Archiv der Kategorie: Studien / Rezensionen

Zukunft- Ausfahrt, nächste

Hans Högl- Auszüge aus dem Buch:
Yogeshwar Ranga (2020, 3.Aufl.): Nächste Ausfahrt Zukunft. Geschichten aus einer Welt im Wandel, Ki Wi TB. (1.Aufl. 2017). 427 S. mit Personenregister. Ich habe selten ein so inhaltsreiches Buch von Anfang bis Ende gelesen.

Der Autor ist Dipl. Physiker, war beim ARD in Köln Wissenschaftsredakteur, ist gebürtiger Inder, studierte Physik in Deutschland, ist polyglott.

Über Social Media schreibt Yogeshwar: FaceBook hat die Zwei-Milliarden-Nutzermarke (bereits 2017) überschritten. Mehr als die Hälfte unserer (deutschen) Bürger (83 % der 20-jährigen) ist Anfangs 2018 bei Facebook dabei (S. 199). Zunächst wird jeder Nutzer anhand seiner Likes, Freundesgruppen und sonstige Online-Aktivitäten scharf profiliert und in Kategorien aufgeschlüsselt. Aus dem Spiel wurde der potenteste Werbe- und Marketingapparat des Internets.

Allgemein zu Medien: Nur 4 % der Deutschen glauben, dass die Zukunft besser wird. Ähnliches trifft für Frankreich, Großbritannien und Dänemark zu (S. 16). Wieso blik-ken wir derart verunsichert in die Zukunft? Das Neue geht anfangs stets mit Orientierungslosigkeit einher. In fast allen Lebensbereichen erleben wir Verunsicherung. Obwohl es den meisten Menschen materiell gut geht, machen sich diffuse Zukunftsängste breit. Selbst Meinungsführern (51 % der Befragten in 27 Ländern) gehen Veränderungen zu schnell. – Die Tendenz der Schwarzmalerei zeigte sich in vierzig Ländern einer Studie. „Vielleicht, so der Autor S. 393), „liegt es auch an unserer auf Negativschlagzeilen ausgerichteten Medienlandschaft….
…schlechte und bedrückende Nachrichten werden stärker rezipiert, was unser Bewusstsein prägt und Ängste erzeugt“. Doch es gibt besorgniserregenden Entwicklungen. Darauf geht der Autor ein (S. 18).

Der Autor schreibt im Resumé: Medien sollten sich aus der Arena des Geschäftemachens heraushalten.“Es kann nicht sein, daß im Wettlauf um Aufmerksamkeit unsere Sicht auf die Welt bewusst verzerrt wird. Klickraten und Auflagen sind keinesfalls ein Maß für die Wahrhaftigkeit und inhaltliche Relevanz. Demokratien bedürfen Foren des gemeinsamen Diskurses und eine Kultur des offenen Austausches. Hier sollten gute Argumente und Besonnenheit der Maßstab sein und nicht die aggressive Lautstärke der Marktschreier. Überhaupt sollten wir klarer als bisher Bereiche des Nicht-Ökonomischen festlegen, denn Marktregeln sind nicht für alles eine probates Mittel. Der Erhalt unserer Kulturgüter, die Gesundheit des Einzelnen, die wunderbare Vielfalt der Natur oder die offene Bildung sind kein Business und bedürfen eines besonderen Schutzes.“ (S. 393)

Über Social Media schreibt er: FaceBook hat die Zwei-Milliarden-Nutzermarke (bereits 2017) überschritten. Mehr als die Hälfte unserer Bürger (83 % der 20-jährigen) ist Anfangs 2018 bei Facebook dabei (S. 199). Zunächst wird jeder Nutzer anhand seiner Likes, Freundesgruppen und sonstige Online.Aktivitäten scharf profiliert und in Kategorien aufgeschlüsselt. Aus dem Spiel wurde der potenteste Werbe- und Marketingapparat des Internets,

Andreas Sator: „Alles gut?“

Vertiefung zu Andreas Sators Buch „Alles gut?“

Hans Högl

Andreas Sator schreibt Kommentare in der Wiener Tageszeitung „Der Standard“ und bringt in seinem Buch „Alles gut?! Unangenehme Fragen & und optimistische Antworten für eine gerechtere Welt“ (2019) Wien, Kremayr & Scherian) seine Schlussfolgerungen.

