Gastbeitrag von Katharina Reich
Zunächst: Was bedeutet der Begriff „Zensur“?
Cesura stammt aus dem Lateinischen und bedeutet „zu versuchen, Information unter Kontrolle zu bekommen“. Dazu werden Regeln aufgestellt, zumeist von staatlicher Stelle, die die Massenmedien bzw. den persönlichen Informationsverkehr unter Kontrolle halten sollen. Das Ziel ist es, die Verbreitung ungewollter bzw. „gesetzeswidriger“ Inhalte zu blockieren oder zu behindern.
Wo kann Zensur eintreten?
Bei publizistischen Werken können unterschiedliche Formen der Zensur angewendet werden: Unter einer Vorzensur oder auch Präventivzensur wird die Vorlage zur Genehmigung einer Publikation bei der Zensurbehörde verstanden. Die Behörde streicht Sequenzen in Drehbüchern oder verbietet Textstellen überhaupt zu drucken. Die Repressiv- oder auch Nachzensur wiederum bezeichnet die Beschlagnahmung von bereits Erschienenem und die Beschränkung bzw. das Verbot der Verbreitung.
Zensur ist allgemein betrachtet auch die Einschränkung der freien Meinungsäußerung.
In der Berichterstattung zu Personen kommt in den letzten Jahren ein unsachlicher Stil in den Medien vermehrt zum Einsatz. Bei Interviews wird beispielsweise mit Suggestivfragen gearbeitet. Damit einher gehen immer wieder Unterstellungen, die negativ polarisieren.
Ein Beispiel dafür aus den ORF-Nachrichten: „Metsola wurde gestern zur neuen EU-Parlaments-Präsidentin gewählt, obwohl sie Abtreibungsgegnerin ist.“ Hier bezweckt eine unsachliche und zusammenhangslose Verknüpfung eine negative Konnotation. Diese Form der Berichterstattung wird Haltungsjournalismus genannt. Er ist wiederum mit dem Kampagnenjournalismus und der Propaganda verwandt. Sicher ist, es handelt sich hier nicht um Qualitätsjournalismus. Von qualitätsvollem Journalismus ist zu sprechen, wenn Fragen offen gestellt sind, ohne auf bestimmte Antworten abzuzielen, denn das würde einer offenen und neutralen Frageweise völlig widersprechen.
Eine weitere Methodik des Haltungsjournalismus ist das Unterbrechen in Interviews. Dem befragten Interviewgast wird ins Wort gefallen. Dadurch kann jedoch ein Gedankengang nur unvollständig geäußert und das befragte Gegenüber an einer fairen Antwort gehindert werden. Die Teilfragmente einer Argumentation, die im Gespräch dadurch entstehen, führen mitunter zu Irritationen im Gesprächsverlauf. Eine unsachliche Art des Dialoges und überhaupt kein Qualitätsjournalismus.
Der Zugang der Bevölkerung zu Politik ist sehr beschränkt, das Interesse entsprechend niedrig. Untersuchungen zufolge haben nur 20 % der Österreicher einen Bezug zum politischen Geschehen durch hohes eigenes Interesse. Gerade auch der Rest der Bevölkerung wäre auf eine sachliche Berichterstattung angewiesen, die es aktuell weniger und weniger gibt.
Rund 80 % der Österreicher sind damit ausschließlich auf Abbildungen der Politik durch die Medien angewiesen. Die Meinungsbildung ist jedoch erheblich gestört, wenn davon ausgegangen werden muss, dass die mediale Berichterstattung nicht dem Qualitätsjournalismus entspricht.
Was ist nun die Voraussetzung für eine freie Entscheidungsfähigkeit? Hier kommt das neu zu entwickelnde 4 Säulenmodell zum Tragen. In diesem finden wir Legislative, Exekutive und Judikative als zentrale Säulen, die vierte Säule sind die Medien. Dies ist jedoch den wenigsten Bürgern in Europa bewusst. Wir könnten die vierte Säule Informative nennen. Doch es fehlen Regelwerke für die neu entstandene „informative“ Säule. Zurecht liegt hier in dieser Säule die Gefahr der Zensur und daher ist Vorsicht geboten.
