Archiv der Kategorie: BERICHTE / ANALYSEN

Kapitalismus Problem oder Lösung ?

Die Rolle der Marktwirtschaft und die Armutsbekämpfung ist Thema eines jüngst erschienenen Buches. Als Beispiele werden darin die Entwicklung der Volkswirtschaften Polens und Vietnams angeführt.

Hans Högl: Buchrezension

Rainer Zitelmann (2023): Der Aufstieg des Drachen und des Weissen Adlers. Wie Nationen der Armut entkommen. München. Finanzbuch-Verlag (FBV). Mit Anmerkungen, Personenregister und Literaturverzeichnis, 208 Seiten.

Die Positionen des Autors sind ein Gegenpol zu den in Medien (so im ORF) häufig geforderten staatlichen Eingriffen und Hilfen. Und da tönt es in Medien scheinbar (?) unwillkürlich immer wieder: der Staat möge Probleme lösen. In diesem öffentlichen Diskurs fehlt der Appell zur Selbsthilfe.

Zu meiner Position als Rezensent: Ich bin für das Prinzip der Subsidiarität, befürworte freien Markt u n d bin für adäquate Sozialleistungen des Staates, vertrete also „soziale Marktwirtschaft“, ein Wort, das in Zitelmanns Buch offenbar fehlt. Im besten Fall ist es implizit gegeben im Lob des deutschen Kanzlers Ludwig Erhard.

Zitelmanns Hauptthese ist: Nur eine Gesellschaft, die Reichtum zulässt und Reichtum positiv sieht, kann Armut überwinden (S. 5). Nach den Siegen über die Franzosen und Amerikaner sollte ab 1975 in ganz Vietnam die Landwirtschaft kollektiviert werden (99 f.), obwohl dies in China und in der UdSSR gescheitert war. Die Vietnamesen begannen 1986 mit marktwirtschaftlichen Reformen, wenige Jahre später die Polen.

In beiden Ländern ist heute der Widerstand gegen freie Markwirtschaft viel geringer als in traditionell wirtschaftsliberalen Ländern. Dies belegt der Autor in weltweiten Umfragen (S. 73-91, 156 -173). Finde ein möglichst rascher Übergang von einer Planwirtschaft zu einer freien Marktwirtschaft statt, seien Widerstände gegen die Transformation geringer. Und die Leute würden bei einem Radikalwandel das Spezifikum einer freien Marktwirtschaft besser erfassen als bei einem graduellen Übergang. Dies zur Ansicht von Rainer Zitelmann.

Positives: Beeindruckend ist der Vergleich der beiden heutigen Volkswirtschaften: Polen und Vietnam. Bei einer kürzlichen Fahrt quer durch Polen staunte nicht nur ich, sondern auch Verwandte aus Schweden, über die wirtschaftlich breite Entwicklung in Polen, auch wenn dies nur rasche Eindrücke waren. In Polen kam es im Sozialismus immer wieder zu Protesten und Arbeitsniederlegungen und zur Bildung einer freien Gewerkschaft, eigentlich ein Unding in einem sozialistischen Staat.

Zitelmann ist für Marktradikalismus, also für „Neo-Liberalismus“. Seine Vorbilder sind u.a. Margaret Thatcher, Ronald Reagan. Kein Wort findet sich bei Zitelmann (es war auch nicht sein Hauptaugenmerk) auf die misslungen Privatisierungen von Margaret Thatcher – im Gesundheits- und Verkehrswesen.

Zur Radikalkur in Osteuropa. Menschen waren nach der Transformation „offiziell“ arbeitslos (de facto waren sie es bereits früher), und die älteren Menschen darbten mit Minimalpensionen. Das übersieht Zitelmann. Meist fehlten Fachleute für die Gestaltung des freien Marktes (Polen hatte zum Glück L. Balcerowicz als Finanzminister S. 6., 52). Bei langsamem Übergang blieben oft Altkommunisten an der Macht.

Michael Gorbatschow gesteht ein, es hätte für die Transformation der riesigen Planwirtschaft wie der Sowjetunion Jahre gebraucht. Das wurde unterschätzt. Folgendes fehlt bei Zitelmann: Vorgesehen war in Russland die Ausgabe von Volksaktien an Belegschaften, doch gewitzte Personen kauften den Leuten die Aktien spottbillig ab, die Arbeiter wußten nicht um deren Wert und wurden dafür mit ein paar Flaschen Wodka abgespeist (so dargestellt im Kultursender ARTE), dies wurde Kapital für die Oligarchen in Russland. Ob das im Sinne von Zitelmann wünschenswert war?

„Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung“,schreibt Zitelmann (S.15): Ausgerechnet das partiell kommunistische China trug viel dazu bei, extreme Massenarmut zu mindern: Ein pragmatischer KP-Führer sah ein, es sei wichtig, die Wirtschaft aus Fesseln zu befreien, wobei die KP die Gesamt-Macht nicht abgegeben hat.

Zitelmann vertritt die Ansicht: Wer hilft, schadet. Wir lesen nichts bei ihm über den Marshall-Plan für Europa, der uns auf die Beine geholfen hat. Sehr ausführlich geht er auf die bittere Bilanz der Entwicklungshilfe ein und übersieht in der Kritik der Projekte, dass Unsummen an Finanzhilfen an korrupte einheimische Eliten überwiesen wurden, die viel eher Eigen-Reichtum als den Wohlstand ihrer Länder im Auge hatten, also eben dies taten, was Zitelmann so wünschenswert hält…

Das Buch ist dennoch anregend, die Lektüre lohnt und bietet unbekannte Details und so eine wirtschaftliche Länderkunde Polens und Vietnams, zwei Staaten, die sich der Planwirtschaft entwunden haben. Vietnam musste sich in der langen Geschichte gegen fremde Eindringlinge zur Wehr setzen – gegen Chinesen, Mongolen, Japanern, Franzosen und Amerikanern (S. 97)

Medienkampagne gegen die Neutralität

In Berichten und Kommentaren mehren sich jene Stimmen, die Österreichs Neutralität als überholt betrachten. Experten, die dies anders sehen, sind in unseren Medien eher nicht willkommen. Doch es gibt Ausnahmen.

Udo Bachmair

Beim Medienkonsum der vergangenen Wochen fällt die zunehmende Tendenz in der Berichterstattung auf, die österreichische Neutralität als nicht mehr sinnvoll darzustellen. In der veröffentlichten Meinung dominieren Argumente, die letztlich zur Aufweichung der Neutralität führen sollen. Gleichzeitig fehlt den meisten Neutralitätsskeptikern der Mut, offen auszusprechen, dass die einzige Alternative zu der bei Österreichs Bevölkerung höchst populären Neutralität der Beitritt zur NATO wäre.

Während im Social Media-Bereich auch warnende Argumente vor einer Abkehr von Österreichs Neutralität und einem NATO-Beitritt zu finden sind, wird man diesbezüglich in Printmedien oder auch in ORF-Beiträgen kaum fündig. Es kommen nahezu ausschließlich neutralitätsskeptische und NATO-nahe Stimmen vor, die die Neutralität am liebsten über Bord werfen würden. Differenzierend argumentierende Persönlichkeiten, wie etwa der frühere Bundesheergeneral Wolfgang Greindl oder der besonders profunde Politikwissenschaftler Heinz Gärtner kommen hingegen kaum zu Wort.

Mit einer positiven Ausnahme überrascht hingegen die renommierte deutsche Wochenzeitschrift ZEIT. Sie hat ein höchst bedenkenswertes Interview mit Univ. Prof. Gärtner veröffentlicht.

Gärtner sieht im Beitritt Österreichs zur European Sky Shield Initiative rechtlich keine Neutralitätsverletzung, wenngleich das österreichische Bundesheer damit NATO-tauglicher gemacht werden solle. Der Politologe befürchtet aber Gefahren für unser Land. Raketen des künftigen Luftabwehrsystems könnten nicht nur ein Schutz, sondern auch zu einem „Magneten“ werden:

„Man weiß ja noch nicht genau, welche Waffen Österreich am Ende kaufen wird, aber die Rede bei Sky Shield ist zum Beispiel von solchen, die 20 bis 80 Kilometer weit fliegen können. Diese können nicht nur als Defensiv-, sondern auch als Offensivwaffen betrachtet werden – und damit zu einem Ziel werden. Ein potentiell feindlicher Staat könnte versuchen wollen, sie zu vernichten“

