Woran sich Medienqualität misst

Impuls zu dialektischem Denkprozess als Qualitätskriterium

Hans Högl

Ein Schweizer Leserbrief bringt es auf den Punkt, worin die Qualität einer Zeitung (oder einer Plattform) besteht, nämlich nicht darin, dass der Leser/die Leserin sich in Meinungen und Standpunkten wiedererkennt, sondern dass die Lektüre einen Denkprozess in Gang zu setzen vermag. Insofern dies gelingt, wird das Interesse der Lesenden gewahrt. (NZZ 10.8.2022)

Alexander Dugin – Ideengeber für Putin

Alexander Dugin – eine ideelle Bezugsperson für Putin

Hans Högl:
Resumé aus einem Text des Wiener sozial-liberalen „Standards“ (12.3.2022).

Es ist schon zutreffend, dass westliche Medien im Ukrainekrieg nicht immer ausgewogen berichten. Doch gewisse Fakten sollen nicht übersehen werden. In einer Fülle von Russlandartikeln blieb ein „Standard“-Beitrag vom 12.3.2022 besonders aktuell: Der Titel lautet „Russlands falsche Propheten“. Neben Iljin (1883-1954) wird Alexander Dugin angeführt, dessen Tochter kürzlich ermordet wurde. Dugin ist eine Bezugsgröße für Putin.

Der „Standard-Beitrag “ beschreibt Dugin so: „Dugin pfeift auf Errungenschaften wie die universelle Geltung der Menschenrechte, auf Liberalismus und individuelle Freiheit. Dieser Mann, in den 1990igern noch Vorsitzender der Nationalbolschewistischen Partei, lehnt strikt alle Globalismen ab. Er plädiert stattdessen für die Wiederherstellung alter Größe und nimmt dafür Krieg und Gewalt in Kauf und stützt sich auf die Idee des „Eurasismus“.

Dugin: Wider postmoderne Werte und freien Markt können nur „revolutionärer Faschismus“ den Funken zum Überspringen bringen. Kein Wunder, dass Dugin die Ukraine als „Vorposten des Westens“ in ihrer jetzigen Form nicht akzeptiert. Das Wort von den „Kriegstreibern“ in Kiew hat Wladimir Putin bei Dugin entlehnt.

Putin stütze sich auch auf Thesen von Iwan Iljin (1883-1954), wonach die Demokratie nach westlichem Muster schädlich für Russland sei und durch eine „erzieherische und wiedergebärende Diktatur“(!) ersetzt werden sollte (Wiener Zeitung 10. Aug.2022, S. 16 (ein Beitrag von Otmar Lahodynsky, Ehrenpräsident von Association European Journalists (AEJ).

Medientipps für Ende August

Seltener Arte-Monatsüberblick

Hans Högl

Warum bringe ich diese Medientipps? Wer hat denn schon einen Monatsüberblick, verfügt über das Arte-Magazin? Arte ist wahrlich ein ausgezeichneter Minderheiten-Sender! Viele Privat-TV-Sender sind ja überflüssig.-Ich weise auf Beiträge hin-entweder außergewöhnlich in der Qualität (den Gandhi-Film-sah ich zweimal!) oder in der Thematik. Meist triefen Medien an unverdaulicher Negativität. So schrieb ich einem Katastrophisten, ob ich mich alle 14 Tage oder nur einmal im Monat umbringen soll.

Biografischer „Gandhi“- Film in ARTE am Do 18.8. ab 13:50.. Es lohnt ihn nach zusehen.

Gandhi war gegen nur passiven Widerstand. Er bejahte es, Macht zu provozieren- so im Salzmarsch, war aber gegen die Gewalt des Zurückschlagens. In seinem Heimatort waren Hindus und Christen und Moslems und Juden alle gleich. Gandhi wollte Indien von GB befreien, aber auch die indischen Frauen und die Unberührbaren.

Dürre – Themenabend: Die 16.8, ab 20:15 Nachsehen.
Bornholm lebt grün. Eine dänische Insel als Vorbild. 19.8 um 19:40.

Die Sendung „Stadt Land Kunst“ verknüpft sehr gelungen Länderkunde mit Belletristik z.B. am 24.8,. um 13:00. Großartig sind je die 15 Minuten Ländergeografie: „Mit offenen Karten“ -/strong>

Einige werden den Hinweis auf den Gulag nicht mögen. Ich denke: Dies ist ein unleugbares Faktum. Themenabend des sowjetischen „Gulag“ : Die 23.8. ab 20:15

Schulgeschichten. In Arte 25.8. ab 20:15. Die Schule prägt uns fürs Leben. Deutsche und französische Prominente sprechen darüber.

