Archiv der Kategorie: Medienschmankerl

Was Museumsbesuche bewirken können

Einer Studie zufolge hat Moderne Kunst Einfluss auf die Alltags-Wahrnehmung von Museumsbesuchern.

Hans Högl

In meiner Internet-Frühlektüre lese ich von einer pompösen Hochzeit eines Milliardärs in Indien (vgl. in BBC-Nachrichten) und vom Tod Alain Delons (im „Figaro und im „Standard“) und von Lugners Tod (zelebrierte in der „Krone“), doch im Blog „Perspective Daily“ (aus Münster!) fand ich eine außergewöhnliche Nachricht von einer Wiener (!) Studie, was
M u s e u m s besuche bewirken können. Ein seltener Bericht, lohnend davon zu erfahren. Der Inhalt: zum Teil gekürzt. Im Kern sind es Zitate aus dem Blog „Perspective Daily“ von heute:

„Kunst ist mehr als nur Freizeitspaß. Wenn mich ein Bild berührt oder eine Ausstellung zum Nachdenken bringt, dann hat das einen Effekt auf mein Gemüt. Doch wie lange hält der an? Kann ein Museumsbesuch nachhaltig meinen Blick auf die Welt oder gar mein Verhalten ändern? Dieser Frage ist ein Team der Universität Wien nachgegangen. Zum Anlass nahmen sie eine Ausstellung im Dom Museum Wien, in der es um die Verletzlichkeit des Menschen ging.“

„Interessierte wurden vor und nach ihrem Besuch zu mehreren Dingen befragt – wie sie Fremden gegenüberstehen, wie empathisch sie sind und wie groß ihre Bereitschaft ist, Geflüchtete in ihrem Land aufzunehmen. Die Wissenschaftler:innen stellten fest: Kunst kann tatsächlich die Akzeptanz für Einwander:innen erhöhen und Fremdenfeindlichkeit verringern.

Doch die Forschenden wollten schauen, wie lange sich so eine Kunstausstellung auf das Leben der Menschen auswirken kann. Sie führten eine zweite Befragung mit 41 Personen durch, die ihre Angaben eine Woche vor und eine Woche nach dem Besuch der Kunstausstellung machten. Auch hier zeigte sich: Die meisten Befragten versuchten auch eine Woche nach dem Museumsbesuch, offener und sozialer zu handeln sowie mehr auf die Gefühle anderer Rücksicht zu nehmen und mehr über sich selbst nachzudenken.“

Der Psychologe Matthew Pelowski der Universität Wien sagt dazu: „Diese Ergebnisse sind ein erster Belege dafür, dass selbst ein kurzer Besuch einer Ausstellung, insbesondere einer Ausstellung, die zeitgenössische Kunst zur Bewältigung einer neuen gesellschaftlichen Herausforderung einsetzt, eine spürbare und dauerhafte Veränderung bewirken kann.“ Matthew Pelowski, Universität Wien

„Auch wenn noch breiter angelegte Studien nötig sind, um genauere Aussagen treffen zu können, so deuten die Ergebnisse doch darauf hin, dass Kunst eine wichtige Rolle dabei spielen kann, gesellschaftliche Themen aufzuarbeiten und vielleicht sogar Konflikte anzugehen.“

Papst: „Lesen wichtiger als beten“

Papst Franziskus hat als begeisterter Leser spezielle Literaturtipps veröffentlicht. Dazu Zitate aus einem Bericht von Thomas Ribi in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ).

Hans Högl

„Der Papst outet sich als leidenschaftlicher Leser: Ein Buch lesen sei manchmal wichtiger als beten, schreibt er. Der neue Hirtenbrief von Franziskus ist eine Hymne an die Kraft der Literatur: ein Mix aus persönlichen Bekenntnissen, Literaturtheorie und schwindelerregender Theologie.

