Wiener Zeitung -künftige Inhalte

Irreführung durch „Standard“

Hans Högl

Die Rubrik „Standard Etat“ gehört zu den besten Informationen über die Medienwelt. So erfahren wir in der letzten Ausgabe des Näheren, was in der elektronischen Ausgabe der „Wiener Zeitung“ zu erwarten ist. Danke Herr Fiedler.

Mich irritiert aber in Ihrem Beitrag, dass Sie nicht auf die EU-Richtlinie hinweisen, die gebietet, dass das bisherige Amtsblatt der Wiener Zeitung entfallen muss. Warum haben Sie diese Information unterschlagen und argumentieren parteipolitisch?

Hier der Standard–Text:

„Auf langjähriges Drängen von Unternehmen und ÖVP werden die Pflichtveröffentlichungen von Firmen im Amtsblatt der „Wiener Zeitung“ mit Jahresmitte abgeschafft, die die Zeitung bisher finanzieren. Künftig überweist die Republik dem Medienunternehmen in ihrem Eigentum und unterstellt dem Bundeskanzleramt pro Jahr 16,5 Millionen Euro für die „Wiener Zeitung“ Online (7,5 Millionen), für ein Media-Hub mit Journalismusausbildung (sechs Millionen) und für eine amtliche Verlautbarungsplattform (drei Millionen). (fid, 12.5.2023)“

Kriegsrhetorik statt Friedensbemühungen

Westliche Medien und Politik plädieren überwiegend für ausschließlich militärische Lösungen, für den Sieg der Ukraine auf dem Schlachtfeld. Wie Medien darüber berichten, gleicht sich oft in erstaunlicher Weise.

Udo Bachmair *

Der Überfall Russlands auf die Ukraine ist absolut zu verurteilen. Es ist und bleibt unfassbar, dass eine Aggression dieser Art in Europa auch in diesem Jahrhundert noch stattfinden würde. Ein Schlag ins Gesicht jenes zivilisatorischen Fortschritts, den viele bis vor gut einem Jahr in Europa noch als existent und erreicht betrachtet hatte. Krieg ist per se ein Verbrechen.

Das heißt jedoch nicht, die Vorgeschichte des aktuellen Krieges, Kriegspropaganda, Sinnhaftigkeit sogenannter Militärlogik sowie vor allem Friedenschancen auszublenden. Besonderes Interesse gebührt dabei der Rolle der Medien und deren Verantwortung. Viele von ihnen haben sich von Differenzierung und damit auch von Qualitätsjournalismus verabschiedet. Vor allem deutsche, aber auch österreichische Medien gefallen sich vielfach darin, jene Kräfte in Politik und Medien, die auf Verhandlungen und Friedenskonzepte drängen, als naiv, nicht empathisch, als Putins Trolle, etc. abzuqualifizieren. Jene, die dringend für ein Ende der Lieferung schwerer Waffen appellieren, bevor die Lage weiter eskaliert, gelten als Realisten.

Im Grunde sind es zwei polarisierende Positionen, die den Disput rund um den Ukraine-Krieg dominieren : Einerseits die Überzeugung, ein Ende des Krieges sei nur durch einen Sieg der Ukraine auf dem Schlachtfeld erreichbar. Andererseits die Annahme, der Krieg und weiteres Leid könnten bald nur dadurch beendet werden, dass endlich auch diplomatische Bemühungen mit Aussicht auf eine Friedenslösung sichtbar werden. Letztere Position wird von Medien und Politik im Westen mehrheitlich nicht geteilt. Im Gegenteil: Jene Menschen, die leidenschaftlich für Frieden ohne weitere schwere Waffen demonstrieren, werden als „Friedensschwurbler“, als moralisch verkommen, als Befürworter eines „Diktatfriedens“ bzw. eines „Friedensdiktats“ verunglimpft. „Putinversteher“ oder „Russlandversteher“ gelten ohnehin als Schimpfwörter schlechthin.

