Gabriele Matzner-Holzer, Diplomatin und Ex-Botschafterin
(Teilnehmerin der Podiums-Diskussion zum Ukraine-Konfikt und der Verantwortung von Medien und Politik am 24. 9. ab 18.30 Uhr im Presseclub Concordia in Wien)
Geschätzte FreundInnen!
Oftmals wird gefragt, warum sie zu uns kommen, und gerade jetzt in größerer Zahl. Richtig: man sollte dafür sorgen, dass sie in ihren Herkunftsländern und den Nachbarländern, wohin sie – meist vor Krieg und extremer Not – geflüchtet sind, bleiben.
Aber wie? Sicher nicht, indem die „internationale Staatengemeinschaft“, wie geschehen die dafür nötigen Mittel kürzt oder schlicht nicht bereit stellt (es handelt sich um Beträge, die diese Gemeinschaft quasi aus der Portokassa bezahlen könnte, denkt man einmal an die aufgewandten vergleichsweise viel höheren Mittel für „Terrorismusbekämpfung“, Aufrüstung, Bankenrettung, Flüchtlingsabwehr etc.). Es gab bereits genügend Warnungen, und vor vielen Monaten, was passieren würde, wenn die „Gemeinschaft“ weiterhin zahlungsunwillig ist.
Ich frage mich, und Euch, warum derartige Warnungen nicht nur bei den „Verantwortlichen“ verhallen (die geforderten und zugesagten Mittel für UNHCR liegen immer noch bei einem schwachen Drittel des Benötigten), sondern kaum in unseren Medien kritisch aufgegriffen wurden und werden?
Nun ist von Schlepperbekämpfung und „Schifferlversenken“ (beides Kurieren am Symptom) und „Lagern“ in den angrenzenden außer-europäischen Ländern („Externalisierung“ des Problems) als Lösung die Rede. Welche Länder will man mit solchen Lagern betrauen? Libyen? Und würden dafür, anders als derzeit, wirklich ausreichende Mittel zur Verfügung gestellt werden, sodass die Menschen dort nicht wie die Tiere nur vegetieren müssen?
Ich frage mich weiters, ob man den Konnex zwischen der Interventionspolitik der „westlichen Wertegemeinschaft“ in diversen (zugegebenermaßen diktatorischen, aber funktionierenden) Ländern in den letzten Jahren und dem nunmehrigen Chaos („failed states“ mit allen grauenvollen Begleiterscheinungen, was natürlich keinen IS oder dergleichen entschuldigt) nicht sehen kann – oder will? Aber warum thematisieren unsere Medien (und PolitikerInnen) diese Frage nicht oder kaum? Es könnte bewusstseinserweiternd wirken und eine öffentliche Meinung gegen weitere derartige Interventionen aufbauen helfen (derzeit wird mit westlicher, US-Deckung der Jemen in einen „failed state“ verwandelt, die Hälfte der Bevölkerung ist bereits auf der Flucht).
Natürlich kann „Europa“ nicht alle Bedrängten der Welt aufnehmen. Es könnte sich aber als Friedensnobelpreisträger fragen, was es selbst zum Unfrieden und zu den Fluchtbewegungen beiträgt und beigetragen hat,
meint mit friedlichen Grüßen
Gaby Matzner