Archiv der Kategorie: Medienökologie

Von der Informationsflut gelähmt

„Fühlen Sie sich von der täglichen Nachrichtenflut erschlagen“? Eine Frage, die kürzlich der Zürcher Tages-Anzeiger aufgeworfen hat.

Hans Högl hat dazu Zitate ausgewählt:

„Morgens erwachen wir mit unzähligen Push-Nachrichten auf dem Smartphone. Tagsüber scrollen wir in den sozialen Netzwerken manisch durch endlose «News». Und abends zucken wir resigniert mit den Schultern und legen uns von der Informationsflut gelähmt ins Bett. Weder können wir die Nachrichten korrekt einordnen noch fühlen wir uns richtig orientiert.“

«Ich plädiere für gezielten News-Konsum, nicht für andauernden. Unsere Filter müssen geschärft werden“, empfiehlt der Journalist Constantin Schreiber in einem Interview.

„Sparen Sie sich diese ungefilterte Nachrichtenflut und nehmen Sie sich stattdessen am Wochenende entspannt Zeit für eine gezielte Lektüre. Schalten Sie um, aber nicht ab, denn wir (der Tages-Anzeiger) bündeln für Sie die wichtigsten Informationen, bereiten relevante Themen einfach und doch tiefgründig auf und verzichten auf unnötige Effekthascherei“.

Unglaubwürdige Ökologie-Appelle

Pro Medien-Ökologie! Leserkritik

Hans Högl

Ein Leser der steirischen „Kleinen Zeitung“ findet die Redaktion unglaubwürdig, weil sie sich zum einen über den von Menschen mitverursachten Klimawandel entsetzt, aber zum anderen seitenweise über Motorsport berichtet oder Flüge anbietet….

Medien sind voll von Ökologie und Forderungen, die sich daraus ergeben. Es wird die Apokalypse heraufbeschworen, wenn nichts geschieht. Doch wie ernst meinen es Medien wirklich? Gilt eine ökologische Ethik der (Medien) Organisationen nicht ebenso wie eine solche für Individuen? Sind Organisationen und Unternehmen nicht in einem höheren Ausmaß ökologisch gefordert als Einzelne?

Doch Medien drücken sich um diese Frage. Die Motorsportseiten werden von vielen gelesen. Den Lesern dieser Seiten ökologische Tipps zu geben, ist noch keinem Medium eingefallen, auch nicht der steirischen „Kleinen Zeitung“, wo es doch bei Zeltweg den Österreichring gibt. Es wäre endlich an der Zeit, ökologische Forderungen in einen Gesamtkontext zu stellen, wo viele Aspekte zu beachten sind. Dies hat kürzlich der ehemalige österr. Notenbankdirektor Dr. Ewald Nowotny in der „Wiener Zeitung“ sehr klug dargelegt.

Zurück zum Ausgangspunkt. Ein Leser der Kleinen Zeitung nennt diese unglaubwürdig, weil sie u.a. sehr ausführlich über den Motorsport, die Formel I, berichtet. Immerhin: die „Kleine Zeitung“ druckte den kritischen Leserbrief am 28.8.2022 ab und ein Redaktionsmitglied antwortete darauf, ohne recht zu überzeugen.

Autowerbung : Mogelpackung Ökologie

Klimaheucheln hat noch niemand geschadet, denken manche.

Hans Högl

Bestimmte Widersprüche in Medien sind irritierend – so in ökologischen Fragen. In einer Flut von Berichten und Kommentaren wird vor ökologischen Katastrophen gewarnt, und gleichzeitig bringen TV-Stationen und Printmedien hurtig ausgiebig Werbung für Benzin- und Dieselautos.

Sicherlich: Redaktionen und Werbeabteilung sind in Medien zweierlei. Doch auf der Spitze eines Unternehmens sollte dieser Widerspruch gesehen werden. Ökologisches Verhalten betrifft auch Unternehmen – und so auch Medien selbst.