Wortführerinnen der Kriegsrhetorik ist die als Hardlinerin auch über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt gewordene FDP-Abgeordnete Strack-Zimmermann sowie überraschenderweise auch die grüne Außenministerin Bärbock. Ausgerechnet die Grünen, die sich früher noch als parlamentarischer Arm der Friedensbewegung verstanden haben, ergehen sich nun in militaristischer Ideologie. Bühne bieten ihnen bemerkenswerterweise vor allem die öffentlich-rechtlichen Anstalten ARD und ZDF, die wie hierzulande der ORF auch in der außenpolitischen Berichterstattung zur Ausgewogenheit verpflichtet wären. Sendungen wie „Hart aber fair“ oder „Maischberger“ oder „Anne Will“, lassen zumeist jene Podiumsgäste, die differenzierend und deeskalierend argumentieren, kaum zu Wort kommen oder werden erst gar nicht eingeladen. Auch der ORF hat sich über weite Strecken in den Mainstream eingeklinkt, Gegenpositionen zu Kriegslogik und antirussischer Feindbildpflege erscheinen weitgehend unerwünscht. Seriöse Politologen, wie Heinz Gärtner, oder engagierte Friedensforscher wie Werner Wintersteiner oder Thomas Roithner, werden selten oder nicht mehr als Studiogäste befragt.

Besonders Boulevardmedien scheinen einander in Kriegsrhetorik und Dämonisierung Russlands zu überbieten. Im Gegensatz zu Wladimir Putin wird der Präsident der Ukraine, Staatschef eines wie Russland autokratischen und korrupten Staates, im Westen zum Helden und lupenreinen Demokraten stilisiert, für den „wir“ Krieg führen.„Wir führen Krieg gegen Russland“ ließ die deutsche Außenministerin im Europarat ja ihrer wenig diplomatischen Haltung freien Lauf..

Mehrere Untersuchungen belegen mittlerweile überwiegende Einseitigkeit der meisten deutschen Leitmedien, ein Befund, der wahrscheinlich auch auf Österreich übertragbar ist. So hat „Cicero-Magazin für politische Kultur“ eine Studie veröffentlicht, die fehlende Meinungsvielfalt in der Berichterstattung über den Ukraine-Krieg ortet : www.cicero.de/aussenpolitik/studie-zur-berichterstattung
Auch die deutsche Otto-Brenner-Stiftung belegt, dass die Medien „überwiegend“ für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine plädieren: www.otto-brenner-stiftung.de/wissenschaftsportal/publikationen.
Auffallend ist dabei das Auseinanderklaffen zwischen der Meinung der Bevölkerung und der medial veröffentlichten Meinung. Umfragen zufolge sind mittlerweile mehr als 50 Prozent der Befragten gegen die weitere Lieferung schwerer Waffen ins Kriegsgebiet.

Vernebelt vom Schwarz/Weiß-Denken und dem Festhalten an einem starren Freund/Feind-Schema stellen westliche Medien ukrainische Quellen meist als ernstzunehmend dar. Von russischer Seite kommende Meldungen werden als unglaubwürdig und propagandistisch bezeichnet. Auch beim Konsum von ORF-Nachrichtensendungen bleibt als Botschaft nicht selten der Eindruck hängen, dass ukrainische „Informationspolitik“ als faktenbasiert vermittelt wird, Russland hingegen würde bloß mit Fakes und Propaganda agieren.

Dass es auch differenzierend geht, beweist immer wieder der besonnene und sachorientierte ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz, der sich jenseits bloßer Kriegsrhetorik und wegen seiner differenzierenden Wortwahl große Wertschätzung erworben hat. Wehrschütz kann auf authentische Quellen vor Ort verweisen, die meisten Redaktionen westlicher Medien können dies nicht. Deren Hauptquellen sind die großen US-nahen Agenturen, die nur eine Seite geopolitischer Weltsicht repräsentieren. Wehrschütz hat in einer gut besuchten Podiumsdiskussion der Vereinigung für Medienkultur von der „Demut des Nichtwissens“ gesprochen. D. h. es ist journalistisch durchaus korrekt, zuzugeben, dass mangels seriöser Quellen oft keine entsprechende Einschätzung eines bestimmten Sachverhalts ergeben kann.

