Archiv der Kategorie: MEDIEN – UNIVERSITÄT

Destabilisierung der politischen Fundamente

Fundamentalkritik: Hintergründe

Hans Högl

Die „Dämonen“ von Dostojewski hätten mehr Aussagekraft als die Botschaften von Karl Marx. Sicherlich: Eine sehr gewagte Aussage von Albert Camus. Das Wiener Burgtheater inszeniert den genannten Roman auf der Bühne. In Vorbereitung auf diese 4-stündige fordernde Dramatisierung griff ich auf die deutsche Übersetzung der „Dämonen“ zurück und befasste mich mit den Anarchisten am Ende des 19. Jahrhunderts im vorrevolutionären Russland. Ein Drahtzieher dieser Anarchisten, die Morde, Brandstiftungen und diverse Unruhen in einer Kleinstadt bei Petersburg in Szene setzten und sich in 5er-Komitees „verschwörten“ und die Gesellschaft in Angst und Schrecken versetzten, wurde gefragt, warum sie das tun. Dieser antwortete „eilig und eifrig“:

„Zum Zwecke einer systematischen Erschütterung der Fundamente; zum Zwecke einer systematischen Zersetzung der Gesellschaft und aller Elemente; um alle zu entmutigen und aus allem einen Mischmasch zu machen und, wenn dann die Gesellschaft auf diese Weise ins Wanken gebracht, krank und matt, zynische und ungläubig geworden sei, sich aber grenzenlos nach einem leitenden Gedanken und nach Selbsterhaltung sehne, sie auf einmal selbst in die Hand zu nehmen, indem man die Fahne der Empörung erhebe und sich auf ein ganzes Netz von Fünferkomitees stütze, die unterdes gewirkt, geworben und praktisch alle Kunstgriffe und alle schwachen Stellen, die man in Angriff nehmen könne, ausprobiert hätten.“
Zitat aus: Fjodor Dostojewski: Die Dämonen. Insel Taschenbuch, 2. Aufl. 2019, p. 919.

Diese Zielsetzung einer systematischen Zersetzung unserer demokratischen Fundamente und der Gesellschaft ist unausgesprochenes Ziel einzelner aktueller politischer Bewegungen – in den Jahrzehnten nach 2000 und davor. Sie kritisieren alles nur Denkmögliche und verfolgen eben diese Ziele wie die Anarchisten im vorrevolutionärem Russland.

Im Kampf gegen die Klimakrise

Die Welt-Klimakonferenz in Ägypten plädiert für große und kleine Schritte im Kampf gegen die Klimakrise. Zum Thema ist ein interessantes Buch erschienen.

Hans Högl

Buch-Rezension: Deepa Gautam-Nigge: Ecosystem Innovation. Mit Innovationen unsere Zukunft sichern, Freiburg (Haufe Group), 2022.

Zum idealen Zeitpunkt der internationalen Klimakonferenz erscheint ein Öko-start-up Buch. Doch noch kleinere Öko-Schritte zählen, so bringt die Grazer „Kleine Zeitung“ täglich links oben S. 2, sehr gut positioniert, kurze Ökotipps und einen Beitrag über Studierende, die für Anfängerstudien mit 333 € belohnt wurden. Ja- dies sind weltweit Bagatellen, aber Realschritte. Das ökologische Anliegen bekommt Wurzeln und ist mehr als politisches Trara.

Nun zur Rezension des mit vielen Fotos einladenden, schön gegliederten Sammelbandes, zu dem man gerne greift. Umfang: 299 Seiten. Der Name der Autorin überrascht: Sie hat eine Zuwandererbiografie, ihre Eltern kamen aus Nepal, landeten 1972 am Frankfurter Flughafen – mit zwei Koffern und 250 DM und als Mediziner. Sie ließen sich auf eine neue Kultur und Sprache ein (S. 30 f). Unter Migranten sind es Macher, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und Risikos einzugehen. Die Autorin, Rheinländerin, studierte BWL mit Fokus auf Technologie- und Innovationsmanagement und lebt mit ihrer Familie in München.

