Auffällig ist in vielen Medien die Tendenz, die österreichische Neutralität als nicht mehr zeitgemäß darzustellen. Doch nicht alle Experten sehen dies so.
Udo Bachmair
Die österreichische Neutralität sei überholt und kein effektiver Schutz in Zeiten wie diesen. Mit dieser Botschaft sollen MedienkonsumentInnen offenbar Zug um Zug an den Gedanken eines NATO-Beitritts Österreichs gewöhnt werden, als eine sozusagen logische Konsequenz. Dies offen auszusprechen traut sich jedoch kaum jemand im Politik- und Medienbereich, auch nicht die NEOS, die die Neutralität besonders deutlich in Frage stellen. Sie träumen von einem eigenständigen EU-Verteidigungssystem, das letztlich, sollte es überhaupt jemals realisiert werden, wiederum voll unter die Domäne und den Einflussbereich der NATO käme.
Wie auch immer, kein Weg würde in weiterer Folge an der NATO vorbeiführen. Dass seitens der westlichen Militärallianz ein großes Interesse auch an einem Beitritt Österreichs bestünde, liegt auf der Hand. Umso mehr obliegt bzw. obläge es seriösen und beherzten Experten, Argumente pro Beibehaltung der in der Verfassung garantierten und bisher auch bewährten Neutralität einer breiteren Öffentlichkeit nahe zu bringen. Einer dieser Wissenschafter, nämlich der renommierte Politologe Heinz Gärtner, bringt Rolle und Bedeutung eines neutralen Staates wie Österreich besonders gut auf den Punkt, indem er klar festhält:
„Neutrale Staaten sind nicht wertneutral. Im Gegenteil, »engagierte Neutralität« bedeutet, Stellung zu nehmen zu schweren Menschenrechtsverletzungen, Genozid und Krieg. Neutrale Staaten sind aber nicht gezwungen, die Positionen von Großmächten oder Bündnissen zu übernehmen. Engagierte Neutralität ist also das Gegenteil von Abseitsstehen. Sie bedeutet Einmischen, wann immer möglich, und Heraushalten, wann immer nötig. Damit kann sie ein wertvoller Beitrag der Vermittlung und der Deeskalation in Zeiten immer schärfer werdender Konfrontationen sein. Somit behält sich der Neutrale einerseits die Macht, Weisungen von Bündnissen nicht auszuführen. Andererseits wird Status der Neutralität glaubhaft und nützlich.“
Ja, und viele stimmen ihm zu, wenn Prof. Heinz Gärtner sagt, neutrale Staaten seien nicht gezwungen, die Positionen von Großmächten oder Bündnissen zu übernehmen, sondern sie hätten die Freiheit sich einzumischen und sich herauszuhalten, wann immer nötig. – Wenn nun aber Unzufriedenheit, Frustration und Wut auch in unserem noch relativ friedlichem Land wachsen, dann wäre es doch dringend an der Zeit, dass die politische Spitze aktiv wird und dieser erforderlichen Bewegung zu „Engagierter Neutralität“ Vorgaben macht, die zu einer rascheren Veränderung anregen. Die Dringlichkeit ist groß, denn dieser Krieg verusacht eine gewaltige Krise, die allen anderen gewaltigen Krisen des Jahrhunderts, unter denen die Menschheit leidet, verschlimmert. Der Teufelskreis der Krisen wird beschleunigt! Vermeiden wir doch einen Weltkrieg!