Archiv der Kategorie: Medienkritik

Fragwürdige grüne Medienpolitik

Der Vorstoß der grünen Regierungspartei für eine zentrale ORF-Finanzierung aus dem Bundesbudget lässt demokratie- und medienpolitische Alarmglocken schrillen.

Udo Bachmair

Nach der FPÖ und anderen, die den ORF stärker an die Kandare nehmen wollen, sind nun auch die Grünen dafür, dass der ORF aus dem Budget des Bundes finanziert wird. Mit entsprechenden Äußerungen gegenüber KURIER und STANDARD schlägt die grüne Mediensprecherin Eva Blimlinger all jene Bedenken in den Wind, die von der Gefahr einer verstärkten Regierungsabhängigkeit des ORF ausgehen.

Die ORF-Führung müsste demnach jedes Jahr zum Finanzminister pilgern und darum betteln, die Finanzierung des ORF ( mit entsprechendem Wohlverhalten ? ) weiter garantiert zu bekommen. Der Vorschlag Blimlingers, ein derartiges Finanzierungsmodell könnte ja durch eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat abgesichert werden, kann jedoch Befürchtungen rund um einen drohenden Verlust der Unabhängigkeit des ORF kaum entkräften.

Der ORF gehört gleichsam dem Publikum und nicht der Regierung. Blimlinger sei daran erinnert, dass einige den Grünen durchaus nahestehende Persönlichkeiten und Initiativen etwa bei der „Alternativen Medienenquete“ 2019 einer Finanzierung des ORF via Bundesbudget eine klare Absage erteilt haben, nicht zuletzt aus demokratiepolitischen Gründen. Wären die Grünen in Opposition, würden sie gegen derartige Pläne Sturm laufen..

Ebenso würden sie konsequent daran arbeiten, die ORF-Gremienreform, wie die Entpolitisierung des Stiftungsrates, vehement voranzutreiben. Dazu treffend Daniela Kraus vom Presseclub Concordia, die im Gegensatz zu ÖVP-Medienministerin Raab in Medienfragen als hoch kompetent gilt, im KURIER : „Detaillierte Vorschläge liegen auf dem Tisch, allein es fehlt der politische Wille der Parteien-spätestens wenn sie an der Macht sind“.

Und weil sie an der Macht sind, finden die Grünen auch nichts dabei, dem schon von Sebastian Kurz erwünschten Ende der renommierten Wiener Zeitung als täglich erscheinendes Blatt zuzustimmen. Der Widerstand auch in den eigenen grünen Reihen gegen ein Aus für ein teils regierungskritisches Medium hat bisher nichts gefruchtet. Ein „Kulturgut“ ist damit verloren gegangen und die Medienlandschaft ist weiter verarmt.

Globaler Süden verstärkt in Medien ?

Es scheint, als würden sich mehr Medien doch stärker für Themen des globalen Südens erwärmen.

Ilse Kleinschuster *

Dass die Klimakrise „eine Bedrohung für die menschliche Gesundheit ist und ganz besonders Schutzlose trifft“, das ist heute zu lesen in einen Gastkommentar einer politischen Referentin bei „Ärzte ohne Grenzen“ in der Wiener Zeitung – https://www.wienerzeitung.at/meinung/gastkommentare/2168113-Echte-Klimagerechtigkeit.html Bis jetzt habe ich ähnliche Berichte aus dem globalen Süden eher in den Broschüren der Ärzte ohne Grenzen oder medico international gelesen, daher weiß ich schon länger von der lebensbedrohlichen Lage von zig-Millionen von Menschen, die in der südlichen Hemisphäre durch Hitzewellen von mittelschwerer bis schwerer Ernährungsunsicherheit betroffen sind. Ich wunderte oder ärgerte mich daher auch nicht sehr über die teils ignoranten Kommentare dazu.