Schon Jahre vor dem Krieg haben westliche Medien und PolitikerInnen Russland beharrlich zu einem Feindbild mit aufgebaut. Dabei helfen einzelne Begriffe und Worte, wie sie auch in Nachrichtensprache verwendet werden. So fällt auf, dass Äußerungen russischer Politiker meist mit Prädikaten wie „behaupten“, „unterstellen“, etc. versehen werden. Wenn ein US- , NATO- oder EU-Politiker eine Stellungnahme abgibt, lauten die Prädikate „betonen“, „bekräftigten“, „erklären“ etc.. Diese werden bewusst, aber oft auch unbewusst bzw. automatisiert und verinnerlicht als positiv geladene Begriffe gesetzt.

Wie ist nun die inhaltlich weitgehende Angleichung in der Berichterstattung über den Ukraine-Krieg zu erklären ? Sind die JournalistInnen Opfer staatlich gelenkter Manipulation ? Im Buch „Die vierte Gewalt“ von Richard David Precht und Harald Welzer findet sich dazu eine interessante These: In den Medien gebe es „ganz eigene Echokammern einer Szene, die vor allem darauf blickt, was der jeweils andere gerade sagt oder schriebt, ängstlich darauf bedacht, bloß nicht zu sehr davon abzuweichen.“ Ein Konformismus, der auf Kosten von Qualitätsjournalismus geht und nicht zuletzt auch demokratiepolitisch bedenklich ist. Vor diesem Hintergrund machen Medien zunehmend Politik bzw. treiben die Politik vor sich her Ein Beispiel dafür der starke mediale Druck auf den deutschen Kanzler Scholz. Der hat mit dazu beigetragen, dass sich dessen zunächst eher besonnene Haltung zur Lieferung von Kampfpanzern nachhaltig gewandelt hat.

Der Irak-Krieg im Jahr 2003 war ebenfalls ein Angriffskrieg, damals ausgeführt von den USA. Nur durfte man damals diese Bezeichnung in Moderationen nicht verwenden, wie es der Autor dieser Analyse als früherer ORF-Redakteur selbst erlebt hat. Zudem sind damals völkerrechtswidrige Aspekte weitgehend ausgeblendet worden. Auch im Zusammengang mit den weiteren von NATO und den USA geführten Kriegen.

Solange der Westen sich nicht auch in die geopolitische Interessenslage Russlands hineindenken kann, Stichwort dazu die NATO-Erweiterung, so lange werden keine effektiven Friedensschritte zu erwarten sein. Leider sind auch aufseiten Russlands keine Friedenssignale zu vernehmen, Putin verharrt in seiner seltsam historisch basierten imperialistischen „Kriegslogik“. Das muss allerdings nicht so bleiben. Auch der Westen, allen voran die EU, sollten nicht auf Dauer an militaristischer Ideologie im Zusammenhang mit diesem Krieg festhalten. Gefordert wären diesbezüglich vor allem auch die Medien.

Es gilt einer von Friedensethik getragenen aktiven Friedenspolitik das Wort zu reden, die auch Kompromissen Raum geben müsste. Weiter aufheizende Kriegsrhetorik sowie fortgesetzte Feindbildpflege lassen ein sehnlichst erwartetes Kriegsende in noch weitere Ferne rücken.

• Dieser Beitrag von Udo Bachmair ist in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift „Spinnrad“ des Österreichischen Versöhnungsbundes erschienen

„Woke“- was ist das?

„Woke“- ein Begriff, der zurzeit nahezu inflationär verwendet wird.

Hans Högl

hat folgendes Zitat aus der deutschen Zeitschrift „Publik-Forum“ Nr.8, 2023, ausgewählt :

„Der Begriff „woke“ kommt aus der afro-amerikanischen Bürgerbewegung, vom Wort „wake“ wachen und „sich bewusst werden“. Es lässt sich frei übersetzen als „aufgewacht“ oder „wachsam“ gegenüber Diskriminierung. Der Begriff wird seit den 1930er Jahren verwendet. Um 1960 ging es vor allem um Diskriminierung schwarzer Menschen in der Wohnungs- und Schulpolitik.