Gefügig durch Inseratenkorruption ?

Der Versuch von Regierenden, Medien zu beeinflussen, um sie u.a. mittels Inseraten gefügig zu machen, hat in der jüngsten Debatte eine neue Dimension erreicht.

Udo Bachmair

„Inseratenkorruption“ lautet ein Schlagwort rund um die Vorwürfe gegen Ex-Kanzler Kurz und seine „Prätorianer“ (Kurier). Es war doch schon immer so in unserem Lande. Ja, sagen Politexperten, doch die Qualität sei nun doch eine erschreckend neue. Da habe sich eine junge machttrunkene Truppe angeschickt, nicht nur gegen den eigenen Parteichef zu putschen („alte Deppen“ laut SMS des Kurz-Intimus Thomas Schmid), sondern auch mit fragwürdigen Methoden die Macht im ganzen Land zu erobern. Mit frisierten und aus Steuergeld finanzierten Meinungsumfragen sowie mittels besonders gehäufter Schaltungen von Inseraten in der Kurz-ergebenen Fellner’schen Gratispostille „Österreich“.

In einer Veranstaltung des Presseclubs Concordia gestern Abend in Wien sind die Themen Inserate und Presseförderung erneut zur Sprache gekommen. Eine Diskussion, die nun, nach den unsäglichen Entwicklungen rund um versuchten Medienkauf durch die größere Regierungspartei neu Fahrt aufgenommen hat. Die ÖVP habe laut ORF-Insidern immer wieder probiert, auch in ORF-Redaktionen „hineinzuregieren“. Der Verleger Eugen Russ ( Vorarlberger Nachrichten ) kritisiert, dass Presseförderung hierzulande nach Gutsherrenart erfolge und nicht nach demokratischen Grundsätzen. Jedenfalls bestehe Medienpolitik in Österreich nicht darin, Qualitätsjournalismus zu fördern, sondern Werbeträger.

Ähnlich Daniela Kraus, Generalsekretärin des Presseclubs. Sie hält die Regierungswerbung in der jetzigen Form für einen Systemfehler, der zur Korruption anrege, darüber hinaus wettbewerbsverzerrend und intransparent sei. Was tun ? Presseförderung müsse auf Qualitätsjournalismus abzielen. Kriterien müssten u.a. Qualitätssicherungsmechanismen in Redaktionen, Fehlermanagement und Weiterbildung sein. Besonders wichtig seien Sorgfalt und Einhaltung ethischer Grundregeln. Der Presseclub Concordia- Kooperationspartner der Vereinigung für Medienkultur- hat dazu ein eigenes profundes Konzept entwickelt.

Ebenfalls am Podium der erwähnten Diskussion war der Politikwissenschafter und Medienpolitik-Forscher Andy Kaltenbrunner. Er hat für eine umfassende Studie * erhoben, dass die Buchung von Inseraten oft sehr willkürlich erfolge, ohne klare Kommunikationsziele sowie mit bevorzugter Behandlung einzelner Medienhäuser, vor allem im Boulevard-Bereich. Die Inseratenbuchung könne bei Medien “Wohlwollen für persönliche Zwecke“ sichern, so heißt es übrigens in einem internen SMS des Finanzministeriums..

• Die Studie hat den Titel „Scheinbar intransparent“ – Inserate und Presseförderung der österreichischen Bundesregierung. Erschienen im Delta-Verlag.

Leere Phrasen über Klimawandel?!

Die medialen Warnungen über den Klimawandel und die Parallel-Werbung für schnelle Autos in TV-Sendern- – das schafft Unbehagen und ist widersprüchlich bis hin zur leeren Phrase.

Hans Högl

Nun -die Coronaberichte ebben ab, die Klimafrage rückt wieder in den Vordergrund. In einer Fülle von Sendungen – nicht nur im ORF -sondern auch und in deutschen TV-Sendern ist die Klimafrage allgegenwärtig.