Prof. Gärtner hebt in dem ZEIT-Interview die Funktion des neutralen Staates als Vermittler in Konfliktsituationen hervor. Österreichs Außenpolitik hat sich ja von dieser noch zu Kreiskys Zeiten vorbildlichen Rolle Österreichs bereits sehr weit entfernt :

„Nach einem Ende des Krieges in der Ukraine sollte es einen Prozess geben – wie die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in Helsinki 1975. Die Nato-Staaten werden diese Funktion nicht übernehmen können. Österreich oder die Schweiz aber schon“

Und dann im Interview die erwartete und immer wieder in den Medien gestellte Frage: Ist die Neutralität noch zeitgemäß ? Heinz Gärtner dazu klar: „Ja, natürlich“:

Heinz Gärtner plädiert in dem Gespräch mit ZEIT-Redakteur Florian Gasser für das Konzept einer „engagierten Neutralität“, indem er ausführt:

„Wir müssen uns so viel wie möglich einmischen und so viel wie notwendig raushalten. Das ist etwas anderes als die traditionelle isolationistische Position, die etwa die FPÖ noch vertritt. Die wollen still sitzen und sich nirgendwo beteiligen. Das ist das Gegenteil einer engagierten Neutralität. Österreich sollte sich diplomatisch unbedingt stärker engagieren. Wir müssen uns wieder mehr einsetzen und uns auch wieder stärker bei Friedensmissionen der UN beteiligen.“

Auch im neutralen Irland läuft zu diesem Thema eine rege Debatte. Dort dürfte man jedoch im Widerstand gegen eine Aufweichung der Neutralität schon weiter sein als in Österreich. Als besonders laute und beherzte Stimme pro Neutralität erweist sich in Irland die linke EU-Abgeordnete Clare Daly. Sie ist als Hauptrednerin und Organisatorin einer Neutralitätskonferenz vehement gegen Versuche der irischen Regierung aufgetreten, Abstriche von der Neutralität zu machen.

Näheres zur Neutralitätsdebatte in Irland hat Fritz Edlinger, Herausgeber und Chefredakteur der renommierten Zeitschrift INTERNATIONAL zur Verfügung gestellt:

www.international.or.at/wp-content/uploads/2023/07/Reinisch_Irl-Neutraliaetsdebatte_International_2023-07-01.pdf

Vorbildlicher Klimajournalismus

Das KLIMAMAGAZIN der jüngsten Ausgabe der Wochenzeitung FALTER entpuppt sich nicht als Werbebeilage für unternehmerisches Greenwashing, sondern als ein inhaltsreiches Dossier für alle, die die Hitze nicht mehr kalt lässt.

Ilse Kleinschuster *

Traurig ob des Verlusts, greife ich in der Trafik – noch unschlüssig welche Tageszeitung mir künftig „meine geliebte Wiener Zeitung“ ersetzen soll – zum FALTER. Und ich hab’s nicht bereut, denn der Wochenausgabe in der ersten Juli-Woche lag ein fast 50 Seiten dickes Kompendium bei, das KLIMAMAGAZIN 2023. „Bewegen, Schaffen, Verändern, Überzeugen“, versprach der Untertitel, und er hat nicht zu viel versprochen. Wenn dieses Heft auch nicht die Welt retten wird, kann es sich doch mit gutem Recht ein „Best-Practice-Paket“ nennen.

Da erklärt zum Beispiel die Transformationsforscherin Ilona Otto, was es braucht, damit die Gesellschaft sich ändert. Da werden Klimahelden vorgestellt. Umweltbewussten Autoliebhabern werden hoffnungsmachende Alternativen zum Verbrenner aufgezeigt. Natürlich geht es auch hier nicht ohne Werbeeinschaltungen, aber in vernünftigem Ausmaß. Warum sollte an dieser Stelle das Umweltcenter der Raiffeisenbank Gunskirchen – DIE GRÜNE BANK – nicht auf sich aufmerksam machen, wenn es um Investitionen in eine lebenswerte Zukunft geht, oder der ÖBB-Wegfinder mit seinen Apps für Öffis, Sharing & Co.! Auch den Innovationen im Wirtschaftsbereich sei Raum für Werbung gegönnt, vor allem auch den einschlägigen österreichischen Institutionen für Weiterbildung im Bereich Nachhaltigkeit und Energie, denn, wo kämen wir hin, wenn nicht von dieser Seite Impulse für klimarelevantes Bauen und CO2-neutrales Wirtschaften kämen.