Vorerst Sätze; die für unsere Medienkultur primär von Interesse sind: „Zeitungen und Online -Medien geben uns ein allzu negatives Bild von der Welt. Wenn Du umfassendere Informationen willst, kannst du öfters zu Magazinen wie die „Zeit“ oder dem „Economist“ greifen (meine absoluten Lieblinge) oder deine Zeit lieber einem Buch widmen.“

Wenn du dir ein genaueres Bild von der Welt machen willst, eignen sich längere Reisen besonders gut. Frag` Leute dort vielleicht einmal, ob früher alles besser war.

„Ich überlegte vor Jahren, „was kann ich denn schon ändern?“ „Heute kann ich mit breiter Brust sagen: viel. Durch kleine Taten im Alltag, die Art und Weise, wie ich einkaufe, verreise, spende, wie ich mich ernähre, zur Arbeit fahre, aber vor allem, wie ich mit Freund*innen rede, wofür ich mich einsetze und wie ich wähle, all das hat Einfluss auf die Welt, in der ich lebe. Meine Recherche hat mich klüger gemacht und optimistischer und mir das Gefühl gegeben, dass diese Welt ganz und gar nicht verloren ist, im Gegenteil.“

Andreas Sator studierte in Wien Volkswirtschaft und Entwicklungsfragen und engagiert sich konkret, überprüft gängige Tipps von Engagierten und verfasst den vielgelesenen Podcast „Erklär mir die Welt“. Darüber prüft er, ob er alles mitmacht, was Aktivisten empfehlen, probierte ein halbes Jahr vegan zu leben und entdeckte, dass dies nichts für ihn ist. Er bekennt, auch manchmal zu fliegen, wenn es nicht anders geht. Vor allem sein ehrlich-persönlicher Zugang ist erfrischend.

Im globalen Süden Lieferketten prüfen

Hans Högl: Buchrezension

Andreas Sator (2019): Alles gut?! Unangenehme Fragen & optimistische Antworten für eine gerechtere Welt“. Wien (Kremayr & Scherian).

Ein engagierter Österreicher fragt sich im Detail, was er als Einzelner für eine bessere Welt auch im Süden des Globus beitragen kann. Das Besondere daran ist: Er reflektiert im Detail über die Folgen des Einkaufs und entdeckt, dass Helfen nicht so einfach ist.

S. 22 schreibt Andreas Sator: „Jeder Einkauf ist im Prinzip wie wählen gehen. Mit meinem Griff zum richtigen T-Shirt oder zur richtigen Tomate entscheide ich mit, wie die Welt aussieht, wie die Menschen leben und arbeiten und die Umwelt verschmutzt wird. In etwa so hört man immer wieder von Aktivist*innen.

Aber so einfach ist es leider nicht. Was nicht heißt, dass ich nicht trotzdem Impulse setzen kann“.Das Besondere ist, dass Andreas Sator ernsthaft über diverse Folgen eines Einkaufs nachdenkt.So achtet der Autor beim Kleidungseinkauf auf soziale und ökologische Kriterien (S.22).

Für den Einzelnen ist es schwierig, alles zu durchschauen, Darum entstand der Vorschlag, in der westlichen Welt Gesetze zu beschließen, die Unternehmen verpflichten, in „ihrer Lieferkette auf Arbeitsstandards zu achten“. Dann sind Firmen dafür verantwortlich.

Dieser Vorschlag wurde in einigen Ländern aufgegriffen. In Deutschland regte dies der Entwicklungsminister Gerd Müller an. Mercedes Benz und der Diskonter kik sprachen sich für dieses Gesetz aus. In Finland bejahten die Regierung und Konzerne dieses Gesetz,

Solche Gesetze seien sinnvoll, sagen Ökonomen, doch man könne in Bangladesch keine französischen Arbeitsnormen vorschreiben, denn sonst würden französische Firmen dort nicht mehr produzieren lassen (S. 22 ff.), In Österreich brachte der SPÖ-Abgeordnete Alois Stöger im Juli 2028 diesen Antrag im Parlament ein. Doch die ÖVP, die FPÖ und die Neos lehnen dies ab, und so wurde über diesen Antrag nicht abgestimmt (S. 24).