Der Klimawandel hat vielfältige Ursachen, aber dass der Verkehr – z.B. auf Basis von Benzin und Diesel- ein wichtiger Faktor unter anderem ist, steht außer Frage. Ich stelle eine Frage und deute mein Unbehagen an: Ja, wir können die Autos nicht einfach abschaffen – auch nicht die Werbung für Autos. Dennoch sehe ich eine Diskrepanz zwischen den wiederholten Warnungen über den Klimawandel und die gleichzeitige auch öffentlich-rechtliche Werbung für Benzin- und Dieselautos.

Ich möchte einen Gedankenimpuls geben, ohne jetzt und sofort ein Verbot für diese Werbung zu fordern. Aber es ist ein Unbehagen, das mich erfasst- bei soviel Worten über Klimawandel. Es gilt auch die Forderung von Unternehmensethik – auch für die Fernsehstationen. Auch wenn es weh tut.

Millionenregen für den Boulevard – kein Segen für die Demokratie

Österreichs Regierung hat 2020 so viel wie noch nie für Eigen-PR ausgegeben. Vor allem die Boulevardzeitungen können sich über Inseraten-Millionen in Rekordhöhe freuen.

Udo Bachmair

Nicht zuletzt coronabedingt fallen die Ausgaben aus dem Steuertopf vorwiegend für den Boulevard besonders hoch aus. Unzählige ganzseitige Schaltungen sind bekanntlich sehr teuer. Allerdings ohne großen Informationswert, wie Politik- und Medienanalythiker anmerken. Sie glauben auch zu erkennen, dass sich die Millionenspritzen zusätzlich zur eigentlichen Presseförderung wahrlich ausgezahlt haben. Ausgezahlt für die Regierung, deren Chef Sebastian Kurz speziell in den finanziell bevorzugten Fellner-Medien sowie in der Kronenzeitung besonders gut und unkritisch wegkomme. Gezielte Message-Control habe er da gar nicht mehr nötig, denn medial laufe für ihn ohnehin alles „wie geschmiert“, zeigen sich Kritiker überzeugt. Die Devise, wer zahlt, schafft an bzw. wer die Medien mit Millionen füttert, könne sie auch gefügig machen, sei eine demokratiepolitisch bittere Realität.

Die verdeckte und doch so offensichtliche Medienförderung über die „Inserate-Gießkanne“ (Copyright Der Standard) unterliegt im Gegensatz zur gesetzlich geregelten Presseförderung keinen Regeln. Auf Geheiß der Regierungskoalition geben die mittlerweile besonders aufgeblähten Kommunikationsabteilungen der jeweiligen Ministerien klar vor, wo geworben wird. Und was läge näher, als die (ohnehin optimal dotierten und profitorientierten) reichweitenstarken Zeitungen mit zusätzlichen Millionen zu ködern. So gingen seit der Angelobung der türkis-grünen Regierung 5,3 Millionen Euro zusätzlich an die „Krone“, 3,4 Millionen an „Österreich“, das besonders oft vom Presserat wegen mangelnder journalistischer Ethik gerügt wird, sowie 3,3 Millionen an das Gratisblatt „Heute“.

Kürzlich hat die Bundesregierung ein Vier-Jahres-Budget von rund 200 Millionen Euro für „Media- und Kreativleistungen“ angekündigt. Der renommierte Presseclub Concordia übt in dem Zusammenhang heftige Kritik und fordert eine finanzielle Umschichtung eines wesentlichen Teils dieses horrenden Betrags in eine Medienförderung, die „vom Wohlverhalten gegenüber Inseraten-Auftraggebern unabhängig ist“. Besonders wichtig ist dem Presseclub, dass die erwähnte Medienförderung an Qualitätskriterien gebunden ist und nicht nur an Reichweiten. Das wird angesichts einer Regierung, die für wohlwollende journalistische Unterstützung und eigene Selbstinszenierung dem Grundsatz „koste es, was es wolle“ huldigt, wohl ein frommer Wunsch bleiben..