Einige relevante Buchbesprechungen sind da zu finden, beeindruckend vor allem solche, die von den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, u.a. zu ‚biologischen Geheimwaffen‘ berichten. Ja, hier steckt schon viel Überzeugungskraft drin – und klar, gute Kommunikation ist wesentlich, so erfahren wir, dass die deutsche Plattform klimafakten.de regelmäßig neue Erkenntnisse aus der Klimaforschung aufbereitet und uns zugleich erklärt, wie man am besten übers Klima sprechen soll.

Ein Bericht über das Netzwerk Klimajournalismus Österreich krönt dieses Magazin. Seine Mitgründerin, Katharina Kropshofer, analysiert den Bereich Klimakommunikation und meint, wir hätten noch keine zufriedenstellende Antwort. Die Frage, wie es zu schaffen ist, der Klimakrise genug Platz zu geben, ihre Dringlichkeit zu betonen und gleichzeitig die Leute nicht zu überfordern, war schließlich Anlass, weltweit an einem Klimakodex zu arbeiten. Fünf Ansätze ziehen sich durch: 1. Die Klimakrise als Dimension sehen, 2. Basisbildung, kreative Berichterstattung, 3. Angemessene Sprache und Bebilderung, 4. Überdenken der Medienlogik, 5. Gute Kenntnis der Leserschaft.

Österreichs Haus- und Hofphilosoph, Konrad Paul Liessmann, durfte natürlich auch noch seine Stellungnahme abgeben. In einem Gespräch mit Florian Klenk meint er, es werde durch Katastrophismus und Untergangsrhetorik unser politisches Denken in eine falsche Richtung gelenkt. Er meint auch, dieses Unterdrucksetzen der Regierung von der Straße her (Letzte Generation!) sei „für demokratische und säkulare Gesellschaften, für Gesellschaften, die auch ihre politischen Geschäfte auf ein Minimum an Rationalität gründen wollen, nicht zumutbar.“ Die Klimaproteste hätten demnach bei der eigenen Generation kein entsprechendes grünes Bewusstsein geschaffen. Nun ja, diese Frage wird noch lange die Gemüter bewegen, bleiben wir also offen für die Probleme, die uns die Klimakrise bereitet und versuchen wir, breitere Plattformen zu fördern, die sich dieser Thematik stellen.

* Ilse Kleinschuster ist Journalistin und besonders engagierte Vertreterin der Zivilgesellschaft.

Lob für den ORF

Der schwarze Kontinent ist ein weithin weißer Fleck der Berichterstattung unserer Medien. Eine diesbezüglich positive Ausnahme stellt die engagierte Afrika-Korrespondentin des ORF, Margit Maximillian, dar.

Wolfgang Koppler *

„Alles andere ist wichtiger als Afrika“ beklagt Margit Maximilian auf der Website der Hilfsorganisation Care und verweist dabei auf Gleichgültigkeit und Unwissen von vielen ihrer Kolleg:innen zu dortigen Konflikten, aber auch positiven und negativen Entwicklungen in diesem vergessenen Teil der Welt.

Die ORF-Journalistin ist viel in Afrika unterwegs und der Kontinent ist ihr fast schon zur zweiten Heimat geworden. Wie auch ihr Beitrag im letzten ORF-Weltjournal über den Bau einer Ölpipeline in Uganda beweist. Sie zeigt ein sehr buntes Bild dieses Landes. Die wunderschönen Naturparks, ebenso wie die Armut und die unterschiedlichen Ansichten zu dem – angesichts des Klimawandels, aber auch der zu befürchtenden Beeinträchtigungen der Umwelt problematischen – Projekt. Aber ebenso wie andere afrikanische Staaten benötigt das im Vergleich zu seinen Nachbarn noch relativ friedliche Uganda Impulse für die Wirtschaft, auch um später selbst auf umweltfreundliche Technologien setzen zu können.

Auch wenn der Westen für den Klimawandel verantwortlich ist, dürfen wir uns nicht selbst die Hände schmutzig machen, um gegenüber den Industrieländern auftreten zu können, meint ein afrikanischer Aktivist. Wir sollten uns zusammensetzen, um globale Gerechtigkeit zu entwickeln. Man kann eine derartige Gelassenheit angesichts der vielen hundert Milliarden Dollar, die Ukrainekrieg und Wiederaufbau kosten werden – und der selbstgefälligen Kriegspropaganda des Westens (Europa im Kampf gegen Putin, wie vor einigen Monaten die Avisos auf ORFIII lauteten) – nur bewundern.