Friedensbemühungen sinnlos ?

Sind Verhandlungen zur Beendigung des Ukraine-Kriegs unrealistisch ? Nein, sagt allerdings nur eine Minderheit von JournalistInnen in westlichen Medien. Die EU lässt jegliche Vermittlungsbemühungen vermissen und überlässt Erdogan die Rolle eines Vermittlers.

Wolfgang Koppler *

Donnerstag Abend ORF-ZiB2. Wieder einmal ein markiger Ausspruch Selenskyjs anlässlich des Treffens mit Erdogan und Guterres in Lwiw: „Zuerst müssen sie unser Land verlassen und dann sehen wir weiter.“

Was wird bis dahin wohl geschehen? Jedenfalls einige Zigtausend Tote mehr. Weitere Zerstörungen. Möglicherweise auch ein neues Tschernobyl (wobei es egal ist, ob das Kraftwerk versehentlich oder absichtlich von Raketen getroffen wird, die Wirkung ist dieselbe). Und immer mehr Hunger. Die Welt besteht nämlich nicht nur aus Europa. Aber das fällt nur Guterres auf.

Am Ende des Beitrags endlich einmal klare Worte von Claudia Lind: „So lässt der ukrainische Präsident den Bemühungen Erdogans um eine friedliche Lösung wenig Spielraum“. Warum darf derart Selbstverständliches in unseren Medien kaum ausgesprochen werden ? Selenskyj mag zwar kein Nationalist sein. Ein Schauspieler ist er jedenfalls. Mit bemerkenswertem Hang zur Selbstdarstellung und offenbar wenig Interesse an Menschenleben.

Was Letzteres betrifft, ähnelt er mehr und mehr Putin. Aber vielleicht könnten Einsicht und Interessen die beiden doch zu Verhandlungen bewegen. Gerade angesichts des auf beiden Seiten fest gefahrenen Kriegs. Wie hat Christian Wehrschütz gesagt ? Verhandlungen sind das einzig Realistische. Vielleicht traut sich doch einmal ein Journalist wenigstens im Archiv nachzusehen. Bis zur Befreiung von Kiew war das nämlich auch die Devise der ukrainischen Führung: Jeder Krieg endet durch eine Vereinbarung.

Und jenen Journalisten, die das als unrealistisch erachten: Auch das Getreideabkommen wurde zunächst mit Skepsis aufgenommen. Und das vom Moskauer Korrespondenten wieder einmal bemühte Wort vom „Diktatfrieden“ lasst bitte einmal beiseite. Dieses Wort hat nämlich im 20. Jahrhundert schon ziemlich viel Unfrieden gestiftet. Es mangelt derzeit weder an Solidarität noch an Waffenlieferungen. Sehr wohl aber an Vernunft.

* Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Journalist und lebt in Wien

Schottlands Größen im Fokus

Jenseits medialer Enge: Staunen über schottische Erfinder, Denker, Dichter

Hans Högl. Andere Reiseanalyse

Schottland-Reisende begegnen allerorten Kämpfen und Krisen der Schotten mit Engländern. Mir sagte ein Schotte: „Die berühmten Briten sind alle Schotten!“ Es lohnt, das zu hinterfragen, denn auch Medien feiern meist Landsleute. Dies gilt sogar für die als sozial-liberal gepriesene „Süddeutsche Zeitung“, die ausländische Ski-Größen herunterspielt – in eindeutig gepflegtem Spießertum. Ziel ist hier, ein xenophiler Blick auf ein anderes Land als auf das eigene. Karl Marx hatte wohl analog zum Britischen Empire eine weltweite Revolution im Sinn. Doch wer übersieht es? Das Handeln keiner UNO-Großmacht deckt sich mit globalem Gemeinwohl. Wir sehen auf Schottlands Größen, auf ein Land, das um Selbständigkeit ringt.

Zu schottischen Autoren: Vom Dichter Robert Burns stammen Gedichte (Lieder) wie „Auld Lang Syne“. Er war das älteste von sieben Farmer-Kindern. Sein Vater war erstaunlich belesen. Robert Louis Stevenson schrieb „Die Schatzinsel“ (1883) und „Dr Jekyll and Mr. Hyde“ (1886), Walter Scott gilt als Erfinder historischer Romane. – Sean Connery spielt den britischen Geheimagenten – und ist zentral im Film „Im Namen der Rose“. Seine Autobiographie lautet: „Mein Schottland, mein Leben“.