Visionen für den ORF

Medienpolitik hat in den türkis-grünen Regierungsverhandlungen offenbar keine dominante Rolle gespielt. Dabei wäre diese Thematik nicht zuletzt auch demokratiepolitisch von großem Belang, vor allem bezogen auf die Zukunft des ORF.

Udo Bachmair

Eine intensive medienpolitische Debatte wäre höchst überfällig. Das thematische Spektrum würde dabei von unvertretbar hohen Förderungen für den Boulevard bis hin zur Finanzierung und Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks reichen. So ist seit längerem bereits ein neues ORF-Gesetz geplant.

Bei einem Fortbestand der schwarz-blauen Koalition wäre das Überleben des ORF bedroht gewesen, konstatieren medienpolitische Experten. Demnach gab es die Absicht, Gebühreneinnahmen zu streichen und einen Teil des finanziellen Ausfalls aus dem Bundesbudget zu berappen.

Die Folge davon wäre eine noch größere Abhängigkeit des ORF von den jeweils Regierenden gewesen. Zudem hätte die Gefahr weiterer Attacken aus dem Kreis der FPÖ-Regierungspolitiker auf unabhängige ORF-JournalistInnen bestanden.

Folgt man weiteren Äußerungen aus dem rechten politischen Lager, so wäre bei einer Neuauflage der abgewählten Koalition eine Orbanisierung der österreichischen Medienlandschaft nicht auszuschließen gewesen, argumentieren kritische Beobachter.

Vor diesem Hintergrund kommt dem öffentlich-rechtlichen Rundfunks besondere Bedeutung und Verantwortung zu. Dies steht jedoch nicht im Widerspruch zur Notwendigkeit von Reformen und Visionen für einen erneuerten ORF.

Golli Marboe hat dazu in der Wiener Zeitung einen bemerkenswerten Gastkommentar verfasst, den ich Ihnen nicht vorenthalten will.

„Neue Ziele und Visionen für einen öffentlich-rechtlichen ORF“

Golli Marboe

Nun steht also bald eine türkis-grüne Koalition. Diese sollte sich neben anderen wichtigen Themen auch um ein neues ORF-Gesetz kümmern, das tatsächlich bitter nötig ist. Es sollte aber nicht unabhängig von folgenden vier anderen Themenkreisen besprochen oder gar beschlossen werden:

>> die Vergabe von Inseraten aus Mitteln der öffentlichen Hand (zirka 200 Millionen Euro pro Jahr, bisher vornehmlich an Boulevardmedien);
>> die Vergabekriterien der Privatrundfunkförderung der RTR (20 Millionen Euro pro Jahr, bisher vornehmlich an Oe24, Servus TV und krone.tv);
>> eine Überarbeitung der Presseförderung (derzeit nicht einmal 10 Millionen Euro);
>> eine „Google-Steuer“ für Konzerne aus dem Silicon Valley, die in Europa unheimliche Gewinne an Geld und Daten einfahren, aber praktisch keine Steuern zahlen.

Medienförderung nur für Mitglieder des Presserats

Was hat das alles mit dem ORF zu tun? Der ORF – und insbesondere der Radiosender Ö1 – gilt als das mit Abstand glaubwürdigste Medium des Landes. Und um diese Glaubwürdigkeit als Quelle für kompetente Information auch in Zukunft zu gewährleisten, müssen die Rahmenbedingen des ORF in einem neuen Gesetz weiterentwickelt werden. Das gilt vor allem für eine Verbreitung der ORF-Programme im Online-Bereich, denn hier gilt ja nach wie vor die tatsächlich nicht mehr zeitgemäße Regelung, dass ORF-Inhalte maximal sieben Tage nach Ausstrahlung zur Verfügung stehen dürfen, was ganz konkret bei zeitgeschichtlichen Ereignissen besonders schade ist: Zum Beispiel, wenn man an jenen Samstag im Mai denkt, an dem ganz Österreich auf das Statement von Altbundeskanzler Sebastian Kurz wartete, da waren Millionen Seher beim ORF – als der vierten Säule unserer liberalen Demokratie – versammelt.