Erster Lehrstuhl für Gendermedizin

Frauen und Männer zeigen oft andere Krankheitsbilder, was die Medizin lange vernachlässigte. Das ändert sich nun – auch mit einem ersten Schweizer Lehrstuhl für Gendermedizin. Die wirklich notwendige Gleichheit der Gehälter wird im Unterschied der Geschlechter transparent.

Hans Högl mit einem Zitat aus dem Zürcher Tagesanzeiger:

„Starke Schmerzen in der Brust, im linken Arm und plötzliche Atemnot: Mit diesen Symptomen würden die meisten Menschen den Notfall aufsuchen – denn sie können bekanntlich auf einen Herzinfarkt hindeuten. Dennoch werden viele Herzinfarkte zu spät entdeckt – unter anderem, weil Frauen typischerweise andere, weniger bekannte Symptome wie Übelkeit oder Schmerzen im Oberbauch zeigen.

Umgekehrt werden Depressionen bei Männern häufiger nicht diagnostiziert – etwa weil sie teils von der als typisch wahrgenommenen Symptomatik wie Bedrücktheit abweichen oder sich durch gesellschaftlich geprägte Rollenbilder weniger in Behandlung begeben.

Diese Unterschiede zwischen den Geschlechtern fanden in der Medizin lange kaum Beachtung – mit Folgen für die Diagnose, die Behandlung und die individuelle Gesundheit. Die Gendermedizin will diese Lücke schlie?en. Seit diesem Jahr gibt es an der Universität Zürich den ersten Schweizer Lehrstuhl in diesem Gebiet (lesen Sie hier das Interview mit Professorin Carolin Lerchenmüller).

Warum halten sich Geschlechterklischees in der Medizin hartnäckig? Und was hat es mit dem Gender-Data-Gap auf sich? Darüber spricht Annik Hosmann, Teamleiterin im Ressort Zürich und Host des Podcasts «Tages-Anzeigerin», in einer neuen Folge des täglichen Podcasts «Apropos»“.

Klimawandel im Fokus

Hans Högl

Manche Medienbeiträge hebe ich auf und lese sie später, so einen Beitrag in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 22. Nov. 2024. Darin geht es, w i e etwas für Klimaschutz getan werden kann.

Ansichten dazu äußert ein Neurowissenschafter: Beim Klimawandel geht es primär um Fabriken, Flugzeuge und Kraftwerke, also nicht bloß um Solches auf individueller Ebene. Die britische „Climate Action Unit“ berät Organisationen für Natur- und Kulturschutz.

Seit drei Jahren arbeitet sie mit dem National Trust zusammen und allmählich ändert sich der Umgang der Organisationen zum Klimawandel. Der Einwand: Es gibt ja Gegner des Umweltschutzes. Die Antwort von de Meyer: Ja, es werden Länder weiter fossile Brennstoffe produzieren, aber eines Tages ist das nicht mehr rentabel. Ferner gibt es „Early adopters“, und dann wächst die Zahl der Anwender. Schließlich folgt die letzte Gruppe, die es tun, weil es andere tun.

Für den Wissenschafter ist zentral, konkrete Lösungen und Wege (Rezepte) aufzuzeigen und Geschichten über Erfolge zu berichten. So habe Deutschland um die Jahrtausendwende Maßnahmen zur Solarenergie gefördert. Dies zu zeigen ist besser, als zu betonen, wir seien auf dem Weg zur Klimahölle.

Leider seien 95 % der Klimaberichte negativ. Das Verbreiten von Horror helfe nicht. De Meyer meint im Gegenteil: „Es hat sich eine Menge getan“ (Das ist auch der Titel der „Süddeutschen“).

Streit um Klimawandel

Die Klimafrage berührt existentiell den Menschen. Darum sieht das deutsche Verfassungsgericht in der Lösung der Klimafrage ein Staatsziel. Die Kipp-Punkte des Klimawandels greift u.a. das Buch von Axel Bojanowski auf (2024): „Was Sie schon immer übers Klima wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten. Der Klimawandel zwischen Lobbygruppen und Wissenschaft“ – Neu-Isenburg (Westend Verlag).