Es ist bezeichnend, dass Margit Maximilian von Kolleg:innen und Medienkonsumenten kaum wahrgenommen wird. Afrika ist einfach nicht „in“. Wer sich für die Projekte von Care und für die Arbeit von Margit Maximilian interessiert:

Warum „alles Andere ist wichtiger als Afrika“ nicht stimmt

* Wolfgang Koppler ist Jurist und Journalist und lebt in Wien

Kritik am ORF

Ohne entsprechende Gegenargumente hat jüngst eine ZiB2- Sendung den Einsatz von Streumunition als taktisch vorteilhaft verharmlost.

Wolfgang Koppler *

Kürzlich wurde ja eine Änderung des ORF-Gesetzes beschlossen und hat auch im Plenum des Nationalrates die erforderliche Mehrheit bekommen. Auf eines wurde allerdings vergessen: Den Namen ORF entsprechend der Berichterstattung zum Ukrainekrieg umzuwandeln in SOG: Sender ohne Gewissen.

Dieser Gedanke kam mir anlässlich eines ZiB2-Beitrags zu der von den USA angekündigten Lieferung von Streumunition. Moderator Martin Thür erklärt uns, dass diese schon beiden Seiten eingesetzt wird. Oberst Reisner vom Bundesheer beschreibt uns anhand einer Graphik die taktischen Vorteile des Einsatzes dieser von 110 Staaten vertraglich geächteten Waffen. Russland und die USA seien (ebenso wie die Ukraine) diesem Abkommen ja nicht beigetreten. Und die vielen Toten, Verwundeten und Amputierten bekommen Zuseher und Journalisten sowieso nicht zu Gesicht. Man darf annehmen, dass auch der Einsatz von taktischen Atomwaffen eine ähnlich wohlwollende Aufnahme in der ZiB2-Redaktion erfahren würde.

Interessant, dass nicht nur UN-Generalsekretär Guterres und selbst Premier Rishi Sunak für die ansonsten durchaus kriegerischen Briten laut APA ihre Ablehnung geäußert haben.

* Gastautor Wolfgang Koppler ist Jurist und Journalist und lebt in Wien.

Medial überdramatisierte Welt

Menschliche Psyche findet negative Nachrichten wichtiger.

Hans Högl

Ich greife den medienkritisch – wertvollen Beitrag der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift „Pragmaticus“ auf. Auf S. 15 heißt es zutreffend: „Wir leben in einer überdramatisierten Welt. Das hat viel mit den Mechanismen des Mediengeschäfts zu tun. Schlechte Nachrichten verkaufen sich einfach besser, jede Webseite kann dies mit einem Klick genau überprüfen.“ Es liegt aber auch an der menschlichen Psyche: Gute Nachrichten werden als weniger wichtig und auch weniger spannend wahrgenommen.

Der Medienkonsument sollte sich fragen: Kommen auch unterschiedliche Standpunkte vor, oder berichtet das Medium gesamtheitlich einseitig zu einer Thematik? Sind die Autoren wirklich unabhängig oder verfolgen sie – wie beispielsweise NGOs und Lobbygruppen ganz spezifische Ziele der Meinungsbeeinflussung? Ähnliches gilt für Studien und Statistiken.

Unter Framing wird verstanden, aus einem realen Geschehen jene Aspekte hervorzuheben, dem dem gewünschten Erzählmuster entsprechen.

Migration kein Hauptgrund der Unruhen

Der französische Ex-Premier Holland sieht nicht die Immigration als Hauptursache für Unruhen in Frankreich.

Hans Högl

Nur ein Blick und ich entnehme der angesehenen, wirtschaftsliberalen Zeitung „Le Figaro“ vom 11.7.2023 eine differenziertere Deutung der Unruhen in Frankreich. Hierzulande ist in Medien nur die Rede von den Migranten-Unruhen in Vorstädten.