Die Berichterstattung im ORF war umfassend, analytisch, sympathisch und von einer Ausgewogenheit, die man in privaten elektronischen Medien nicht finden könnte: So wurde etwa im EU-Wahlkampf bei Puls 4 die Zweierdiskussion von Claudia Gamon (Neos) mit Johannes Voggenhuber (Europa Jetzt) wegen möglicher schwacher Quoten aus dem Programm genommen (FPÖ-Kandidat Harald Vilimsky hingegen bekam seine Bühne). Und sowohl bei „Fellner Live“ auf OE24 als auch im „Talk im Hangar“ bei Servus TV gehört ein gewisser Martin Sellner (Chef der Identitären) offenbar zu den Stammgästen der beiden vom RTR-Privatmedienfördertopf profitierenden Sender. Eine staatliche Unterstützung sollte in Zukunft grundsätzlich nur an jene Medien vergeben werden, die Mitglied im Presserat sind und sich dementsprechend an journalistische Grundregeln halten.

Neue Ziele und Visionen für den öffentlich-rechtlichen ORF

Medienpolitik war in den türkis-grünen Koalitionsgesprächen (bisher) leider kein Thema. Insbesondere manche ÖVP-Politiker sollten sich beispielsweise die Frage stellen, ob Markus Breitenecker, der Chef von ProSiebenSat.1Puls4, damit durchkommt, das mit Gebühren finanzierte ORF-Archiv für seine Plattformen zugänglich zu machen. Sein Appell für eine europäische Allianz gegen Google und Co. scheint wenig glaubwürdig, wenn man bedenkt, dass sein Medienkonzern selbst ein börsennotiertes Unternehmen mit auf Gewinn ausgerichteter Zielsetzung ist. Öffentlich-rechtliche Sender, allen voran die BBC (aber eben auch der ORF), orientieren sich hingegen an demokratischen und nicht an marktorientierten Richtlinien.

Der ORF könnte durch ein neues Gesetz wieder Ziele und Visionen entwickeln. Vor allem, wenn die Landesstudios überregionale Aufgaben erhalten, um eben nicht nur über deren Landeshauptleute berichten zu müssen. Warum wird nicht zum Beispiel ORF1 von Graz aus gestaltet, in einen Doku- und Reportagesender verwandelt und in verschiedenen mitteleuropäischen Sprachen (Deutsch, Ungarisch, Serbisch, Kroatisch, Albanisch, Tschechisch, Slowakisch) ausgestrahlt? Ganz nach dem Vorbild von Arte, das seinerzeit von Präsident François Mitterand und Kanzler Helmut Kohl mit dem Ziel initiiert wurde, das Alltagsverständnis zwischen Frankreich und Deutschland zu verbessern. Ein TV-Anbieter unter Federführung des ORF, das wäre eine Vision für den gemeinsamen Lebensraum Mitteleuropa.

Warum wird nicht ORF Sport+ nach Innsbruck übersiedelt und dort dann an einem Sportjournalismus gearbeitet, der nicht nur die Sieger verherrlicht (und damit den Populismus fördert), sondern das System Sport in all seinen Facetten durchaus auch in Frage stellt? Warum entsteht nicht in Linz in Kooperation mit der Ars Electonica ein Cluster für Kinder- und Jugendprogramme? Dafür sollte vom Gesetzgeber vorgesehen werden, dass der ORF für Sportrechte maximal so viele Mittel aufwenden darf wie für Kinder-Content. Denn der ORF gibt seit Jahren für Formel 1, DTM und Ähnliches das 20-Fache dessen aus, was für das gesamte Kinder- und Jugendprogramm zur Verfügung steht.