Vor mehr als zehn Jahren wurde ein Projektleiter gesucht. Thema: Ecosystem Innovation. Deepa meldete sich. Vorgaben keine, Erwartungen unklar. Sie stellt ein interdisziplinäres Team mit bisher Unbekannten zusammen – acht Köpfe aus dem Marketing, Produkt- und Personalmanagement. Die Aufgabe: Man nehme eine fast fertig ausgereifte Innovation, die noch nicht den Weg zur breiten Kommerzialisierung gefunden hat und motiviere Menschen, diese Technik anzuwenden. Das Ergebnis: überwältigend (S.18).

Beim Buchprojekt ging es ähnlich zu: Es betraf mehr Vernetzung bei Innovationen. Wolf Lotter, Gründer des Wirtschaftsmagazins „brand eins“, wurde zur breiten, deutschen Skepsis versus neuer Technologien befragt. Lotter: Das politische System blieb seit Bismarck relativ autoritär, und es fehlt, was in Frankreich, England und in den USA selbstverständlich ist, an Citoyens, selbstbewussten Bürger:innen, die sagen: Das nehme ich in die Hand (S. 38). So findet sich im Buch wiederholt die Frage, was der Staat tun könne. (Auch in Österreich wird immer wieder nach dem Staat als einzigen Problemlöser gefragt – trotz Politik(er)-Verdrossenheit…).

Deepa Gautam-Nigge beschäftigt sich seit zwei Dekaden – mit der Markeinführung von Eco-Innovationen. Und sie zählt sich zu den 20 Prozent der Menschen, die Neues suchen (S. 18). Unternehmen mit Diversität an Belegschaft haben eine bis 20 Prozent höhere Innovationsrate. In den USA sind die Hälfte aller Unicorns, die mit mindestens 1 Milliarde $ bewertet sind, von Migranten oder deren Kinder gegründet worden. In Deutschland sei das Willkommen versus ausländischen Arbeitskräften kühl: Bei der Bewertung, wie einfach es ist, sich einzuleben, kommt Deutschland erst auf Platz 56 von 65 Ländern (S. 32). Doch in Berlin und München sind Arbeitsteams international stark aufgestellt.

Auf der Suche nach dem optimalen Start-up-Ökosystem geht der Blick ins Silicon Valley. Als Hauptzutaten für den Erfolg werden gemeinhin genannt: Technologien, Talent, Kapital (S. 82). Deepa: Wir dürfen, wenn wir über Defizite sprechen, die vielen positiven und mutmachenden Beispiele, die Erfolgsgeschichten deutscher start-ups, nicht aus dem Auge verlieren (S. 28). „Lieber einmal weniger darüber nachdenken, was alles schief laufen könnte… (wie dies Medien gern tun), „sondern optimistisch davon ausgehen, dass es gut gehen wird“ (S. 33). Innovation gelingt an den Schnittstellen diverser Netzwerke. Deutschland hat auch innovative Zentren- so die RWTH Aachen mit Prof. Günther Schuh, und die vielen Mitautoren belegen es. Faktum ist, dass Unternehmen auch mit Ökologie gut verdienen können – so ein Betrieb in meiner Wohnumgebung.

Das Buch will Zukunft gestalten. Deutschlands Abstand zu den Innovationsspitzenreitern Schweiz, Singapur und Belgien ist groß. Es liegt auf Platz 17 der 60 wettbewerbstüchtigsten Ländern (S. 19f.).

Digitale Integrität

Wer hat Zugriff auf Daten im Sozialsystem?

Hans Högl- Analyse

Schon mehrfach habe ich Bücher zur Digitalisierung besprochen. Doch die folgenden Fragen sind neu zu durchdenken und fragen nach einer Lösung. Wer darf meine Daten einsehen? Dürfen sie verkauft werden? (Man denke an Werbebriefe). Was passiert mit Daten, Aufzeichnungen nach dem Tode? In dieser Grundrechtsdiskussion hat sich nun als Alternativbegriff die digitale Unversehrtheit (Integrität) etabliert.