Von der Bibel ist mit keinem Wort die Rede. Dabei geht es in dem Brief, den Franziskus Mitte Juli veröffentlichte, um Bücher. Auf zwölf Seiten spricht der Papst darüber, was Lesen bedeutet. Für ihn persönlich und überhaupt. Zunächst sei der Text für Priesteramtskandidaten gedacht gewesen, schreibt er am Anfang. Aber dann habe er gespürt, dass das, was er sagen wolle, für alle pastoralen Mitarbeiter der Kirche gelte. Und im Grunde für alle Christen. Die Lektüre von Romanen und Gedichten sei seiner Ansicht nach zentral für die Persönlichkeitsbildung.

Aufsehen hat das Schreiben, das mitten in der Sommerflaute auf der Website des Vatikans aufgeschaltet wurde, nicht erregt. Obwohl es herausragt aus den päpstlichen Verlautbarungen. Nicht weil Franziskus’ Gedanken bahnbrechend wären. Dass ein gutes Buch eine Oase in der Einsamkeit sei, dass literarische Werke Begleiter sein können im Auf und Ab des Lebens – geschenkt. Aber allein schon, dass dem Papst das Thema Literatur so wichtig ist, dass er ihm einen Hirtenbrief widmet, ist bemerkenswert. Und dass er so persönlich darüber schreibt, auch.

Keine Pflichtlektüre, bitte! Etwa wenn er von seiner Vorliebe für «tragische Künstler» spricht, deren Werke man als Ausdruck der eigenen inneren Dramen lesen könne – konkrete Beispiele nennt er freilich keine. Oder davon, wie man die Welt durch ein Buch mit anderen Augen sieht: vielleicht durch die eines verlassenen Mädchens, einer alten Frau, die ihren Enkel zudeckt, oder durch die eines kleinen Geschäftsmannes, der trotz allen Schwierigkeiten über die Runden zu kommen versucht…..

Da kommt der Lehrer zu Wort, der Franziskus einmal war. Mitte der sechziger Jahre unterrichtete Jorge Maria Bergoglio an einem Jesuitenkolleg Literatur. Nun legt er den Christen ans Herz, was er damals seinen Schülern empfahl: Lest Bücher! Doch was gelesen wird, ist offenbar nicht so wichtig. Von Pflichtlektüre hält der Papst wenig, wie er schreibt. Konkrete Lektüretipps gibt er keine: «Jeder wird die Bücher finden, die sein eigenes Leben ansprechen und zu wahren Wegbegleitern werden.»

Das Wort, das Fleisch wurde. Das klingt entspannt. Vor allem für das Oberhaupt einer Kirche, die über Jahrhunderte einen Index verbotener Bücher führte, deren Lektüre den Ausschluss von den Sakramenten nach sich zog. Franziskus geht allerdings noch weiter. Ein gutes Buch, schreibt er, könne helfen, in Lebenskrisen zu Gelassenheit zu finden – selbst dann, «wenn es uns nicht einmal im Gebet gelingt, zur Ruhe zu kommen».

Lieber lesen als beten? Das sagt der Papst nicht. Aber er räumt ein, ein Buch sei manchmal wichtiger als ein Gebet. Das ist erstaunlich genug. Zwischen Verweisen auf Autoren wie Proust, T. S. Eliot, Paul Celan und Jorge Luis Borges kommt Franziskus dann freilich doch noch auf das zu sprechen, was ihn ganz besonders beschäftigt: das Wort, das Fleisch geworden ist.“

280 Millionen in der Schweiz gehortet

Russische Oligarchen schützen ihr Geldvermögen vor Sanktionen am ehesten in der Schweiz. Dazu ein Zitat aus dem Zürcher Tages-Anzeiger.

Hans Högl

In der Schweiz weiß man eher und zuverlässiger über finanzielle Dispositionen von russischen Oligarchen als sonst in Europa.

