Archiv der Kategorie: MEDIEN SPEZIAL

Keine Solidarität mit Assange

Er hat US-Kriegsverbrechen aufgedeckt: Julian Assange. Der mutige Journalist soll nun doch ausgeliefert werden. Auch die Medien-Unterstützung für ihn lässt zu wünschen übrig.

Wolfgang Koppler *

„Man nennt mich allenthalben einen Meister der Ironie. Aber ausgerechnet in dem Hafen von New York eine Freiheitsstatue zu errichten…auf den Gedanken wäre nicht einmal ich gekommen.“

Dieses Zitat von George Bernhard Shaw kommt einem in den Sinn, wenn man an das Schicksal von Julian Assange denkt, dessen Auslieferung nach der vor einigen Tagen ergangenen Entscheidung des High Court – trotz des dagegen erhobenen, wohl ziemlich aussichtslosen Rechtsmittels – unmittelbar bevorstehen dürfte. Eine ähnliche Ironie wie die eingangs erwähnte Freiheitsstatue stellt der internationale Tag der Pressefreiheit dar. Insbesondere wenn man an die Gleichgültigkeit von Journalisten gegenüber der Ermordung von Daphne Aruane Galicia, Jan Kuciak, den beiden in Bagdad erschossenen Reuters-Journalisten (trotz des seinerzeitigen Aufrufs von Reuters), aber auch an deren oft handzahme und angepasste Berichterstattung denkt. Oder hat die Forderung Erdogans an Schweden nach Auslieferung unliebsamer kurdischer Journalisten irgendwelche Proteste ausgelöst ? In Schweden demonstrieren ja eh nur NATO-Gegner und PKK-Anhänger (wie man manchen Artikeln entnehmen konnte).

Journalisten sind sehr oft weder die Wahrheit, noch die Medienkonsumenten, ja nicht einmal ihre ermordeten oder gefährdeten Kollegen wichtig. Von der viel beschworenen Pressefreiheit ganz zu schweigen. Obwohl ihnen im Westen meist nicht Gefängnis oder Verfolgung droht, wie in anderen Ländern.

Aber man scheut Unannehmlichkeiten, wie die Reaktionen von Vorgesetzten, Kollegen und Lesern. Passt sich an, schreibt möglichst das, was ankommt. Überschüttet sich gegenseitig mit Preisen. Wenn jemand etwas schreibt, was nicht der herrschenden Linie entspricht, macht man ihn des Öfteren verächtlich. So wie auch die Leser beinahe auf Knopfdruck mit Shitstorms auf Andersdenkende reagieren.

Und so werden Zivilcourage und Verantwortungsbewusstsein immer seltener. Unter Journalisten, in Wirtschaft. Politik und unserer gesamten Zivilgesellschaft.

Es gäbe jetzt eine Möglichkeit, ein Zeichen zu setzen: Alle Redaktionen sollten geschlossen dafür eintreten, dass ihre Zeitung am Tag von Assanges Auslieferung mit einer leeren, schwarz umrandeten Titelseite erscheint. Wenigsten gedenken sollte man der Pressefreiheit (wenn sie einem schon egal ist).

Ganz gleich, wie man zu Assange steht. Aber das was hier passiert, ist – wenn man es recht bedenkt – eine Schande für uns alle. Und es ist auch eine Pervertierung des Rechtsstaats. Denn Assange ist weder US-Bürger, noch hat Assange von den USA aus agiert. Was würde man sagen, wenn China die Auslieferung von deutschen Journalisten wegen der Veröffentlichung chinesischer Regierungsdokumente zu irgendwelchen Menschenrechtsverletzungen verlangen würde ? Oder Großbritannien ? Wenigstens einmal im Leben sollte man Zivilcourage zeigen. Aber auch das ist wohl zu viel verlangt von Journalisten.