Daraus folgen konkrete Fragen für das Sozialsystem, für deren Ebenen: für die Gesamtgesellschaft (Staat, UNO), innerstaatliche Institutionen (Ministerien, Landesregierungen, Polizei), nichtstaatliche Organisationen (Banken, Medien), für Gruppen (Parteien, NGOs, Vereine, Familien) und auch für Einzelpersonen (Wissenschafter, Schriftsteller, Privatpersonen und solche öffentlichen Lebens). Diese spezielle Thematik ist wohl Teil der Regelungen eines zu differenzierenden Datenschutzes. Der Journalismus hat das Recht, Infoquellen nicht bekanntgeben zu müssen.

Die Handhabung dieser bisher nur marginal berührten Fragen kann handfeste Konsequenzen haben. In der Schweiz will Kanton Genf das Recht auf digitale Unversehrtheit in der Verfassung verankern.

Ukraine u. Russland: Geschichtslücken

Historische Notizen fehlen oft in aktuellen Berichten

Hans Högl – Basiswissen von Osteuropa-Experten

Fast nur Qualitätsmedien bieten Basiswissen zu Konflikten. Darum lasse ich Osteuropa-Experten über die Ukraine zu Wort kommen – in: „Russische Geschichte“ von Manfred Alexander (Kröner Verlag, Stuttgart 2018, mit Register, 924 Seiten !). Hier zeichnen wir nur große Linien ab 1917 – von der Roten Armee über Stalin bis zur Orangenen Revolution.

1917: Für die Bolschewisten war die Ukraine existentiell. Ohne sie mit ihrem Reichtum an Menschen und Naturprodukten erschien keine russische Großmacht möglich, gleichgültig ob ein Zar oder ein Zentralkomitee herrschte. Doch die Träume der ukrainischen Nationalisten von einem eigenen Staat scheiterten an der Uneinigkeit der Ukrainer (S. 586). Der deutsche Vormarsch im Frühjahr 1918 befreite die Ukraine von den Bolschewisten; doch den abziehenden Deutschen folgte Ende 1918 die Rote Armee, die im Mai 1920 vorübergehend den Polen (!) Kiew überlassen musste.

Stalin ab 1930: Die Kollektivierung der Landwirtschaft unter Stalin brachte ein „ungeheures“ Leid über die Ukraine. Obwohl die Zahlen unsicher sind, rechnet man mit 600.000 bis 800.000 Familien, die von ihren Höfen vertrieben wurden. Und die Zahl der Todesopfer übersteigt mehrere Millionen. Besonders in der Ukraine hat man in Stalins Aktion einen gezielten Völkermord durch Hunger erblickt, „aber auch hier hat die neuere Forschung vor voreiligen Schlüssen gewarnt; denn auch russisch besiedelte Gebiete an der Wolga und im Nordkaukasus waren in ähnlicher Weise betroffen“ (S. 644 f.)

1954 war die Krim an die Ukraine übertragen worden. Einer Mehrheit von 72,6 % Ukrainern standen 22,2 % russisch sprachigen Staatsbürgern gegenüber, die im östlichen Gebiet des Donbass und auf der Krim lebten. Das Referendum vom 1. Dez. 1991 ergab eine Zustimmung von 90 % zur Souveränität, auch die zu 67 % von Russen besiedelte Krim hatte mehrheitlich zugestimmt. Gegenüber dem Westen konnte die Ukraine das Überlassen der Atomwaffen an Russland zu einem politischen Handel nutzen, der ihr Kredite und Hilfe für die Modernisierung oder gar einen Ersatz des Kernkraftwerkes Tschernobyl verschaffte.
Aus Moskauer Sicht wird der Bezug zur Ukraine als Problem einer besonderen Nachbarschaft gesehen- mit einer langen gemeinsamen Geschichte. Doch die Ukraine entfernte sich immer mehr von der GUS (S. 814 f.). Moskau lehnte alle Formen einer Eingliederung der Ukraine in westliche Strukturen ab und unterstützte russisch orientierte Kandidaten bei den Wahlen, wurde jedoch durch die „Orange-Revolution“ im Herbst 2004 mit der Wahl von Juschenko brüsk zurückgewiesen (S. 813-820).