Schotten sind stolz auf ihre Erfindungen, Entdeckungen – von einer in Schottland geborenen oder stammenden Person. Manchmal sind es Nicht-Schotten, die im Land arbeiten. So wurde am Roslin Institute bei Edinburgh das Schaf Dolly geklont. 1748 schuf William Cullen an der Universität Glasgow die erste künstliche Kühlung, eine Vorstufe des Kühlschranks. Schon vor der industriellen Revolution waren Schotten führend bei Innovationen / Entdeckungen. So entspringt schottischem Einfallsreichtums die Dampfmaschine von James Watt (Patent um 1769). Alexander Graham Bell erfand 1876 das erste praktische Telefon. Der Taubstummenlehrer A. Graham Bell, in Edinburgh geboren, emigrierte nach Kanada. John Logie Bairds erfand das Fernsehen (1928). Alexander Fleming entdeckte 1922 das Penicillin und das Insulin und erhielt den Nobelpreis.

Berühmte Schotten aus Philosophie und Wirtschaft: Der empirisch denkende Philosoph David Hume beeinflusste Immanuel Kant, er wandte sich vom dominierenden Calvinismus ab, war Religionskritiker und starb 1776. Der Moralphilosoph Adam Smith schrieb über Vorteile des Freihandels und der industriellen Arbeitsteilung -so im Buch: „Über die Natur und Gründe des Reichtums der Nationen“ (1776) . Smith schöpfte Kenntnisse in Glasgow aus Gesprächen mit Tabacco-Lords. Sein Geburtsort ist Kirkcaldy. Die Tabacco-Lords waren auch Sklavenhändler. Smith kritisierte ihr Verhalten.

Vor dem Einsatz der ersten Spinnmaschine von James Hargreaves (1764) wurde in Heimarbeit gewoben. In der Baumwollfabrik Lanark Mills bei Glasgow lebten an die 2000 Menschen. Der schottische Fabrikant Robert Owen (1771-1858) beobachtete in der heruntergekommenen Siedlung miserable sanitäre Verhältnissen, Trunkensucht und Diebstahl.Seine Fabrik sollte anders sein als in Manchester: Jede Arbeiterfamilie bekam zwei Räume, die ärztliche Versorgung war gratis, es gab einen Kindergarten und eine Werkskantine, von Arbeitern selbst verwaltet (Peter Sager: Schottland, Kunstreiseführer). Owens Ansatz waren Reformen. Er hatte wirtschaftlichem Erfolg, was seine Kollegen nicht ahnten. Seine Versuche in den USA scheiterten. Dies verschlang fast sein ganzes Vermögen.

Andrew Carnegie ist in Dunfermline/ Schottland geboren, wurde mit 33 Jahren der Stahlkönig in den USA, starb 1919. Vgl. die Carnegie-Stiftung. Laut Calvinismus soll der Reiche, sein Besitztum zum Wohle aller wieder mit Sorgfalt verschenken. Eine Haltung, die in der Coranakrise Bill Gates nicht zugetraut wurde.

Loch Ness – eine Zeitungsente!?

Das Wichtigste einer Schottlandreise?

Hans Högl

Zurück von einer 11-tägigen Schottlandreise, stellte sich die Frage nach Informationen mit Bezug zum Blog Medienkultur. Mir fiel auf, dass auf dem Flughafen in Edinburgh in einem großen Fachgeschäft ein einziges deutsch-sprachiges Magazin vorhanden war: eine Nummer von „Stern“.

Doch nun zu „Nessie“. Eine Schottlandreise darf nicht missen, die Stelle zu besuchen, wo vielleicht diese Ungeheuer gesichtet wurde.. „Loch“ – das sind zahllose schottische Seen, die in der Eiszeit entstanden sind – wie auch die Seen im Salzkammergut oder die Seen in Schweden und die Gewässer im Umfeld von Berlin.

In Kreuzworträtseln taucht oft die Frage nach einem schottischen See auf, verbunden mit dem Hinweis „Loch…“. Selbst wenig ambitionierte Rätselfreunde werden ohne zu zögern „Ness“ in die Kästchen schreiben.

