Eine „alte Frau“ eines Dorfes an Greta Thunberg

Wie sich die Dorfbewohnerin Daniela Pichler (50) verteidigt

Greta Thunberg, Deine Wutrede in New York hat mir imponiert. Aber auch ich bin wütend. Wütend, weil es immer „die Alten“ sind, die an der Zerstörung unserer Erde schuld sein sollen. Das stimmt nicht ganz.

Ich gehöre zu einer Generation, die jeden Tag zu Fuß zur Schule ging, wir hatten bis zum Arbeitseintritt weder einen Fernseher geschweige ein Telefon. Wir standen nicht jeden Tag unter der Dusche. Nach Wachstumsschüben gab es neue Kleidung, der Rest war von Verwandten geschenkt. Mit 14 Jahren sah ich das erste Mal ein Kino von innen. An eine Flugreise war nicht zu denken. Dennoch hatte ich eine schöne Kindheit, bescheiden ja, aber mir fehlte es an nichts. Demnächst werde ich 50 und sehe mich bis heute keineswegs als Klimasünderin.

Wenn ich mein Leben mit eurem vergleiche, könnte es unterschiedlicher nicht sein. Bei all euren guten Taten, die ich zweifelsohne schätze: Habt ihr jemals nachgedacht, woher euer Smartphone, euer Laptop oder euer Tablet kommt? Wisst ihr, wie groß der ökologische Fußabdruck eines Handys ist? Habt ihr eine Ahnung, wie viel Energie, wie viel Ressourcen bei der Anwendung von Streaming-Diensten verschleudert werden? Wohin ging die Maturareise? Wie viele Fotos wurden im Netz versandt? Wisst ihr, wie viele Bäume beim Ausbau von 5G ihr Leben lassen müssen?
Es ist nicht genug, weniger zu fliegen, auf Plastik zu verzichten, Wasser zu sparen, Second-Hand zu tragen und Bio-Äpfel zu kaufen. Es braucht viel mehr, um einen lebenswerten Planeten zu retten. Es liegt auch in eurer Hand.

Daniela Pichler,
5324 Hintersee. Leserbrief in Wiener Zeitung am 26.9.2019

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert