Archiv der Kategorie: Medienpolitik

Zum Zustand von Politik und Medien

Walter Hämmerle, früher Chefredakteur der „Wiener Zeitung“, jetzt Innenpolitik-Chef der „Kleinen Zeitung“, hat den Zustand von Österreichs Medien und Politik kritisch unter die Lupe genommen. Unter dem Titel „Die unreife Republik“ durchleuchtet er in der Serie der Leykam-Streitschriften (Nr. 11) die Schwächen unseres Kleinstaates in Mitteleuropa, die Neigung der Österreicher zu Schlamperei und Bequemlichkeit, den Hang zu Übertreibung und Aggression. Zugleich geht er mit den Medien hart ins Gericht.

Von Hermine Schreiberhuber *

Bei der Präsentation des Buchs im Presseclub Concordia fielen auf dem Podium klare Worte. Autor Hämmerle stellte einleitend fest: Das kleine Österreich sei reich und habe viel Potenzial. Doch: „Schlamperei ist in Österreich, besonders in Wien, sprichwörtlich.“ Zugleich konstatierte er „eine gewisse Hilflosigkeit“ zwischen den Möglichkeiten und dem, was getan werde. „Politik ist kein Spiel.“ Auch die Medien betrachteten Politik oft als Spielwiese, statt dem Bürger Einschätzungs- und Urteilsfähigkeit zuzuerkennen.

Politikberaterin Heidi Glück schlug ebenfalls kritische Töne an. „In Österreich herrscht das Mittelmaß. Wir orientieren uns an anderen, größeren Staaten, aus Bequemlichkeit.“ Schuld seien immer die anderen. „Trittbrettfahren ist Usus.“ Diese Charakterzüge ließen sich aus der Geschichte ableiten: „Seit der Monarchie sind wir Mitläufer.Wir beherrschen den institutionellen Kompromiß.“ In anderen Worten: Politisches und wirtschaftliches Durchwursteln sei an der Tagesordnung und führe zu einer Erosion des politischen Systems.

„Der intellektuelle Diskurs ist fast verschwunden“, beklagte Glück, ehemals Pressesprecherin von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Zugleich sei die Boulevardisierung der Presse in Österreich weit fortgeschritten. Die Politiker umgeben sich mit vielen PR-Beratern, auf der anderen Seite würden die Journalisten immer weniger. Daraus resultiere „eine Schieflage“. Es mangle an Wertschätzung zwischen Politikern und Journalisten. Hämmerle merkte zum politischen Diskurs an, die Medien liefen Gefahr, sich für eine Seite festzulegen. Vor „gutem Boulevard“ habe er aber Respekt.

Armin Thurnherr, Herausgeber des „Falter“, argumentierte, hierzulande gehe es nicht nur um Schlamperei, sondern auch um den“Unwillen zur politischen Analyse“. Was gut sei, werde oft nicht genügend „argumentativ unterfüttert“. Es gelte, das Handwerk der Politik zu lernen. Die Öffentlichkeit habe oft den Eindruck, von den Politikern „beschwindelt“ zu werden. In den Medien habe sich ein korruptes System etabliert. In diesem Kontext übte Thurnherr heftige Kritik an der Subventionierung des Boulevard nach Auflagenstärke. Außerdem müsse die Jugend kritischer an IT-Belange herangeführt werden.

In der Folge einige Textstellen aus der Streitschrift von Walter Hämmerle.

(Vom Vielvölkerstaat zum Kleinstaat) „Das Spiel mit der geringen Größe des Landes irritiert Außenstehende und Landsleute, die höhere Ansprüche stellen. Der Satz ‚Österreich ist ein kleines Land’ aus dem Mund heimischer Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger ist zu oft keine Tatsachenbeschreibung, sondern eine Ausrede für den fehlenden Mut, ausgetretene Pfade zu verlassen. Manchmal bietet die geringe Größe auch Schlawinern Deckung.“