„Putin-Freund verschob 280 Millionen bei Schweizer Banken, um Sanktionen zu vermeiden. Ein Urteil zeigt erstmals, wie Oligarchen zu Kriegsbeginn vorgingen, um ihr Geld zu retten: Einblick in die Kontoführung des Milliardärs German Chan.“

ARTE-Doku zu ökologischer Katastrophe

Eine kürzlich gesendete beachtenswerte Dokumentation von ARTE zum Thema „Ökologische Katastrophe“ kann bis November in der ARTE-Mediathek abgerufen werden.

Hans Högl

Die Arte-Geschichtsdoku zu einer ökologischen Katastrophe – weit vor unserer Zeit – wurde sehr spät abends- ein Stunde vor Mitternacht gebracht – also zu einer höchst ungünstigen Sendezeit. Aber immerhin.

1895 hatten die Menschen im französischen Alpendorf Chaudon die Ressourcen ihrer Umgebung aufgebraucht und verkauften den Ort vertraglich an den Staat- gemeinschaftlich versammelt mit dem Bürgermeister.

Man hatte um Chaudun die Wälder abgeholzt, und es kam zu Überschwemmungen. Die ökologischen Schäden waren so gravierend, dass die Leute im Dorf der Region Alpes-Cote d`Azur keine Überlebenschancen sahen.

Dies war vor 130 Jahren: Sie verkauften- vertraglich Land und Gut am 6. August 1895 an den französischen Staat, der ihre Probleme und Eingaben viele Jahre nicht beachtet hatte.

Die große Politik hatte anderes im Sinn als die Probleme eines Provinznestes im Süden Frankreichs, nämlich die Weltausstellung und den Bau des Eiffelturms.

Die 30 Familien von Hirten und Bauern wanderten aus – wie üblich nach Algerien, Argentinien oder in die USA.

Es ist lobenswert, dass Arte diese Sendung brachte. Sie kann in der Arte-Mediathek bis 10. November 2024 abgerufen werden. Die Sendung war am Dienstag 6. August 2024 von 22.45- 23.40 Uhr zu sehen.

Raimund Löws Chinabild

Weitere Auszüge aus dem Buch: Raimund Löw: Die Welt in Bewegung. Falter Verlag.

Hans Högl

Raimund Löw (Dr.phil.) studierte neuere Geschichte und Politikwissenschaft. In der Wiener Hochschülerschaft war er Mandatar der Trotzkisten. Anderthalb Jahre war er ORF-Korrespondent in Peking. Er versucht, so meine ich, ein realistisches Bild von China zu zeichnen. (Hans Högl)

Wie Raimund Löw das C h i n a von Heute sieht (S. 131-157).

Seit 2012 baut Präsident Xi Jinping China von einem Einparteienstaat zu einem Einpersonen-System um. Xi macht die Rolle des Reichs der Mitte als neuer Weltmacht zum Kern des nationalen Selbstbewusstseins. Jedem Besucher in China fällt die große Zuversicht der Bürger auf.

Der Volkskongress in Peking repräsentiert ein Fünftel der Menschheit. Doch er hat „mehr Milliardäre als im Kongress der kapitalistischen USA“ (S. 149). Wer Geld hat, schickt sein Kind zu einem Studium in die USA, so Xi seine Tochter Xi Mingze nach Harvard.

Die KP-Chinas hat „laut UNO 700 Millionen Bürger aus extremer Armut befreit“ (S. 149).
Der entscheidende Grund für den Erfolg des Staatskapitalismus waren die weltweiten Exporte.

Doch es gab auch Streiks, so von zehntausenden Arbeitern des weltgrößten Schuhfabrikanten, der taiwanesischen (!) Firma Yue Yuen. Die riesigen Schuhfabriken liefern Markenschuhe von „Nike, Reebok und Adidas“. Eine Folge der Produktion ist der dichte „Smog über große Gebiete von Nordostchina“ (S. 136).