Warum mutet ORF III wie ein Sender für Heimatverbundene an? Der teilweise in Salzburg angesiedelte Kultur- und Informationssender orientiert sich offenbar am Charakter von Servus TV und leider nicht am journalistischen Selbstverständnis der beiden großartigen Radioprogramme Ö1 und FM4. Wo findet sich eine Plattform für heimische Künstlerinnen und Künstler (auch solche, die noch keine breite Öffentlichkeit erreichen) oder für Formate, die in und mit dem Netz entwickelt sind, wie auf arte.tv oder auf funk.net, dem Content-Netzwerk von ARD und ZDF?

Werbesendungen, die „Magazine“ genannt werden

Es gibt Formate, die der ORF tatsächlich als „Magazin“ bezeichnet, die man in anderen öffentlich-rechtlichen Sendern der Erde aber ganz bestimmt als Werbesendungen der Autoindustrie bezeichnen würde: „mobilitas“ und „Autofokus“ huldigen in ihren Sendungen Sportwagen oder dem Dieselmotor. Da werden Autofahrer interviewt, die sich über die Staus im Pendlerverkehr beschweren, aber dabei jeweils allein im Autos sitzen . . . Der ORF muss unbedingt werbefrei werden, um auf derlei Produkte konsequent verzichten zu können. Außerdem würden damit dann auch die Mittel aus der Werbewirtschaft für die Privatmedien aus dem Print-, TV-, Radio- und Online-Markt frei werden.

In Deutschland wurde vor wenigen Jahren höchst erfolgreich eine Haushaltsabgabe eingeführt. Damit zahlt jede und jeder Einzelne weniger als früher, die Sender haben dennoch die gleichen Mittel für das öffentlich-rechtliche Programm zur Verfügung. Darüber hinaus gibt es auch eine Einigung zwischen den Verlegern Deutschlands und den öffentlich-rechtlichen Sendern zur Nutzung des Netzes. ARD und ZDF widmen sich den Bewegtbild- und Audioangeboten, die Verlage gehen in deren Online-Angeboten von ihren Printprodukten aus. Damit wurde die zeitliche Beschränkung der Bereitstellung der TV- und Radioprogramme im Netz für die Sender gekippt.

In diesem Sinne sollte sich der ORF ebenfalls auf seine originären Aufgaben – Bewegtbild und Audio im Netz – konzentrieren. Ein modernes Medienhaus braucht eine Abteilung aus Daten- und investigativen Journalistinnen und Journalisten. Die Kollegen von dossier.at machen vor, was der ORF selbstverständlich tun sollte: beispielsweise beobachten, was die öffentliche Hand an Inseraten im Boulevard schaltet, statt in Presseförderung der Qualitätszeitungen zu investieren (knapp 10 Millionen Euro Presseförderung für Qualitätszeitungen stehen um die 200 Millionen für Inserate in „Heute“, „Krone“ und „Österreich“ gegenüber).

Barrierefreiheit als Selbstverständlichkeit

In spätestens fünf Jahren sollten sämtliche ORF-Programme mit Untertiteln und Audiodeskription zur Verfügung stehen. Es bleibt ein Rätsel, warum ein Konzern mit rund einer Milliarde Euro Jahresumsatz nicht in der Lage ist, das meistgesehene Format des ORF-Fernsehens, nämlich „Bundesland heute“, barrierefrei auszustrahlen.