Da sägt man lieber an dem Ast, auf dem man selbst sitzt. Benennen wir doch den Tag der Pressefreiheit endlich um in „Tag der Angepasstheit“. So viel Ehrlichkeit sollte sein.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Publizist und lebt in Wien

Zug statt Flug

Frankreich verbietet erstmals einige Kurz-Streckenflüge

Hans Högl

Nur in wenigen Medien war beiläufig zu erfahren, dass Frankreich Kurzflüge einschränkt. Fürchten Medien Werbeausfälle, wenn sie dies berichten?
Wer in Frankreich eine Stadt unter 2,5 Stunden mit dem Zug erreicht, für den gibt es ab sofort keinen Flug mehr. Dieses Verbot ist erstmalig.
Frankreich nimmt hier eine Pionierrolle ein. Ein Beitrag der Franzosen für ihre Klimaziele.

Das Verbot gilt für alle Flüge, deren Ziele unter 2,5 Stunden mit dem Zug erreichbar sind. Von rund 100 Städteflügen sind dies immerhin einige Verbindungen. Z.B. Paris – Nantes/ Paris – Lyon/ Paris – Bordeaux

Atomare Bedrohungen: Ukraine/Taiwan

Dr. Daniel Ellsberg ist kürzlich gestorben. Ein bestürzendes You-Tube-Gespräch von Daniel Ellsberg (Er war Militär-Analytiker des Pentagon zu Fragen atomarer Kriegsführung) mit dem weltberühmten Forscher Noam Chomsky.

Hans Högl

Kurz: Inhalte von dem außerordentlichen Gespräch: Putin hat es zustande gebracht, sich als Feind Europas erneut zu positionieren. So stellt sich Europa gern unter den Schirm der USA, die somit „Europa in der Tasche“ hat. Vorbei ist die Idee eines friedlichen Europas von Lissabon bis inklusive Russland, wie es u.a. Gorbatschow 1989 vorsah- bei den Verhandlungen über die deutsche Wiedervereinigung.

Zur Position der Krim. Für Russland ist, die Krim zu halten, ein definitives Ziel, obwohl diese Selenskij zurück haben will.

Das Gespräch betraf auch Pläne zu einem Atomkrieg im Jahr 1983. Es wurde überlegt, alle größeren Städte Russlands und Chinas zu bombardieren. Doch man erinnerte sich an die Bombardierung von Dresden u. anderen Städten, als danach gefährlicher Rauch in die Stratosphäre aufstieg.

Ein solch` atomares Bombardement auf alle wichtigeren russische und chinesische Städte hätte zur Folge, dass sich 70 % des Sonnenlichts auf Jahre verdunkeln und und dies eine Hungernot und Tod für Milliarden von Menschen auslösen würde- wobei bestenfalls Argentinien davon verschont bliebe.

Das Gespräch betraf auch China und Taiwan und die Kriegsvorbereitungen der USA und die Aktiengewinne von Konzernen.

NB. Hans Högl befasste sich in seiner Diplomarbeit in Louvain (Belgien) mit dem Verrat der Pentagon Papiere durch Daniel Ellsberg (Titel: „Wirkungsformen von Informationen“ 1972) Es war ein Text-Vergleich von „Le Monde“ mit denen in der „Frankfurter Allgemeinen“ als Echo auf die Publikationen von „New York Times“). In seiner nichtpublizierten Dissertation in Wien 1978 griff ich das Thema erneut auf. Der Titel lautete: „Presse in der Demokratie und Möglichkeiten rationaler politischer Urteilsbildung“ (Umfang 156 Seiten). Die „Pentagon Papiere“ zu lesen ist noch heute sehr lesenswert.

Ein Teilziel der Untersuchung war, wie das Porträt von Daniel Ellsberg in „Le Monde“ und in der FAZ dargestellt wurde und worin die Unterschiede lagen. Im März 2023 gab Daniel Ellsberg bekannt, dass bei ihm ein inoperabler Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert wurde und er nur noch schätzungsweise drei bis sechs Monate zu leben hat. Er starb am 16. Juni 2023 im Alter von 92 Jahren.

Polemik gegen Babler „geistig ungenügend“

Andreas Babler, erst seit einer Woche SPÖ-Chef, werden schon jetzt parteiintern und besonders auch medial Stolpersteine in den Weg gelegt. Dabei „hilft“ der aus der Versenkung geholte altbewährte Kommunismus-Verdacht.