Hans Högl

Besonders zentral sind die Kapitel 41/42. Für den Autor ist der Klimawandel real, er weist aber auf Grenzen der Meteorologie hin. Es geht um die Frage, ob der Temperaturanstieg auf der Erde zu einer Katastrophe führt und zwar, wenn es vorher zu unwiderruflichen Kipp-Punkten durch Temperaturanstieg kommt (S. 264).

Das Pariser Klimaabkommen (2015) forderte eine 1,5-Grad-Grenze für die Erderwärmung. Diese Forderung und Passage gelangte am Morgen des letzten Konferenz-Tages in Paris in den Text. Wie – weiß man nicht. Es meldete BBC: Verhandler der Marshallinseln hatten die 1,5 Marke gefordert, um am Leben zu bleiben und wollten die Industrieländer zum Klimaschutz verpflichten. Doch Chinesen, Saudis und Argentinier waren gegen die 1,5 Marke. Der IPCC, der UN-Weltklimarat, sah ungenügende Evidenz für die Forderung. Ebenso viele Experten ( vgl. S. 265). Doch die Klimaaktivisten konnten plakatieren: „Wir sind die letzte Generation vor den Kipp-Punkten“ .

Der IPCC-Chef erklärte: Die Europäer belasten sich mit einer unerfüllbaren Aufgabe. Auch französische Wissenschafter sahen in den 1,5 Grad ein „unmögliches Ziel“. Doch Tony Blair half schon 2005 beim G-8-Gipfel dem Thema auf die Sprünge, und 2004 hatte Hans Joachim Schellhuber in Stockholm vor dem Temperaturanstieg gewarnt- als Direktor des PIK. In der angesehenem Wissenschaftszeitschrift „Nature“ war man vorsichtiger, und sie verwendete das Stichwort „Perspektive“. Auch der Schweizer Klimatologe Thoma Stocker, Vorsitzender des 5.UN-Klimareports, warnte zur Vorsicht: „Die Klimawissenschaft weiß noch zu wenig über Klipp-Punkte, sagte er zur „ZEIT“ (Ende 2022)..

Doch der „Spiegel“ dramatisierte und schrieb: Es gibt „Ernteausfälle, Wüstenbildung, Wasserknappheit, Völkerwanderungen, Eisbären auf Schollen“. Von Wissenschaftszweifeln berichten Medien ungern – weder internationale Organisationen noch Politiker. Die Wissenschaft kennt Kipp-Punkte im Laufe von Milliarden Jahren auf der Erde (S. 272), doch heutige Modelle würden nicht ausreichen, dies für das Jetzt genau festzustellen. Aber das populärwissenschaftliche Wort „Kipp-Punkte“ war nicht mehr wegzubringen. Auch die UN0 nützt es.

Unsicherheiten sind für viele Medien Fremdworte. Doch der Publizist Stephan Ruß-Mohl erinnert an die Qualität des Buchautors. Dieser war Chefredakteur der angesehenen Zeitschrift „Bild der Wissenschaft“, und Ruß-Mohl weiß, dass Medien anstelle von Erderwärmung und Klimawandel mit Vorzug von „Erderhitzung und Klimakatastrophe“ reden.

Ruß-Mohl gab seiner „Furche“- Rezension den Titel „Klima-Apokalypse als Medienereignis“, doch die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb wählte als Furche-Aufhänger „Geschickt in die Irre geführt“. Und sie unterstellt dem Buchautor Effekthascherei und eventuell „gezielte Desinformation“ .

Dieser Text zeigt, wie korrekt dieser Buchtext das Problem Kipp-Punkte darlegt und wie verkürzt dies in nicht wenigen Medien passiert. Lob verdient die Wiener Wochenzeitung „Die Furche“, da sie in der gleichen Nummer zwei unterschiedliche Buchrezensionen zu einem einzigen Buch brachte.

Nicht d i e Medien sind fehlerhaft, denn Wissenschaftsmagazine haben sorgfältig berichtet. Doch deren Auflage ist gering. Es stellt sich für Medien die Frage, inwiefern das Publikum unklare Aussagen aufnimmt und akzeptiert. Das Thema ist komplex: Ist etwas zu differenziert greifen Medien es nicht auf. Darum ist die öffentliche Sprechweise oft übertrieben.-Aber sollte nicht anders gefragt werden: Der Rückgang der Gletscher und andere Ereignisse belegen den Klimawandel, und ist es darum nicht pragmatisch und sinnvoll, jetzt alles zu tun, um diesen zu stoppen, anstelle Zweifel der Wissenschafter an den Kipp-Punkten darzulegen?