Wie kann man all das finanzieren? Indem man das ORF-Budget umschichtet. Wenn man ORF E – einen Tochterbetrieb, der bisher primär Werbekunden akquiriert und Marketingaktivitäten betreut – umbaut und daraus eine Unit bildet, die sich um Partner für Programminhalte kümmert. Statt für die von der Werbewirtschaft geforderten Einwegprodukte, wie Sport und US-Serien, sollten die vorhandenen Mittel in Co-Produktionen mit anderen Sendern und vor allem mit europäischen Produzenten investiert werden.
Damit entstünde nicht nur Wertschöpfung, sondern auch eine gewisse Nachhaltigkeit für das wichtigste Lebensmittel unserer Zeit: Medien und Daten. Denn weder die Beiträge in Sozialen Medien noch die Postings unter Zeitungsartikeln wie diesem können die journalistische Qualität von Sendungen wie „ZiB 2“, „Morgenjournal“, „Kreuz und Quer“ oder Satireformaten wie den „Staatskünstlern“ ersetzen. Oder eben auch einer Live-Berichterstattung vom Ballhausplatz wie am 18. Mai 2019.

Zum Autor des Beitrags:
Golli Marboe war lange Jahre TV-Produzent, ist heute Vortragender zu Medienfragen, moderiert und gestaltet redaktionell das Medienmagazin „Content“. Er ist außerdem Obmann des Vereins zur Förderung eines selbstbestimmten Umgangs mit Medien sowie Mitglied des ORF-Publikumsrates (nominiert vom Neos Lab).

Impertinenz in ORF-Interview

Brief an die Chefredaktion der Ö1-Journale und an eine Redakteurin des Ö1-Mittagsjournals vom 10.12.  

von Hans Högl

Heute interviewte eine Redakteurin Ihres Teams die österreichische Ministerin, die für Klimaschutz verantwortlich ist und setzte dieser derart heftig zu, obwohl diese nur begrenzt handlungsfähig ist.

Mich irritierte die extreme Impertinenz und Selbstgefälligkeit der Ö1 ORF- Interviewerin.

Das Folgende richtet sich eher an das ORF Unternehmen als Ganzes. Ich frage: Hat der ORF als Unternehmen selber alles getan, was den Umweltschutz und Klimafragen betrifft ?

Schon vor Jahren wurde im ORF-Publikumsrat per Broschüre versprochen, dass im ORF-Gebäude am Küniglberg, die Möglichkeit geboten wird, Elektroautos aufzuladen. Ist die Zusage umgesetzt worden?

Mich irritiert ferner, dass der ORF eine Fülle von Kochkursen anbietet, doch kaum etwas tut, um Deutschkurse für MigrantInnen anzubieten. Ich weiß es gibt hier modernere Methoden als die früheren Sprachkurse, ja, es gibt ein Dutzend Ausreden und vielleicht echte Gegenargumente. Dennoch – was tut der ORF selbst im Sinne der Integration-abgesehen von einer halbstündigen TV-Sendung?

( Hans Högl )

Handy schluckt Kreativität

Hans Högl

Ein Handy ist aus Sicht des deutschen Psychologen Christian Montag eine Art „ausgelagertes Gehirn“. Daher reagieren Menschen beim Verlust eines Handys panischer als bei dem eines Schlüssels. Neben den vielen hilfreichen Funktionen, die das Handy bietet, vergleichbar einem Schweizer Taschenmesser, hat dessen Nutzung auch Schattenseiten, heißt es im „Südkurier“ am 20.8.2019.

Viele nehmen es beinahe automatisch zur Hand, sobald sie einen zeitlichen Leerlauf haben oder warten müssen. Damit nimmt die Zeit, in der wir über unseren Alltag reflektieren, ständig ab. Das ist bedauerlich, denn Studien hätten gezeigt, dass es die Kreativität unterstütze, den Gedanken nachzuhängen.