(Zustand der Medien). „Ohnehin bringen Alarmismus und Empörung niemand irgendwohin, trotzdem sind sie allgegenwärtig… Journalismus im 24-Stunden-Hamsterrad trägt seinen Tel zu dieser Entwicklung bei. Atemlos werden Schlagzeilen produziert, selbst wenn wenig bis nichts passiert. Die Logik der Digitalisierung will es so. Headlines müssen Sensationelles versprechen, auch wenn im anschließenden Text maximal Unspektakuläres zu lesen ist. Der Drang und digitale Druck zur Zuspitzung haben ihren Preis. Diskussionen werden als Duelle, Gesprächsrunden als Showdowns in Szene gesetzt; und das auf allen Kanälen.“

„Die Welt der Nachrichten ist zum Kampfplatz geworden. Nicht alle Akteure setzen dabei auf Transparenz und Fairness. Statt dessen wird getarnt, getäuscht, verwischt – alles nur, um zu verwirren.“

Das Buch hat nur gut 100 Seiten, doch der Inhalt wiegt schwer: Historische Fakten über das Werden Österreichs, Einschätzungen von Literaten wie Karl Kraus, Stefan Zweig, Robert Musil, Joseph Roth. Reaktionen auf Aktuelles von der Pandemie bis zum Ukraine-Krieg. Der Autor ist überzeugt: Die Republik braucht eine neue Verantwortungskultur.

* Mag.a Hermine Schreiberhuber ist Journalistin und Vorstandsmitglied der Vereinigung für Medienkultur

ORF-Glaubwürdigkeit

Diverse Unterstellungen, ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz würde einseitig berichten, sind unhaltbar. Seine Beiträge aus der Ukraine sind überwiegend positive Beispiele für differenzierenden Qualitätsjournalismus.

Udo Bachmair

Die Glaubwürdigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird weniger durch einen einmaligen Fehler eines insgesamt verdienstvollen Korrespondenten erschüttert, als vielmehr durch den Mangel an journalistischem Bemühen, den vom ORF-Gesetz auferlegten Objektivitätskriterien auch in der außenpolitischen Berichterstattung gerecht zu werden. Im Gegensatz zu manchen anderen Kollegen erfüllt Christian Wehrschütz diese Aufgabe auf vorbildliche Weise.

Er ist ein Journalist, der penibel recherchiert, sich bei Menschen vor Ort kundig macht, nicht nur (westliche) Agenturen abkupfert. Er ist einer, der sich ernsthaft bemüht, differenzierend beide Seiten eines Konflikts zu sehen. Auch in der komplexen Causa Ukrainekrieg erweist sich die Fähigkeit von Christian Wehrschütz, ein ausgewogenes Bild über Vorgänge und Entwicklung dieses unheilvollen Krieges zu vermitteln. Bisher schon einige Male unter Einsatz seines Lebens..

Wehrschütz geht wie alle, die nicht eine Schwarz/Weiß-Malerei und ein plattes Freund/Feind-Denken pflegen, davon aus, dass im Kriegsfall beide Kriegsparteien Kriegspropaganda betreiben, demnach auch die ukrainische Seite. Dies auszusprechen, oder auch Fehlentwicklungen in der Ukraine, wie Korruption, auszusprechen, reicht für viele bereits als Beleg, die profunden Beiträge von Christian Wehrschütz‘ als einseitig prorussische zu brandmarken.

Auch wenn es auf politischer Ebene nun vor allem die NEOS sind, ORF-intern Kollegen oder eine ehemalige Korrespondentin, die gegen Wehrschütz Stimmung machen, erscheint Eines sicher: Christian Wehrschütz wird, wie ich ihn kenne, trotz aller Attacken und Unterstellungen, seine seriöse journalistische Arbeit unbeirrt fortsetzen. Das kann letztlich die Glaubwürdigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nur stärken.

Dieser Beitrag von Udo Bachmair ist auch in der heutigen Ausgabe der Zeitung Die Presse erschienen.

Christian Wehrschütz im Visier

Da Christian Wehrschütz, verdienstvoller ORF-Korrespondent, ausnahmsweise einmal ein Fehler passiert ist, versuchen manche gegen ihn mobil zu machen.