Schlagzeilen und Berichte in Tageszeitungen des globalen Nordens sahen bisher meist anders aus. Ja, ich finde, der globale Süden wurde und wird höchst stiefmütterlich in unseren Zeitungen behandelt. Dass solche Berichte jetzt öfter unsere Augen und Ohren öffnen werden, haben wir wohl der Aktualität der Weltklimakonferenz, der COP27, zu verdanken. Wie lange wird das Interesse bleiben? – Nun, jetzt bietet sich ja auch noch Katar an!

Umso mehr freute ich mich heute über einen Bericht von Ladislaus Ludescher im Sudwind-Magazin, der meint: „Berichte über den Globalen Süden rangieren offensichtlich weit hinten auf den Prioritätenlisten der Redaktionen. Dass in der Tagesschau den Sportergebnissen mehr als 13mal so viel Zeit eingeräumt wurde wie dem Hungerthema, gibt zu denken.“ https://www.suedwind-magazin.at/das-verschwinden-der-85-prozent/

* Gastautorin Ilse Kleinschuster ist in der Zivilgesellschaft aktiv sowie auch engagiertes Mitglied der Vereinigung für Medienkultur

Medien/Politik-ein unheilvolles Verhältnis

Einflussnahme auf Medien hat es immer gegeben. Ja, aber in den letzten Jahren hat sich da eine neue „Qualität“ entwickelt.

Udo Bachmair

„Das war früher auch nicht anders“–so lautet die Mehrheitsmeinung zur speziell in Österreich besonders ausgeprägten „Kultur der Verhaberung“ zwischen Politik und Medien.

Versuche von Einflussnahmen seitens der Politik auf die Medien und umgekehrt Liebedienerei von Medien gegenüber Polit-Eliten hat es freilich früher auch schon gegeben.

Während jedoch seinerzeit vor allem politische und ideologische Deutungshoheit im Vordergrund gestanden ist, so dominiert heute weitgehend inhaltlos reines Machtstreben.

Eine Entwicklung hin zu inhaltlicher Leere, die vor allem der massive Einsatz von „Message Control“ in der Zeit von Kanzler Sebastian Kurz „salonfähig“ gemacht hat.

Im Gegensatz etwa zu Bruno Kreisky, Alois Mock oder Franz Vranitzky, die für Inhalte gestanden sind, haben sich Kurz/Co. als pure Machttechnokraten erwiesen.

Gut auf den Punkt gebracht hat das heute eine Analyse der Tageszeitung Der Standard. Hier ein Zitat:

„Wer keine Inhalte hat, muss sich auf Inszenierung verlassen. Und auf Mikromanagement bis in die Redaktionen hinein. Bei Sebastian Kurz merkte man als erfahrener Journalist bald die Leere. Dabei bot er einerseits selbst den Medien erstaunliche Nähe und Zugang an, intervenierte aber gleichzeitig in die Medien hinein- mit Drohung und / oder Bestechung. Er fand bei manchen willige Helfer, das wirkt jetzt nach.“

Im Kampf gegen die Klimakrise

Die Welt-Klimakonferenz in Ägypten plädiert für große und kleine Schritte im Kampf gegen die Klimakrise. Zum Thema ist ein interessantes Buch erschienen.

Hans Högl

Buch-Rezension: Deepa Gautam-Nigge: Ecosystem Innovation. Mit Innovationen unsere Zukunft sichern, Freiburg (Haufe Group), 2022.

Zum idealen Zeitpunkt der internationalen Klimakonferenz erscheint ein Öko-start-up Buch. Doch noch kleinere Öko-Schritte zählen, so bringt die Grazer „Kleine Zeitung“ täglich links oben S. 2, sehr gut positioniert, kurze Ökotipps und einen Beitrag über Studierende, die für Anfängerstudien mit 333 € belohnt wurden. Ja- dies sind weltweit Bagatellen, aber Realschritte. Das ökologische Anliegen bekommt Wurzeln und ist mehr als politisches Trara.

