Berichterstattung nicht vollkommen einseitig war, überrascht die insgesamt starke Zustimmung zu Waffenlieferungen doch – vor allem vor dem Hintergrund vergleichbarer früherer Kriege, in denen deutsche Waffenlieferungen gar nicht zur Debatte standen“, beurteilt der Studienleiter Prof. Dr. Marcus Maurer, Professor am Institut für Publizistik der Universität Mainz, die Befunde.

Der Studie zufolge war die inhaltliche Berichterstattung überwiegend auf das Kriegsgeschehen sowie auf Ursachen und Folgen des Krieges fokussiert, wobei die Verantwortung für den Krieg nahezu ausschließlich bei Russland gesehen wurde.

Für Jupp Legrand, Geschäftsführer der Otto Brenner Stiftung, liegt mit der nun vorliegenden breiten Material- und Datenanalyse erstmals eine solide Grundlage für die weitere Diskussion über die „Qualität der Medienberichterstattung“ zum russischen Krieg gegen die Ukraine vor, die nicht auf persönlichen Eindrücken beruht oder auf individuellen Mutmaßungen fußt.

Analysiert wurden 4.292 Beiträge aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Süddeutschen Zeitung, der Bild, dem Spiegel, der Zeit sowie den Hauptnachrichtensendungen Tagesschau, ZDF heute und RTL Aktuell mithilfe der Methode der quantitativen Inhaltsanalyse.

Ein Veranstaltungstipp :

Der Ukraine-Krieg und die Medien“ ist Thema einer Podiumsdiskussion am 24. Jänner um 18.30 Uhr im Presseclub Concordia, Bankgasse 8, A-1010 Wien.

Indische Stimme der Vernunft

Das Interview jüngst in der ORF-Sendung ZiB-2 mit dem indischen Außenminister zeigt, dass es auch besonnene Stimmen rund um den russischen Krieg gegen die Ukraine gibt.

Wolfgang Koppler *

Eine Stimme der Vernunft nannte ihn Außenminister Schallenberg. Zu Recht, wie das gestrige ZiB2-Interview mit dem indischen Außenminister Vaishankar zeigte. Leider ging diese Stimme fast völlig unter und beschäftigten sich vor allem die Qualitätsmedien mehr mit dem Migrationspakt als mit Vaishankars Äußerungen zum Ukrainekrieg. Und das obwohl Indien seit kurzem den Vorsitz der G20 innehat und dessen Vermittlerrolle sogar von Selenskyj anerkannt wurde.

Zu Beginn des Interviews wurde Vaishankar gefragt, weshalb Indien den russischen Angriffskrieg nicht verurteilt und eine neutrale Position eingenommen hätte. Vaishankar verwies darauf, dass er genauso gut nach der Haltung des Westens in anderen Kriegen fragen könnte und darauf wohl ein langes Schweigen als Antwort erhielte (er nannte zwar etwa den Irakkrieg nicht konkret, aber unwillkürlich musste ich an eine Kriegsreporterin denken, die sich im Irakkrieg über die Friedensaktivisten lustig machte, die vor dem Bombenhagel Bagdad verließen. Zur Völkerrechtswidrigkeit des Irakkriegs mit seinen erfundenen Kriegsgründen hat man später nicht sehr viel von ihr gehört).

In der Folge betonte Vaishankar die Wichtigkeit einer von Interessen gelenkten Außenpolitik und vor allem die Bedeutung der Diplomatie. Und erwähnte in einem Nebensatz, dass ja auch die ukrainische Führung selbst in den ersten Kriegsmonaten intensiv verhandelt hätte. Kein Journalist traut sich das heute zu erwähnen. Dabei konnte man das damalige Motto der ukrainischen Führung überall nachlesen: Jeder Krieg endet durch eine Vereinbarung. Nach der Befreiung von Kiew war davon nicht mehr die Rede.