Udo Bachmair

Es war wahrlich Andreas Bablers Woche. Kein Tag, an dem Medien nichts über, für oder gegen ihn veröffentlicht haben. Differenzierungen und seriöse Analysen zu Persönlichkeit und Aussagen des neuen SPÖ-Vorsitzenden sind allerdings weitgehend unterblieben. Mit Ausnahme etwa einer Reportage in der Wiener Zeitung über teils beeindruckende soziale Errungenschaften Bablers als Bürgermeister von Traiskirchen. Ausgerechnet diesem Qualitätsblatt wird auf Betreiben der Regierungsparteien ÖVP und Grüne mit Ende Juni das Leben ausgehaucht.

Die meisten Zeitungen, die tendenziell der ÖVP nahestehen, haben sich weniger mit Inhalten auseinandergesetzt, die Babler präsentiert hat, sie haben vielmehr die Kommunismus-Keule gegen ihn ausgepackt und kräftig geschwungen. Mit sattsam bekannten Unterstellungen, der „linke Demagoge“ (die Presse) würde unser Land direkt in den Kommunismus führen. Dabei wird mit Polemik auch zu anderen Themen nicht gespart. So schreibt etwa der radikal neoliberale Agenda-Austria-Chef Franz Schellhorn in seiner Presse-Kolumne am Samstag, dass allein schon „das Erfragen eines Asylgrundes für einen Bundeskanzler Babler einer unverzeihlichen Menschenrechtsverletzung gleichkäme“.

Weniger fein, aber in ähnliche Richtung äußert sich neben anderen auch der umtriebige Baumeister Richard Lugner, der in Babler eine große Gefahr sieht. Ebenfalls in der Kronenzeitung heute aber auch eine wohltuend besonnene Stimme: So stört Leitartikler Claus Pandi das niedrige Level der Debatte rund um die politische Positionierung Bablers, indem er schreibt:

„Das Niveau der Debatte ließe sich noch heben. Bablers SPÖ nordkoreanische Verhältnisse zu unterstellen, ist geistig ungenügend“.

Friedenskonferenz medial vorverurteilt

Die Wiener Friedenskonferenz 2023 war bereits im Vorfeld Gegenstand unfreundlicher und polemischer Berichterstattung. Besondere Einseitigkeit wird seitens der Veranstalter dem STANDARD vorgehalten.

Gastkommentar von Werner Wintersteiner *

Unter dem Titel „Wiener Friedenstreffen steht unter Propagandaverdacht“ wurde die für dieses Wochenende angesetzte internationale Friedenskonferenz der Zivilgesellschaft bereits vorverurteilt, bevor die erste Teilnehmerin in Wien eingetroffen ist.

Es ist wirklich bedauerlich, dass eine Zeitung vom Format des STANDARD sich für eine so einseitige Berichterstattung hergibt. Es wird nicht objektiv über die Intentionen und Ziele berichtet – Informationen, die man durch eine ausführliche Lektüre der Website (https://www.peacevienna.org) oder durch Interviews mit den Organisator*innen leicht hätte einholen können. Dann hätte man zum Beispiel schreiben können,

+ dass hier in Wien erstmals seit Beginn des russischen Aggressionskrieges Aktivist:innen aus buchstäblich der gesamten Welt zusammenkommen, um sich über Wege zum Frieden auszutauschen;

-+ dass Stimmen des globalen Südens, die bei uns in praktisch allen Fragen unterbelichtet oder ganz ignoriert werden, einen prominenten Platz erhalten;

+ dass selbstverständlich Kontroversen stattfinden werden, dass sie durch Working Groups und andere interaktive Formen – geradezu herausgefordert werden, der Überzeugung folgend, dass der freie Austausch der Meinungen eine Essenz der Friedensarbeit ist;

+ dass öffentlich ukrainische und russische Friedensaktivist:innen sich miteinander austauschen werden.

Was man aber in all den Aufrufen und erläuternden Dokumenten keineswegs finden kann, ist auch nur ein einziger Satz, der die russische Aggression rechtfertigen oder auch nur beschönigen würde.

Stattdessen aber Sätze wie die folgenden:

„Waffenstillstand heißt nicht die Anerkennung bestehender Frontlinien als Grenzen, sondern nur ein Ende des Tötens und des Mordens, ein Stopp der Zerstörungen. Raus aus den Schützengräben und Bunkern, hin zu neuem freiem Leben!