Seit zehn Jahren rückt das Wort in unseren Medien in den Blick – zuerst über die Black-Lives-Matter-Bewegung, dann fand es Eingang in Diskurse über Sexismus und Queerfeindlichkeit. 2021 wurde das Wort in den Duden aufgenommen. Nun lauert „Woke“ an jeder Ecke. Da ist von einer „woken“ Elite oder einem Mob die Rede, die nichts anderes im Sinn haben, als Menschen mundtot zu machen.

Das erspart, zu argumentieren für die, welche Schlagwörter vor sich her tragen. So werfen „Wokies“ und deren „anti-woke-Gegner“ sich gegenseitig Sprech- und Denkverbote vor. Dies dient dazu, dem anderen die eigene Überlegenheit unter die Nase zu reiben.“

DER ZÜRCHER TAGES-ANZEIGER FRAGT HEUTE:
Ist der Muttertag anti-woke? WAS SOLL DAS FRAGE ICH!

Investigativjournalisten weltweit bedroht

Dem Tag der Pressefreiheit am 3. Mai waren in Wien gleich mehrere Veranstaltungen gewidmet. Zwei von ihnen greift unsere Autorin heraus.

Hermine Schreiberhuber *

„Die Medien reflektieren keine Vielfalt“, umriss ROG-Österreich-Präsident Fritz Hausjell im Presseclub Concordia die Situation in Österreich, dessen Rang bezüglich Pressefreiheit sich nicht verbessert hat. Der starke Absturz im Vorjahr habe sich 2023 verfestigt, so der Medienexperte, der auch im Vorstand der Vereinigung für Medienkultur aktiv ist. Hierzulande agierten Personengruppen, „die für die Demokratie schädlich sind“. Die geplante Schließung der „Wiener Zeitung“ sei „ein Affront“.

Ein besonderes Zeichen setzte am Tag der Pressefreiheit die Botschaft Maltas in Österreich. Mit dem Stück „They blew her up“ wurde im Theater Akzent der Investigativjournalistin Daphne Caruana Galicia gedacht, die 2017 bei einem Autobombenanschlag getötet worden war. Sohn Matthew war präsent. Er forderte anschließend in einem Bühnengespäch in berührenden Worten Gerechtigkeit für seine ermordete Mutter ein.

Fünf maltesische Schauspieler traten in dem Theaterstück auf, zumeist in Einzelszenen. Sie verkörperten Daphne, Sohn Matthew, Täter und Hintermänner. Aus ihrer jeweiligen Position heraus erzählten sie über Vorgeschichte, Planung, Hergang des Mordes. Erschütternd war die Schilderung Matthews, der die Bombe hörte und seine zerfetzte Mutter in ihrem gesprengten Auto vor dem Haus fand.

Hinterher sprach der echte Matthew über seine Tätigkeit in der von ihm geführten Daphne Caruana Galicia Foundation. Der Fall ist in Malta noch immer nicht voll aufgearbeitet, denn der Mord erfolgte im Geflecht eines riesigen Korruptionsskandals, der viele Staaten umfasst. Gegen einen Mittelsmann wurde erst zwei Jahre nach dem Mord vorgegangen. Es dauerte lange, bis involvierte Politiker einschließlich des damaligen Premierministers Joseph Muscat zurücktraten.

Matthew definierte seine Mutter als „eine Art negatives role model“. Der Mord war von langer Hand geplant, sagte er. Zynisch klingen die Details rund um die Ausführung der Bluttat. Die korrupte Regierung wollte sie zum Schweigen bringen. Ursprünglich sollte Daphne, die wegen ihrer gefährlichen Recherchen auf der Mittelmeerinsel schon lange im Visier der Behörden war, erschossen werden. Dann wurde die Tötung bis nach den Wahlen verschoben, schließlich auf eine in Daphnes Auto platzierte Bombe umdisponiert.

