Ö1-Im Gespräch als Lichtblick

Selten, aber doch gibt es sie noch jenseits des medialen Mainstreams: Differenzierende Berichte und Analysen zu komplexen Themen wie zur dramatischen Lage in Gaza und dem Westjordanland. Beispiel dafür die journalistische Auswertung eines bemerkenswerten Referats der Nahostexpertin Francesca Albanese, die an der Universität Wien ein Referat gehalten hat sowie kürzlich in der Ö1-Reihe Im Gespräch interviewt worden ist.

Peter Öfferlbauer *

Die UN-Berichterstatterin für die besetzten Gebiete Westbank und Gaza Francesca Albanese sprach an der Uni Wien am 6.12., worüber u.a. DER STANDARD am 7.12. umfangreich berichtete und feststellte: So scharfe Kritik an der israelischen Kriegsführung in Gaza bekommt man in Wien selten öffentlich zu hören.

Die ORF stories berichten bereits 37 Minuten nach Beginn der in zwei weitere volle Hörsäle übertragenen Veranstaltung nur kurz und knapp und titeln: Kritik am Auftritt der UNO-Berichterstatterin... In früheren Zeiten hätte man wahrscheinlich auf Ö1 dazu ein Journalpanorama hören können, das ist mit dem heutigen, ziemlich undifferenzierten Mitstricken an der westlichen Konsensfabrik kaum zu erwarten.

Umso erfreulicher (auch für das für den ORF immer noch gültige Objektivitätsgebot), dass die Reihe Im Gespräch doch immer wieder Gäste mit erhellenden, weiteren Aspekten und Informationen bringt, wie man sie aus Wien eher selten öffentlich zu hören bekommt, so am 24. und 30.1. eben Francesca Albanese. Das ist in dieser von Peter Huemer begonnenen Sendereihe gute Tradition. Ich erinnere mich, dass damals zum Jugoslawienkrieg erstaunlich anderes zu hören war als aus den täglichen Sendungen. Hoffentlich gibt es noch viele solcher Lichtblicke!

• Gastautor Dr.Peter Öfferlbauer, ehemaliger AHS-Lehrer, ist Politik- und Medienanalyst und lebt in Wels

Im globalen Süden Lieferketten prüfen

Hans Högl: Buchrezension

Andreas Sator (2019): Alles gut?! Unangenehme Fragen & optimistische Antworten für eine gerechtere Welt“. Wien (Kremayr & Scherian).

Ein engagierter Österreicher fragt sich im Detail, was er als Einzelner für eine bessere Welt auch im Süden des Globus beitragen kann. Das Besondere daran ist: Er reflektiert im Detail über die Folgen des Einkaufs und entdeckt, dass Helfen nicht so einfach ist.

S. 22 schreibt Andreas Sator: „Jeder Einkauf ist im Prinzip wie wählen gehen. Mit meinem Griff zum richtigen T-Shirt oder zur richtigen Tomate entscheide ich mit, wie die Welt aussieht, wie die Menschen leben und arbeiten und die Umwelt verschmutzt wird. In etwa so hört man immer wieder von Aktivist*innen.

Aber so einfach ist es leider nicht. Was nicht heißt, dass ich nicht trotzdem Impulse setzen kann“.Das Besondere ist, dass Andreas Sator ernsthaft über diverse Folgen eines Einkaufs nachdenkt.So achtet der Autor beim Kleidungseinkauf auf soziale und ökologische Kriterien (S.22).

Für den Einzelnen ist es schwierig, alles zu durchschauen, Darum entstand der Vorschlag, in der westlichen Welt Gesetze zu beschließen, die Unternehmen verpflichten, in „ihrer Lieferkette auf Arbeitsstandards zu achten“. Dann sind Firmen dafür verantwortlich.

Dieser Vorschlag wurde in einigen Ländern aufgegriffen. In Deutschland regte dies der Entwicklungsminister Gerd Müller an. Mercedes Benz und der Diskonter kik sprachen sich für dieses Gesetz aus. In Finland bejahten die Regierung und Konzerne dieses Gesetz,

Solche Gesetze seien sinnvoll, sagen Ökonomen, doch man könne in Bangladesch keine französischen Arbeitsnormen vorschreiben, denn sonst würden französische Firmen dort nicht mehr produzieren lassen (S. 22 ff.), In Österreich brachte der SPÖ-Abgeordnete Alois Stöger im Juli 2028 diesen Antrag im Parlament ein. Doch die ÖVP, die FPÖ und die Neos lehnen dies ab, und so wurde über diesen Antrag nicht abgestimmt (S. 24).

Zum Nachdenken

„Trump: Gefahr oder Chance“ war das Thema der sonntägigen Diskussionsrunde in ORF2, die nun nicht mehr unter „Im Zentrum“, sondern als „Das Gespräch“ firmiert. Die Diskussionsteilnehmer, u.a. Arbeitsminister Kocher, die Schweizer Politologin Claudia Bruhswiler sowie der Anwalt und USA-Kenner Robin Lumsden kamen dabei zu nicht uninteressanten Schlüssen.

Wolfgang Koppler *

Zu Beginn ging es um die von Trump angedrohten Importzölle, die natürlich- werden sie umgesetzt – in der EU erzeugte Waren in den USA teurer und somit weniger wettbewerbsfähig machen würden. Kocher sprach von einem Gegensatz zwischen einer „interessengelenkten“ und einer „moralgelenkten“ Außen- und Wirtschaftspolitik und forderte besonnenes Abwarten. Der erhobene Zeigefinger auf europäischer Seite sei hier wenig sinnvoll, da er die Positionen nur verhärten würde. Im Endeffekt würden Importzölle beispielsweise das Preisniveau in den USA und damit Inflation und Zinsen erhöhen, was auch nicht im Sinne Trumps sei. Es ließen sich als durchaus Kompromisse finden.

Auch Lumsden meinte, mit Moral sei Trump nicht beizukommen. Er plädierte angesichts eines Marktes mit 600 Millionen Menschen (wobei er sich offenbar auf Gesamteuropa bezog) für mehr Selbstbewusstsein und Zusammenhalt über nationalstaatliche Egoismen hinweg. Trumps Drohungen sah er es eher als Bluff, weil sich dieser sehr wohl der Auswirkungen etwa von Schutzzöllen auch auf die eigene Wirtschaft bewusst sei. Er plädierte ebenso wie Kocher für Pragmatismus. Vieles, was Trump ankündigen würde, sei primär „viel Lärm“.

Kocher wiederum wies darauf hin, dass nicht nur Trumps Ankündigungen, sondern auch seine Behauptungen oft überzogen seien. So gebe es zwar einen europäischen Handelsbilanzüberschuss gegenüber den USA, aber umgekehrt auch einen Dienstleistungsüberschuss, nämlich im digitalen Bereich, der von US-Konzernen dominiert würde. Hier hätten die Europäer die Möglichkeit auf US-Schutzzölle mit Digitalsteuern zu antworten. Wobei er natürlich für Besonnenheit und Verhandlungen plädierte. Statt Eskalation.

Das Thema Digitalsteuern und Internetregulierung führte dann natürlich zu den „Tech-Milliardären“ wie Elon Musk, Jeff Bezos, Marc Zuckerberg usw., die natürlich an Abgaben und Regulierung wenig Interesse haben. Bemerkenswerterweise nannte der durchaus nüchterne Anwalt Lumsden sie Oligarchen mit nicht unbeträchtlichem Einfluss auch auf das politische Geschehen. Auch wenn die Politologin Claudia Bruhswiler dies abschwächte und sie als sich gegenseitig doch irgendwie in Schach haltende Clique erfolgshungriger Männer ansah.

Dass über die Gefahren wirtschaftlicher Machtkonzentration und das Erfordernis einer – vielleicht weniger an (Schein-) Moral, sondern an Interessen und (vielleicht auch an einem neuen Menschenbild orientierten) Neuorientierung Europas diskutiert wurde, ist möglicherweise eine Chance. Wenn wir uns alle mehr in eine solche Diskussion einbringen. Zum Nachdenken.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Todsünden der Moderne

Hans Högl

Heinrich (Heini) Staudinger versendet die Zeitschrift „Brennstoff“ und lädt zum Pfingstsymposion über Rainer M. Rilke ein. In dem Heft finden sich sehr schöne-nachdenkliche Texte. Ferner wird um Beiträge für die inhaltsreiche Zeitschrift ersucht oder um Bestellung der Internetausgabe: gea.at/brennstoff69