Im Jahre 565 wandelte der irische Missionar Columba an den Gestaden von Loch Ness: Da tauchte urplötzlich aus den Fluten – so seine Worte – ein Wassermonster auf. 1368 Jahre blieb das Monster ungesichtet. Keine Sage schilderte seine grausamen Taten. 1971 sah ein Benediktinerpater von der am See gelegenen Abtei Fort Augustus eine starke Bewegung im Wasser und dann erschien ein schwarzer Hals, etwa 15 cm im Durchmesser und zwei Meter lang. Es sei ein Tier gewesen. Es gäbe sogar von einem schauerlichen Wesen Fotos… Wie auch immer!

Unsere Reiseführerin, eine ausgebildete Anglistin, berichtete, dass heute 20.0000 (!) Menschen von der Legende des Monsters Ness leben. Ein Zeichen dafür, was Legenden und Vermutungen bewirken. Selbst Schifftouren werden angeboten. Bei den Theorien über die Existenz von Nessie kommt man schon ins Grübeln, meint Matthias Eickhoff im Dumont-Reisestaschenbuch. Die meisten Fachleute meinen, das Monster Ness sei eine Zeitungsente.

Angst vor Ende des Ukraine-Kriegs?

Ich sehe selbstverständlich den Wahnsinn und die Hybris auf russischer Seite. Aber wir alle haben in einer Demokratie die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, auch auf Fehlentwicklungen auf unserer Seite hinzuweisen. Demokratie ist nämlich stets aufs Neue gefährdet. Am allermeisten durch uns selbst.

Wolfgang Koppler *

Die Eskalationsspirale ist längst im Gang. Keine Verhandlungen von Seiten der Ukraine bis Ende August. Weitere Forderungen von russischer Seite. Weitere Waffenlieferungen. Und dem sich wirklich vorsichtig äußernden österreichischen Außenminister Schallenberg wird von ZiB2-Moderator Martin Thür das Argument vom „Diktatfrieden“ entgegen gehalten, als er bloß meinte, es sollte in Zukunft vielleicht doch zu einer diplomatischen Lösung kommen. Obwohl es kreative Lösungen angesichts völkerrechtlich offener Fragen bezüglich Minderheiten und Sicherheitsdebatten genug gäbe, ohne dass irgendwer „kapitulieren“ müsste. Aber im Detail möchte ich das Völkerrechtlern und Sicherheitsexperten überlassen. Waffen sind jedenfalls genug vorhanden, um den Krieg noch sehr lange weiterzuführen und nicht nur den befürchteten „Diktatfrieden“ sondern überhaupt jeden Frieden zu verhindern. Das neueste Argument der Verhandlungsgegner ist die Befürchtung, Putin könnte einen Waffenstillstand anbieten und die Solidarität des Westens bzw. die Bereitschaft zu weiteren Waffenlieferungen könnte dann nachlassen. Angst vor einem Ende des Kriegs ? Angst, die eigene Aggression nicht mehr befeuern zu können ? Warum verhandelt man nicht wenigstens, um herauszufinden, was die Gegenseite wirklich vorhat ?

Die Katastrophe in humanitärer, wirtschaftlicher und umweltpolitischer Hinsicht ist derzeit jedenfalls vorprogrammiert. Ich darf daran erinnern, dass ein nicht unbekannter Journalist schon im ersten Golfkrieg „vom „letzteren bitteren Waffengang“ am Golf gesprochen hat. Und im Irakkrieg wurde im Magazin einer Menschenrechtsorganisation (deren Arbeit sonst durchaus wichtig ist) den Friedensaktivisten unter Verweis auf die Menschenrechtsverletzungen Saddam Husseins seinerzeit entgegen gehalten: „Jetzt sprechen die Waffen“. Was daraus wurde, wissen wir. Der Wiederaufbau dort wurde übrigens bis heute nicht in Angriff genommen. Bis der IS wiederauflebt. Weil das Geld offenbar für Waffen benötigt wird. Und die Auswirkungen des Ukrainekriegs sind noch wesentlich schlimmer. Da hilft es nicht, irgendwelche angeblichen „Extremisten“ beobachten zu lassen, wie es die deutsche Innenministerin tut (die vielleicht auch noch den Kriegsgegner Karl Kraus auf den Index der politisch inkorrekten Literatur setzen wird). Die – im Übrigen äußerst zaghaften und mit jenen der Coronagegner nicht vergleichbaren – Proteste sind nicht das Problem. Sondern die tatsächlichen Auswirkungen des Krieges.