Matthew: „Meine Stiftung wendet sich an die Zivilgesellschaft.“ Heute gehe es ihm aber auch darum, das Problem der internationalen Korruption hinter dem Mord aufzuzeigen. Mehrmals reiste er nach Panama, um über den Skandal um die Panama Papers Erkundungen einzuholen. Sein Resümee: Die Hauptverantwortlichen für den Skandal sitzen auf den britischen Kanalinseln, wo Banken und Firmen ihre illegalen internationalen Geschäfte abwickeln.

Eine Stimme aus dem Publikum meldete sich daraufhin mit den Worten: „Korruption ist überall.“ Es war der Botschafter von Panama. „Panama Papers gibt es überall.“ Auf Bürger seines Staates werde heute mit dem Stinkefinger gezeigt. Doch in Wahrheit seien dutzende Staaten in den Korruptionsfall verwickelt, betonte der Diplomat.

Die Causa Daphne Caruana Galicia ist nicht der einzige Fall, der investigative Journalisten weltweit in Todesgefahr bringt. Viele werden gestalkt, bedroht, oft auch von offizieller Seite zum Stillhalten aufgefordert. „Online violence, offline attack“ nannte eine Medienexpertin diese gefährliche Methode, wenn Journalisten zuerst eingeschüchtert werden und ihnen dann ein Anschlag droht.

* Mag. Hermine Schreiberhuber, freie Journalistin, langjährige außenpolitische Redakteurin der APA, Vorstandsmitglied der Vereinigung für Medienkultur

Alle gegen den ORF

Der ORF entwickelt sich zunehmend zum Feindbild kommerzieller Medienhäuser.

Udo Bachmair

„Wenn ich als ORF-Reporterin Straßeninterviews mache bzw. machen will, werde ich immer wieder beschimpft“ so klagte mir gegenüber kürzlich eine Betroffene. „Luxusverdiener“ ( in Wahrheit im Schnitt keine 2000 Euro im Monat für freie Mitarbeiterinnen ) sowie „Rotfunk“ ( in Wahrheit überwiegend VP-nahe Ressortchefs und ein von Kurz/Co. durchgedrückter ORF-Generaldirektor) sind noch das Harmloseste und Mindeste an Vorwürfen, denen ORF-Redakteure ausgesetzt sind.

Selbstverständlich müssen es Redakteure und die ORF-Führung aushalten, für Fehlentwicklungen und Fehlentscheidungen immer wieder Kritik einstecken zu müssen. Anlässe dafür gibt es fürwahr genug. Etwa wenn Ausgewogenheitskriterien für die Berichterstattung zu außenpolitischen Themen, wie etwa zum Ukraine-Krieg, kaum eingehalten werden. Die ukrainische „Informationspolitik“ wird vor allem in ZiB 1-Sendungen als faktenbasiert dargestellt, die russische hingegen als reine Propaganda.

Nun ist der ORF selbst und zwar von einer breiten Phalanx an privaten Medienhäusern Opfer eines Mainstreams geworden. Private Medien fürchten um Wettbewerbsnachteile, unter anderem wegen der Umstellung auf die (in anderen Ländern längst übliche) Haushaltsabgabe und der Möglichkeit, verpasste Sendungen künftig länger als eine Woche nach Ausstrahlung via Mediathek abrufen zu können. Die dem ORF auferlegte Einschränkung des Textanteils des Onlineangebots („blaue Seite“) bedeutet im Übrigen eine weitere Reduktion von Qualitätsjournalismus.

Vergessen bei der nunmehr laufenden medialen Anti-ORF-Kampagne wird die Frage, welchen grundsätzlichen Wert gerade auch in demokratiepolitischer Hinsicht man einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk beimisst bzw. beimessen sollte. Das duale Mediensystem – einerseits öffentlich-rechtlich, andererseits privat bzw. kommerziell – macht durchaus Sinn auch bezüglich eines fairen Wettbewerbs. Eine Seite, nämlich den ORF, zu verdammen, kann jedoch keinen Beitrag zu einer sachlichen Debatte über eine missglückte Medienpolitik der Regierung leisten.