IBAN: AT 11 3241 5000 0000 7898
Unter anderm fand ich in „Brennstoff“ EIN Text von M. Gandh U. einen zur Nachhaltigkeit

Die
7 Todsünden der modernen Gesellschaft
: Sinnvoll Wirtschaften.
Mutter Erde will es so

1. Reichtum ohne Arbeit Langlebigkeit
2. Genuss ohne Gewissen Reparierbakrkeit
3. Wissen ohne Charakter Regional erzeut
4. Geschäft ohne Moral Verantwortung in der Region un für sie
5. Wissenschaft ohne Menschlichkeit
6. Religion ohne Opfer
7. Politik ohne Prinzipien

Zügelung des freien Markts

„Donald Trump und das Ende der Globalisierung“ hieß die jüngste Folge des ORF-Wirtschaftsmagazins ECO in ORF2.

Wolfgang Koppler *

Der ORF-Beitrag wirkte auf mich etwas widersprüchlich. Da wurden vor allem die Vorteile der Globalisierung bzw. des weltweiten Wettbewerbs für unseren Wohlstand hervorgehoben. Und Nachteile kleingeredet. Der Verlust von Arbeitsplätzen durch die Verlagerung von Produktionen sei nur vorübergehend und würde durch die Schaffung neuer, hochqualifizierter Jobs wieder ausgeglichen. Und die Proteste seien sowieso verstummt. Von Umweltbelastungen durch weite Transportwege war nicht die Rede. Auch nicht von der demokratiepolitisch äußerst bedenklichen Macht der Großkonzerne, ihrem Einfluss auf Medien und Politik. Und auch nicht die Verdrängung etwa des stationären Handels durch Onlinehandel von kaum kontrollierbaren Billigprodukten uva. Die Finanzkrise 2008 wurde überhaupt unter den Tisch gekehrt. –

Aber immerhin durfte der ehemalige Bundeskanzler Christian Kern dann in einem Interview feststellen, dass der freie Markt nicht von selber funktioniere und Regulierung benötige. Wie das im weltweiten Wettbewerb – mit einer die Macht einzelner Staaten weit übersteigenden Wirtschaftsmacht von Konzernen – funktionieren solle, erklärte er nicht. Vielleicht könnte eine gewisse Abschottung von Großmächten wie den USA und China zu einem eigenständigeren und selbstbewussteren Europa führen. Mit sinnvollen Regulierungen, die anderen als Vorbild dienen können. Und einer geringeren Abhängigkeit von anderen Märkten. Vielleicht zeigt zunehmende Eigenständigkeit, dass grenzenloses, rein quantitatives Wachstum nicht alles ist. Weil wir uns damit letztendlich ruinieren. Ökologisch, sozial, wirtschaftlich und seelisch.

Und was Russland und China betrifft: Wer sagt, dass Russland sich auf ewig an China bindet und sich Europa nicht wieder zuwenden kann? Gehört es letztlich nicht auch zu Europa, wenn man zu einem vernünftigen Verhältnis findet und die Feindbilder nicht von beiden Seiten aufgeschaukelt werden?

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler lebt als Journalist und Jurist in Wien

Verabschiedung von Fritz Edlinger

Fritz Edlinger ist vergangenen Freitag (17.1.2025) unter Teilnahme einer großen Trauergemeinde am Friedhof Wien-Neustift beigesetzt worden. Die von ihm verantwortete außenpolitische Zeitschrift INTERNATIONAL wird laut jüngsten Informationen dennoch weiter erscheinen.

Udo Bachmair

Zur Erinnerung: Fritz Edlinger, Herausgeber und Chefredakteur von INTERNATIONAL, Präsident der Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen, ist am 8. 12. 2024 völlig unerwartet verstorben. Der Tod des renommierten Journalisten und Publizisten hinterlässt in Österreichs Medienlandschaft und Politik eine kaum zu schließende Lücke.

Es ist ein Mensch mitten aus dem Leben gerissen worden, der sich mit großer Leidenschaft und unermesslicher Energie für Frieden und Solidarität eingesetzt hat. Seine Empathie für Notleidende galt insbesondere für das schwer geprüfte palästinensische Volk. Er prangerte das brutale Vorgehen Israels in Gaza offen als Kriegsverbrechen sowie als „Völkermord“ an. Ein Begriff, der von UNO-Kreisen über Amnesty International bis hin zu Medien außerhalb Österreichs und Deutschlands als eindeutig belegbar betrachtet wird.