Jugend: Angst und Hass

Medien vom Bild dominiert

Hans Högl –
Resumé des Vortrages: Angst und Hass in Jugendkulturen von Bernhard Heinzelmaier 

Der bekannte Jugendforscher hielt kürzlich beim Philosophicum in Lech den Vortrag „Angst, Ressentiment und Hass in den Jugendkulturen “. Er sieht bei der Jugend eine ohnmächtige Wut, die sich nach innen kehrt und zur „seelischen Selbstvergiftung“ führt, und er zeichnet nach, wie das Vertrauen zunehmend erodiert, so jenes zum Staat in den Mittel- und Unterschichten und sieht „so etwas wie ein postmodernes Duckmäusertum“. Dies liege an angstbesetzten Themen und führe zu einer Schweigespirale.

Wo jedoch Diskussionen geführt werden, seien diese hochgradig emotional. Eine Ursache dafür ortet der Jugendforscher in der Medienlandschaft, die immer mehr vom Bild dominiert sei und wo Argumente immer weniger eine Rolle spielten. Das wichtigste Bildungsmittel für Jugendliche sind YouTube und Instagram.

Russische Geschichte

Zeitgeschichte bis in die Ära Putins

Hans Högl

Ein guter Bekannter machte mich auf das Buch „Russische Geschichte“ von Manfred Alexander aufmerksam, das ursprünglich von Günther Stökl verfasst wurde (Kröner Verlag, Stuttgart 2018, mit Personen-, Orts-u.Sachregister, 924 Seiten !). Ich habe die Periode ab Gorbatschow bis in die Ära Putins genau gelesen und kann mich der folgenden Rezension nur voll anschließen:

Diese verlässliche und äußerst anschaulich geschriebene Darstellung rekapituliert die ereignisreiche russische Geschichte, die seit dem Zerfall der Sowjetunion und den Entwicklungen im Russland der letzten Jahre sehr an Aktualität gewonnen hat. Für die nun vorliegende 7. Auflage hat Manfred Alexander (Univ.Prof.u. Spezialist für Osteuropa) den gesamten Text gründlich überarbeitet, auf den neuesten Stand der Forschung gebracht und bis in die Ära Putin hinein fortgeschrieben.

Zum öffentlichen Diskurs

Wir brauchen den öffentlichen Intellektuellen ohne Öffentlichkeitssucht!

Peter Strasser: em. Grazer Univ.Prof. (Hans Högl- Resumé eines Beitrages)

Eine pluralistische Demokratie mit ihren Routinen und ihren Blickverengungen braucht kluge und kritische Stimmen, welche die Öffentlichkeit aufrütteln. Leider gibt es zu viele Skandalbewirtschafter und Selbstdarsteller.

Die pluralistische Demokratie hat ihre Lobby, ihre Korruption, ihre nationale Blickverengung und geistig weiße Flecken, die von quotenabhängigen Massenmedien kaum aufgegriffen werden. Darum bedarf es intelligenter Stimmen, die nicht am Mainstream orientiert sind, wohl aber am sachverständigen Kommentar.

Im Verlag Sonderzahl erschien Peter Strassers Buch „Eine Hölle voller Wunder. Spätes Philosophieren“ (2021)

Die große digitale Gereiztheit

Was digitale Erregtheit bewirkt.