Verhandlungen heißt nicht Zustimmung oder Anerkennung des völkerrechts- widrigen Angriffskrieges Russland gegen die souveräne Ukraine, heißt auch nicht die Vorgeschichte dieses Krieges besonders die NATO-Osterweiterung aus den Augen zu verlieren, sondern Wege für die gemeinsame Gestaltung der Zukunft an dem Verhandlungstisch zu entwickeln – wahrscheinlich unter der Beteiligung von internationalen Moderatoren bzw. Mediatoren des Globalen Südens.“

Warum ist das dem STANDARD keine Zeile wert?

Es ist wirklich mehr als verwunderlich, dass es nach über einem Jahr eines verheerenden Krieges, der unzählige Todesopfer und Millionen Flüchtlinge und die Welt an den Rand eines Weltkriegs gebracht hat, der Ruf nach Waffenstillstand und Verhandlungslösungen immer noch tabuisiert wird. Es ist traurig, dass man sich rechtfertigen muss, wenn man über den Frieden öffentlich nachdenkt.

Es ist wirklich zu billig und entspricht keinem seriösen Journalismus, wenn man diese Bemühungen pauschal als russische Propaganda verleumdet. Das erinnert freilich daran, dass die Anti-Atom-Bewegung der 1950er Jahre pauschal als kommunistische 5. Kolonne diffamiert wurde. Sind wir wieder dort angelangt?

Und es ist ein Skandal, wenn damit zugleich versucht wird, diesen öffentlichen Gedankenaustausch einfach zu verhindern, wie das von verschiedenen Seiten versucht wird. Doch der Frieden ist einfach zu wichtig und zu dringend, als dass man sich einschüchtern lassen dürfte. Die Medien sind aufgefordert, sich ein objektives Bild von diesen Anstrengungen zu machen und es ihrem Publikum zu vermitteln.

* Gastautor Univ.Prof.Dr.Werner Wintersteiner ist renommierter Friedensforscher und Friedenspädagoge

Medienkampagne gegen Babler

Nicht zuletzt die Macht der Medien wird beim SPÖ-Parteitag in Linz den Ausschlag für Hans Peter Doskozil geben.

Udo Bachmair

Medien haben sich in den vergangenen Tagen voll auf Andreas Babler eingeschossen. Rechtzeitig vor dem Parteitag am Sonntag in Linz. Zur Freude Hans Peter Doskozils und seiner Anhänger. Sie können sich bereits siegessicher fühlen. Vor allem der Boulevard nützt teils aus dem Zusammenhang gerissene Zitate weidlich aus, um die Chancen des linken Kandidaten für den SPÖ-Vorsitz zu minimieren. Bemerkenswert, dass auch Zeitungen wie DER STANDARD eine undifferenziert einseitige Kampagne gegen Babler fahren.

„Ich bin ein Marxist“ ( hinsichtlich der theoretischen Grundlagen Marx-scher Gesellschaftskritik ) sowie „Natürlich bin ich kein Marxist, wenn man es so interpretiert“ ( auf die Frage, ob Babler die Diktatur des Proletariats anstrebt..): 2 Äußerungen, die nicht zwangsläufig im Widerspruch zueinander stehen müssen. Sie reichen jedoch für die veröffentlichte Meinung aus, Babler als ungeeignet für die Funktion des SPÖ-Vorsitzenden darzustellen.

Wieder einmal wird-voraussichtlich erneut erfolgreich-die alte Kommunismus-Keule ausgepackt. Wer die marxistische Theorie als hilfreich zur Erklärung ökonomischer und gesellschaftlicher Entwicklungen sieht, gilt in der intellektuell unterfordernden Debatte als Unterstützer des Stalinismus, der etliche Millionen Opfer gefordert hat. Argumente, dass strikt antikommunistische politische Systeme, wie der Nationalsozialismus sowie der Kapitalismus Abermillionen an Opfern verursacht haben, gelten freilich nicht. Ganz zu schweigen von der blutigen Geschichte des Kolonialismus.