Und am Ende des Interviews dann einige Wirtschaftsdaten: Das Pro-Kopf-Einkommen in Europa: 60.000 Dollar. Jenes in Indien 2.000 Dollar. Energiepreise, die sich während des Kriegs auch durch die verstärkte europäische Nachfrage im Nahen Osten vervielfachten. Aber ein Land mit einem beachtlichen Potential. Dessen Stimme wohl auch in der UNO einmal mehr Gewicht erhalten wird. Hoffentlich.

* Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

„Eure Probleme möchten wir haben“

sagen Argentinier zu Europa: Dies ist eine Schlagzeile der „Wiener Zeitung“ am 24. Dez. 2022.

Hans Högl

Mehr als 1 Million Menschen feierten in Buenos Aires die siegreiche argentinische WM- Fußballmannschaft. Doch das Land ächzt unter einer Hyperinflation von mehr als achtzig (80 !) Prozent. In Österreich liegt sie bei 10,6 % – das wäre für Argentinien Preisstabilität. Die demokratischen argentinischen Regierungen haben die Schuldenauswüchse nicht unter Kontrolle.

In Kontakten mit Latinos erfuhr ich immer wieder, dass gern und oft die USA alleine für alles schuldig sind. Doch es sind a u c h einheimische Eliten (und nicht nur in Argentinien), die verantwortlich sind. Es besteht ein gigantisches Bestechungsnetzwerk, in das die Vizepräsidentin Cristina Fernández de Kirchner verwickelt ist. Sie hat ein Faible für Inszenierungen und stellte sich bei einer Wahlkampfveranstaltung 2019 wie ein Engel in einem blauen weiten Umhang dar. Als Vizepräsidentin genießt sie Immunität, und es ist offen, ob sie bei den Präsidentschaftswahlen 2023 kandidiert. Sie kann es zumindest als Senatorin tun und damit weiterhin ihre Immunität sichern. Immerhin: Es gibt Richter, die versuchen, die Korruption zu bekämpfen.

Es ist zu begrüßen, dass die Leiter des Österreichischen Wirtschaftsinstitutes und des Instituts für Höhere Studien in ORF-Interviews die Situation in Österreich nicht so dramatisieren, wie es gelegentlich der Journalismus zeichnet.

Gruß zum Jahreswechsel 2022/2023

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde der Vereinigung für Medienkultur !

Auf diesem Wege Ihnen / Dir viel Glück, Gesundheit und Erfolg für 2023 ! !

Besuchen Sie uns auch 2023 auf unserer Website www.medienkultur.at , wo Sie wieder zahlreiche Kommentare und Analysen zum Themenfeld Politik und Medien unter besonderer Berücksichtigung von Medienkritik und Medienpolitik finden können.

Es ist gelungen, auch weitere Gastautoren zu gewinnen, die eine gute Ergänzung zu den Stammautoren Hans Högl und Udo Bachmair darstellen. Wir planen, 2023 den Stab an AutorInnen weiter auszubauen, der vermehrt auch Studierende vorwiegend aus den Bereichen Publizistik/Kommunikationstheorie und Politikwissenschaft umfassen soll.

In unserer Hauptversammlung am 13. Dezember 2022 ist ein bemerkenswerter personeller Zugang beschlossen worden. Dabei ist Univ. Prof. Dr. Fritz Hausjell einstimmig ins Präsidium der Vereinigung für Medienkultur gewählt worden. Der renommierte Publizistik- und Kommunikationswissenschafter übt damit die Funktion eines der beiden Vizepräsidenten der Vereinigung aus.

Die nächste größere Veranstaltung unserer Vereinigung ist eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion mit Publikumsbeteiligung :

Wo: Presseclub Concordia, Bankgasse 8, A-1010 Wien

Wann: 24. Jänner 2023 Beginn: 18.30 Uhr

Thema: Westliche Medien und der Ukraine-Krieg.

Als Diskussionsteilnehmer bereits fix sind der journalistisch vorbildliche ORF-Korrespondent Mag. Christian Wehrschütz, der renommierte Politikwissenschaftler Prof. Dr. Heinz Gärtner sowie der engagierte Friedensforscher Prof.Dr. Werner Wintersteiner.