Udo Bachmair

Er ist jemand, der als Journalist penibel recherchiert, abwägt, differenzierend berichtet. Ein vorbildlicher Korrespondent, der versucht, ein ausgewogenes Bild auch über Vorgänge während des Ukraine-Kriegs zu vermitteln. Im Sinne des ORF-Gesetzes, das das öffentlich-rechtliche Unternehmen auch in der außenpolitischen Berichterstattung zu Objektivität verpflichtet. Christian Wehrschütz erfüllt diese Voraussetzungen in vorbildlicher Weise.

Dass einem ZiB-Beitrag von Wehrschütz über Korruption in der Ukraine eine falsche Bildsequenz unterlegt war, mindert insgesamt nicht die Kompetenz des mehrfach preisgekrönten Ukraine-Korrespondenten. Dieser von Wehrschütz eingestandene bisher einzige Fehler, wie er sagt, ist und war jedoch für seine Gegner ein willkommener Anlass, um gegen ihn Stimmung zu machen.

Manche ORF-KollegInnen, vor allem eine ehemalige Korrespondentin, die ihren Ex-Kollegen Wehrschütz online immer wieder attackiert, beneiden ihn offenbar wegen dessen großer Akzeptanz bei Medien-KonsumentInnen. Seitens der Politik haben sich nun die NEOS auf Christian Wehrschütz eingeschossen. Überzogene Kritik von NEOS-Mediensprecherin Henriette Brandstötter hat auf STANDARD-online eine Welle an Attacken auf Wehrschütz ausgelöst.

Dass nun ausgerechnet ein dem Boulevard zugerechnetes Blatt, wie die Kronenzeitung, die Angriffe gegen Wehrschütz auf faire Weise zurechtrückt, ist lobenswert. Im Gegensatz zu den in der Ukraine-Causa nahezu gleichgeschaltet wirkenden anderen westlichen Medien geht die Kronenzeitung davon aus, dass in einem Krieg beide Kriegsparteien Kriegspropaganda betreiben, demnach auch die ukrainische Seite. Eine wohl auch in der Bevölkerung mehrheitsfähige Erkenntnis.

Christian Wehrschütz dazu auf eine entsprechende Frage von Edda Graf in der Krone-Sonntagsausgabe:

„Es gibt übrigens auch die westliche Propaganda. Die darf man nicht übersehen. Etwa die sog. Berichte des britischen Geheimdienstes. Was der schon alles behauptet hat…
Was mich aber wirklich erschüttert – und das muss ich jetzt schon einmal sagen: Wo ist endlich eine wirklich entschlossene politische Lösungsabsicht? Wo ist die Friedensbewegung? Gibt es die noch?
Wer heute für Frieden ist, ist automatisch Putin-Freund. Ich komme mir vor wie bei Orwell und frage mich, ob wir nicht tatsächlich schon in einer totalen Verkehrung der Welt angekommen sind.
Das ist ja das wirklich Absurde – dieses Abfinden mit dem Krieg, dem Töten und der nuklearen Bedrohung“.

Für eine engagierte Neutralität

Auffällig ist in vielen Medien die Tendenz, die österreichische Neutralität als nicht mehr zeitgemäß darzustellen. Doch nicht alle Experten sehen dies so.

Udo Bachmair

Die österreichische Neutralität sei überholt und kein effektiver Schutz in Zeiten wie diesen. Mit dieser Botschaft sollen MedienkonsumentInnen offenbar Zug um Zug an den Gedanken eines NATO-Beitritts Österreichs gewöhnt werden, als eine sozusagen logische Konsequenz. Dies offen auszusprechen traut sich jedoch kaum jemand im Politik- und Medienbereich, auch nicht die NEOS, die die Neutralität besonders deutlich in Frage stellen. Sie träumen von einem eigenständigen EU-Verteidigungssystem, das letztlich, sollte es überhaupt jemals realisiert werden, wiederum voll unter die Domäne und den Einflussbereich der NATO käme.