Heute sind wir verbal scheinbar ein bisschen vorsichtiger als Anno 1914 oder auch 1991 und 2003. Aber „Kampf der Werte“. „Verteidigung der Demokratie“ (mit immer mehr Waffen) und „Diktatfrieden“ sowie Beschimpfungen von Andersdenkenden als „Putinknechte“ kommt auf dasselbe hinaus. Und dass durchaus diskussionswürdige Aufrufe wie jener der Schriftstellers Josef Haslinger und der gewiss unverdächtigen Autorin Juli Zeh etwa in der Zib2 des ORF schlicht ignoriert werden, spricht Bände. Auch realistische Experten wie Heinz Gärtner werden kaum wahr genommen. Eigentlich müssten Verhandlungsgegner und Hardliner ja höchst zufrieden sein. Sind es aber nicht. Man hat das Wort „Frieden“ durch „Diktatfrieden“ ersetzt, aber vielleicht könnte man das Wort „Frieden“ ganz aus dem Wortschatz streichen? Ewige Kampfbereitschaft ist das Ziel.

Das ist das Problem: Ist die Aggression erst einmal aktiviert, ist sie nur schwer wieder herunterzufahren. Ob an der Heimatfront. Oder auf dem Schlachtfeld. Auf beiden Seiten.

Wollen wir wirklich warten, bis eine fortgeschrittenere außerirdische Zivilisation einmal eine durch Krieg oder Klimawandel zerstörte Erde vorfindet?

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Publizist und lebt in Wien

USA: Mutterschutz als Luxus

USA: Genereller Mutterschutz fehlt. Medientipp

Hans Högl

Manchmal sind scheinbar beiläufige Informationen von Bedeutung: Sie bieten Basisinformationen, die meist in Medien ausgeklammert sind. So berichtet der Deutschlandfunk heute ab 18:30 über den lückenhaften Mutterschutz in den USA: „Zwölf Wochen Mutterschutz gelten als Luxus“.

In keinem anderen Industrieland der Welt „ist der Mutterschutz so harsch wie in den USA“, schreibt die Wiener Zeitung (19.7.22) in einem Medientipp. Es gibt keinen bundesweit gesetzlichen Mutterschutz.

„Schwangere sparen Urlaubs- und Krankentage an, arbeiten bis zum errechneten Geburtstagtermin und müssen dann unter Umständen bereits sechs Wochen nach der Geburt wieder arbeiten gehen. Wie lange Frauen mit ihrem Neugeborenen zu Haus bleiben können, hängt vom Arbeitgeber und Wohnort ab. Unterschiedliche Bundesstaaten und Unternehmen haben unterschiedliche Regelungen“.

Sprache und Medien

Unbekannte Sprachschätze und Sprachwurzeln

Hans Högl : Rezension
„Sprachschätze. Sprache & Medien“. Die verborgene Herkunft unserer Wörter. Berlin (Duden 2022)

„Wie ein versunkener Schatz enthält die deutsche Sprache verborgene Inhalte, die es zu heben gilt“, heißt es im kleinformatigen Duden-Bändchen (127 Seiten), das eintaucht in die Geschichte von Wörtern, und davon in viele, die sich auf Medien beziehen. Wer denkt daran, dass „Film“ zu der Wortgruppe um „Fell“ gehört und ursprünglich „dünnes Häutchen“ heißt? Dass das Wort Lexikon aus dem Lateinischen stammt und eigentlich „auflesen, sammeln“ bedeutete? Und dass der Zeitungskiosk einmal ein Gartenpavillon war und persischen Ursprungs ist. Die Herkunft vieler Wörter zeigt dieses empfehlenswerte Bändchen.

Das Wort „Zeitung“ ist erstmal um 1300 in der Bedeutung von „Nachricht, Botschaft“ im Raum Köln belegt. Das Substantiv ist eine Bildung zu mittelniederdeutsch bzw. mittelniederländisch in der Bedeutung „vor sich gehen, sich ereignen“ (S. 125).

Das Wort „Nachricht“ ist seit dem 17. Jahrhundert gebräuchlich und trat an die Stelle von älter neuhochdeutsch „Nachrichtung“ und bedeutet „das, wonach man sich zu richten hat“.

Das Substantiv „Skandal“ wurde gegen Ende des 16. Jahrhunderts aus französisch „scandale“ entlehnt, das seinerseits auf kirchenlateinisch „scandalum“ zurückgeht. Dies stammt wiederum aus dem griechischen „skandalon“, was auf Fallstrick (für Tiere!), Ärgernis zurückgeht. (S. 100).

„Diskutieren“, erörtern: Das Zeitwort ist seit dem 17. Jahrhundert über französisch „discutere“ aus dem lateinischen „discutare“ zerschlagen, zerteilen in dessen übertragener Bedeutung „eine zu erörternde Sache zerlegen, sie im Einzelnen durchgehen“ entlehnt.

