Vor ein paar Tagen informierten wir über die Pressekonzentration in Griechenland, die zumeist in den Händen von Reedern und Bauträgern liegt. Nun wird deren Berichterstattung massiv hinterfragt. Die Quelle: Das deutsche Medienmagazin Zapp. Dank an Dr. Öfferlbauer für den wertvollen Hinweis.
Einseitige Berichterstattung: Rechtliches Nachspiel in Athen
Die griechische Staatsanwaltschaft und die Athener Journalistengewerkschaft ESIEA haben unabhängig voneinander Ermittlungen gegen die großen privaten Medienunternehmen des Landes aufgenommen. Ihnen wird Parteilichkeit in der Berichterstattung vor dem Referendum am vergangenen Sonntag vorgeworfen.
Hauptkritikpunkt: Im Vorfeld des Referendums sollen die „Nein“-Stimmen in der Berichterstattung deutlich weniger Gewicht erhalten haben als die „Ja“-Stimmen. Das verbietet eigentlich das griechische Wahlgesetz. Wie das Nachrichtenportal „ThePressProject“ schreibt, haben die sechs landesweiten TV-Nachrichtensender insgesamt 8 Minuten und 33 Sekunden von den „Nein“-Protesten berichtet, „Ja“-Demonstrationen seien mit 48 Minuten und 32 Sekunden hingegen überrepräsentiert gewesen.
Nutzung von falschen Bildern, um Angst zu erzeugen
Das spendenfinanzierte Internetprojekt, das sich unter anderem aus vielen Journalisten rekrutiert, die im Zuge der Krise arbeitslos geworden sind, nennt auch konkrete Beispiele für Manipulationen. In einer Reportage im MEGA Channel, Griechenlands größtem Fernsehsender, sei demzufolge behauptet worden, dass die von der Regierung eingeführten Kapitalkontrollen vor den Banken zu kilometerlangen Warteschlangen geführt haben – bebildert mit wartende Menschen in Südafrika, die wohl Jahre zuvor aufgenommen wurden.
Am Wahltag titelten so gut wie alle großen Sonntagszeitungen mit einem großen „Ja“ auf der Titelseite und machten Stimmung gegen die Vorschläge der Regierung.
Die konservative „Kathimerini“ etwa schrieb: „Ja zu Europa, Demokratie und Stabilität.“ In der rechtsliberalen „Proto Thema“ hieß es:
Dieser Tenor herrschte auch in den Programmen aller privaten Fernsehsender von SKAI über MEGA bis zu ANT1. Für das Nein-Lager setzten sich von den etablierten Medien allein die Syriza-Parteizeitung „Avgi“ und die Pressekooperative „Zeitung der Redakteure“ ein, außerdem der öffentlich-rechtliche Sender ERT, der aber traditionell immer sehr regierungsnah berichtet – unabhängig von der jeweiligen politischen Couleur.
Berichterstattung vor Wahlen muss ausgewogen sein
Dass Medien Stimmung für ihr Lager machen, ist in Hellas an sich nichts Außergewöhnliches. So gehören beinahe ausnahmslos alle Zeitungsverlage und Fernsehsender großen Firmengruppen oder mächtigen Einzelpersonen, die gleichzeitig Baukonzerne, Reedereien sowie Fußballvereine besitzen und ihre Massenmedien nutzen, um in ihrem Sinne Öffentlichkeit zu betreiben. In Griechenland werden sie nur „die Oligarchen“ genannt.
Da im Vorfeld von Wahlen eine unausgewogene Berichterstattung allerdings verboten ist, hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen. Zeitgleich rief die Ethik-Kommission der Journalistengewerkschaft ESIEA die neun wichtigsten Nachrichtensprecher und Nachrichtenchefs zum Rapport, „um sich den Anschuldigungen zu stellen“. In der Pressemitteilung dazu heißt es:
Sind die Ermittlungen politisch motiviert?
Die betroffenen Journalisten kritisieren die Ermittlungen stark. Dimitris Kotaridis, ein Journalist des zweitgrößten Fernsehsenders ANT1 und Schatzmeister der ESIEA, sagte der Zeitung „The Age“, die Ethik-Kommission der Gewerkschaft sei von Syriza-Anhängern unterwandert worden. Weil unter den Journalisten keine Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen ERT seien, gehe er davon aus, dass die Ermittlungen „politisch organisiert“ seien.
Auch SKAI-Nachrichtenchef Stamatis Malelis reagiert gereizt auf die Anschuldigungen und wendet sich auf seiner Facebook-Seite direkt an die Partei von Regierungschef Alexis Tsipras:
Der Rundfunkrat ermittel ebenfalls
Die Journalistengewerkschaft ist mit ihrer Kritik allerdings nicht alleine. Der Nationale Rundfunkrat (ESR) beklagt ebenfalls die unausgewogene Medienberichterstattung. Die Behörde ist gemäß der Verfassung Griechenlands für die Kontrolle, Einrichtung und Bewertung von Hörfunk und Fernsehen verantwortlich. Zur weiteren Untersuchung sind die Sender nun aufgefordert, ihr komplettes Programm der letzten sieben Tage vor dem Referendum beim ESR einzuschicken. Der Verdacht besteht ferner, dass noch am Wahltag gezielt Stimmung für ein Lager gemacht wurde – auch das ist laut den gesetzlichen Grundlagen in Griechenland nicht erlaubt. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen.
Zoi Konstantopoulou, Mitglied der Syriza-Partei und zurzeit Parlamentspräsidentin, kündigte ihrerseits an:
Die „Bild-Zeitung“ macht in ihrer Ausgabe vom 9. Juli daraus „Syriza will offenbar gegen kritische Journalisten vorgehen“, aber das ist eine andere Geschichte.
Geldstrafe zu erwarten, Wahlschlappe schon kassiert
Sollten die Ermittlungen der Staatanwaltschaft sich bestätigen – und danach sieht es aus -, werden voraussichtlich lediglich Geldstrafen verhängt. Das wäre in Griechenland nicht das erste Mal, geändert hat das aber bisher wenig. Vor dem Hintergrund, dass die griechischen TV- und Radio-Sender schon seit Jahrzehnten ohne offizielle Lizenz ihr Programm ausstrahlen, sind auch diesmal keine weiteren Konsequenzen zu erwarten.
Allerdings hat sich, das hat das Referendum eindeutig gezeigt, die griechische Bevölkerung nicht von der Meinungsmache beeinflussen lassen. In keinem Wahlkreis des Landes gewann am Sonntag das „Ja“-Lager. Der jahrelange Missbrauch der journalistischen Organe als Sprachrohr der Oligarchen hat deren Glaubwürdigkeit stark beschädigt und letztlich deren Einfluss entscheidend geschwächt.