Nun zur Rezension des mit vielen Fotos einladenden, schön gegliederten Sammelbandes, zu dem man gerne greift. Umfang: 299 Seiten. Der Name der Autorin überrascht: Sie hat eine Zuwandererbiografie, ihre Eltern kamen aus Nepal, landeten 1972 am Frankfurter Flughafen – mit zwei Koffern und 250 DM und als Mediziner. Sie ließen sich auf eine neue Kultur und Sprache ein (S. 30 f). Unter Migranten sind es Macher, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und Risikos einzugehen. Die Autorin, Rheinländerin, studierte BWL mit Fokus auf Technologie- und Innovationsmanagement und lebt mit ihrer Familie in München.

Vor mehr als zehn Jahren wurde ein Projektleiter gesucht. Thema: Ecosystem Innovation. Deepa meldete sich. Vorgaben keine, Erwartungen unklar. Sie stellt ein interdisziplinäres Team mit bisher Unbekannten zusammen – acht Köpfe aus dem Marketing, Produkt- und Personalmanagement. Die Aufgabe: Man nehme eine fast fertig ausgereifte Innovation, die noch nicht den Weg zur breiten Kommerzialisierung gefunden hat und motiviere Menschen, diese Technik anzuwenden. Das Ergebnis: überwältigend (S.18).

Beim Buchprojekt ging es ähnlich zu: Es betraf mehr Vernetzung bei Innovationen. Wolf Lotter, Gründer des Wirtschaftsmagazins „brand eins“, wurde zur breiten, deutschen Skepsis versus neuer Technologien befragt. Lotter: Das politische System blieb seit Bismarck relativ autoritär, und es fehlt, was in Frankreich, England und in den USA selbstverständlich ist, an Citoyens, selbstbewussten Bürger:innen, die sagen: Das nehme ich in die Hand (S. 38). So findet sich im Buch wiederholt die Frage, was der Staat tun könne. (Auch in Österreich wird immer wieder nach dem Staat als einzigen Problemlöser gefragt – trotz Politik(er)-Verdrossenheit…).

Deepa Gautam-Nigge beschäftigt sich seit zwei Dekaden – mit der Markeinführung von Eco-Innovationen. Und sie zählt sich zu den 20 Prozent der Menschen, die Neues suchen (S. 18). Unternehmen mit Diversität an Belegschaft haben eine bis 20 Prozent höhere Innovationsrate. In den USA sind die Hälfte aller Unicorns, die mit mindestens 1 Milliarde $ bewertet sind, von Migranten oder deren Kinder gegründet worden. In Deutschland sei das Willkommen versus ausländischen Arbeitskräften kühl: Bei der Bewertung, wie einfach es ist, sich einzuleben, kommt Deutschland erst auf Platz 56 von 65 Ländern (S. 32). Doch in Berlin und München sind Arbeitsteams international stark aufgestellt.

Auf der Suche nach dem optimalen Start-up-Ökosystem geht der Blick ins Silicon Valley. Als Hauptzutaten für den Erfolg werden gemeinhin genannt: Technologien, Talent, Kapital (S. 82). Deepa: Wir dürfen, wenn wir über Defizite sprechen, die vielen positiven und mutmachenden Beispiele, die Erfolgsgeschichten deutscher start-ups, nicht aus dem Auge verlieren (S. 28). „Lieber einmal weniger darüber nachdenken, was alles schief laufen könnte… (wie dies Medien gern tun), „sondern optimistisch davon ausgehen, dass es gut gehen wird“ (S. 33). Innovation gelingt an den Schnittstellen diverser Netzwerke. Deutschland hat auch innovative Zentren- so die RWTH Aachen mit Prof. Günther Schuh, und die vielen Mitautoren belegen es. Faktum ist, dass Unternehmen auch mit Ökologie gut verdienen können – so ein Betrieb in meiner Wohnumgebung.