Wie Misstrauen begegnen

Empfehlung unseres Autors für Sascha Lobos Buch über die wachsende Vertrauenskrise und deren Bewältigung.

Hans Högl

Manche Infos gehen einem nicht aus dem Kopf; So ergeht es mir mit dem Buch von Sascha Lobo: „Die große Vertrauenskrise. Ein Bewältigungskompass“, Köln 2023. Umfang: 329 Seiten!

Walter Hämmerle, früher Chefr. der „Wiener Zeitung“, nun in der „Kleinen Zeitung“ tätig, fragte sich kürzlich irritiert bei einem Vortrag in Wien über das weithin verbreitete öffentliche Misstrauen. Das Buch von Sascha Lobo Sascha ist eine (deutsche) Antwort darauf. Sie gilt wohl im Kern auch für Österreich.

Lobo konstatiert: Das Zukunftsvertrauen der Deutschen ist kollabiert. Zur Wende waren 68 % hoffnungsfroh, vor der Pandemie waren es 54 %. Kern der Vertrauenskrise ist der tiefe Zweifel am Funktionieren der Demokratie (S. 12). Doch ein basales Vertrauen in Medien ist für einen Grundkonsens erforderlich. Doch nur 50 % trauen seit Jahren den Inhalten der Leitmedien (so das Leibniz-Insititut). (S. 91). Wie ist der Vertrauenskrise zu begegnen? Behörden sollen früh ihre Rohdaten strukturiert bekannt machen. Mit Transparenz schützt man sich. Die Öffentlichkeit brauche Anwälte, Ombudspersonen.

Es gibt den Vertrag. dass jüngere Berufstätige die Pensionen der Älteren tragen. Bei der Klimakrise sollte es einen Generationenvertrag für die Jüngeren geben.

Wir sollten wissen, wie Wissen entsteht. Wo ist Vertrauen angebracht, wo nicht? Es gilt, Aussagen kritisch zu betrachten, wir brauchen Quellenstudium, Vertrauensheuristik, Ambiguitätstoleranz.

Lobo nennt Wikipedia, die Online-Enzyklopädie, ein „digitales Weltwunder“. Auch Wissenschaft ist gefordert. Es irritiert, dass die Öl- und Gasindustrie lange falsche Daten lieferte. Zu Prognosen: Der Weltklimarat IPCC meinte 2007, dass 2035 Himalayas Gletscher geschmolzen seien; doch 2010 stellte das IPCC fest, dies wäre erst im Jahr 2350 der Fall. 2007 war die Prognose: Das Eis in der Arktis sei bis 2013 verschwunden. Auch das wurde korrigiert.

1979 beauftragte Jimmy Carter den „Club of Rome“ mit einer Studie über die Ressourcen der Erde. Die Umfrage hatte 1.500 Seiten. In Deutschland wurde die Studie mit dem Namen „Global 2000“ 500.000 mal verkauft. Der Spiegel: Die apokalyptischen Aussagen trafen nicht ein. So entstehen Zweifel bzgl. medialer Sensationsmache. Und Wissenschafter spitzen ihre Ergebnisse mit Blick auf die Medien zu.

Trump aus Sicht C. Clarks

Der Historiker Clark wagt einen Vergleich von Wilhelm II. und Donald Trump.

Hans Högl

Unter dem Eindruck der Europa-Saga (3-sat) suchte ich Näheres über den Historiker Christopher Clark zu erfahren. Da fand ich in Wikipedia dessen überraschenden Vergleich von Kaiser Wilhelm Ii. und Donald Trump.

2013 erschien Clarks Buch „Die Schlafwandler, worin Christopher Clark die These von der alleinigen Schuld Deutschlands am Ausbruch des Ersten Weltkrieges abschwächt. Er wollte damit Deutschland nicht „weißwaschen“, sondern den Kriegsausbruch „europäisieren“. IN Clarks neuem Buch „Gefangene der Zeit. Geschichte und Zeitlichkeit von Nebukadnezar bis Donald Trump“ fragt er, ob der letzte deutsche Kaiser, Wilhelm II. mit dem US-Präsidenten Donald Trump Gemeinsames habe.