Auf Reise: Infos nur per Internet

Hans Högl
Bei meiner 10-tägigen Schwedenreise las ich Kurz-Infos in orf.news.at, im „Standard“, auf Zeit -Online. In Wien angekommen, lagen in meiner Wohnung Berge Papier der „Wiener Zeitung“(WZ). Die erste Idee: Weg damit! Doch dann begann ich zu lesen und erfuhr neue Detail-Infos. Ich bring sie ganz kurz in „stakkato“ und belege, wie ungenügend die Internet-Kurz-Infos sind. Das ist keine große Weisheit, doch es lohnt, dies zu dokumentieren.

Vor 50 Jahren (1969) stürmte die Polizei in New York eine Schwulenbar. In gewaltsamen Protesten setzten sich Schwule, Lesben und Transsexuelle erstmals zur Wehr. (Wiener Zeitung 27. Juni 2019.)

Kurz will nicht mit Kickl. ÖVP-Chef Sebastian Kurz hat im Puls 4-Sommergespräch Präferenzen für eine Minderheitsregierung geäußert; doch er sagte Nein zu einem Comeback von Herbert Kickl (FPÖ) als Innenminister, „da er ihn für diese Aufgabe nicht geeignet hält“. „Er könne sich auch nicht vorstellen, dass ihn Bundespräsident Van der Bellen angeloben würde“. (WZ 27. Juni 2019).

Die SPÖ legt ihre Spenden von 2017 offen: 560.000 €. Schon 2012 hat die SPÖ vorsorglich neue Vereine gegründet, um Spenden und Inserate nicht offen legen zu müssen und verteidigt nun diese „Umgehungskonstruktionen“ (WZ 27. Juni 2019) . (Hans Högl:Ähnliche Tricks praktizierten die ÖVP und die FPÖ. Und diese Tricks scheinen im neuen Parteiengesetz erlaubt zu sein. Es wird gemeinsam von SPÖ u n d FPÖ und der Liste Jetzt eingereicht. Und der Rechnungshof kann erst wieder die Spenden an die Parteien n i c h t prüfen!)

Kultur: Ich erfahre in der WZ die Höhepunkte des Theatersommers in Ostösterreich.

Ein Porträt von Birgit Hebein (52), der Nachfolgerin der grünen Vizebürgermeisterin Wiens, von Maria Vassilakou. Einige Aussagen der Sozialarbeiterin Hebein: „Ich mache linke Politik – was denn sonst?“. Dies bedeutet für sie: Menschlichkeit, Menschenrechte, Gleichberechtigung und sorgsamen Umgang mit Natur und Umwelt.

Hebein verbrachte als Tochter eines Maurers und einer Hausfrau die Kindheit in einem Kärntner Dorf und wurde durch Singen von slowenischen und deutschen Liedern mit antifaschistischem Inhalt geprägt. Seit 2010 sitzt sie für die Grünen im Wiener Gemeinderat, ist Sprecherin für Sicherheit und Soziales und weist wiederholt darauf hin: „Ohne soziale Sicherheit gibt es keinen sozialen Frieden.“. Sie wolle nicht, was in Chemnitz passiert. Auch die Klimakrise könne „nur mit der sozialen Frage beantwortet werden,“ zeigt sie sich überzeugt. „Spätestens mit diesem Hitzesommer, diesen Überschwemmungen, muss allen klar sein, dass die Klimakrise eine soziale Krise ist“, sagt Hebein. Sie legt ihren Fokus auf Armutsbekämpfung und soziale Gerechtigkeit (WZ 27. Juni 2017). (H. Högl:Ist denn die Klimakrise ursächlich eine soziale Frage? Sind die Migrationsprobleme ausschließlich soziale Fragen – wie mir eine prominente kroatische Grünpolitikerin sagte!)

Die „Presse am Sonntag“ (23.6.) verweist auf das neue Magazin „Carpe Diem„, das die Leserin, vor allem weibliche Zielgruppen, mit positiven Inhalt „flutet“ – zu einem positiven Lebensstil (Lachen und Waldspaziergänge sind gesund usw. ). Die Zeitschrift kommt von Red Bull. Die zweite Ausgabe folgt am 8.August.