Der frühere sozialistische Premier Francois Holland sieht die Gründe für die Unruhen differenzierter: Meist wird dafür die massive Immigration verantwortlich gemacht, die seit 50 Jahren die französische Bevölkerung verändert. F. Hollande: Es geht um eine Krise der Autorität, der Auflösung der Familie, um die Disfunktionalität der Republik, um den Mangel an Respekt für die Polizei. Es geht darum, nicht primär um Immigration: 90 Prozent der Aufständischen sind verwaltungsmäßig Franzosen.

Il est d’abord apparu évident aux yeux de tous que les émeutes de la semaine dernière étaient indissociables de l’immigration massive, qui a transformé en profondeur la population française depuis cinquante ans. Plusieurs voulurent croire qu’elles s’accompagneraient d’une prise de conscience, entraînant plus tôt que tard un véritable changement de cap politique. Il fallait être bien naïf pour s’imaginer cela.

C’est François Hollande qui a amorcé la contre-offensive en affirmant que ces émeutes n’avaient rien à voir avec l’immigration. Il était permis de parler de la crise de l’autorité, de l’effondrement de la famille, des dysfonctionnements de la République, du manque de respect pour la police… de tout, sauf de l’immigration. Les commentateurs furent trop heureux de se rallier à cette interprétation lorsqu’ils apprirent que 90 % des émeutiers interpellés étaient administrativement de nationalité française. Ils n’y virent pas le signe d’une dissociation de plus en plus marquée entre la nationalité…

Schwerpunkt „Good News“

Good News ist das Hauptthema der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift „Pragmaticus“.

Hans Högl

Die Zeitschrift brachte im Juli einen Schwerpunkt, einen ausführlichen, über Good News, und zwar so ausführlich, wie ich es bisher nie in einem Magazin gesehen habe. Ich sah gute Ansätze im deutschen Magazin „Stern“, ich sah bisweilen kurze Gute Nachrichten in den „Salzburger Nachrichten“ und auch im „Kurier“, aber in dieser umfassenden Form noch nie irgendwo. Dies hier in „Pragmaticus“ ist eine fundamentale Medienkritik.

Der Chefredakteur von „Pragmaticus“ (stammend aus dem Red- Bull- Konzern) ist ein ehemaliger Wirtschafts – Ressortleiter im „Standard“. Aus den vielen Seiten „Guter Nachrichten“ kann ich hier nur auf ein paar hinweisen. Offenbar sind sie inspiriert von dem schwedischen Statistiker Hans Rosling. Irgendwo scheint so nebenbei sein Name auf.

Sehr wichtig erscheinen mir die Aussagen des Saarbrückner Soziologieprofessors Martin Schröder. Greifen wir ein paar Beispiele auf: Afrikas Schulbildung ist schon „längst der Normalfall, nicht mehr die große Ausnahme“. Die Menschheit hat schon viele angekündigte Weltuntergänge ohne Schrammen überstanden: Wir haben das Ende des Maya-Kalenders überlebt, das Ozonloch, den Millennium-Bug unbeschadet überstanden. Der nächste Weltuntergang kommt bestimmt. Das reicht für diesmal. Man lese das Magazin.

Reste von Vernunft

Hin und wieder ist auch in der Kronenzeitung Positives zu entdecken.

Wolfgang Koppler *

Man sagt mir nach, ich sähe im Emmentaler nur die Löcher. Und so fallen mir meistens Beispiele für schlechten Journalismus auf.

Die Krone vom 3.7. war (abgesehen von der etwas reißerischen Schlagzeile) eine angenehme Überraschung. Auf den Seiten 2-3 ein Interview mit Philipp Kucher, dem neuen Klubchef der SPÖ im Nationalrat, in dem es darum ging, wie man die Partei wieder einen könnte. Kucher gilt ja als Doskozil-Mann (aber auch als Brückenbauer) und erkennt die Notwendigkeit, Doskozil und seine Anhänger in den Erneuerungsprozess einzubinden

Ein wirkliches Highlight war aber Christians Hauensteins Artikel auf S 4: Er nimmt die Diskussion über die österreichische Neutralität anlässlich des nicht ganz unproblematischen Beitritts zum Luftverteidigungssystem Skyshield zum Anlass, die internationale Bedeutung der Neutralität von Österreich und der Schweiz als Beispiel für andere Länder hervorzuheben, die – so wie einst Österreich – in den Konflikt zwischen Machtblöcken zu geraten drohen.