Auch den Apple-Zulieferer Foxconn traf ein harter Arbeitskampf; Apple zahle zu wenig Sozialabgaben. Dies sieht Löw als Zeichen für ein verbessertes „Kräfteverhältnis im Klassenkampf“ im KP-Staat (S. 135). Er bezeichnet das System in China als „Raubtierkapitalismus“ (S. 132).

An einer anderen Stelle findet sich ein fundamentaler Satz: Bei aller Kritik am Neokapitalismus und Finanzkapital aus den Reihen der modernen Globalisierungsgegner, ist die Vorstellung verschwunden, dass ein anderes System als jene der Marktwirtschaft und Demokratie seien sinnvoll (S. 24).

Zum Internet in China:

Unliebsame internationale Websites hält die digitale Firewall fern. „Internetpolizisten löschen Beiträge oder schalten sich mit Postings selbst ein.“ Nur wenige tun sich die Mühe an, Sperren zu umgehen. Doch ein Streik der Taxifahrer in der Metropole Nanjing wurde bekannt, und er weitete sich rasch auf ein halbes Dutzend Städte aus, weil im Internet darüber berichtet wurde (S.133).

Gegen die islamischen Uiguren wird die Gesichtserkennung eingesetzt . Kritisches wird ausführlich dargelegt. Vieles verläuft ganz im Sinne stalinistischer Säuberungen (S. 153 f.)

Allgemeines Urteil: „In China gibt es nicht den Hauch von Pressefreiheit“ (S. 133). Professoren einer angesehenen Sozialakademie sind verpflichtet, Reden des Vorsitzenden „wortwörtlich abzuschreiben“ (S. 150).

Diversa:
Trump forderte, Japan und Taiwan sollen „eigene Atomwaffen entwickeln, damit die USA ihre Präsenz reduzieren können (S. 142).- Während Trump noch nachdenkt, ob die Erderwärmung vielleicht doch real ist, betont die Regierung in Peking die Bedeutung des Pariser Klimavertrages.

Peking hat die europäische Einigung „stets begrüßt“. Man erhofft sich vom Euro ein Gegengewicht zum Dollar. (S. 138).

).

Trumps Vize Vance und die Religion

J.D. Vance, US-Vizepräsident im Falle eines Wahlsiegs von Donald Trump und der Stellenwert der Religion bei den US-Republikanern. Ein Exzerpt zum Thema aus „Christ in der Gegenwart“ vom 28.7.2024, p.3 f..

Hans Högl

Selten wird in Österreichs dominierenden Medien der Bezug von Religion und US-Präsidentschaftswahl explizit und ausführlich dargestellt. Darum verdient der ganzseitige Beitrag dazu in der neuesten Ausgabe von „Christ in der Gegenwart“ (Herder-Verlag) explizite Aufmerksamkeit für die „Medienkultur“ als exklusives Angebot. Den Bezug von Religion und Politik erläutert ein katholischer Theologieprofessor in den USA, ein Spezialist für das Verhältnis von Kirche und Staat, der gebürtige Italiener Massimo Faggioli.

Wer weiß denn z.B: „Präsident Eisenhower wurde ungetauft zum Präsidenten gewählt und hat sich erst nach seinem Amtsantritt taufen lassen, nach dem Motto: „Wir sind ein auf Gott gegründetes Land“.

„Die USA sind in den letzen 10 Jahren säkularisierter und die Politik ist säkularer geworden: zuerst bei den Demokraten, aber zuletzt auch unter Trump“. Bei den Republikanern wird das Narrativ gepflegt, „dass wir Republikaner alle für Religion sind, weil Amerika auch ein religiöses Projekt und Land ist, es ist jedoch bedeutungsleer geworden.“

„Diese Entwicklung hat auch damit zu tun, dass die Republikanische Partei jetzt sehr von den Größen des Silicon Valley bevorzugt wird. Dort ist eine Weltanschauung verbreitet, die post-religiös ist…. Es gibt bei den Republikanern auch weiterhin eine theokratische Seite, aber sie ist in der breiteren Bevölkerung marginal geworden. Es ist eine andere Partei als unter George W. Bush, der ein evangelikaler Präsident war.“ .. Gerade die junge Generation von republikanischen Wählern identifiziert sich hauptsächlich mit der Religion über ihre Opposition gegen Demokraten oder säkulare Liberale und weniger über Inhalte.“ „Joe Biden und Nancy Pelosi sind als Katholiken in Amerika geboren und erzogen worden“.