Anmeldung unter stifter@medienkultur.at Herzlich willkommen !

2023 werden uns zusätzliche Kosten dadurch erwachsen, dass der Presseclub für Veranstaltungen seine Räumlichkeiten nicht mehr gratis zur Verfügung stellt. Auch in diesem Zusammenhang möchten wir Sie / Euch an den Mitgliedsbeitrag erinnern.*Sollte dessen Begleichung schon erfolgt sein, ein herzliches Dankeschön! Wenn nicht, bitte untenstehende Daten beachten:

*Erste Bank IBAN AT 31 2011 1300 0310 1325 ( Vereinigung für Medienkultur )

Mit Dank und einem PROSIT NEUJAHR

Udo Bachmair (namens der Vereinigung für Medienkultur)

Lob und Kritik an Standard-Rubrik „Etat“

Hans Högl- Analyse

Eine hervorragende Möglichkeit, sich über Ereignisse in der Medienwelt, sich über die Medienbranche und berufliche Veränderungen gut zu informieren, bietet die Rubrik „Etat“ auf der Webseite des Qualitätsblattes der „Standard“ (Wien). Der Autor verfasste auch ein maßgebliches Buch über die (österr.) Medien.

Heute wurde ein ZIB-Interview des österreichischen Vizekanzlers so dargestellt und kommentiert, dass man unwillkürlich den „mit Haaren herbeigezogenen“ koalitions-kritischen Zweck spürt und ist verstimmt. In einer Fußnote darf ausgedrückt werden, ob das Lesepublikum das informativ gefunden hat, und es werden noch andere Statements vorgegeben, doch es sind n u r positive Kategorien des Lobes, der Anerkennung.

Der Leser hat keine Möglichkeit, Missfallen auszudrücken. Nur Anerkennung und Lob haben Platz für ein „Feedback“. Das wirkt irritierend und ist kritikwürdig.

Mit Kopf und Bauch

Eine Fülle an Krisen hält uns in Atem – von der Klimakrise bis zum Krieg in der Ukraine. Genug Stoff auch für Diskussionssendungen, wie jüngst auch wieder in der ORF-Talkshow „Im Zentrum“. Mit dabei u.a. der Philosoph Konrad Paul Liessmann, Ex-Bundespräsident Heinz Fischer und die Klimaaktivistin Lena Schilling.

Wolfgang Koppler *

Gestern Abend bei ORF-Im Zentrum einmal eine – bis auf einzelne Ausrutscher von Conrad Paul Liessmann – wohltuend sachliche Diskussion zu den aktuellen Krisen und deren Auswirkungen auf Demokratie und Gesellschaft. Dazu trugen vor allem Lena Schilling und Heinz Fischer bei, die durch ihre kluge Argumentation Liessmann in gemäßigte Bahnen lenkten. Dieser benutzte zu Beginn – wie man es schon von anderen Diskutanten gewohnt ist – wieder einmal Ukraine- und sogar Vietnamkrieg, um die aktuellen Feindbilder zu beschwören und andere Themen, wie die Klimakrise, klein zu reden. Im Verlauf der Diskussion sprach er sich dann aber zusammen mit den anderen – wenn auch eher allgemein – für Toleranz und Meinungsfreiheit aus.

Er meinte allerdings, Werturteile und Emotionen von Gedanken und Meinungen trennen zu können. Hier irrt er wohl: Wir bestehen alle aus Kopf und Bauch. Auch Intellektuelle haben Emotionen. Und sind von sozialem Umfeld, Werthaltungen und menschlichen Schwächen geprägt. Selbst wenn dies nicht immer so deutlich sichtbar wird wie im Ukrainekrieg und in anderen Krisen. Es wird Zeit, dass wir uns dessen bewusst werden. Dann würde es uns auch leichter fallen, unsere Fehlbarkeit einzugestehen.