„Informiert euch!“

Hintergründe zur Medienwelt

Hans Högl- Buchrezension

Horaczek, Nina/ Wiese, Sebastian (2018): Informiert euch! Wie du auf dem Laufenden bleibst, ohne manipuliert zu werden. Wien (Czernin V.). 247 Seiten, 60 Anmerkungen

Wer mehr über Medien wissen will, greife nach diesem Buch; denn Medienkompetenz ist wichtig. Die 247 Seiten erfüllen dieses Anliegen hervorragend. Ein paar Themen aus dem Inhalt. Wie entsteht eine Nachricht? Was tun Journalisten? Was bedeutet öffentlich-rechtlich? Was verheimlichen Medien? Wieso sind Fake News interessant? Wie finanzieren sich Medien? Was weiß das Internet über uns? Was bedeutet Meinungsfreiheit?

All` dies sind einige Einzelthemen im genannten Buch- neben vielen anderen. Die Autoren sind die „Falter“-Reporterin Nina Horaczek und der FH-Lehrbeauftragte und Rechtsanwalt Sebastian Wiese. Ich bringe daraus – bunt gewürfelt- bemerkenswerte Aussagen, basierend auf der Lektüre des gesamten Buches.

Das Internet verdankt seinen Ursprung militärischer Forschung. 1989 erfand der britische Informatiker Tim Berners-Lee im Kernforschungszentrum Cern in Genf das World Wide Web (das www). 1993 wurde es der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. 2017 hatten in Afrika bereits 30 % der Bevölkerung Netzzugang (S. 13).- Cyborg sind Menschen, die ihren Körper digital updaten ließen. Solche lassen sich einen Chip unter die Haut einsetzen und so kann mittels Berührung die Wohnungstür geöffnet oder das Auto gestartet und im Geschäft bezahlt werden.

Nun zum Ahnherrn der Fake News: 1835 behauptete ein britischer Journalist Neustes vom Kap der Guten Hoffnung, nämlich höchst merkwürdige Entdeckungen des Astronomen Sir John Herschel. Dieser habe mit einem besonders modernen Teleskop außerirdisches Leben in Form von friedlichen „Fledermaus-Menschen“ auf dem Mond entdeckt. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer, und die Zeitung „New York Sun“ hatte kurzfristig die höchste Auflage weltweit- bis der Schwindel aufflog und der Journalist Richard Lock seinen Job los war (S. 146)

Was bedeutet Meinungsfreiheit? Das Strafrecht sieht einen Beleidigungsschutz vor. Fake News sind nicht geschützte Meinungen. Lügner, Trolle, Fake News-Produzenten können sich nicht auf Meinungsfreiheit berufen.

Woher besorgen sich heute Journalisten Nachrichten? Laut einer Befragung von 212 österreichischen Journalisten im Jahr 2016 geht nur knapp mehr als die Hälfte (56 %) der Journalisten für die Recherche an den Ort des Geschehens, 81 % nutzen häufig Suchmaschinen, gefolgt von Telefongesprächen (76 %), persönlichen Gesprächen (74 %), Presseaussendungen (50 %), Nachrichtenagenturen 39 % und social media (29 %) (S. 34).- Bei „autorisierten Interviews“ will die interviewte Person ihre Aussagen vor der Publikation noch einmal überprüfen. Das geschieht in der Tat – so beim geschriebenen Wort. Es gibt diese verlässlichen Interviews!

Oft ist die Rede von Whistleblowern. Das Wort kommt von „to blow a whistle“, was soviel heißt, wie „jemanden verpfeifen“- dies klingt negativ, doch es kann im Sinne des öffentlichen Wohles sein. Qualitätsmedien lehnen es üblicherweise ab, für die Bereitstellung von Informationen zu bezahlen.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat die gesetzlich verankerte Pflicht, zum Frieden, der Freiheit und Demokratie beizutragen. Auf S. 72f. werden 19 gesetzliche Pflichten laut ORF-Gesetz aufgelistet. Wie sich öffentlich rechtliche Sender finanzieren? ARD 85 % durch Rundfunkbeiträge, 9 % Co-Produktionen etc. 6 % Werbung.
Der ORF: 59 % über Beiträge, 23 % Werbung, 18 % sonstige Umsatzerlöse.
Nur wenige öffentlich-rechtliche Kultursender sind komplett werbefrei: 3sat, Arte und der Kinderkanal Kika (S.45).