Machtlose Zivilgesellschaft

Aufruf zur Reflexion

Hans Högl

Die zahllosen Äußerungen Pro-„Wienerzeitung“ sammelte ich: Leserbriefe, Stellungnahmen zahlreicher Prominenter aus diversen politischen Lagern usw. usw. Wenn in den letzten Jahren irgendwann die Zivilgesellschaft besonders aktiv wurde, dann waren es die Befürworter, dass die „Wiener Zeitung“ weitergeführt würde. Aber die Koalition von ÖVP und Grünen hatte praktisch das Ende beschlossen. Nicht einmal in den USA wagte es eine große Zeitung tagtäglich on-line zu erscheinen. Sie versuchten das mit der Montagsausgabe und befragten die Abonnenten.

Diese Situation gibt zu überlegen, welchen Stellenwert in Österreich überhaupt die Zivilgesellschaft hat, wenn nicht einmal wie in diesem Fall Positives gelungen ist. Es gibt eine große Anzahl von NGOs, die sich engagieren, ist dies alles ein Nichts? Es ist erstaunlich, dass sich die Regierung in der Medienpolitik überhaupt nicht bewegt hat. Haben denn Intellektuelle in den Gremien praktisch keinen Einfluss?

Altkatholische Kirche hat eine Bischöfin

Eine fast allgemeine Info-Lücke. „Ja“ – der neuen Kirchenzeitung von Pater Udo entnommen:

Hans Högl

Gelegentlich konsultiere ich die Online-Publikation des streitbaren Benediktiners Pater Udo (Stift Göttweig) und entdecke eine sonst kaum bekannt gewordene Information:

„Es gibt wenige Nachrichten von höheren kirchlichen Ebenen, die mich in den letzten Jahren so erfreut haben wie jene am 22. April: Die altkatholische Kirche hat erstmals eine Bischöfin gewählt. Vor vielen Jahren hatte ich sie, Tochter einer prominenten römisch-katholischen Familie, als fromme und engagierte Jugendliche kennengelernt. Es ist traurig, dass sie, um ihre göttliche Berufung leben zu können, ihre Mutterkirche verlassen musste. Es ist tröstlich, dass ihre Namenspatronin Maria, die im Mai besonders verehrt wird, ihren Weg offenkundig nicht durch spezielle Erscheinungen verhindert hat…

Die altkatholische Kirche heißt so, weil sie das beim Ersten Vatikanischen Konzil beschlossene Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes zurückgewiesen hat. Vor 150 Jahren war die römisch-katholische Kirche für revolutionäre Neuerungen offen, heute nicht. Aber damals ging es ja um Macht – die Allmacht des Papstes. Heute geht es „nur“ um Gerechtigkeit – gegenüber den Frauen. In

Maria Kubins Wahl zur Bischöfin sehe ich eine dezente Ermutigung für die „neukatholische“ Kirche, Neues zu wagen.

Herzliche Gratulation!“ P. Udo

1. Mai-Feiern und ihr Ursprung

Der Zürcher „Tages-Anzeiger“ schreibt über die Anfänge des 1. Mai

Hans Högl

Abgesehen von Streitigkeiten innerhalb von Österreichs Sozialdemokraten bringe ich einen kurzen Beitrag aus einem Blog einer Schweizer Zeitung. In Österreich sei auf die in Frage-gestellte Existenz der Katholischen Sozialakademie verwiesen, von der zur Zeit so gut wie nichts zu erfahren ist. Die Katholische Arbeitnehmer:innen Bewegung Österreich (KABÖ) plädiert für eine „spürbare Arbeitszeitverkürzung“. Das sei angesichts jahrelanger Produktivitätszuwächse ein Gebot der Stunde.