Ein Fall, der mir Stunden nach dem Lesen präsent blieb : Ein Bericht im Buch „Die große Gereiztheit“ von Publizistikprofessor Bernhard Pörksen. Der Text spielt nicht auf aktuelle Ereignisse an.

Hans H ö g l

Es ist der 12. Januar 2016 in Berlins Häuserschluchten. An diesem Tag lügt die 13-jährige Lisa die Mutter an, nachdem sie 13 Stunden nicht auffindbar war. Lisa ist am Vortrag auf dem Weg zur Schule verschwunden. Sie war die Nacht über nicht zu Hause, und die Familie hat sie als vermisst gemeldet. Nun berichtet das russischstämmige Mädchen, drei südländisch aussehende Männer hätten sie in ein Auto gezerrt, in eine Wohnung gebracht, geschlagen, vergewaltigt.

Später stellte sich heraus, dass es Schulprobleme gab und man ihre Eltern zu einem Gespräch einbestellt hatte, vor dessen Ausgang sich Lisa fürchtete. Später wird klar, dass es in der Nacht keine Vergewaltigung gegeben hat, sondern sie verbrachte die Nacht bei einem Freund, der ihr nichts angetan hat und dass Lisa sich selbst verletzt hatte, was von der Horrornacht herrühren sollte.

Aber die Lüge in der Familie diffundierte durch die digitale Welt. Schon am 14. 1. 2016 brodelt es in der russischsprachigen Gemeinschaft auf Facebook und Twitter. Und es kursiert das Gerücht, die 13-jährige sei von Migranten missbraucht worden, Politiker und Medien würden den Fall vertuschen. Im ersten Fernsehkanal Russlands behauptet am 16. Januar die Moderatorin, die Menschen in Deutschland seien angesichts der vielen Flüchtlinge nicht mehr sicher. „In den Städten herrsche längst Gewalt und Chaos.“ Ein russischer Korrespondent berichtet, Lisa sei „dreißig Stunden vergewaltigt“ und dann auf die Straße geschmissen worden. Und die Polizei habe nach dem Verhör des Mädchens nichts getan. Ausschnitte aus der TV-Sendung werden millionenfach geklickt. Die rechtsextreme NPD veranstaltete eine Kundgebung und fordert die Todesstrafe für Kinderschänder.

Dann ist in Medien die Rede von fünf Vergewaltigern. Russlanddeutsche demonstrieren in verschiedenen Städten. Vor dem Kanzleramt in Berlin tauchen 700 Demonstrierende auf und rufen: „Unsere Kinder sind in Gefahr“. Im digitalen Paralleluniversum haben sich Agitatoren des Themas angenommen. Man attackiert die Polizei, Politik und etablierte Medien.

Es stellt sich heraus, den Fall hat es nicht gegeben, doch die Geschichte ist auf unzähligen Seiten zur Gewissheit geworden. Der russische Außenminister S. Lawrow wirft den deutschen Behörden vor, aus Gründen politischer Korrektheit, dem Verbrechen nicht nachzugehen, was vom damaligen deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier scharf zurückgewiesen wird.

„Ein paar Tage später erklärt die Staatsanwaltschaft abschließend, dass das Mädchen das Verbrechen „erfunden habe“ (S. 12).

Pörksen schreibt dazu : Der Fall mache klar, dass Gerüchte sich zu Themen verdichten, zu denen sogar Außenminister zweier Länder sich äußern. Ohne die indiskreten Medien des digitalen Zeitalters hätte es die Ereignisse rund um das 13-jährige Mädchen Lisa „so nicht gegeben“ (S. 12). Das zitierte Buch (2018) handelt von neuen Plattformen und Wegen aus der kollektiven Erregung.

Intensive „Denkanstöße 2022“ / Piper -TB

Erstaunliches Buch: Julian Assange u.Justizkritik // 1967-68 von Stefan Aust- früher SPIEGEL-Chefr.//Partner u. Kleinkind in uns

Hans H ö g l

Zum Bericht über den Whistleblower Assange: Erschütternd ist die demokratie- und justizkritische Analyse des Falles Assange. Verfasser: UNO-Folterberichterstatter Nils Melzer (S. 185-212).