Das Buch will Zukunft gestalten. Deutschlands Abstand zu den Innovationsspitzenreitern Schweiz, Singapur und Belgien ist groß. Es liegt auf Platz 17 der 60 wettbewerbstüchtigsten Ländern (S. 19f.).

Anbiederung an Machteliten

Angesichts der Chataffären rund um „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak und ORF-TV-Chefredakteur Matthias Schrom hat „Reporter ohne Grenzen“ eine Liste mit Vorschlägen erstellt, um die Unabhängigkeit der Berichterstattung in Österreich zu stärken.

Udo Bachmair

Der mittlerweile beurlaubte ORF-Chefredakteur Schrom beruhigt 2019 in einem SMS den damaligen Vizekanzler und FPÖ-Chef Strache: „Die, die glauben, die SPÖ retten zu müssen, werden im ORF weniger“.
„Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak bittet Thomas Schmid, den früheren Generalsekretär und Vertrauten von Ex-Kanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz, sich für ihn als künftigen ORF-Generaldirektor einzusetzen.
ÖVP-Großspender Alexander Schütz bezeichnet ORF und APA als „rotes Zeckenparadies“, in dem „aufgeräumt“ gehöre.

Ein nur kleiner Ausschnitt aus nun bekanntgewordenen bedenklichen Chats, in denen Chefredakteure und „Sponsoren“ sich mit Politikern über Personal, Inhalte, Kollegen unterhalten.

Vor dem Hintergrund dieser neuen Enthüllungen ist auch der renommierten Organisation „Reporter ohne Grenzen“ der Geduldsfaden gerissen. Der engagierte neue Vorsitzende von RSF, Univ.Prof. Fritz Hausjell, hat mit sofortiger Wirkung eine Internet-Plattform für Medienschaffende eingerichtet, die die Möglichkeit bieten soll, Verstöße aufzuzeigen, „wenn nötig anonym“.

Um die Unabhängigkeit der Berichterstattung in Österreich zu stärken, hat „Reporter ohne Grenzen“ auch eine Liste an rasch zu realisierenden Vorschlägen erstellt:

>>Gründung einer Aufklärungskommission, die in Machtmissbrauchsfällen unabhängig ermittelt.
>>Stärkung von Redaktionsräten als Kontrollorgan, durch das journalistische Unabhängigkeit garantiert werden kann.
>>Compliance-Regeln mit klaren Richtlinien u.a. in Bezug auf Grauzonen.

Prof. Fritz Hausjell (Mitglied des Beirats der Vereinigung für Medienkultur) gegenüber der APA wörtlich :

„Die klare Distanz von Journalist*innen zu Machteliten in Politik, Wirtschaft und anderen gesellschaftlichen Bereichen ist eine wesentliche Voraussetzung für unabhängigen Journalismus. Dieses Selbstverständnis muss in Österreich bei einem Teil der handelnden Akteur*innen im Journalismus nachgeschärft werden. Die Medienkritik in den Medien selbst hat bisher zu wenig konsequent als Watchdog gegenüber den eigenen Reihen gearbeitet“

Finger weg von der Wiener Zeitung

Trotz mehrerer Proteste hält die Bundesregierung an der Zerschlagung der Wiener Zeitung fest. Eine letzte Hoffnung auf Umdenken richtet sich an die Adresse des grünen Koalitionspartners.

Udo Bachmair

„Was mit der Wiener Zeitung geplant ist, wird mit Journalismus nichts mehr zu tun haben“, bedauerte resignierend der Chefredakteur des renommierten Blatts, Walter Hämmerle, im jüngsten ORF-Report. Bekanntlich versetzt die türkis/grüne Bundesregierung der Wiener Zeitung als täglich erscheinendes Printmedium den Todesstoß. Sie ist nicht willens, jene finanziellen Einbußen auszugleichen, die das Ende des gedruckten Amtsblatts als Beilage der Wiener Zeitung verursachen wird. Die Zeitung soll ab 2023 nur mehr 10 Mal im Jahr erscheinen und sich ausschließlich auf Journalistenausbildung konzentrieren.