J.D. Vance verkörpert diese neue Generation von Katholiken, die sich aus Enttäuschung über den amerikanischen Protestantismus – der ihnen viel zu liberal und offen für weibliche Priesterinnen sowie für gleichgeschlechtliche Ehen geworden ist – für den Katholizismus entschieden haben.“
„Jetzt ist Religiosität eine Entscheidung bzw. ein Statement gegen die Mainstream-Kultur.“
Diese Konversionsbewegung hat in den 80-er und 90er-Jahren begonnen und vor allem Journalisten und Intellektuelle betroffen, aber mit J.D. Vance hat sie nun einen hochrangigen Politiker, der der nächste Vizepräsident oder sogar Präsident werden könnte.“…..“In seiner Rede beim Republikanerkonvent hat er seinen Katholizismus nicht erwähnt.“

Schweizer Neutralität in der Praxis

Der Zürcher „Tages-Anzeiger“ berichtet heute von einem Fall, der verdeutlicht, wie strikt die Schweiz Neutralität auffasst.

Zitate daraus hat Hans Högl ausgewählt

„Zurück in die Ukraine: Menschen mit Schweizer Staatsangehörigkeit, welche für die Ukraine kämpfen, müssen hierzulande mit einer Strafe rechnen. Denn: Fremder Dienst ist verboten. Doch das hat Jona Neidhart nicht davon abgehalten.

Nach zwei Jahren in der Ukraine, unter anderem auf dem Schlachtfeld im Donbass, kehrte er im Juni diesen Jahres in die Schweiz zurück. Eine Bestrafung nimmt der gebürtige Zürcher in Kauf, mehr noch: Er stellte sich selbst den Behörden, möchte gar eine harte Strafe. Mit seiner Geschichte will er die Schweiz «aufwecken» und kritisiert deren Haltung im Ukraine-Krieg als heuchlerisch.

Redaktor Thomas Knellwolf erzählt in seinem Text die Geschichte Neidharts: Was den 36-Jährigen dazu bewegt hat, für die Ukraine in den Krieg zu ziehen, was er dabei erlebt hat und warum er eine harte Strafe für sich will“ .

US-Wahl: Herkunft und Religion

Bei den wichtigsten Akteuren rund um die kommende US-Wahl fällt der jeweilige religiöse Hintergrund auf. Er lässt damit besondere Rückschlüsse auf Persönlichkeiten wie Kamala Harris oder J.D. Vance zu.

Hans Högl

Wie Obama – Sohn eines schwarzen Vaters aus Kenia und einer weißen Mutter aus Kansas – symbolisierte auch Kamala Harris, die wahrscheinliche demokratische Präsidentschaftskandidatin den kulturellen US – Schmelztiegel, der in dieser Ausprägung für Spitzenpositionen in wenigen EU-Ländern gut vorstellbar ist. Der Vater von Harris, Donald Harris, ist Wirtschaftsprofessor an der Stanford University und stammt aus Jamaika. Ihre Mutter Shyamala Gopalan, eine auf Brustkrebs spezialisierte Ärztin, wurde in Indien geboren. Das Mädchen Kamala besuchte Gottesdienste im Hindutempel und in der Baptistenkirche. Sie wuchs in Oakland auf, einer Stadt in der Bucht von San Francisco.