Fritz Edlinger ist in Wort und Tat zudem für eine engagierte Neutralität Österreichs eingetreten. Er hat immer wieder vor einer drohenden Aushöhlung der Neutralität gewarnt. Als aktives Mitglied der von Ex-Botschafterin Gabriele Matzner angeführten „Initiative engagierte Neutralität“ ist er einer der zahlreichen Unterzeichner eines Appells an die österreichische Bundesregierung, diese möge sich auf eine Friedens- und Neutralitätspolitik besinnen, die es Österreich ermögliche, als Mediator in Konfliktfällen, Beispiele Nahost und Ukrainekrieg, zu fungieren.

Fritz Edlinger kann angesichts seines viel zu frühen Ablebens sein großes Engagement nicht mehr weiterführen. Jedoch bleibt ein kleiner Trost für seine hinterbliebenen Freundinnen und Freunde: Das hervorragende Magazin INTERNATIONAL, für das Fritz unermüdlich, gleichsam Tag und Nacht, gearbeitet hat, wird jüngsten Informationen zufolge weiter erscheinen.

INTERNATIONAL bleibt erhalten als „kritische und unabhängige außenpolitische Zeitschrift, die dem Nord-Süd-Dialog, der aktiven Neutralität, Friedensförderung und Multipolarität verpflichtet ist“, teilt der neue Chefredakteur des Blatts, der Historiker und Publizist Dieter Reinisch, mit.

Im Übrigen war Fritz Edlinger nicht nur ein persönlicher Freund, sondern auch ein Freund unserer Vereinigung für Medienkultur, die er auf verschiedenen Ebenen unterstützte.

Nachhaltiges Wirtschaften gefragt

„Würde mich so freuen, wenn ich unrecht hätte“ sagte kürzlich gegenüber dem STANDARD die engagierte Klimaforscherin Sigrid Stagl. Sie wünscht sich, dass man ihr Buch „Introduction to Ecological Economics“ irgendwann „Introduction to Economics“ nennen könnte.

Ilse Kleinschuster *

Während sich zurzeit die österreichischen Tageszeitungen mit Meldungen zur Regierungsbildung überschlagen und ich unschlüssig in der Trafik stehe, ob ich mir überhaupt eine Zeitung kaufen soll, fällt mein Blick auf die erste Seite des STANDARD und ich erspähe rechts oben in dem kleinen Kastl auf der ersten Seite das Bild einer Frau, die ich sehr schätze. Also kaufe ich das Blatt. Darin entdecke ich ein Interview mit der als ‚Klimaforscherin‘ bekanntgewordenen Professorin an der Wirtschaftsuniversität Wien Sigrid Stagl, die für ihr Engagement in der Wissenschaftskommunikation als Wissenschaftlerin des Jahres 2024 ausgezeichnet worden ist:

https://www.derstandard.at/story/3000000251610/pionierin-der-klimaoekonomie-sigrid-stagl-ist-wissenschafterin-des-jahres

Ich erinnere mich, dass ich sie vor 17 Jahren bei einer Podiumsdiskussion sprechen hörte. Das Beeindruckende an ihr war ihre einfache Sprache, in der sie erklärte, warum sie es für notwendig erachte, dass es – im Unterschied zur allgemeinen Wirtschaftslehre – in der ökologischen Ökonomie für unrichtig gelte, die Dimensionen der Umwelt mit Geld zu bewerten. Sie hatte damals noch einen leichten englischen Akzent, nachdem sie gerade aus den USA und anschließend aus England zurückgekommen war, wo es auf diesem Gebiet die ersten Universitäts-Fakultäten gab, die sich dieser Thematik widmeten.

Heute, nach so vielen Jahren unzähliger Diskussionen um nachhaltiges Wirtschaften – tja, warum ‚Nachhaltigkeit‘ denn nicht und nicht nachhaltiger werde! – sind wir am Ende der Fahnenstange angelangt. Es steht die Frage als Elefant im Raum, wie die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu einem fairen „Green Deal“ führen könnten.