Besonders enttäuschend erweist sich der grüne Koalitionspartner, der in Sonntagsreden und Pressekonferenzen immer wieder die Wichtigkeit von Qualitätsjournalismus und Medienvielfalt beschwört. Im Widerspruch dazu zeigt sich die Mediensprecherin der Grünen, Eva Blimlinger. Sie erteilte auch in der erwähnten ORF-Sendung der Rettung der Wiener Zeitung als Tageszeitung eine klare Absage. Entsprechend einem Deal mit der ÖVP, deren Medienministerin Raab zu wichtigen medienpolitischen Fragen entweder schweigt oder von Medienkritikern als nicht überragend kompetent wahrgenommen wird.

Die Grünen machen also mit bei einer weiteren Reduktion der Medienvielfalt hierzulande, eine demokratiepolitisch bedenkliche Entwicklung. Hinter vorgehaltener Hand beklagen auch grüne Funktionäre ihren Unmut. Wenig überraschend wollte der große Regierungspartner ÖVP, vor allem in Person des früheren Message Control-Kanzlers Sebastian Kurz, schon vor Jahren der Wiener Zeitung den Garaus machen. Dass die Grünen jedoch zu Mittätern werden, ein qualitätsvolles, kritisches Blatt mundtot zu machen, verwundert hingegen sehr.

Daher der Appell an Eva Blümlinger und Grünenchef Vizekanzler Werner Kogler:

Erweisen Sie sich als mutig gegenüber dem großem Regierungspartner und helfen Sie mit, den Fortbestrand der ältesten Zeitung der Welt zu sichern. In einer Medienlandschaft, zunehmend vom Boulevard dominiert, gefüttert mit Zig-Milllionen an Geldflüssen allein für Inserate, wäre die Stützung eines Qualitätsblatts, das in vorbildlicher Weise innerredaktionellen Pluralismus zulässt, wohl mehr als ein Gebot der Stunde. Sie würden damit so nebenbei der medienpolitischen Glaubwürdigkeit der Grünen einen Dienst erweisen.

Todesstoß für die Wiener Zeitung

Die schwarz-grüne Bundesregierung lässt die Wiener Zeitung als täglich erscheinendes Qualitätsmedium fallen. Das renommierte Blatt soll künftig nur mehr monatlich erscheinen.

Udo Bachmair

Sie gilt als älteste Zeitung der Welt. Dem seit 1703 (!) erscheinenden Blatt, das im Eigentum der Republik steht, wird seitens der Bundesregierung nun der Garaus gemacht. Keine Hoffnung mehr besteht auf weitere finanzielle Unterstützung. Mit Jahreswechsel soll das schon jetzt legendäre Medium, abgespeckt um das einnahmenträchtige Amtsblatt, nur mehr Monatszeitung sein.

Schon zu Zeiten der schwarz-blauen Koalition unter Kanzler Sebastian Kurz war die „Wiener Zeitung“ schwer unter Druck geraten. Der Ex-Regierungschef wollte aus der Wiener Zeitung überhaupt nur ein Verlautbarungsorgan der Republik machen. Nun scheint wenigstens der Fortbestand als Monatsblatt wahrscheinlich. Ein allerdings nur schwacher Trost.

Die engagierte Redaktion reagierte entsetzt auf die geplante Einstellung der Zeitung als tägliche Printausgabe: „Wenn man nun willkürlich die Grundlage der Zeitung wegdekretiert, ist zu befürchten, dass dieses Juwel namens Wiener Zeitung digital wie auch in jeder anderen Form dem Untergang geweiht ist“, sagt Chefredakteur Walter Hämmerle, der sich mit profunden und kritischen Analysen und Kommentaren einen guten Namen gemacht hat.