Die Medienkampagne gegen Babler dürfte jedenfalls nicht ohne Auswirkung auf das Abstimmungsverhalten der Parteitagsdelegierten sein. Sollte Bablers Konkurrent Hans Peter Doskozil um den Parteivorsitz den Sieg davontragen, wäre dies auch ein weiterer Beleg für die Macht der Medien, die überwiegend Stimmung für Doskozil machen, dem man offenbar den brutalen Abschuss der Parteivorsitzenden Pamela Rendi-Wagner verzeiht. Dass Doskozil mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit eine Koalition mit der FPÖ auch auf Bundesebene eingehen wird bzw. würde, wird offenbar nicht bedacht.

Kommt hinzu, dass nun ein weiteres Zitat Bablers gegen ihn verwendet wird, nämlich seine kritischen, zugegeben übertriebenen Äußerungen zu EU und NATO. Unglücklich formulierte Aussagen, teils aus dem Zusammenhang gerissen, die für ziemliche Aufregung gesorgt und zu weiteren medialen Shitstorms gegen Babler geführt haben. Die Äußerung Bablers, die EU sei das aggressivste Militärbündnis, sei „dumm“, wie Natascha Strobl, Politologin und Babler-Unterstützerin, heute gegenüber dem STANDARD eingestand. Zumindest wurde damit eine Diskussion über die zunehmend militaristisch orientierte Rolle der EU angestoßen. Kritik an dieser muss jedenfalls erlaubt sein.

(Siehe dazu auch den Gastbeitrag von Wolfgang Koppler unter dem Titel „EU-Kritik verpönt“.)

Großer Magen in der „Krone“

„Krone“- ein Chamäleon-Medium?

Hans Högl

Ein Versuch, der „Kronen-Zeitung“ fair zu begegnen: Ja, sie redet den Leut` zu oft nach dem Mund, hat aber hat auch einen Kompass: Das sei anerkannt.

– Sie ist je zu traditionell-christlichem Brauchtum wertschätzend. Das passt manchen nicht.
– Sie folgt in Ökologie-Fragen einer Linie !

Doch die EU ist für die „Krone“-Redaktion ein Kreuz:

– Sie ist zu komplex, überfordert den Horizont der Leser:
– Die mögen – wie üblich- keppeln und raunzen – vgl. „Krone“- Rubrik: Das „EU-Theater“
– Im Falle Andreas Babler rudert sie zurück und zerreißt sich das Maul über seine Sager :

„Die EU ist das aggressivste, außenpolitische Bündnis“ (Krone 31.5, S.2) und 1994 war er gegen den EU-Beitritt. Da heißt es Stop für die „Krone“. Das g´hört sich für einen SPÖ-Chef nicht.

NB. Babler wollte in Traiskirchen eine Gruppe der (Linzer) Solidarwerkstatt gründen, wie darin vor kurzem zu lesen war. Und die Solidarwerkstatt ist nicht nur EU-kritisch, sondern fundamental EU-feindlich.

Die „Wiener Zeitung“ schildert die damaligem Pro – und Kontra-Argumente der Sozialdemokraten zum EU-Beitritt. Der Titel der Analyse „Rote Ambivalenzen“ (1. Juni). Eine so differenzierte Sprache wäre für „Krone“-Leser unzumutbar.

EU-Kritik verpönt

Andreas Babler, Kandidat für den SPÖ-Vorsitz, ist wegen seiner vor 3 Jahren getätigten kritischen Äußerungen zu EU und NATO ins Visier fast aller Medien geraten.

Wolfgang Koppler *

Andreas Babler hat etwas Ungeheuerliches getan: Er hat die EU kritisiert und ihren Reformbedarf aufgezeigt. Das Rauschen im Blätterwald war die unausweichliche Folge dieses Sakrilegs. Denn die EU ist eine Art Gottersatz. Für die Medien und die von ihnen produzierte öffentliche Meinung. So wie es vorher die Nation und noch früher der durch das Gottesgnadentum sanktionierte Herrscher war. Den man genauso wenig kritisieren durfte wie heutzutage NATO und EU. Denn an Gott, tätige Nächstenliebe oder so etwas Ähnliches haben ja immer nur die wenigsten geglaubt. Darum haben wir die Religion meist vergötzt. In Form irgendwelcher Bilder, die wir den anderen vorhielten.

