Soziologe Martin Schröder zur Zufriedenheit in Deutschland
Hans Högl
Im Schweizer „Tages-Anzeiger“ wurde ich auf den Marburger Soziologen zu Aussagen über Zufriedenheit von Frauen aufmerksam. Doch schon zuvor war ein Beitrag in der „Frankfurter Allgemeinen“. Darin wird auf ein früheres Buch verwiesen mit dem Titel „Warum es uns noch nie so gut ging und wir trotzdem ständig von Krisen reden“.
Dies ist für die Medienkultur wichtig, weil in Medien fast nur von Krisen die Rede ist. (Einwand: Seit einiger Zeit bringen einzelne Medien auch die Spalte: Die gute Nachricht“). Die Aussagen des Buches von Martin Schröder, einem Soziologen aus Marburg, sind ähnlich denen im Buch „Factfulness“ von dem berühmten schwedischen Statistiker Hans Rosling. Die aufwändige Studie von Schröder zeigt, dass die soziale Wirklichkeit in Deutschland (wohl auch in Österreich) ganz anders wahrgenommen wird, als uns dies Medien vermitteln und was so im Alltag geredet wird.
Mein Buch, so schreibt Martin Schröder, „Warum es uns noch nie so gut ging und wir trotzdem ständig von Krisen reden“ zeigt, dass fast alles in Deutschland und der Welt besser wird und warum es kaum jemand merkt und davon Kenntnis nimmt.
Ich weiß … dass fast alles besser wird, klingt zu gut, um wahr zu sein. Das dachte ich jedenfalls, bevor ich zu diesem Thema recherchierte. Doch das Ergebnis war verblüffend: Es stimmt, und mittlerweile kann ich es mit objektiven Daten und repräsentativen Umfragen beweisen. Oder hätten Sie gedacht, dass kaum jemand in Deutschland unzufrieden ist? Auf einer Skala von 0-10 bewerten nur 7 Prozent der Deutschen ihre Lebenszufriedenheit mit weniger als 5 Punkten.
Hätten Sie gedacht, dass kaum jemand in Deutschland sich für arm hält? Auch das stimmt: Nur 10 Prozent aller Deutschen bezeichnen ihre wirtschaftliche Situation als schlecht oder sehr schlecht. Können Sie glauben, dass Familien in Deutschland immer mehr Zeit miteinander verbringen? Dass kaum jemand einsam ist?
Dass die Wahrscheinlichkeit, Terror- oder Gewaltopfer zu werden, noch nie so gering war? Dass die Luft- und Wasserqualität in Deutschland unvergleichlich besser ist als in der Vergangenheit? Objektive Daten zeigen genau das! Aber nicht nur in Deutschland, auch in der Welt wird das Leben in fast jeder Hinsicht besser: Verglichen mit den 50er Jahren ist beispielsweise die Wahrscheinlichkeit, in einem Krieg umzukommen, um 90 Prozent gesunken (doch nun haben wir den Ukraine-Krieg).
Noch Anfang der 1980er Jahre lebten über 40 Prozent der Menschheit in extremer Armut, selbst im Jahr 2000 waren es noch circa 30 Prozent, heute ist es nur noch einer von zehn. Mittlerweile sind zwei Drittel aller Länder der Welt demokratisch. Langfristig mehr als je zuvor. 98 Prozent aller Menschen haben heute einen höheren IQ als jemand mit durchschnittlicher Intelligenz vor 100 Jahren.
Was bewirkt ein populärwissenschaftliches Buch und was das millionenfach dargelegte Gegenteil der Medienwelt? Muss das nicht zu denken geben?
Ja, lieber Hans Högl, das sollte uns zu denken geben! – Vielleicht auch insofern als wir dann überlegen sollten, ob wir an der Transformation des Journalismus nicht mehr mitarbeiten dürfen, im Sinne eines reflexiven Medienverständnisses. Tja, und könnte es diesbezüglich nicht auch hilfreich sein, wenn ein öffentlich-rechtliches Mediensystem gefördert würde, vergleichbar dem Gesundheits- und Bildungssystem, die ja eigentlich nicht marktfähig und deshalb nicht (oder kaum) kommerzialisiert, sondern als gemeinnützige oder öffentlich-rechtliche Einrichtungen zu organisieren wären. Dann könnte endlich ein nachhaltiger Aufklärungsjournalismus gedeihen, der sich seiner eigenen Existenzvoraussetzungen bewusst ist und sich diesen auch verpflichtet fühlt.