Wie steht es in Corona-Zeiten um unsere Demokratie ? Diese Frage war Gegenstand einer bemerkenswerten Veranstaltung der „Wiener Zeitung“.
Udo Bachmair
„Gefährdet das Virus die Demokratie ?“ bzw. „Wie sehr sind Grund-und Freiheitsrechte im Stresstest?“ Zwei jener bangen Fragen, um die die Podiumsdiskusssion unter Leitung des Chefredakteurs der „Wiener Zeitung“, Walter Hämmerle, gekreist ist. Eingeladen waren die Demokratieforscherin Tamara Ehs und der Politologe Wolfgang Merkel.
Professor Merkel ortet einen „Niedergang der Qualität der Demokratie“. Dies sei schon seit einigen Jahren zu beobachten. Diversen Studien zufolge habe Österreich in Demokratie-Rankings einige Plätze eingebüßt – besonders wegen mangelnder Transparenz und Informationsfreiheit und auch wegen einer Verschlechterung der Pressefreiheit.
Die Corona-Krise hat die Situation zusätzlich verschärft. Sie erzeuge einen „unglaublichen Einschnitt in Grund- und Freiheitsrechte ohne großen Widerspruch“, befindet auch Moderator Hämmerle. Die beiden Wissenschafter Ehs und Merkel sehen große Defizite in den demokratischen Kontrollsystemen, im Besonderen sei die Kontrollfunktion der Opposition gestört.
Kritik auch am ORF, im Speziellen an der ZiB 1 : Dass Regierungs-Pressekonferenzen ohne kritische Einordnung durchgeschaltet werden, bewertet Politik- und Medienforscherin Tamara Ehs als „schockierend“. Die Opposition habe „abgedankt“. Sinnvoll wäre unter anderem ein begleitender U-Ausschuss im Parlament, der Gesetze neu prüft.
Bürgern sollten zudem Gewissheit haben, wirklich mitentscheiden können. Dafür wäre laut Merkel ein „Modell mit gelosten Bürgerräten mit repräsentativem Charakter wie in Irland“ erstrebenswert. Ob ein solches Modell angesichts der realpolitischen Situation tatsächlich effektiv und nicht zahnlos sein kann, bleibt allerdings fraglich.
Wir sollten nicht alles der Corona-Pandemie in die Schuhe schieben, aber sollten wir uns nicht doch gerade jetzt fragen, inwieweit es an uns selbst liegt, die wir in einer industrialisierten Gesellschaft bequem geworden sind, wenn die Politik zu einem lediglich nachsteuernden Instrument geworden ist?!?
Ja, super, die junge Generation, in diesem speziellen Fall, die Initiative Zivilgesellschaft-Generation Nachhaltigkeit – GN3, hat Recht, sich mit dem Konzept einer „Konsultative“ um eine institutionalisierte Form der Bürgerbeteiligung zu bemühen. Ich denke, wirklich mündige Bürger, die sich für radikale, kollektive Handlungsfähigkeit einsetzen, sind sich der Verantwortung sehr wohl bewusst. Wenn sich nun immer mehr Menschen aufgrund der Dringlichkeit eines Umwelt-/Klimawandel-Notstands (mit bereits einhergehenden Katastrophen, letztlich auch die Corona-Pandemie) Sorgen machen, so tun sie dies nicht nur aus Eigeninteresse, sondern auch im Interesse der Bevölkerung in anderen Teilen der Welt, ja im Interesse des Weltfriedens.
Soziale Gerechtigkeit, Gleichheit, ein globales Kernthema, ist kein leichtes Unterfangen! – Um zum Handeln zu kommen wird es noch großer Anstrengungen bedürfen! Hier gilt es jetzt „zum Beispiel gewisse Widersprüche und Mängel im jeweiligen demokratischen System sichtbar zu machen“ und „neue Ausdrucksformen, Verfahren und Institutionen einer demokratischen Gesellschaft zu potenzieren“. Der Historiker Pierre Rosanvallon schreibt in seinem neuen Buch „Das Jahrhundert des Populismus“, es gäbe für die Demokratie kein Urmodell. Weil sie eine Freiheitserfahrung begründe, sei sie „eine problematische Lösung für die Errichtung eines Gemeinwesens freier Menschen geblieben.“