Trump hat den jungen Senator J.D. Vance zu seinem Stellvertreter (running mate) gemacht. Vance stammt aus einfachen Verhältnissen und hat sich hoch gearbeitet. Weniger bekannt wurde bisher, dass er 2019 getauft wurde und praktizierender Katholik ist und damit einer großen Wählergruppe angehört. Mit seiner hinduistischen (!) Frau und mehreren Kindern lebt er im Mittleren Westen. Bei den Amerikanern gilt die Demokratische Partei als elitär, urban und säkular. Und so sprechen die Republikaner eher den ländlichen Raum und vernachlässigte Gebiete an und die Freunde der Waffenlobby und agieren gegen Migration aus Mexiko.

Trump sprach einen Tag nach dem Attentatsversuch in einem Interview vom Glück oder von Gott gerettet worden zu sein. Dabei hat er begonnen, die sogenannte „God bless the USA-Bibel“ zu verkaufen. Sie enthält neben dem Alten und Neuem Testament zentrale Rechtssätze der USA wie die Verfassung. Dass er selber sich wenig sittlich verhält, ist bekannt. Und wer es zu Reichtum geschafft hat, gilt für den Puritanismus als von Gott gesegnet. Die obige Information zu Vance stammt aus dem insgesamt wenig bekannten Wochenblatt „Christ in der Gegenwart“ aus dem Herder Verlag (21. Juli).

„Wenn sie es denn wollen…“

Was hat Alexander Solschenizyn, ein Kritiker der Sowjetunion, aber auch ein großrussisch Denkender, über den Freiheitswillen der Ukrainer gedacht. Er hat vorsichtig erwogen, dass die Ukrainer sich auch von Mütterchen Russland lösen dürfen, wenn sie es denn wollen.

Hans Högl 

Solschenizyn verpasste den Sowjets im „Archipel Gulag“ tödliche Schlag-Zeilen, aber auch im Westen, wo er Jahrzehnte lebte, sah er neben Positiva eine Menge Kritisches. Für Nachzügler und Nachbeter der Wohltaten der Sowjetunion Stalins ist Solschenizyn ein blutig-rotes Tuch. Man rühre nicht daran! Sein Name lässt kognitive Dissonanzen ungeahnter Schärfe explodieren, so als hätte nie die fundamentale Abrechnung im „Livre noir du communisme“ 1997 in Paris geschrieben werden dürfen – auf 987 Seiten – eine der Erklärungen dafür, warum die früher so dominante Linke in Frankreich ihre Revolution nicht mehr mit der russischen gleichsetzt. Lange haben Generationen von französischen Intellektuellen darum gerungen. 

Doch nun zur Schrift „Russlands Weg aus der Krise“, verfasst von Solschenizyn schon 1990 – zu Beginn der Perestroika. Er stellt die konstante Frage, was denn nun Russland ist. Er sieht es in Gemeinschaft mit Weißrussland und der Ukraine. Das russische Volk nahm seinen Anfang in Kiew. Uns – mit den Kleinrussen (Ukrainern) und Weißrussen regierten dieselben Fürsten. Doch für ihn ist 1990 „unumgänglich“, dass sich die drei baltischen Republiken, drei transkaukasische und mittelasiatische Republiken abspalten werden. Doch Russland verbleiben dann immer noch hundert nichtrussische Völker. Die Trennung von zwölf Republiken würde Russland frei machen für eine „kostbare innere Entwicklung“. 

Dann schreibt der Autor: „Ich bin fast zur Hälfte Ukrainer“ und wuchs mit dem Klang der ukrainischen Sprache auf. „Den Mythos des Kommunismus haben wir Russen wie Ukrainer in den Folterkammern der Tscheka seit 1917 am eigenen Leib gemeinsam verspürt. Dieser selbe Mythos stieß die Ukraine in den gnadenlosen Hunger der Jahre 1932 und 1933. Wir haben gemeinsam die mit Knuten und Genickschüssen erzwungene Kollektivierung der Landwirtshaft durchlitten“. Doch eine grausame Teilung zwischen Russen und Ukrainern muss nicht sein. Wir sind Brüder. Diese Verbindung ist „unteilbar, aber kein Gemisch“. Und es darf keine gewaltsame Russifizierung und keine gewaltsame Ukrainisierung geben, und es braucht Schulen in beiden Sprachen. Und dann kommen schwerwiegende Sätze, die kaum rezipiert werden: 