Jetzt müssen wir halt an die EU glauben. Und dürfen nicht einmal auf ihre Widersprüchlichkeiten, Struktur- und Wertemängel hinweisen. Auch wenn diese auf der Hand liegen:

1. Militarismus: Die EU wird zunehmend zu einem Militärbündnis. Das angeblich den Frieden sichern soll. Von dem wir ziemlich weit entfernt sind. Und das nicht nur wegen Putin und dessen anachronistischem Weltbild. Sondern auch wegen des Vorrückens von NATO und EU bis ans Schwarze Meer. Was irgendwann mit den russischen Interessen kollidieren musste. Der russische Angriffskrieg hat wohl auch, aber nicht nur mit Putins Ehrgeiz zu tun. Was Politiker wie Kissinger und Macron längst begriffen haben. Nur leider sonst niemand. Ich darf den Ausspruch eines ehemaligen Bundeskanzlers anlässlich des Beitritts von Rumänien und Bulgarien in einer Fernsehdiskussion in Erinnerung rufen: Die EU steht jetzt am Schwarzen Meer. Kommentar überflüssig.

2. Demokratiedefizit: In der EU ist immer soviel von freiheitlich-demokratischen Werten die Rede. Tatsächlich werden inzwischen weit mehr als 60 % der nationalen Gesetze von jenem Rahmen beeinflusst, den die EU und ihre Organe vorgeben. Also durch EU-Richtlinien und Verordnungen. Das EU-Parlament hat diesbezüglich keinerlei Initiativrecht. Dieses liegt bei der von finanzstarken Lobbys beeinflussten Kommission. Zusätzlich gibt es auch noch – ganz offiziell – den European Round Table, welcher der „EU-Gesetzgebung“ beratend zu Seite stehen soll, aber in Wirklichkeit – wie Untersuchungen von NGOs gezeigt haben – ganz entscheidend mitmischt. Dort drin sitzen – erraten ! – die Vertreter europäischer Großkonzerne. Für die Finanzwirtschaft gibt es ein ähnliches Gremium. Und so kommen im Sozial- genauso wie im Umweltbereich – wieder richtig geraten -meist Alibimaßnahmen heraus, die Industrie und Finanzwirtschaft nicht wirklich weh tun.

3. Wertedefizit: Und damit sind wir bei den Werten, die unser Leben und unser System bestimmen. In erster Linie das Geld. Nicht das, was wir als Zahlungsmittel verwenden. Sondern das, was in unserer Gesellschaft den Wert von Menschen ausmacht. Und jene Wirtschaftsdaten, die das Handeln unserer Eliten bestimmen. Sie halten das für linken Schmafu ? Gut, dann fragen Sie sich einmal, weshalb jedes Jahr eine Liste der reichsten Menschen erstellt wird. Und zwar nicht nur für die Regenbogenpresse. Bill Gates, Elon Musk und Jeff Bezos strengen sich ja schließlich nicht umsonst so an, ihr Geld zu vermehren. Sondern weil man mit Geld mehr „wert“ ist. Und die Politik hat dafür zu sorgen, dass dieser wundersamen Geldvermehrung keine Steine in den Weg gelegt werden. Und den Reichen der Weg zu mehr noch mehr Reichtum geebnet wird. Dahinter steht die uralte puritanische Ethik, dass man damit prädestiniert für den Himmel sei. Nur halt zunehmend ohne Religion und Moral. Dass dabei die uralten immateriellen Werte von Weisheit, Mäßigung und gesellschaftlicher Gerechtigkeit ebenso wie die eigentliche Menschenwürde auf der Strecke bleiben, ist klar.

Und dass jemand, der die Zivilcourage hat, dies aufzuzeigen, von Politik und Medien attackiert wird, ist ebenfalls klar. Denn es sind unsere eigenen europäischen Lebenslügen, an denen wir nur allzu gern hängen: Wir als Verbreiter von Freiheit, Demokratie und Menschenwürde. Statt von Elektronikschrott und Textilmüll an Afrikas Stränden. Im Namen unserer (wirtschaftlichen und persönlichen) Freiheit.

Andreas Babler hat eine andere Freiheit in Anspruch genommen. Die des Gewissens.