Auch die größten Genies sind keine sprechenden Köpfe, keine Bio-Computer. Bildung, so sehr sie unseren Horizont erweitern kann, ersetzt keine Erfahrungen, nicht den Austausch mit anderen. Vor allem nicht die Konfrontation mit uns selbst. Sonst verführt sie allzu leicht zu Arroganz und unreifem Narzissmus. Paul Lendvai zitiert im Vorwort zu „Mein Österreich“ sehr treffend Goethe: „Aufrichtig zu sein kann ich versprechen – unparteiisch zu sein aber nicht.“ Allein dies ist schon ein hohes Ziel.

* Wolfgang Koppler ist Jurist und Autor und lebt in Wien

Cholera in Syrien

Syrien- das war einmal. Wir haben nun andere Probleme.

Hans Högl

Syrien wurde zum Medien-Niemandsland. Doch mir fällt eine seltene Info in die Hände: In Syrien wurde etwa die Hälfte des Gesundheitssystems im Krieg zerstört, und nun gefährdet „Ein Cholera-Ausbruch“ die ganze Region“, heißt es. Cholerafälle verbreiten sich seit Ende August rasant im Land. Die Weltgesundheitsorganisation nennt 35.569 Infizierte.

Als Ursache wird vermutet, dass Menschen aus dem Euphrat Wasser getrunken haben. Sie bewässern damit auch die Felder, und die Krankheit verbreitet sich meist über Wasser und verunreinigtes Essen. Selbst Libanon vermeldet Cholerafälle. Eigentlich gibt es Impfungen, doch es herrscht ein Mangel an empfohlenen Impfdosen (Ein Bericht der NZZ).

Journalistische Einseitigkeit inakzeptabel

Die Frage, ob und wie einseitig unsere Medien über den Ukraine-Krieg berichten, war Gegenstand einer bemerkenswerten Diskussionsrunde jüngst in „Links.Rechts.Mitte“ von Servus TV.

Udo Bachmair

Ist es gerechtfertigt, dass sich Journalisten auf eine Seite schlagen, nämlich auf die der Ukraine ? Fehlt es unseren Medien an Distanz ? Zwei der Fragen im Diskussionsformat „Links.Rechts.Mitte.“jüngst in Servus TV.

Gleich zu Beginn der Debatte stellte die TAZ-Journalistin Ulrike Herrmann klar . „Russland ist unser Feind“. Daher trete sie auch für die mediale Unterstützung der Ukraine ein. Russland habe sämtliche Verträge gebrochen ( Kopfschütteln bei den Mitdiskutanten Christian Wehrschütz und der Historikerin Andrea Komlosy ) und sei zweifellos imperialistisch.

„Bei allem Leid“, entgegnete der besonders engagierte ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz, seien Einseitigkeit und Parteilichkeit in der Berichterstattung über den Ukraine-Krieg „völlig inakzeptabel“. Er habe den Eindruck, dass vor allem deutschsprachige Medien „in einem Gut/Böse-Schema sind“.

Wie Wehrschütz verurteilten auch die anderen Studiogäste den Krieg Russlands gegen die Ukraine. So auch Franz Schellhorn von der liberalkonservativen Agenda Austria. Er gab jedoch zu bedenken, dass wir weiterhin von russischen Rohstoffen abhängig seien.

Die Historikerin Andrea Komlosy fand es bedenklich, dass wir so tun, als würden wir selber Krieg gegen Russland führen. „Wir dürfen nicht länger einseitig eine Seite unterstützen“, sagte sie. Der Krieg müsse gestoppt werden, „die westlichen Waffenlieferungen schüren ihn aber“.

Christian Wehrschütz, bezüglich differenzierender Berichterstattung aus dem Kriegsgebiet ein Vorbild für Qualitätsjournalismus, wünscht sich von seinen JournalistenkollegInnen „mehr rationalistische und weniger moralisierende Berichterstattung“. Westliche Medien würden „viele Grautöne außer acht lassen“, fügte Wehrschütz hinzu. So sei etwa die Tatsache, dass Supermachtinteressen eine große Rolle spielen, unterbelichtet. Das sei keine Rechtfertigung für einen Angriffskrieg, aber er gibt zu bedenken:

„Gut oder Böse gibt es in der Politik nur selten“.