Wie auch immer, kein Weg würde in weiterer Folge an der NATO vorbeiführen. Dass seitens der westlichen Militärallianz ein großes Interesse auch an einem Beitritt Österreichs bestünde, liegt auf der Hand. Umso mehr obliegt bzw. obläge es seriösen und beherzten Experten, Argumente pro Beibehaltung der in der Verfassung garantierten und bisher auch bewährten Neutralität einer breiteren Öffentlichkeit nahe zu bringen. Einer dieser Wissenschafter, nämlich der renommierte Politologe Heinz Gärtner, bringt Rolle und Bedeutung eines neutralen Staates wie Österreich besonders gut auf den Punkt, indem er klar festhält:

„Neutrale Staaten sind nicht wertneutral. Im Gegenteil, »engagierte Neutralität« bedeutet, Stellung zu nehmen zu schweren Menschenrechtsverletzungen, Genozid und Krieg. Neutrale Staaten sind aber nicht gezwungen, die Positionen von Großmächten oder Bündnissen zu übernehmen. Engagierte Neutralität ist also das Gegenteil von Abseitsstehen. Sie bedeutet Einmischen, wann immer möglich, und Heraushalten, wann immer nötig. Damit kann sie ein wertvoller Beitrag der Vermittlung und der Deeskalation in Zeiten immer schärfer werdender Konfrontationen sein. Somit behält sich der Neutrale einerseits die Macht, Weisungen von Bündnissen nicht auszuführen. Andererseits wird Status der Neutralität glaubhaft und nützlich.“

Mainstream-Medien auf NATO-Linie ?

Immer deutlicher wird offenbar, dass österreichische Medien zunehmend auf kritischen Kurs gegenüber unserer Neutralität einschwenken bzw. bereits eingeschwenkt sind.

Fritz Edlinger *

Die Berichterstattung mancher österreichischer Medien über die von rund 70% der heimischen Bevölkerung geschätzten immerwährenden Neutralität lässt zunehmend Zweifel an den Absichten mancher Herausgeber und ihrer Journalisten entstehen. Vor allem die überregionalen Zeitungen – ich meine hier vor allem Kurier, Standard und Presse – bombardieren ihre Leserinnen und Leser mit neutralitätskritischen Analysen und Interviews.

Ganz zufällig haben sowohl der Kurier als auch der Standard elendslange Interviews mit dem als NATO-Propagandisten bekannten US-Professor Timothy Snyder veröffentlicht, der nicht nur die NATO-Ukraine-Politik ohne weitere Wenn und Aber unterstützt, sondern der sich auch noch die Freiheit nimmt, Österreich darauf hinzuweisen, dass seine Neutralität seit langem nicht mehr zeitgemäß sei.

Den sprichwörtlichen Vogel hat allerdings der langjährige ORF-Auslandskorrespondent und regelmäßiger Falter-Kommentator Raimund Löw, der in seinem Kommentar im Falter die Demolierung der Neutralität konstatiert und empfiehlt, dass sich Österreich ebenfalls dem „Schutz der NATO“ anvertrauen soll. Im ebenfalls einmal linksliberal positionierten Standard liest man es ähnlich. Die Zeitenwende hat ganz offensichtlich in den Hirnen vieler Menschen, vor allem auch solcher in Politik und Medien tätigen, zu einer radikalen Bewusstseins- und Meinungsveränderung geführt. Die deutsche Außenministerin ist da offensichtlich kein Einzelfall.

Dass Hopfen und Malz noch nicht gänzlich verloren sind, beweisen einige mutige Autoren, wie unser langjähriges Redaktionsmitglied Prof. Heinz Gärtner (siehe sein aktuelles Interview in der deutschen Zeitschrift Die Zeit und auch eines im Schweizer Rundfunk). Auch ein langes Interview mit Prof. Dieter Segert (übrigens ebenfalls Autor in der aktuellen Ausgabe von INTERNATIONAL) in den Salzburger Nachrichten zeigt, dass es doch noch nachdenkliche und friedenswillige Menschen gibt. Der langjährige ORF-Redakteur Udo Bachmair gehört ohne Zweifel ebenfalls zu dieser Gruppe, wie sein Kommentar in der Internet-Zeitschrift „Unsere Zeitung“ (siehe Link) beweist. Offensichtlich verbreiten sich gewisse meinungsändernde Viren in bestimmten – zumeist großstädtischen Blasen – stärker als in periphereren Milieus.