Ich finde es daher großartig, dass dieses Gespräch in einer Tageszeitung abgedruckt worden ist. Es zeigt, wie Alternativen überall in der Welt schon lange angedacht sind, aber systematisch unterdrückt werden, weil das Scheitern der herkömmlichen kapitalistischen Wirtschaftslehre sich die Wirtschaft- und Finanzeliten nicht eingestehen wollen (können).

Tja, es würde auch mich freuen, wenn ich unrecht hätte.

* Ilse Kleinschuster ist Journalistin und aktives Mitglied der Zivilgesellschaft. Sie lebt in Wien.

Die ganze Geschichte

Eine hochinteressante, aber leider wenig beachtete Doku-Reihe des ORF: Österreich – die ganze Geschichte. **

Wolfgang Koppler *

Die auf ORFIII ausgestrahlte Folge „Scheuende Pferde“ über einen folgenschweren Attentatsversuch eines bosnisch-serbischen Attentäters auf den österreichisch-ungarischen Statthalter in Bosnien im Jahr 1910 ist besonders sehenswert. Weil sie zeigt, wie wenig Europa die Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts aufgearbeitet hat. So leiden wir noch heute unter Konflikten, die ihren Ursprung im 19. Jahrhundert haben. Und vielleicht sogar noch weiter zurückreichen. Die Konflikte am Balkan und die tiefe Kluft zwischen West- und Osteuropa, vor allem aber die antirussischen Ressentiments sind nur zu verstehen, wenn man auf die Zeit vor dem Beginn des 1.Weltkriegs zurückblickt.

Als Reaktion auf die allzu verstandesbetonte Aufklärung, deren Grenzen an den Auswüchsen der französischen Revolution sichtbar geworden waren, hatte die Romantik die Gefühle, Leidenschaften und Sehnsüchte des Menschen entdeckt (und in der Spätromantik dann auch seine Abgründe). Es entstanden jene politischen und weltanschaulichen Bewegungen, die uns bis heute beschäftigen: Sozialismus, Liberalismus und Nationalismus. Letzterer hatte im Gefolge der napoleonischen Kriege auch Deutschnationalismus und Panslawismus zur Folge. Während der Deutschnationalismus sich von einer romantischen Bewegung hin zu einer von Überlegenheitsdünkel geprägten Deutschtümelei entwickelte, führte der Panslawismus zur Wiederentdeckung einer lange Zeit verschütteten Kultur. So musste etwa die tschechische Schriftsprache (ähnlich wie das Hebräische) von Linguisten und Historikern im 19.Jahrhundert wiederentdeckt und neu entwickelt werden, da das Tschechische nur mehr von einfachen Leuten gesprochen wurde. Die sich unterdrückt fühlenden Slawen entwickelten neues Selbstbewusstsein. Zumal sie meist von anderen Völkern bzw. Reichen dominiert wurden. Ob es die Slawen in Österreich-Ungarn oder die Serben im Osmanischen Reich waren.

Als Serbien im 19:Jahrhundert seine Unabhängigkeit erlangte, sahen sich die in Bosnien lebenden Serben von Österreich-Ungarn unterdrückt. Zumal die Habsburger 1908 Bosnien-Herzegowina nach dessen schon 30 Jahre zuvor erfolgten Besetzung auch noch okkupiert hatten. Die dort immer schon großteils zur Unterschicht zählenden Serben wollten nicht anstelle des Osmanischen Reiches eine neue, ihnen fremde (nicht orthodoxe) Großmacht als Herrscher. Die Folge waren miteinander unter dem Titel „Junges Bosnien“ agierende Rebellengruppen, die auch Attentate verübten. Der obgenannte Attentatsversuch führte zu weiteren Attentaten, die in jenem von Sarajewo 1914 gipfelten. Das hatte bekanntlich den ersten Weltkrieg zur Folge. Dass Gavrilo Princip in Serbien immer noch als Held gefeiert wird, sollte zu denken geben..

Wenn es am Schluss der Doku heißt, dass Vergangenheitsbewältigung anders aussieht, so muss man hinzufügen, dass auch die österreichische Seite ihre Schuld am 1.Weltkrieg bis heute nicht aufgearbeitet hat. Etwa jenen im Staatsarchiv zu findenden Brief von Franz Josef, in dem dieser meint, der Krieg müsse rasch erklärt werden. Weil die serbische Regierung das österreichische Ultmatum vielleicht doch noch annehmen könnte. Oder unsere allzu sehr an Brüssel und Berlin orientierte Außen- und Wirtschaftspolitik. Während wir etwa Prag, Bratislava und Budapest ziemlich stiefmütterlich behandeln.