ÖVP-Medienministerin Raab lässt die Bereitschaft vermissen, einen Rettungsschirm für den Fortbestand der Wiener Zeitung aufzuspannen, der grüne Koalitionspartner lässt die medienpolitisch überforderte Ministerin gewähren. Damit nimmt die Regierung sehenden Auges eine weitere Reduktion der Medienvielfalt in Kauf. Vor dem Hintergrund einer ohnehin starken Boulevardisierung der Medienlandschaft hierzulande ist das von oben verfügte Ende einer qualitätsorientierten Tageszeitung jedenfalls demokratiepolitisch höchst bedenklich.

Der Presseclub Concordia-Kooperationspartner unserer Vereinigung für Medienkultur-sieht im Aus für die Wiener Zeitung als täglich erscheinendes Blatt eine „Verstümmelung“. Einem hochwertigen textbasiertem Nachrichtenmedium werde der Todesstoß versetzt- und das ohne Not“.

Die Vereinigung der Europajournalistinnen und -journalisten befürchtet, dass eine Umstellung auf eine monatliche Erscheinungsweise ein erster Schritt in Richtung völliger Einstellung der Wiener Zeitung sein könnte.

Und die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) zur Entscheidung der Regierung: „In der Wiener Zeitung gibt es wertvollen Raum für verschiedene Meinungen und differenzierte Berichterstattung, auch zu Wissenschaft und Kultur. Ich schätze sie als wichtige Stimme“.

Der Verlust dieser Stimme droht Österreichs Medienlandschaft noch ärmer zu machen.

Wenn Sie eine Petition für den Weiterbestand der Wiener Zeitung unterzeichnen möchten, ist dies unter folgendem Link möglich :

https://mein.aufstehn.at/petitions/fur-den-erhalt-der-wiener-zeitung?share=1f4ed472-529b-4a87-818c-4d3ba4fab876&source=&utm_medium=&utm_source

Deutsche Leitmedien im Visier

Medienkritiker, unter ihnen auch der deutsche Philosoph Richard David Precht, orten angesichts „einseitiger außenpolitischer Berichterstattung und Übernahme ukrainischer Kriegspropaganda“ abnehmende Glaubwürdigkeit westlicher „Mainstream-Medien“.

Udo Bachmair

Veröffentlichte Meinung entspricht nicht zwangsläufig der Meinung der Mehrheit der Bevölkerung. Deutlich wird diese Erkenntnis etwa an der Beantwortung der Frage „Sind Sie für weitere NATO-Waffenlieferungen an die Ukraine ?“ Einer jüngsten OGM-Umfrage zufolge antworten mehr als 50 Prozent der Befragten auf diese Frage mit „Nein“. Diametral entgegengesetzt hingegen die meisten westlichen Kommentare aus Medien und Politik. Sie huldigen vielfach reinster Kriegs- und Militärlogik.

Vor allem die deutschen Grünen, früher noch wesentlicher Teil der Friedensbewegung, gefallen sich in ungewöhnlich scharfer Kriegsrhetorik. Allen voran Außenministerin Annalena Bärbock, die ganz und gar auf eine Kriegsentscheidung auf dem Schlachtfeld setzt. Für diplomatische Friedensbemühungen zur Beendigung der russischen Aggression fehlt dabei jegliche Phantasie und Absicht. Bärbock befindet sich damit in „guter“ Gesellschaft mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die ebenfalls jegliche Verhandlungsbereitschaft vermissen lässt.

Fehlentwicklungen westlicher Medien und Politik in der Haltung zum Ukraine-Krieg prangert neben anderen auch niemand Geringerer als der bekannteste deutsche Philosoph der Gegenwart, Richard David Precht, an. Precht, der keineswegs im Verdacht steht, im äußersten rechten oder linken politischen Eck angesiedelt zu sein, macht sich berechtigte Sorgen um die Auswirkung aktueller Berichterstattung von (deutschen) Leitmedien auf die Demokratie. Sorgen, die er in seinem neuen Buch mit dem Titel „Die vierte Gewalt“* eindrucksvoll niedergeschrieben hat.

„Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist, zum Beispiel in Bezug auf die Lieferung schwerer Waffen“ so lautet einer der wesentlichen Vorwürfe Prechts in dessen neuem Buch.

Precht selbst dazu in einer turbulenten Lanz-Talkshow kürzlich im ZDF : „Sowohl Journalisten als auch Politiker haben sich innerhalb sehr kurzer Zeit in der unübersichtlichen Situation des Kriegsausbruchs auf ein Narrativ geeinigt.“ Und Precht weiter: „Glauben Sie ernsthaft, dass ausgeglichen in den deutschen Leitmedien die Position der Zweifler an den Waffenlieferungen genauso breit zu Wort gekommen ist ?“ Eine befriedigende Antwort darauf ist ausgeblieben.

Der in der erwähnten ZDF-Sendung schwer unter Beschuss geratene Autor hat unterdessen gegenüber der ZEIT dafür plädiert, dass einzelne NATO-Staaten die Nicht-Aufnahme der Ukraine garantieren sollten. Das wäre eine der Maßnahmen zur Deeskalation.

Eine seriöse Reaktion auch auf diese Frage gibt es bis dato nicht. Precht muss sich hingegen mit dem üblichen Vorwurf von Militärlogikern abspeisen lassen, er sei ein „Putinversteher“ sowie ein Naivling, der einen „Diktatfrieden“ wolle. Apropos: Der Begriff Frieden wird damit in der medialen Öffentlichkeit zunehmend negativ aufgeladen. Ein offenbar bewusst gesetztes Wording, das Politik und Medien gemeinsam eifrig weiterverbreiten.

* Buch-Neuerscheinung „Die vierte Gewalt“ von Richard David Precht und Harald Welzer, Fischer-Verlag

Westen ohne Verhandlungswillen ?

Ein bemerkenswertes Interview mit Robert Brieger, dem „aus Österreich stammenden höchsten EU-Militär“, unter dem Titel „Putin zeigt Schwäche“ kürzlich in den Oberösterreichischen Nachrichten sagt auch einiges aus über den außenpolitischen und militärischen Kurs des Westens.

Von Wolfgang Koppler *

Zunächst stuft Brieger die Teilmobilmachung Russlands als Zeichen der Schwäche ein. Dies ist durchaus nachvollziehbar, zumal Putin mit diesem Schritt zeigt, dass die aktive Armee nicht mehr ausreicht, um den Krieg weiterzuführen. Schlecht ausgebildete Reservisten – die zudem erst nach Monaten eingesetzt werden können – sind wohl auch nicht imstande, professionelle Soldaten zu ersetzen. Und last but not least, wird der Krieg in Russland zunehmend unpopulärer und damit auch Putin.

Interessant ist aber, welche Schlüsse Brieger (der natürlich die Politik von NATO und EU 1:1 wiedergibt) daraus für den Westen zieht.

Der jetzige Schritt Putins sei „ein Schritt zur weiteren Eskalation und wird den Krieg verlängern“.
Logisch. Aber eskaliert nicht auch der Westen, indem er Verhandlungen von Vornherein als unrealistisch abtut ?

Aber zurück zu Brieger:

Die Bemühungen des Westens, „die Verteidigung der Ukraine zu unterstützen…müssen eher noch intensiviert werden.“ Ein Nachgeben würde nämlich „das russische Regime ermuntern, weitere
Gebietsarrondierungen anzustreben.

Wie bitte ? Eine Armee, der es bis jetzt nicht gelungen ist, den Donbass zu erobern, der die Waffen und Soldaten ausgehen, soll auch noch das Baltikum und vielleicht noch Finnland überfallen können ?

Die Interviewerin stellt solche Fragen natürlich nicht, das wäre ja Majestäts- pardon EU- und NATO-Beleidigung (wobei sich die Frage stellt, wie unsere Gesellschaft und Politik ohne Diskurs und Diskussion mögliche Fehler von Politikern korrigieren will).