„Natürlich, wenn das ukrainische Volk sich tatsächlich abzutrennen wünscht, sollte niemand wagen, es mit Gewalt daran zu hindern“ (S. 16). Und er schreibt: „Jedes, auch das kleinste Volk, ist eine unwiederholbare Facette des göttlichen Plans.“ Und er fügt an: Der Philosoph Wladimir Solowjow legt das christliche Gebot so aus: „Liebe alle anderen Völker so wie dein eigenes“. Eine prägnante Formulierung und Lösungsformel zu der strittigen nationalen Frage.

Zurück zum „Archipel“, denn dieser berührt das historische Gedächtnis der Ukraine – auch als Getreidekammer. Eine kleine Szene, die Solschenizyn im „Archipel Gulag beschreibt, ist höchst irritierend. „Unter den Sowjets mussten die Bauern die meisten Tage für Kolchosen arbeiten, hatten ein kleines Feld zur Selbstversorgung. Eine Szene: Der Bezirkssekretär kommt aufs Feld, die Bauern beim Pflügen anzutreiben, da fragt eine alter Muschik, ob der Sekretär nicht wisse, dass sie in den sieben Jahren Kolchos für ihr Tagewerk kein Gramm Getreide – nur Stroh und auch davon zu wenig bekommen hatten. Wegen dieser Frage bekommt der Alte „ASA“- dies ist antisowjetische Agitation -10 Jahre Gefängnis“. 

Nun wie ergeht es einem Muschiks mit sechs Kindern: Er schont sich nicht bei der Kolchosarbeit, hoffend, dass es was zu holen gäbe. Und wirklich – er bekommt einen Orden. Festliche Versammlung, feierliche Überreichung, viele Reden. Da läuft dem Muschik vor lauter Rührung das Herz über und sagt: „Ach, hätte ich doch statt eines Ordens einen Sack Mehl! Geht das nicht?“ Wölfisches Gelächter schlägt ihm entgegen, und es wandert der neue Ordensträger samt seinen sechs Mäulern in die Verbannung (Archipel Gulag -1974 Bern, S. 78 f.). In der Covid -19 Pandemie fiel manchmal angesichts unserer auch fehlerhaften Verwaltung das Wort „Diktatur“. Welch` lässiges Gerede! 

Der Begriff „Schuld“ war in der proletarischen Revolution abgeschafft und zu Beginn der dreißiger Jahre als „rechter“ Opportunismus gesehen  worden. – Der Schriftsteller J.I. Samjatin (1884-1937) übte mit seinem Roman „Wir“, eine Zukunftsvision des totalitären Staates. Einfluss auf Orwell und Huxley aus. – Schon im russischen Mittelalter wurden widerspenstige Untertanen auf die Solowezi-Inseln im Weißen Meer verbannt. Nach der Oktoberrevolution entstand hier das erste Zwangsarbeitslager.
Solschenizyns Material waren Eigenerfahrung von elf Jahren im Gulag, und er nützte Briefe von 227 Personen. Da ist man doch perplex auf Wikipedia Fotos von Begegnungen Putins mit Solschenizyn – vor seinem Tod (am 3. August 2008) zu finden.

Spannendes vom ZEIT-Chefredakteur

Empfohlen sei das jüngste Buch von ZEIT-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo „Vom Leben und anderen Zumutungen“, erschienen im Verlag Kiepenheuer & Witsch. Es enthält Interviews mit teils beträchtlicher Sprengkraft.