Und was den Ukrainekrieg betrifft: Vielleicht liegt eine seiner Ursachen in einer Abwertung Osteuropas. Während die Ukrainer darum kämpfen, als Europäer anerkannt zu werden, wenden sich die Russen zunehmend mit Verachtung von Europa ab. Oder sagen wir besser: Von Brüssel. Obwohl sowohl die Ukraine als auch Russland letztlich zu Europa gehören.
Oder wo sonst liegt Moskau ? Geographisch und kulturell ?

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

** Die erwähnte ORF-Doku ist unter folgendem Link abrufbar:

https://tv.orf.at/program/orf3/oesterreic7462.html

Besinnliche Weihnachten

Politik und Medien überbieten einander zurzeit in Analysen und Kommentaren zum Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Magdeburg. Und immer wieder bei Attentaten dieser Art taucht dabei der Begriff „Hass“ auf.

Wolfgang Koppler *

Es ist traurig, wenn man zu Weihnachten über den Hass schreiben muss. Aber es ist notwendig.

Das Attentat von Magdeburg hat viele verwirrt. Ein 50-jähriger Arzt richtet am Weihnachtsmarkt von Magdeburg ein Blutbad an. Eines jener Attentate, die von man von jungen Islamisten gewohnt ist. Aber der Mann war kein Islamist. Er stammt zwar aus Saudiarabien und die saudiarabischen Behörden hatten vor ihm gewarnt. Aber er war offenbar Antiislamist und vertrat Positionen, wie sie auch die AfD vertritt.

Verwirrend oder auch wieder nicht. Der Gerichtspsychiater Reinhard Haller hat schon vor Jahren in einer Fernsehdiskussion darauf verwiesen, dass psychisch kranke Attentäter ihren Hass überall festmachen können, so wie etwa der UNA-Bomber sich als Umweltaktivist verstand. Die Aggression ist offenbar zuerst da und sucht sich ein Ventil. Etwas, das Freud in seinem „Unbehagen in der Kultur“ schon im Jahr 1930 feststellte. Er ging davon aus, dass wir Menschen unsere Aggression letztlich nur gegen die anderen oder uns selbst richten können (letzteres vor allem in Form von Schuldgefühlen).

Meist richten wir die Aggression aber gegen die anderen. Und suchen dafür eine Begründung. Ein Feindbild, welches das Böse verkörpert, das wir in uns selbst tragen. Das kann jemand oder etwas sein, das uns wirklich bedroht oder gegen das wir kämpfen müssen. So lange wir das mit angemessenen Mitteln tun, ist dagegen auch nichts einzuwenden. Sehr oft trifft unser Hass aber Unschuldige. Menschen, denen wir alle möglichen schlechten Eigenschaften anhängen oder die wir zumindest als wesentlich „böser“ bzw. verabscheuungswürdiger einstufen als sie in Wirklichkeit sind. Das ist vor allem beim Hass oder auch nur der Abneigung gegen ganze Gruppen regelmäßig der Fall.

Ob es die Rechten, die Linken, die „Juden“, die „Ausländer“, die „Islamisten“, die „Russen“ sind. Unser Hass trifft regelmäßig Menschen, die – ebenso wie wir höchst unterschiedlich sind und in denen wir das „Böse“ verkörpert sehen. Auch wenn die meisten von uns dabei Gott sei Dank keine Attentate begehen. Aber zum Hass sind die meisten von uns fähig – selbst wenn er nur unterschwellig zutage tritt. Man sieht es auch wieder im Ukrainekrieg.

In diesem Sinne: Besinnliche Weihnachten.

* Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist, er lebt in Wien

Stop der Zwangsbeschallung!

Besinnliche Adventszeit war einmal. Aktuell kann eher von lauter stressiger Vorweihnachtszeit die Rede sein.

Hans Högl

Die „ARGE Schöpfungsverantwortung“ (Wien) hat eine originelle Aufforderung bekannt gemacht, die auch im Sinne der Medienkultur ist.

Sie lautet Stop der Zwangsbeschallung in den Kaufhäusern und für eine beschallungsfreie Weihnachtszeit.