Die Rolle der Journalisten gilt es in diesem Zusammenhang zu überdenken. Journalisten sind keine Politiker und sie haben keine gestaltende Position wie diese. Politiker sind hingegen demokratisch legitimiert und gewählt. Die journalistische Riege entfaltet jedoch eine gestaltende Wirkung mit ihren Fragen und Darstellungen zur Politik. Sie legt die Auswahl der Themen, die präsentierten Informationen und die Schlussfolgerungen dar. Emotionen werden heute leider als beliebte Instrumente herangezogen. So werden von der Front in der Ukraine kaum Fakten zu Toten und Verwundeten oder Waffennutzungszahlen vermittelt, jedoch wird das kleine Mädchen am Schulweg zwischen zerbombten Häusern hoch emotionalisiert dargestellt. Der Informationsgewinn einer Emotionsdarstellung ist gering. Einen Krieg über Emotionen ohne sachliche Berichterstattung zu beurteilen, geht am alten journalistischen Grundsatz, Zahlen, Daten und Fakten zu liefern, vorbei!
In der APA wurden Sprache und Schreibstil auf „einfache Sprache“ umgestellt. Was bedeutet das? Nun, die Sätze sind kurz und für „einfache“ Menschen geeignet. Doch das bedeutet im Rückschluss, die Medien schrauben ihr Niveau bewusst nach unten, um mehr Menschen zu erreichen. Das ist ein Schritt in die falsche Richtung, die formalen Kriterien nach unten zu nivellieren, denn so wird der Leser suggestiv an immer einfältiger werdende Inhalte gewöhnt. Die kritische Denkfähigkeit und die Herausforderung zur Entwicklung einer eigenen Meinung werden dadurch erschwert.
Eine weitere Entwicklung neben der einfachen Sprache ist die allgegenwärtige Idee des Storytellings. Geschichten sind hübsch, haben jedoch wenig mit Sachlichkeit zu tun. Geschichten illustrieren und schmücken aus, jedoch ist ihr Informationsgehalt meist gering. Storytelling hat sich von den Illustrierten bereits mehrfach in die Politik eingeschlichen. Mittlerweile wird die Homestory gerne als politisches Tool eingesetzt, um der Bevölkerung subtil Politik mit „Spaß“ näher zu bringen. Doch was passiert, ist ein Vermengen von Sachinformationen und Emotionen. Storytelling kommt ursprünglich aus dem Marketingbereich mit dem Ziel, dem Leser oder Konsumenten etwas zu verkaufen.
Einfache Sprache und Storytelling kommen also aus der Werbung. Aber warum wird diese vereinfachende Denke nun auf die Informationsmedien angewandt?
Das hat in erster Linie mit der Informationsflut und zweitens mit den neuen Medien zu tun. Im Vergleich zu 1950 werden wir aktuell mit einem Vielfachen an Informationen geflutet. In den 50igern gab es Radio und Zeitungen in jedem Haushalt, Fernseher konnten sich nicht alle leisten und das Internet gab es nicht. Heute beschleunigt sich die Informationsflut. Uns stehen mehr Informationsquellen zur Verfügung (Radio, Digitalradio, Internetradio, Fernsehen, Video, Kino, Youtube, TV-Mediatheken, Zeitungen, Magazine, Flyer, Newsletter, Briefe, Fax, SMS, E-Mails, Statusmeldungen, Chats, Foren, Portale, Apps) selbst Autos, Häuser und elektronische Geräte kommunizieren mit uns.
Die Mediengeschwindigkeiten nehmen darüber hinaus rasant zu (zweistellige Maileingänge pro Tag, mehr als 3 Termine pro Tag, nur die Teilnahme an neuen Events sichern laufende Präsenz in den Medien, immer schneller werden mehr Dokumente erstellt, etc.)
Denken wir diese Situation nun in die Zukunft weiter, so liegt die Vermutung nahe, dass in dieser Entwicklung keine bis kaum eine Sättigung erwartet werden kann. Vielmehr verlangt uns diese Entwicklung einen neuen Umgang mit Medien ab. Doch was hat das mit Zensur zu tun? Menschen betrachten lieber als dass sie lesen. Diese „Faulheit“ ist mitunter Grund dafür, dass heute in jedem Wohnzimmer ein wandfüllender Bildschirm hängt, jedoch das Buchregal fehlt.
DER KOSTBARSTE ROHSTOFF IM 21. JAHRHUNDERT IST NICHT MEHR ÖL ODER ZUVOR GOLD. ES SIND UNSERE BLICKE. GANZE INDUSTRIEN LEBEN DAVON, DASS WIR IHNEN DAS WERTVOLLSTE GEBEN: UNSERE AUFMERKSAMKEIT!
Mag.a Katharina Reich ist studierte Architektin und arbeitet als Dozentin und Publizistin in Wien.