Ich möchte abschließend nochmals auf einige unserer jüngsten Videos zu Fragen der Neutralität und der Friedenspolitik verweisen. Wir werden weiterhin derartige nationale und internationale Positionen verbreiten, um die Möglichkeit zu geben, sich auch Informationen zu besorgen, die man in den meisten der heimischen Mainstreammedien kaum mehr findet. Dass Meinungsfreiheit und Pluralismus zu den Grundsäulen unserer „freiheitlich-demokratischen“ Grundordnung zählen, scheint immer weniger Menschen bewusst zu sein. Zumindest bei jenen, welche privilegierte Zugänge zu Medien haben.

Links:

www.international.or.at

www.unsere-zeitung.at/2023/07/15/neutralitaet-ade/

www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/hat-die-neutralitaet-ausgedient?partId=12417424

Die Zeit: „Diese Raketen sind nicht nur ein Schutz“- Prof. Heinz Gärtner

* Fritz Edlinger ist Herausgeber und Chefredakteur der renommierten Zeitschrift INTERNATIONAL. Der Text ist aus dessen Newsletter entnommen.

100 nö. Gemeinden ohne Bankomat

Auf dem Land fehlen vielfach Bankomaten, besonders in Niederösterreich. Der dortige SPÖ-Chef Sven Hergovich fordert daher 100 neue.

Hans Högl

Schon vor ein paar Jahren schrieb ich einen Leserbrief an die NÖN, die maßgebliche Zeitung in NÖ, dass in Gemeinden des Weinviertels und anderswo Bankomaten fehlen und nicht nur ältere Menschen in ihrer Nähe keine Möglichkeit haben, Geld zu beheben. Die Raika-Sparkassen haben örtliche Filialen aus Kostengründen oft aufgelassen. Manchmal wie in Asperhofen bei Neulengbach ist eine Tankstelle eingesprungen und bietet die Möglichkeit, Geld zu beheben. Offensichtlich ist das Problem noch immer virulent. Ein Problem besteht darin, dass die Raika-Besitzanteile an der NÖN hat und solche Anliegen darum nicht aufgegriffen werden. In diesem Sinne ist es gut, dass auch die ORF-News darüber berichten.

In beinahe 100 Gemeinden habe man laut Hergovich keine Möglichkeit, Bargeld zu beheben. Nun fordert er, die Landesbank Hypo NOE zu beauftragen, dort Bankomaten zu installieren. Die Hypo kann dies nicht nachvollziehen.

„Wir brauchen in Niederösterreich Regionen der kurzen Wege“, erklärt Sven Hergovich (SPÖ) in einer Aussendung. Man brauche eine „Strukturoffensive“, zu der es auch gehöre, in allen Regionen Zugang zu Bankomaten zu haben, „damit die Orte dort wieder lebendiger und attraktiver werden“.

Medienkampagne gegen die Neutralität

In Berichten und Kommentaren mehren sich jene Stimmen, die Österreichs Neutralität als überholt betrachten. Experten, die dies anders sehen, sind in unseren Medien eher nicht willkommen. Doch es gibt Ausnahmen.

Udo Bachmair

Beim Medienkonsum der vergangenen Wochen fällt die zunehmende Tendenz in der Berichterstattung auf, die österreichische Neutralität als nicht mehr sinnvoll darzustellen. In der veröffentlichten Meinung dominieren Argumente, die letztlich zur Aufweichung der Neutralität führen sollen. Gleichzeitig fehlt den meisten Neutralitätsskeptikern der Mut, offen auszusprechen, dass die einzige Alternative zu der bei Österreichs Bevölkerung höchst populären Neutralität der Beitritt zur NATO wäre.

Während im Social Media-Bereich auch warnende Argumente vor einer Abkehr von Österreichs Neutralität und einem NATO-Beitritt zu finden sind, wird man diesbezüglich in Printmedien oder auch in ORF-Beiträgen kaum fündig. Es kommen nahezu ausschließlich neutralitätsskeptische und NATO-nahe Stimmen vor, die die Neutralität am liebsten über Bord werfen würden. Differenzierend argumentierende Persönlichkeiten, wie etwa der frühere Bundesheergeneral Wolfgang Greindl oder der besonders profunde Politikwissenschaftler Heinz Gärtner kommen hingegen kaum zu Wort.