Hans Högl

Die zahlreichen Interviews sind sehr aussagekräftig. Wer würde anderes erwarten vom Chefredakteur der ZEIT? Selbst seine Fragen bergen viel Informatives. Die Interviewpartner haben in der Regel deutsche Spitzenpositionen inne. Die Ausnahmen: Umberto Eco, Reinhold Messner, Udo Jürgens, Erdogan und Victor Orban, und sehr persönlich herausfordernd ist das Gespräch mit Papst Franziskus.

Es ist eine Unterschied, ob ü b e r eine Person berichtet wird oder eine Person selbst sich umfangreich äußern kann. In diesem Sinne war für mich auch das Interview mit Orban aufschlussreich, wo er seine Position u.a. zu Soros darlegte. Ich erfuhr Aspekte, die mir in Hörfunkreportagen nicht geläufig waren. Interviewaussagen werden nicht kommentiert. Sie lassen uns Personen besser verstehen. Verbrechern und Holocaustleugnern gibt di Lorenzo keine Bühne. Die Interviews wurden autorisiert, also dem Gesprächspartner noch einmal vorgelegt. Die Berater von Bundeskanzlerin Merkel waren sehr vorsichtig. Das Interview mit Helene Fischer konnte nicht veröffentlicht werden.

Ein inhaltlicher Höhepunkt für die Medienkultur – im Blick auf österreichische Trends- ist das Gespräch mit der ZEIT-Stellvertreterin Frau Sabine Rückert. Hier zentrale Aussagen mit beträchtlicher Sprengkraft, Aspekte, die selten oder nur einseitig zur Sprache kommen. Dies sollte bei unserem Publikum und im Rundfunk Diskussionen auslösen. Ich selbst enthalte mich eines Kommentars. Di Lorenzo stellte dieses Interview an den Schluss seines Buches.

Di Lorenzo weist im Interview auf das Unrecht hin, das Männer Frauen über Jahrhunderte angetan haben. Sabine Rückert: „Ja, das ist eine verbreitete Meinung. Aber was soll das für ein Rechtsstaat sein, indem der Unschuldige ins Gefängnis muss…?“ Eine Falschbeschuldigung ist ein schweres Verbrechen. Ich habe einen Fall erlebt, dass eine 18-jährige ihren Vater bezichtigte, sie zehnmal vergewaltigt zu haben. Der Vater war ein brutaler Kerl. Er wurde zu sieben Jahren verurteilt.“ Das Mädchen hat noch einen weiteren Mann beschuldigt, ihren Onkel, einen netten Kerl. „Seinetwegen habe ich mich in den Fall hineingekniet. Dass der gewalttätige Vater (oben) freigesprochen wurde, war sozusagen Beifang.“(S. 316).

Mit dem Podcast „Zeit“-Verbrechen wurde Frau Sabine Rückert zu einem deutschen Branchenstar. Ihren Podcast kennen Millionen (S. 308). Frau Rückerts Vater wurde von seiner ersten Ehefrau zu Unrecht beschuldigt. Das Motiv der falschen Beschuldigung hat Sabine Rückert als Gerichtsreporterin immer wieder beschäftigt. Sie meint, dass falsche Beschuldigungen oft von Frauen kommen. Sabine Rückert: „Ja. Gerade bei Sexualdelikten, die ja schwer aufzuklären sind und oft Aussage gegen Aussage steht.“

Manchmal beschuldigten Frauen Männer aus Rache. Rückert: „Manchmal geht es um Geld, um Hinterlassenschaften, und dann zeigt man halt den Vater oder Ex-Mann an.“ „Ich habe auch erlebt, dass Vergewaltigungen angezeigt und verurteilt wurden, die es nie gegeben hat“ (S. 315). „Da gab es Blutergüsse und schreckliche Wunden, die sich Anzeige-Erstatterinnen selbst zugefügt hatten. Da wird man mit der Zeit vorsichtiger- vor allem wenn es gar keine Beweise gibt.“