Der „Tages-Anzeiger“ schreibt: „Heute ist Erster Mai, Tag der Arbeit. Dieser Gedenktag hat seinen Ursprung in einer Streik- und Protestbewegung, die 1890 in den USA die Einführung des Acht-Stunden-Tags forderte – also eine Reduktion der Arbeitszeit. Die Frage, wie lang und wie viel wir arbeiten (sollen), ist heute so aktuell wie damals. Der Trend zur Teilzeitarbeit gab unlängst viel zu reden: Trägt er zum Fachkräftemangel bei? Ist Teilzeit ein unverdientes Privileg von Studierten, Besserverdienenden und anderen Freizeit-Optimierern?

Ein Blick auf die Zahlen zeigt aber: Dank Teilzeitarbeit wird nicht weniger gearbeitet, sondern mehr. Sie eröffnet nämlich mehr Frauen und Männern die Möglichkeit, überhaupt zu arbeiten und sich daneben auch um die Familie zu kümmern.“

Wiener Zeitung : 1703 – 2023

Es war zu befürchten: Die Bundesregierung bestehend aus ÖVP und Grünen hat dem traditionellen Qualitätsblatt nun endgültig den Garaus gemacht.

Udo Bachmair

Trotz aller verzweifelter, aber auch hoffnungsfroher Rufe nach Rettung der Wiener Zeitung hat der Nationalrat mit den Stimmen auch der Grünen allen Ernstes diesem Qualitätsblatt den Todesstoß versetzt. Die Printausgabe der ältesten Zeitung der Welt, als Aushängeschild des Qualitätsjournalismus hierzulande längst bereits zum Kulturgut geworden, wird per Jahresmitte eingestellt.

„Eine Schande“, „ÖVP und Grüne Kulturbanausen“, „Krone-Abo für Frau Blimlinger“- so einige der Losungen auf Transparenten, die bei einem Demonstrationszug zahlreicher Menschen durch die Wiener Innenstadt mit Ziel Bundeskanzleramt mitgeführt worden sind. Doch alle Aufrufe, alle Initiativen haben nichts gefruchtet.

Dass die große Regierungspartei ÖVP an der Zerstörung der Wiener Zeitung festhalten würde, war nicht weiter überraschend. Sie hat ihren Machtanspruch und ihre Einflussversuche auf Medien spätestens seit der Kurz-Ära massiv erweitert. Dass aber auch die Grünen, früher leidenschaftliche Fürsprecher von Qualitätsmedien und Medienvielfalt stur geblieben sind, erscheint rätselhaft.

Die Mittäterschaft der Grünen am Tod der Wiener Zeitung, vor allem in Person der Mediensprecherin Eva Blimlinger, ist für Politstrategen völlig unverständlich. Vergrämen sie damit doch einen Großteil des bisher durchaus grünaffinen Medien- und Kulturbereichs. Sie wollen und können nicht begreifen, dass sie damit auch Multiplikatoren verärgern und für sie wichtige Wählerstimmen verlieren werden.

Mit engagierten Redebeiträgen pro Erhalt der Wiener Zeitung sind heute im Parlament hingegen Spitzenvertreterinnen von SPÖ, FPÖ und NEOS aufgetreten. Mit ähnlichen Begriffen und Argumenten, die schon bei der Demo vor dem Kanzleramt geäußert worden waren. Von Skandal, von Wahnsinn, von einem demokratiepolitisch besonders bedenklichen Ereignis, etc. war da die Rede.

Die SPÖ-Abgeordneten hielten demonstrativ Exemplare der heutigen Ausgabe der Wiener Zeitung mit der „Todesanzeige“ als Schlagzeile „1703 – 2023“ in Händen.

Besonders hart auch gegen seine eigene Partei, der ÖVP, ins Gericht gegangen war bei der Demo auf dem Ballhausplatz Ex-EU-Kommissar Franz Fischler: „Woher nehmen sich die ahnungsvollen Leuchten des Politikgewerbes, Medienministerin Raab und Frau Blimlinger, das Recht und die Frechheit, dieser 320 Jahre alten Institution den Garaus zu machen?“.

