Udo Bachmair
Bereits Tausende Todesopfer lebensbedrohlicher Überfahrten von Nordafrika in Richtung „Festung Europa“ sind zu beklagen. Ratlosigkeit, mitunter auch menschenverachtenden Zynismus, kennzeichnen hilflose Versuche und unzumutbare „Lösungsvorschläge“ seitens der Politik. Ein immer wieder zitiertes Wort in dem Zusammenhang: „Schande“.
Jedes Jahr versuchen auch mehrere Tausend Menschen, über den Zaun in Melilla nach Europa zu kommen. Dort werden sie oft unter Missachtung elementarer Grundrechte wieder abgeschoben. Die Aufnahmebedingungen gelten als katastrophal.
Als besonderer Hohn muss erscheinen, dass ausgerechnet dort ein Golfplatz entstanden ist, an dessen Peripherie sich täglich Flüchtlingstragödien abspielen. Jedenfalls kommt dem Platz eine besondere Symbolkraft zu.
Javier Caceres, Brüsselkorrespondent der Süddeutschen Zeitung hat sich des Themas angenommen und berichtet:
- Die Europäische Union bezuschusste einen Golfplatz in der spanischen Exklave Melilla mit Millionen-Beträgen. Der Golfplatz liegt direkt am Grenzzaun zu Marokko, den Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa zu überwinden versuchen.
- Auf Anfrage der spanischen EU-Abgeordneten Marina Albiol rechtfertigte die EU-Regionalkommissarin Corina Creţu die Geldmittel aus Brüssel mit den Infrastrukturproblemen in Melilla.
- Außerdem habe man mit dem Golfplatz zur Sportförderung beigetragen und den Umweltschutz gestärkt, da der Platz auf einer ehemaligen Müllhalde gebaut wurde.
Wenn es je ein Bild gegeben hat, das die Opulenz Europas und das Elend der Flüchtlinge an seinen Grenzen eindrücklich gegenüberstellt, dann dieses: ein Foto vom Golfplatz in Melilla mit dessen ungebetenen Zaungästen. Vorne schlagen Golfspieler ihre Bälle ins satt bewässerte Grün; im Hintergrund sitzen afrikanische Flüchtlinge rittlings auf einem mehrere Meter hohen Gatter. Doch dieses hegt eben nicht die palmenumsäumte Sportanlage ein, sondern ist eine Grenzbefestigungsanlage des Königreichs Spanien.
Besonders pikant war die Information, dass die Europäische Union den Golfplatz in Spaniens nordafrikanischer Exklave mit 1,4 Millionen Euro bezuschusst hatte – auf Antrag der spanischen Regierung, die selber 3,5 Millionen Euro dafür lockermachte. Die EU-Kommission hat ihren Millionenzuschuss nun gerechtfertigt, mit Argumenten, die wie Hohn wirken müssen: Die Kofinanzierung des Golfplatzes sei Sportförderung – und daher dazu angetan, die Lebensqualität der EU-Bürger in Melilla zu verbessern…
Enthalten ist diese Bemerkung in der Antwort der EU-Regionalkommissarin Corina Creţu auf eine parlamentarische Anfrage der EU-Abgeordneten Marina Albiol. Die spanische Linke hatte sich daran gestoßen, dass das Geld für den Golfplatz ausgerechnet aus dem EU-Regionalfördertopf gekommen war. Diese Mittel sollen eigentlich dafür sorgen, dass sich die Lebensverhältnisse in den verschiedenen europäischen Staaten möglichst weit anpassen. Dass Melilla ein Infrastrukturproblem hat, ist unbestritten. Aber: „Glaubt die Europäische Kommission wirklich, dass ein Luxusgolfplatz der Korrektur von Ungleichgewichten in der EU dient?“, wollte Frau Albiol wissen.