Clark sieht Parallelen: Man hat von dem Kaiser (Wilhelm II.) immer wieder behauptet, es würde ihm an Empathie mangeln. Er war indiskret und berührte pausenlos diverse Themen. „Er benahm sich völlig unpassend in der Gegenwart von ausländischen Staatsoberhäuptern. Genau das alles könnte man von Trump sagen. Also dieser Mangel an Selbstbeherrschung, die Aggressivität, die Furcht vor der Demütigung, der Geltungsdrang.“

Europa im Blick von Christopher Clark

Der Qualitätssender 3sat (ARD, ORF, SRG) darf nicht geopfert werden! Entsprechende Pläne, ihn aufzulösen und seine Programmanteile anderen Medien einzuverleiben, werden hoffentlich nicht realisiert. Das ist umso wünschenswerter, als gerade in letzter Zeit wieder besonders sehenswerte Dokus programmiert waren.(Mod-Text Udo Bachmair)

Hans Högl *

Wer im Fernsehen auch einen Bildungsauftrag sieht, der kam mit 3-sat Sendungen mit dem Namen „Europa-Saga“ voll auf die Rechnung. Sie wurden von Prof. Christopher Clark (Univ. Cambridge) konzipiert und geleitet. Christoper Clark ist der in Australien geborene Historiker, der an der Universität Cambridge lehrt. Er wurde bekannt durch das Buch „Schlafwandler“- über die Anfänge des 1. Weltkrieges.

Die Sendungen wurden gestern Dienstag, den 12. November 2024, ab 14.05 ausgestrahlt. Ich habe mit großem Interesse die Einzelsendungen von Anfang bis Ende gesehen.

Die Sendungen wären für den Bereich „Politische Bildung“ außerordentlich geeignet. Vielleicht vermag eben ein australischer Historiker die Leistungen der verschiedenen Länder wie von Frankreich, den Niederlanden, Deutschland und Österreich für Europa und die Welt so fair und ausgeglichen darstellen.

Mit großer Kenntnis hebt Clark die wichtigsten Ereignisse Europas – vom Mittelalter beginnend hervor – und verweist auf den Unterschied zum Großreich China, das niemals seine Grenzen so ausgedehnt hat wie Europa.

Clark sucht persönlich die wichtigsten Orte und Quellen selbst auf. Durch Amsterdam fährt er typischerweise mit dem Fahrrad wie eben Niederländer. Er konsultiert und zeigt die Originaldokumente wie das vom Westfälischen Frieden 1648 und die des Wiener Kongresses 1815.

Für Clerk ist das Zustandekommen der Europäische Union eine der größten Errungenschaften der Weltgeschichte.

* Prof. Dr. MMag. Hans Högl ist Soziologe, Buchautor, Vizepräsident und Finanzreferent der Vereinigung für Medienkultur und lebt in Wien und Bad Mitterndorf

Afrika weiter in Armut gefangen

Einen nach wie vor aktuellen Blickwinkel auf Afrika bietet das 2011 im dtv-Taschenbuchverlag München erschienene Buch von Volker Seitz mit dem Titel „Afrika wird arm regiert oder wie man Afrika wirklich helfen kann“

Hans Högl

Im Sinne der Medienkultur greife ich auch Bücher und Zeitschriften auf und nicht nur „Massen“-Medien (NB. der Name „Massen“-Medien ist fragwürdig). So berichte ich von Erfahrungen, die der deutsche Diplomat Volker Seitz – er war 17 Jahre auf Posten in Afrika -in Buchform wiedergab: „Afrika wird arm regiert oder wie man Afrika wirklich helfen kann“. Zwar wurde dies vor Jahren publiziert, aber die Konsequenzen daraus sind längst nicht gezogen. Afrika -reich an Rohstoffen, Energiereserven und Arbeitskräften – bleibt noch immer in Armut gefangen.