Ein Veranstaltungstipp:

Um westliche Berichterstattung am Beispiel des Ukraine-Kriegs geht es auch in einer hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion u.a. mit Heinz Gärtner und Christian Wehrschütz (angefragt) am

24. Jänner ab 18.30 Uhr im Presseclub Concordia, Bankgasse 8, A-1010 Wien

Moderation : Udo Bachmair, Präsident der Vereinigung für Medienkultur

Verbales Tauziehen um Zwingli

Eine missbräuchliche Verwendung des Namens Zwingli im STANDARD erregt Verwunderung. Mit Zwingli titulierte der Autor des „Einserkastls“ den neuen alten Kommunikationschef der ÖVP.

Udo Bachmair

Der Meister der Message Control, Gerald Fleischmann, sattsam bekannt in Redaktionen des Landes für seine Intervenitis zugunsten seines Intimus Sebastian Kurz, werkt nun also wieder als ÖVP-Kommunikationschef. Was als Signal nach innen verständlich erscheint, um die Kurz-Nostalgie innerhalb der Partei zu befriedigen, hat nach außen eine fatale mediale Wirkung.

Nahezu alle Medien haben die Rückkehr des umstrittenen Medienmannes äußerst kritisch kommentiert. Sie wissen, warum, nämlich aus leidvoller eigener Erfahrung, wie mir auch Ex-Kollegen aus dem ORF die zahllosen Interventionen Fleischmanns zugunsten von Kurz bestätigen.

Auch der STANDARD hat in seinem „Einserkastl“ die leidige Causa ganz unverblümt kommentiert. Autor Christoph Winder hat sich jedoch mit der für Fleischmann verwendeten Bezeichnung „Zwingli“ erwartbare Kritik vor allem seitens der Evangelischen Kirche H.B. eingehandelt.

Zunächst ein Zitat aus dem erwähnten STANDARD-Kommentar :

Der neue alte Zwingli der ÖVP heißt seit kurzem wieder Gerald Fleischmann. Ihm traut man zu, dass er die ganze kommunikative Palette von „Das sagen wir lieber nicht“ bis „Halt sofort die Goschen“ draufhat und zudem süße Erinnerungen an die goldene türkise Zeit wachhält.
Bleibt nur zu hoffen, dass ihn die Staatsanwaltschaft nicht zu häufig bei der Arbeit stört. Die lässt sich das Goschenhalten nämlich nur ungern anschaffen.

(Christoph Winder im STANDARD-Einserkastl)

Der Verfasser der Glosse hätte wissen müssen, dass vor allem auch die Evangelische Kirche helvetischen Bekenntnisses die missbräuchliche Verwendung des Wortes „Zwingli“ klar ablehnen würde.

Landessuperintendent Thomas Hennefeld dazu in einem Brief an den STANDARD:

Als Vertreter einer kleinen konfessionellen Minderheit bin ich daran gewöhnt, dass die meisten Menschen mit dem Namen „Zwingli“ nicht viel anfangen können. Dass ich aber den Namen des Reformators im Zusammenhang mit dem neuen alten ÖVP-Kommunikationschef lesen muss, macht mich sprachlos. Zwingli hatte auch seine Schattenseiten, aber er steht in unserer Evangelischen Kirche H.B. in Österreich bis heute für das Aufbrechen verkrusteter Strukturen, für die weitgehende Beseitigung der Armut und für die Befreiung der Menschen von Tyrannei und Willkür. Ulrich Zwingli wetterte gegen die Profitgier der Reichen und prangerte das damals herrschende korrupte System an. Er richtete sich auch auf der Kanzel gegen Verlogenheit, Doppelmoral und Heuchelei. Die Kirche, in der ich als Gemeindepfarrer tätig bin, heißt übrigens Zwinglikirche.
(Mag. Thomas Hennefeld, Gemeindepfarrer und Landessuperintendent der Evangelischen Kirche H.B. in Österreich)

Medien und Justizberichterstattung..