Mit einer positiven Ausnahme überrascht hingegen die renommierte deutsche Wochenzeitschrift ZEIT. Sie hat ein höchst bedenkenswertes Interview mit Univ. Prof. Gärtner veröffentlicht.

Gärtner sieht im Beitritt Österreichs zur European Sky Shield Initiative rechtlich keine Neutralitätsverletzung, wenngleich das österreichische Bundesheer damit NATO-tauglicher gemacht werden solle. Der Politologe befürchtet aber Gefahren für unser Land. Raketen des künftigen Luftabwehrsystems könnten nicht nur ein Schutz, sondern auch zu einem „Magneten“ werden:

„Man weiß ja noch nicht genau, welche Waffen Österreich am Ende kaufen wird, aber die Rede bei Sky Shield ist zum Beispiel von solchen, die 20 bis 80 Kilometer weit fliegen können. Diese können nicht nur als Defensiv-, sondern auch als Offensivwaffen betrachtet werden – und damit zu einem Ziel werden. Ein potentiell feindlicher Staat könnte versuchen wollen, sie zu vernichten“

Prof. Gärtner hebt in dem ZEIT-Interview die Funktion des neutralen Staates als Vermittler in Konfliktsituationen hervor. Österreichs Außenpolitik hat sich ja von dieser noch zu Kreiskys Zeiten vorbildlichen Rolle Österreichs bereits sehr weit entfernt :

„Nach einem Ende des Krieges in der Ukraine sollte es einen Prozess geben – wie die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in Helsinki 1975. Die Nato-Staaten werden diese Funktion nicht übernehmen können. Österreich oder die Schweiz aber schon“

Und dann im Interview die erwartete und immer wieder in den Medien gestellte Frage: Ist die Neutralität noch zeitgemäß ? Heinz Gärtner dazu klar: „Ja, natürlich“:

Heinz Gärtner plädiert in dem Gespräch mit ZEIT-Redakteur Florian Gasser für das Konzept einer „engagierten Neutralität“, indem er ausführt:

„Wir müssen uns so viel wie möglich einmischen und so viel wie notwendig raushalten. Das ist etwas anderes als die traditionelle isolationistische Position, die etwa die FPÖ noch vertritt. Die wollen still sitzen und sich nirgendwo beteiligen. Das ist das Gegenteil einer engagierten Neutralität. Österreich sollte sich diplomatisch unbedingt stärker engagieren. Wir müssen uns wieder mehr einsetzen und uns auch wieder stärker bei Friedensmissionen der UN beteiligen.“

Auch im neutralen Irland läuft zu diesem Thema eine rege Debatte. Dort dürfte man jedoch im Widerstand gegen eine Aufweichung der Neutralität schon weiter sein als in Österreich. Als besonders laute und beherzte Stimme pro Neutralität erweist sich in Irland die linke EU-Abgeordnete Clare Daly. Sie ist als Hauptrednerin und Organisatorin einer Neutralitätskonferenz vehement gegen Versuche der irischen Regierung aufgetreten, Abstriche von der Neutralität zu machen.

Näheres zur Neutralitätsdebatte in Irland hat Fritz Edlinger, Herausgeber und Chefredakteur der renommierten Zeitschrift INTERNATIONAL zur Verfügung gestellt:

www.international.or.at/wp-content/uploads/2023/07/Reinisch_Irl-Neutraliaetsdebatte_International_2023-07-01.pdf

Medialer Trauertag 30.6.2023

Das Aus für die Wiener Zeitung steht unmittelbar bevor. Morgen erscheint die letzte Printausgabe der ältesten Tageszeitung der Welt. Hoffnung auf Weiterbestand muss begraben werden.

Udo Bachmair

Die renommierte „Wiener Zeitung“ ist Geschichte. Alle Appelle und Initiativen zur Rettung des zum Kulturgut gewordenen Qualitätsblattes haben offenbar nichts gefruchtet. ÖVP und Grüne, vertreten durch Medienministerin Susanne Raab und Mediensprecherin Eva Blimlinger haben der Zeitung den Todesstoß versetzt. Der 30. Juni 2022 wird als medialer Trauertag in die Geschichte erbärmlicher Medienpolitik hierzulande eingehen.