* Gastautor Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Denkanstöße zum Feminismus

Gleichheits- oder Differenz-Feminismus ? Welcher der beiden gilt nun?

Hans Högl

Das diesjährige Taschenbuch „Denkanstöße 2023“ (Verlag Piper) enthält vorzügliche Impulse aus Gesellschaft, Philosophie und Wissenschaft in Form von Auszügen. Darin zeigt sich, dass gewisse Themen nicht einfach hin beiläufig, wie manchmal in Medien zu thematisieren sind. So hinterfrage ich den missglückten Titel „Wer liest heute noch Bücher?“- das war die Überschrift in einem sonst seltenen „Standard“-Beitrag zur ausgezeichneten Städtischen Wiener Hauptbücherei.

Radio Ö 1 rückt nicht nur gelegentlich Frauen-Themen, so deren Pensionslücke, in den Fokus. Doch das allgemeine Thema verdient breite Aufmerksamkeit. Das zeigen Artikel im genannten Taschenbuch. So heißt es im Vorwort: Dass Frauen und Männer heute noch immer nicht komplett gleichberechtigt sind, belastet das Miteinander. Julian Nida-Rümelin und Nathalie Weidenfeld plädieren deshalb in diesem Sinne für einen Ausgleich (S. 87- 109). Hingegen macht sich Tobias Haberl auf die Suche nach einer neuen Männlichkeit („Der gekränkte Mann“ S. 109-128).

Ich nenne kontrastierende Trends zu Frauen im Taschenbuch: So wird der Geschlechter-Gleichheit (Gleichheits-Feminismus) ein solcher der Geschlechter-Differenz (Differenz-Feminismus) gegenübergestellt (S. 99).

Neutralität über Bord

Schade um die „Wiener Zeitung“, die Ende Juni eingestellt wird. In ihr sind bzw. waren immer wieder Berichte zu lesen, die man in anderen Medien vergeblich sucht.

Udo Bachmair

Die Wiener Zeitung, der die Regierungsparteien ÖVP und Grüne mit Ende Juni den Todesstoß versetzen, ist nicht nur generell mit Qualitätsjournalismus aufgefallen. Die älteste Zeitung der Welt hat auch immer wieder mit journalistischen Beiträgen gepunktet, die anderswo nicht erschienen sind.

Jüngstes Beispiel dafür sind von anderen Medien bewusst oder unbewusst übersehene, jedoch für Österreich durchaus relevante Äußerungen von Maria Sacharowa, der Sprecherin des russischen Außenministeriums. Sie reagierte auf eine Aussage von Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg gegenüber der deutschen Tageszeitung „Die Welt“, in der er von einem „informellen Dialog“ zwischen Wien und Moskau gesprochen hatte.

Einen solchen Dialog gebe es nicht, konterte Sacharowa. Sie erklärte- zitiert von der Wiener Zeitung – laut der russischen Nachrichtenagentur TASS :

„Österreich, das sich gegenüber Russland eindeutig auf die Seite des Westens in seiner feindlichen Politik gestellt hat, hat seine bisher unabhängige Rolle in der Außenpolitik aufgegeben und das Prinzip der Neutralität über Bord geworfen“

Harte und deutliche Worte, die eines gewissen Wahrheitsgehalts nicht entbehren. Hat sich doch Österreich, allen voran der Bundespräsident, mit undiplomatisch antirussischen Attacken (neutralitäts)politisch angreifbar gemacht. Realistische Chancen sind damit für Österreich geschwunden, als Ort von Verhandlungen zur Beendigung des völkerrechtswidrigen Krieges gegen die Ukraine in Frage zu kommen.

Kommt hinzu, dass hierzulande zunehmend Medien-Kommentare und PolitikerInnen-Äußerungen zu registrieren sind, die die Neutralität Österreichs in Frage stellen und behaupten, dass diese für unser Land keinen Schutz darstellen würde. Ein NATO-Beitritt Österreichs sei zu diskutieren. Das aber würde Russland als eine der Staatsvertragsmächte wohl endgültig vor den Kopf stoßen und die Beziehungen Wien/Moskau nachhaltig auf Eis legen. Größere Sicherheit wäre damit für Österreich nicht verbunden, warnen Experten.