Zum Beitrag: „Der Bindungseffekt. Wie frühe Erfahrungen unser Beziehungsglück beeinflussen…“ (S. 135-150). Partnerbezüge werden durch Einflüstern des „inneren Kindes“ gestört. Das innere Kleinkind in Partnern meldet sich kräftig zu Wort …

Stefan Aust (geb. 1946) war Spiegel-Chef. Sein Beitrag „Zeitreise“ (S. 111-132) beschreibt turbulente Jahre vor/nach 1968 u. Treffen mit Studentenführern. Aust schrieb in der linken Zeitschrift „konkret“ und wusste nicht, dass zuvor „konkret“ von der DDR mitfinanziert wurde. Als darin eine kritische Serie über den Arbeiter-und Bauernstaat war,“da stellte die SED den Geldhahn ab“.

Juni 1967. Der Schah von Persien kommt. Bei der Demo wird der Student Benno Ohnesorg erschossen – vom Westberliner Polizisten Karl-Heinz Karras. Dann radikalisiert sich die Studentenrevolte. Damals war nicht klar, dass der Polizist Karras „als Agent für den Osten arbeitete“. Ob sich im Wissen darum die 1968er Jahre hätten anders entwickelt? Die spätere Gewalt und der Terror der 68-Revolte nahm am 2. Juni 1967 ihren Ausgang.

Ukraine und Friede 1648?

Wie HEUTE Kriege laufen zeigt der 30-jährige Krieg (Prof. H. Münkler). Darum Rückblende in Ukrainekrise auf Frieden von 1648

Hans Högl – zur TV-Doku „1648. Der lange Weg zum Frieden“

Prof. Herfried Münkler: Wahrscheinlich können nicht Politiker (Putin usw.) die Probleme lösen, sondern es ist ein langes Geschäft der Diplomatie. – Reden Regierungen miteinander, besteht Friedenshoffnung. Eine Rückblende auf 1648 lohnt: Der Krieg um Konfessionen und Macht auf dem Kontinent wurde nicht auf dem Schlachtfeld entschieden, sondern am Verhandlungstisch – nach 30 Jahren Verwüstung, Massenmord, Pest und Cholera.

5 Jahre Verhandlungen zwischen Reich, den protestantischen und katholischen Fürsten, Frankreich und Schweden, gingen dem Vertrag von 1648 voraus. Graf Maximilian Trauttmansdorff legte als habsburgischer Unterhändler 5 Verhandlungsentwürfe vor. Er gilt als Architekt des Friedens. Warum reden wir viel mehr von Kriegsmachern als von Friedensstiftern, den unsichtbaren Gestalten? Wie gelang der Diplomatie der Friede? Ein Dank gilt dem deutschen Historiker Herfried Münkler, dies erforscht zu haben. -Unter Leitung des WDR wurde die Doku „1648- Der lange Weg zum Frieden“ gestaltet, noch abrufbar in der ARTE-Mediathek bis 9. Februar 2 0 2 3 (!) – gesendet vor Mitternacht am 8.2.2021 ab 23:50 – also für Geschichtskenner in einem anspruchsvollen Sender mit 1,5 % Zusehern.

Fokus sind die Friedensverhandlungen selbst und die Akteure. Seit 14 Tagen war der Reiter des Kaisers mit dem Friedensvertrag unterwegs, und dann konnte der kaiserliche Gesandte in Münster den Brief aufs Erste nicht dechiffrieren….Der Vertrag enthielt 300 Paragrafen, jeder davon war umkämpft.-Die Einsicht: Konfessionsfragen können nicht gelöst werden, aber das Zusammenleben ist rechtlich möglich. Das größte Friedenswerk der Neuzeit beendet den Dreißigjährigen Krieg und legt ein Fundament für ein geeintes Europa.