Auch der bekannte Medienwissenschafter (und Vizepräsident der Vereinigung für Medienkultur) Fritz Hausjell sprach vor den Demonstranten von einem „fatalen Schritt für die Demokratie, nicht zuletzt in Anbetracht der Nachrichten über Message Control und Inseratenkorruption.“ Der Chef der IG Autoren, Gerhard Ruiss, sorgte für einen optimistischen Demo-Ausklang : „Wir geben nicht auf!“

KPÖ und mediale Irritationen

Medien und Politik tun sich mitunter schwer mit ihren (Vor-)Urteilen über den sensationellen Erfolg der KPÖplus bei der Salzburger Landtagswahl vom vergangenen Sonntag.

Wolfgang Koppler *

Schon interessant, wie man die KPÖ in der ORF-ZiB am Sonntag zusammen mit der FPÖ noch als „Rand-Erscheinungen“ abtat. Und deren Spitzenkandidaten Dankl mehr oder weniger überging. Und das trotz eines – für eine viele Jahrzehnte in der Bedeutungslosigkeit verschwundenen Partei – phänomenalen Ergebnisses. Das ist, wie wenn die Grünen in den 80-er Jahren vom Stand weg mehr als 11 % gemacht hätten. Und das, obwohl die Partei wegen ihrer Vergangenheit verfemt und nicht im Trend war.

Nunmehr widmet sich sogar der Standard in einem längeren Artikel diesem Phänomen. Und versucht dies durch die das von der KPÖ aufgegriffene heiße Thema „Wohnen“ und die völlig unbelastete Herkunft des Spitzenkandidaten Kay-Michael Dankl (der ursprünglich Teil der von Glawischnig gefeuerten Jungen Grünen war) zu erklären.

Das Interview mit Dangl in der ZiB2 (das wohl auch für den ORF nicht mehr zu vermeiden war) ergab ein etwas anderes Bild. Natürlich ging es um die von Salzburger KPÖ aufgegriffenen und beim Wähler gut angekommenen Themen. Aber etwas ließ doch aufhorchen. Natürlich wurde der klug argumentierende junge Mann auch gefragt, weshalb er denn Mitglied einer Partei ein könne, die sich immer noch kommunistisch nenne, nach all den Erfahrungen mit dem realen Sozialismus und den historischen Belastungen. Die Antwort ließ aufhorchen. Dankl verwies auf den Ursprung von Sozialismus und Marxismus im 19.Jahrhundert – auf die Ideen, die dahinter stünden. Dass hätte nichts mit deren Missbrauch zu tun, zumal man sich heute zur Demokratie und auch zur EU bekenne. Deren Reform dringend nötig sei (wobei selbst eine solche Kritik bei uns schon beinahe ein Tabubruch ist). Womit er auf die Ideale von Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität verwies. Auf die historischen Wurzeln des Marxismus in der ersten Hälfte des 19.Jahrhundertes. Und auf die jüdisch-christliche Herkunft von Marx und dessen Ideen. Wie immer sie auch missbraucht wurden.

Da fiel selbst ZiB2-Moderator Martin Thür nichts mehr ein. Und auch der Politologe Filzmaier versuchte am Sonntag den Erfolg fast nur mit dem Thema Wohnen zu erklären. Obwohl er dann zugeben musste, dass der Spitzenkandidat in diesem Fall eine ganz wesentliche Rolle gespielt hatte. Idealismus und persönliche Bedürfnislosigkeit ist manchen Journalisten und Politologen genauso fremd wie unseren Politikern. Weshalb Idealisten derzeit offenbar fast nur mehr in der KPÖ zu finden sind. Wo es nichts zu holen gibt. Das betretene Schweigen, als Rudolf Nagiller vor etlichen Jahren anlässlich des Erfolgs des KPÖ-Politikers Ernest Kaltenegger in Graz die Politiker der etablierten Parteien in einer Gesprächsrunde des ORF nach derartig engagierten Kollegen fragte, sprach Bände. Ganz egal, wo man politisch steht.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und lebt in Wien