Wie berichten Medien über Justizverfahren ? Oberflächlich, befindet der folgende Gastkommentar. Als jüngsten Anlass dafür nimmt er die Berichterstattung über den Prozess rund um Bestechungsvorwürfe gegen den Ex-Grünen-Politiker Christoph Chorherr.

Wolfgang Koppler*

Da will ein Ersatzschöffe von seiner Funktion entbunden werden, weil der beisitzende Richter den Schöffen erklärt hätte, es werde so lange verhandelt, „bis alle verurteilt“ seien. Er hält dies auch in einer Niederschrift fest, welche dann in der Verhandlung (10 Tage später) an die Wand projiziert wird. Aufgrund eines Befangenheitsantrags der Verteidiger werden die Schöffen vernommen, wobei vier den Wortlaut der Aussage bestätigen, andere können oder wollen sich nicht erinnern. Eine Schöffin meint, man hätte es positiv oder negativ interpretieren können. Der vorsitzende Richter erklärt, dass das „Missverständnis“ mit dem betreffenden Schöffen geklärt worden sei. Der Befangenheitsantrag wird abgewiesen. Alles paletti ?

Sieht man sich die Zeitungsartikel an, scheint es tatsächlich so zu sein. Vor allem Qualitätsblätter handeln den Vorfall eher oberflächlich ab. Für den Standard etwa reicht es aus, dass das Gericht „es anders sieht“. Eine detaillierte und kritische Beschreibung der Vorgänge findet sich eigentlich nur in der Krone, die zumindest anmerkt „Umfangreiche Unterstützung gab es für den Kollegen aber nicht“.

Dass eine derartige Aussage, die in ihrem Wortlaut offenbar von etlichen Zeugen bestätigt wurde, an den Grundfesten der Justiz, nämlich der Unparteilichkeit und Voreingenommenheit des Richters rührt, wird nirgendwo erörtert. Selbst wenn damit nur gemeint gewesen sein sollte, es müsste gründlich verhandelt werden. Und sie ist leider kein Einzelfall im Grauen Haus. Erst vor wenigen Jahren gab es Postings eines Strafrichters mit dem Wortlaut „Wann kommt der Grasser endlich in den Häfn“, noch bevor der Prozess überhaupt begonnen hatte. Auch wenn dieser Richter am Verfahren nicht beteiligt war, wirft es doch ein bezeichnendes Licht auf die Einstellung mancher Strafrichter, zumal die Postings trotz Beschwerden der Strafverteidiger nur eine mE relativ milde Disziplinarstrafe zur Folge hatten. Auch hier reagierten die Medien auffallend zurückhaltend und beschäftigten sich vor allem damit, dass der Richter ja nur der Ehegatte der im Prozess den Vorsitz führenden Richterin war und nicht mit dem grundsätzlichen Problem der Voreingenommenheit von Richtern, welche auch noch in der Öffentlichkeit (oder möglicherweise vor Schöffen) den von ihnen offenbar gewünschten Ausgang eines Prozesses kundtun. Dass sich eine solche Einstellung auch auf die Urteilsfällung in selbst geführten Verfahren auswirken könnte, wird nicht bedacht.

Gerade die Richter des Grauen Hauses mit seiner problematischen Vergangenheit, erst recht aber die Medien, sollten endlich begreifen, dass sie selbst und die in der Justiz Tätigen fehlbar sind. Und vor Hybris nicht gefeit. Sonst nützen noch so viele Gedenktafeln nichts. Die Justiz ist kein Allheilmittel unserer infantil-narzisstischen Gesellschaft, sondern bedarf wie jede andere Institution selbst der Kritik. Von innen und von außen. Man sollte diesen mutigen Ersatzschöffen ehren. Was leider nicht geschehen wird.

*Gastauthor Mag. Wolfgang Koppler ist freier Journalist und Publizist und lebt in Wien