Dass die Regierungspartei ÖVP an der Zerstörung der Wiener Zeitung festhalten würde, war nicht weiter überraschend. Sie hat ihren Machtanspruch und ihre Einflussversuche auf Medien während der Kurz-Ära massiv erweitert. Dass aber auch die Grünen, früher leidenschaftliche Fürsprecher von Qualitätsmedien und Medienvielfalt stur geblieben sind, erscheint rätselhaft. Ihre Mittäterschaft am Tod der Wiener Zeitung ist für Politstrategen völlig unverständlich. Vergrämen sie damit doch einen Großteil des bisher durchaus grünaffinen Medien- und Kulturbereichs.

Auch seitens des Bundespräsidenten, dem eine gesunde Medienlandschaft mit Medienvielfalt und Qualitätsjournalismus allein schon aus demokratiepolitischen Gründen ein Anliegen ist bzw. sein sollte, hat es an Unterstützung gemangelt, die älteste Zeitung der Welt am Leben zu erhalten. Der Vorwurf an ihn lautet, die Regierung nicht auf die vorhandenen Alternativangebote zur Weiterführung der Zeitung verwiesen zu haben.

Ungehört verhallt ist übrigens jener Brief, den der legendäre Hugo Portisch gemeinsam mit Heinz Nussbaumer vor 4 Jahren veröffentlicht hat. Darin heißt es unter anderem:

In einer Zeit, in der Qualitätsmedien weltweit einen Überlebenskampf gegen Banalität und Trivialisierung führen müssen – und ihn zu oft auch verlieren –, ist jede Würdigung und Auszeichnung für diese aus vielen Gründen außergewöhnliche österreichische Zeitung ein wichtiger Beitrag, um das Fortbestehen der Wiener Zeitung auch in Zukunft abzusichern.
Diese Hoffnung muss nun begraben werden. Ein möglicher Lichtblick jedoch besteht darin, dass bei einer neuen Regierung nach der nächsten Nationalratswahl die Wiener Zeitung eine Chance auf Wiederauferstehung hat.

ORF-Objektivitätsgebot verletzt ?

Das Ö1-Mittagsjournal und das Ö1-Journal Panorama haben kürzlich über den Stand der Neutralitätsdebatte berichtet. Doch es sind ausschließlich neutralitätsskeptische ExpertInnen zu Wort gekommen.

Udo Bachmair

Die Ö1-Information gehört angesichts eines teils jämmerlichen Zustands der österreichischen Medienlandschaft zu den letzten Highlights. Ausgewogen in der innenpolitischen Berichterstattung, nicht sehr ausgewogen bei außenpolitischen Themen. Und dennoch: insgesamt muss eine eher positive Bilanz gezogen werden.

Vor diesem Hintergrund fallen dann Sendungen umso mehr auf und ins Gewicht, in denen mit dem Objektivitätsgebot, zu dem der ORF gesetzlich verpflichtet ist bzw. wäre, nicht besonders seriös umgegangen wird. Jüngstes Beispiel dafür Tendenzen von Beiträgen und Interviews im ORF-Radio zum Reizthema Neutralität Pro & Contra.

Eine heikle Thematik jedenfalls, weswegen die Positionen beider Seiten zur Meinungsbildung wichtig wären. Doch im jüngsten Ö1-Journal Panorama sind ausnahmslos neutralitätskritische Stimmen vorgekommen. Damit wurde der Eindruck erweckt oder die Botschaft vermittelt, die Neutralität sei längst überholt und Österreich reif für einen NATO-Beitritt.

Siehe bzw. höre dazu die erwähnte Sendung via

https://oe1.orf.at/player/20230622/723015

Als „Anreißer“ für das abendliche Journal Panorama fungierte davor im Ö-1-Mittagsjournal ein langes unkritisch geführtes Interview mit der deutschen NATO-Expertin Bapst über die Sinnlosigkeit der österreichischen Neutralität in Zeiten wie diesen:

https://oe1.orf.at/player/20230622/722998/1687428686000

Ein solches Interview ohne Gegenstimme so prominent einzusetzen, lässt den Verdacht aufkommen, dass sich nun auch die renommierte Ö1-Information zugunsten einer kleinen Interessensgruppe von Offizieren und NATO-PropagandistInnen einspannen lässt, die die Abkehr von Österreichs Neutralität vorantreiben wollen.