Das Ende der Kolonialzeit liegt ungefähr 50 Jahre zurück, und Kolonialismus kann nicht mehr für alle Miseren als Ursache herhalten (S. 75) und dass präsidiale Vertraute der Regime Einfluss für persönliche Bereicherung nutzen. Es gibt – laut Seitz- afrikanische Länder, die Korruption erfolgreich bekämpft haben (und sie ist nicht naturgegeben), und er hat viele verantwortungsbewusste Afrikaner kennen gelernt.

Ich greife aus dem Text (Umfang: 239 Seiten) aus aktuellen Gründen primär Aussagen zu Medien und Migration auf. „Das überall empfangene Satellitenfernsehen“ zeigt von Europa verführerische Bilder ( S. 125), was u.a. Migration hervorruft. Die jungen Afrikaner sind gut informiert. Nachrichten kommen auch von Radio France International, BBC und afrikanischen Sendern. Seitz: Wir müssen einen anderen Blick auf Afrika werfen. Ein Buchmarkt ist nur zögernd im Entstehen, dabei gibt es exzellente Autorinnen (wie Marie N`Diaye, deren Vater aus Senegal stammt). Der Dokumentarfilm „Sisters in Law“ (gezeigt in Cannes) zeigt die Durchsetzung des Rechtsstaates in Kamerun (S.205).

In vielen Ländern Afrikas sind Schulen kostenfrei, verschwiegen wird, dass oft Klassen mit 100 Schülern von schlecht bezahlten Lehrkräften unterrichtet werden. Doch die Kosten für Schulbücher und Uniformen können viele Eltern aus ländlichen Regionen nicht aufbringen (S.77). Doch in Ruanda sorgt die Regierung für ein gutes Lernumfeld, da haben Jugendliche die Chance, der Armut zu entgehen. Andernorts sorgen Kirchen und Stiftungen (z.B. von Siemens) und kleinere Initiativen für Schulen und geben behinderten Kindern eine Chance. Besonders benachteiligt sind Mädchen, so im Niger, wo wenige eingeschult werden (S.77).

Der Zustrom von illegalen Einwanderern nach Europa geht auch auf den lange großzügigen Umgang mit dem Aufenthaltsrecht in Italien und Spanien zurück. In Spanien arbeiten viele in der Landwirtschaft (S. 127).
Viele junge Afrikaner kehren nach ihrer Ausbildung nicht in die Heimat zurück. Es ist ein Unsinn, „dass auf den britischen Inseln mehr Ärzte und Krankenschwestern aus Ghana tätig sind als in Ghana selbst“. Allein aus Uganda wanderten in letzter Zeit 500 Ärzte und Krankenschwestern ab – in arabische Staaten (!), nach Europa, aber auch nach Südafrika.
Dieser Brain könnte gestoppt werden. Man sollte sich fragen, warum Botswana, Mauritius und Benin dieses Problem nicht oder in geringem Ausmaß haben (S. 129). Bei der NASA ist ein malischer Wissenschafter tätig (S. 204).

Der Diplomat Seitz fordert eine radikale Änderung der Entwicklungspolitik. Die reichen Länder sollten ihre Hilfe direkt für Gesundheit, Bildung und Landwirtschaft überweisen und nicht für Budgethilfen. Insofern ist auch die magische Zahl von 0,7 % des BIP für Entwicklungs- Zusammenarbeit (EZ), wie es so schön heißt, fragwürdig, zu der sich Industrieländer 1970 verpflichtet haben (S. 73). Wie kein anderes Land belegt Tansania das Scheitern, obwohl es geradezu ideale Voraussetzungen hat. Seitz hebt im Vorwort den „großartigen Einsatz der Kirchen hervor“- so in Simbabwe.

Als Verfasser dieser Zeilen lernte ich im Ausbildungsprojekt „Globales Lernen“ Länder in Westafrika (Ghana, Togo und Benin) kennen. Immer wieder baten mich Afrikaner um Hilfe zum Auswandern. Ich leitete eine Befragung auf Kap Verde im Rahmen der österreichischen Entwicklungspolitik, Musiker baten mich, für eine Gruppe eine Fahrt nach Europa zu organisieren und zu sponsern. Am meisten befasste ich mich mit Lateinamerika (vor allem Brasilien) und war vier Jahre im Lateinamerika-Kolleg (in Löwen/Belgien, wo viele Latinos studierten und lebten.