Sie wirft Brieger statt dessen Hölzchen, etwa mit der Frage, ob die Ukraine den Krieg noch gewinnen könne, was natürlich bejaht wird. Brieger beeilt sich dabei hinzuzufügen, dass es dabei „nicht um eine bedingungslose Kapitulation Russlands“, sondern „um eine Wiederherstellung der bedingungslosen Souveränität der Ukraine“. Diese könne bei entsprechender Unterstützung militärisch so erfolgreich sein, dass „Russland zum Verhandeln gezwungen ist“. Was wird dann noch verhandelt werden ? Angesichts der Aussagen Selenskyjs, aber auch der Stimmung in der Ukraine und im Westen wird wohl niemand glauben, dass dann über eine Neutralität der Ukraine verhandelt wird oder auch nur das Minsker Abkommen oder irgendwelche Minderheitenrechte noch irgendeine Zukunft haben.

Von der Zukunft Russlands ist im Interview erst gar nicht die Rede. Dass dort nach einer Niederlage plötzlich die Demokratie ausbrechen würde, scheint man nicht einmal mehr in Brüssel zu glauben.

Demgemäß ist am Schluss des Interviews auch nur mehr von der Verteidigungsfähigkeit Europas und verstärkten Rüstungsanstrengungen die Rede. Die Frage ist nur: Wer soll uns nach der von Brieger prognostizierten Niederlage Russlands (im Kampf um ein Gebiet anderthalb mal so groß wie Österreich) noch angreifen ?. Die Chinesen ? Mit einer Mittelmeerflotte ?

Pikantes Detail am Rande: Brieger will den Einsatz taktischer Atomwaffen durch Russland nicht ganz ausschließen und spricht auch von einer Ausbildungsmission für die Ukraine u.a. in ABC-Waffen, wenn er auch deren Einsatz für nicht sehr wahrscheinlich hält. Wahnsinn scheint wirklich ansteckend. Und die Propaganda bei uns scheint inzwischen ähnlich dümmlich wie die Putins. Nur dass in Russland wenigstens 40 Bürgermeister ihren Unmut zeigen. Und einige mutige Demonstranten.

* Gastautor Wolfgang Koppler ist Jurist und Journalist und lebt in Wien.

Behördensprache einfacher

Juristensprache: Neuseeland will klare Behördensprache

Hans Högl

Gegen Fachjargon, für eine einfachere Sprache: Ein neues Gesetz soll die neuseeländische Regierung zu klarer und präziser Kommunikation mit der Öffentlichkeit verpflichten. orf news berichtet dies und bezieht sich auf den britischen „Guardian“. Wer österreichische Juristen-Urteile über Presseverfehlungen liest, muss sich den Hals verrenken, um zu verstehen, wer nun warum verurteilt wird. Doch wer komplexe lateinische Sätze entschlüsselt hat, schafft es schon.

Die orf news bieten eine gute und kurze Nachrichtenübersicht. Kein Wunder, dass die Printmedien gegen dieses ORF-Angebot sind.

Im Übrigen: Die „Vereinigung für Medienkultur“ erfuhr aufgrund der Schweden-Kontakte von der Wichtigkeit einfacher Nachrichten – auch wegen der großen Anzahl von Menschen mit Migrationshintergrund vor allem in Großstädten – und regte diese dem ORF an. Mein Brief an einen leitenden ORF-Redakteur wegen der Prioritätsfrage wurde als unfreundlicher Akt von einer ORF-nahen Person bezeichnet. Als hätte ich eine Majestät beleidigt. Immerhin die „Presse“ publizierte dazu meinen Leserbrief, der sich so kritisch und sozial-liberal überlegen gebärdende „Falter“ lehnte dies ab, wobei sich die Redaktion bei mir – wegen der Ablehnung- privat entschuldigte. Ja, da gibt es auch Hinsichtl- und Rücksichtl.