Keine Solidarität mit Assange

Er hat US-Kriegsverbrechen aufgedeckt: Julian Assange. Der mutige Journalist soll nun doch ausgeliefert werden. Auch die Medien-Unterstützung für ihn lässt zu wünschen übrig.

Wolfgang Koppler *

„Man nennt mich allenthalben einen Meister der Ironie. Aber ausgerechnet in dem Hafen von New York eine Freiheitsstatue zu errichten…auf den Gedanken wäre nicht einmal ich gekommen.“

Dieses Zitat von George Bernhard Shaw kommt einem in den Sinn, wenn man an das Schicksal von Julian Assange denkt, dessen Auslieferung nach der vor einigen Tagen ergangenen Entscheidung des High Court – trotz des dagegen erhobenen, wohl ziemlich aussichtslosen Rechtsmittels – unmittelbar bevorstehen dürfte. Eine ähnliche Ironie wie die eingangs erwähnte Freiheitsstatue stellt der internationale Tag der Pressefreiheit dar. Insbesondere wenn man an die Gleichgültigkeit von Journalisten gegenüber der Ermordung von Daphne Aruane Galicia, Jan Kuciak, den beiden in Bagdad erschossenen Reuters-Journalisten (trotz des seinerzeitigen Aufrufs von Reuters), aber auch an deren oft handzahme und angepasste Berichterstattung denkt. Oder hat die Forderung Erdogans an Schweden nach Auslieferung unliebsamer kurdischer Journalisten irgendwelche Proteste ausgelöst ? In Schweden demonstrieren ja eh nur NATO-Gegner und PKK-Anhänger (wie man manchen Artikeln entnehmen konnte).

Journalisten sind sehr oft weder die Wahrheit, noch die Medienkonsumenten, ja nicht einmal ihre ermordeten oder gefährdeten Kollegen wichtig. Von der viel beschworenen Pressefreiheit ganz zu schweigen. Obwohl ihnen im Westen meist nicht Gefängnis oder Verfolgung droht, wie in anderen Ländern.

Aber man scheut Unannehmlichkeiten, wie die Reaktionen von Vorgesetzten, Kollegen und Lesern. Passt sich an, schreibt möglichst das, was ankommt. Überschüttet sich gegenseitig mit Preisen. Wenn jemand etwas schreibt, was nicht der herrschenden Linie entspricht, macht man ihn des Öfteren verächtlich. So wie auch die Leser beinahe auf Knopfdruck mit Shitstorms auf Andersdenkende reagieren.

Und so werden Zivilcourage und Verantwortungsbewusstsein immer seltener. Unter Journalisten, in Wirtschaft. Politik und unserer gesamten Zivilgesellschaft.

Es gäbe jetzt eine Möglichkeit, ein Zeichen zu setzen: Alle Redaktionen sollten geschlossen dafür eintreten, dass ihre Zeitung am Tag von Assanges Auslieferung mit einer leeren, schwarz umrandeten Titelseite erscheint. Wenigsten gedenken sollte man der Pressefreiheit (wenn sie einem schon egal ist).

Ganz gleich, wie man zu Assange steht. Aber das was hier passiert, ist – wenn man es recht bedenkt – eine Schande für uns alle. Und es ist auch eine Pervertierung des Rechtsstaats. Denn Assange ist weder US-Bürger, noch hat Assange von den USA aus agiert. Was würde man sagen, wenn China die Auslieferung von deutschen Journalisten wegen der Veröffentlichung chinesischer Regierungsdokumente zu irgendwelchen Menschenrechtsverletzungen verlangen würde ? Oder Großbritannien ? Wenigstens einmal im Leben sollte man Zivilcourage zeigen. Aber auch das ist wohl zu viel verlangt von Journalisten.

Da sägt man lieber an dem Ast, auf dem man selbst sitzt. Benennen wir doch den Tag der Pressefreiheit endlich um in „Tag der Angepasstheit“. So viel Ehrlichkeit sollte sein.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Publizist und lebt in Wien