Zu solchen Ländern zählen ehemalige Sowjetrepubliken wie die 5 „Stans“, also Turkmenistan, Kasachstan, Usbekistan. Kirgistan und Tadschikistan. Das autoritär regierte, aber laut Verfassung neutrale Turkmenistan hat nämlich in Kooperation mit der Parlamentarischen Versammlung der OSZE zu einer Veranstaltung mit dem Titel „Neutralität in Zentralasien“ nach Aschabad geladen, zu der neben Vertretern der obgenannten Staaten auch Diplomaten aus Deutschland und Russland kamen. Und Experten aus der Schweiz und Österreich, wie etwa Heinz Gärtner, die die Vor- und Nachteile sowie die jeweilige Auslegung der Neutralität in ihren Ländern erklärten. Sie sprachen sich für einen neutralen Block in Zentralasien aus. Kronejournalist Christian Hauenstein meinte am Schluss seines Beitrags, die „atomwaffenfreie Pufferzone“ dieser Staaten könnte dadurch stabiler werden.

Was eigentlich jedem vernünftigen Menschen einleuchten müsste. Insbesondere wenn man Politik als Spiel von Interessen begreift. Aber in Kriegszeiten geht die Vernunft bekanntlich regelmäßig verloren. Und so wurde auch diese Veranstaltung in anderen Medien weitgehend totgeschwiegen. Denn Neutralität gilt als unmoralisch.

*Gastautor Wolfgang Koppler ist Jurist und Journalist und lebt in Wien

Keine 2/3-Gesellschaft

Kein Arbeitslosen -„Heer“- trotz Internet. Ein Ergebnis der Arena-Analyse 2023, die kürzlich präsentiert wurde.

Hans Högl

Österreich braucht mehr Arbeitende, als zur Verfügung stehen. 2022 konnten 70 % aller Betriebe ihren Personalbedarf nicht zur Gänze decken.

Die Arena Analyse 2023: „Chancen in Sicht“- hg. von Kovar & Partners – Verfasser: Walter Osztovics und Andreas Kovar- wurde kürzlich im österreichischen Parlament präsentiert. Daraus heben wir einen Aspekt hervor, der bisher in Medien wenig beachtet wurde.

Die Arbeit geht uns aus, so tönte es häufig in vergangenen Jahren …. Durch das Internet und die Automatisierung käme es definitiv zu einer Zwei-Drittel-Gesellschaft: Zwei werden Arbeit haben, das andere Drittel ist definitiv arbeitslos. Also rund 30 % Arbeitslose – eine schaurige Zahl! Um dem zu begegnen, böte sich als Lösung das Grundeinkommen für alle an….

Hier die dreifach begründete Entwarnung- diesen Wandel greife ich exklusiv für die Vereinigung für Medienkultur auf. Die Gründe dafür sind: demografischer Natur, der Wertwandel und gemanagte Zuwanderung.

Zur Bevölkerung: Die Zahl der geborenen Kinder betrug in Österreich 1958 knapp 120.000 (exakt: 119.755). Im Jahr 2013 waren es nur 78.235 Kinder. Es gibt also viel weniger 20-jährige, die ins Berufsleben einsteigen, als 65-jährige, die ausscheiden. Diese Schieflage wird bleiben. 1973 machte sich der Pillenknick bemerkbar, und die Zahl der Geburten fiel erstmals unter 100.000.

Doch die Generation derer, die ins Erwerbsleben einsteigen, hat auch andere Wertvorstellungen als damals. Hohes Einkommen steht nicht mehr an erster Stelle. Neben dem Wunsch nach Sinnerfüllung und Entfaltungschancen spielt auch die erwünschte Arbeitsbelastung eine Rolle. Forderung nach einer Viertage-Woche oder 30-Stunden-Teilzeitjobs gehören in Vorstellungsgesprächen zur Tagesordnung. Viele wollen eigene Ideen einbringen und/oder genügend Freizeit haben, etwas Nützliches für die Gesellschaft tun, und die Familie soll nicht zu kurz kommen.

In diesem Sinne sind Ökonomen der Ansicht. Wir brauchen eine Nettozuwanderung, ein Immigrationssaldo, von rund 21.000 Menschen, damit die Bevölkerung einigermaßen stabil bleibt. Für die österreichische Wirtschaft reicht das nicht: dafür wäre eine Nettozuwanderung von 50.000 Menschen im Jahr nötig (Arena-Analyse S. 28 f. ).