Feindbild Moskau

Die jüngste KURIER-Analyse von Konrad Kramar hat eine wohltuend differenzierende Sicht des Ukraine-NATO-Russland-Konflikts vermittelt. Eine Seltenheit in unseren Medien.

Udo Bachmair

Die Analyse Konrad Kramars hebt sich positiv ab von einseitigen Kommentaren in anderen westlichen Medien, die beharrlich das Feindbild Russland pflegen. Denn gerade auch dieser komplexen Causa ist mit einem bloßen Schwarz-Weiß-Denken nicht beizukommen.

Der außenpolitische Mainstream westlicher Berichterstattung unterstellt fast ausschließlich der russischen Seite die Befeuerung des Säbelrasselns zwischen Russland und der NATO. Kaum in Medien zu vernehmen ist hingegen, dass Russland sich einem Bedrohungsszenario seitens der NATO gegenübersieht.

Dem US-dominierten Militärbündnis wirft Moskau ein in jüngster Zeit besonders aggressives Verhalten mit provokanten militärischen Aktivitäten unmittelbar an der russischen Ostgrenze vor. Gleichzeitig betrachtet Russland sich durch eine immer wieder angekündigte NATO-Mitgliedschaft der Ukraine in seiner Sicherheit bedroht.

Dass Qualitätsjournalismus beide Seiten eines Konflikts beleuchten sollte, erscheint als Binsenweisheit. Diese sollte aber dennoch immer wieder in Erinnerung gerufen werden, besonders auch in geopolitischen Fragen.

( Gekürzter Beitrag eines von Udo Bachmair im KURIER erschienenen Kommentars )

Autowerbung : Mogelpackung Ökologie

Klimaheucheln hat noch niemand geschadet, denken manche.

Hans Högl

Bestimmte Widersprüche in Medien sind irritierend – so in ökologischen Fragen. In einer Flut von Berichten und Kommentaren wird vor ökologischen Katastrophen gewarnt, und gleichzeitig bringen TV-Stationen und Printmedien hurtig ausgiebig Werbung für Benzin- und Dieselautos.

Sicherlich: Redaktionen und Werbeabteilung sind in Medien zweierlei. Doch auf der Spitze eines Unternehmens sollte dieser Widerspruch gesehen werden. Ökologisches Verhalten betrifft auch Unternehmen – und so auch Medien selbst.

Kritik an „Informationszynismus“

In den Radiogeschichten Spezial auf Ö1 hat jüngst Burgschauspieler Falk Rockstroh aus Peter Sloterdijks Essayband „Kritik der Zynischen Vernunft“ gelesen.

Gastbeitrag von Ilse Kleinschuster

Peter Sloterdijk ist wohl einer der bekanntesten und belesensten Denker unserer Zeit. Seine philosophischen Zeitdiagnosen und politischen Interventionen sind risikofreudig, streitbar und mindestens so erhellend wie überraschend. Gerade jetzt in Zeiten der Pandemie bietet er verunsicherten Gemütern in zahlreichen Interviews über die Pandemie und deren sozialen, politischen und existentiellen Konsequenzen einen geistigen Anker.

Für Sloterdijk ist die Corona-Krise nicht bloß eine wirtschafts- oder sozialpolitische Zäsur. Sie markiert vielmehr den „Beginn eines Zeitalters, dessen basale ethische Evidenz Ko-Immunismus lautet, das Einschwören der Individuen auf wechselseitigen Schutz“. Dies erfordere eine neue Definition von Zusammensein, eine „veränderte Grammatik unseres Verhaltens“ und eine globale immunitäre Vernunft.

Titel der erwähnten ORF-Sendung war „Zynismus – das modernisierte unglückliche Bewusstsein“ Es wurden Ausschnitte aus dem Kapitel über den „Informationszynismus“ gelesen. Sloterdijk nennt die Massenmedien eine Schule der Beliebigkeit. Zynismus, das aufgeklärte falsche Bewusstsein unserer Zeit, fühle sich an keine Kritik mehr gebunden. So herrsche eine zweifache Enthemmung in den Massenmedien, – einerseits gegenüber den Dingen, die sie darstellen: Katastrophen der Anderen, Sensationalismus, und andererseits enthemmte mediale Dekonzentration, eine endlose Skala von Gleichwertigkeit/ -gültigkeit. Wer das noch aushält, muss wohl geistig sehr gut trainiert sein.

Dieser entfesselte Informationstrieb hätte zunächst sehr wohl Entlastungseffekt gegenüber der Überforderung durch den Rationalismus geboten. Aber es sollte nicht lange dauern bis die Massenmedien die Totalsynthese geschafft hatten, was sie zu „mehr als Philosophie“ machte, so Sloterdijk. Sie hätten mit dem „und“ alles umfasst, dieses „und“ sei die Moral der Journalisten. Zusammenhänge zwischen den Berichten herzustellen, sei verpönt. In dieser Gleichgültigkeit sieht Sloterdijk den Spross einer zynischen Entwicklung – das „und“ tendiere zu einem „ist gleich“ überzugehen. Fazit: Wir leben in einer Welt, in der die Menschen in geistiger Desintegration leben – und in der immer mehr Menschen unglücklich werden.

https://oe1.orf.at/player/20211203/662320/1638525904000?fbclid=IwAR2QqO-8rMwKu7GFZPYIyXVKq1YbqqHXzifcyJkE4ZykB044udWGK_FkZwE

Revival fürs Fernsehen bei Jüngeren

Überraschendes Ergebnis einer Studie : Das Interesse junger Menschen an Qualitätsmedien hat im Lockdown deutlich zugenommen.

Udo Bachmair

Bisher sind Kommunikationsexperten davon ausgegangen, dass junge Erwachsene zwischen 18 und 25 Jahren Informationen nahezu ausschließlich via Social Media einholen. Eine Studie der Fachhochschule der Wiener Wirtschaftskammer hat nun überraschenderweise ergeben, dass die erwähnte Altersgruppe sich während des Lockdowns auch wieder vermehrt traditionellen Medien zugewandt hat, dem Fernsehen, aber auch dem guten alten Radio.

So haben junge Menschen öfter oder erstmals etwa die ZiB 1 des ORF genutzt. Das war aus Nutzungsstudien noch vor Corona nur äußerst selten abzulesen. Die Medienwissenschafterinnen Gisela Reiter und Jana Bernhard, die Autorinnen der Studie, zeigen sich verwundert über die neuen Erkenntnisse. Es habe sich bis vor den Lockdown-Phasen nicht abgezeichnet, dass es wieder einmal zu einem linearen Medienkonsum junger Erwachsener kommen würde.

Laut der Untersuchung haben vor allem Angebote der Öffentlich-Rechtlichen sowie Qualitätsmedien im Printbereich einen deutlich höheren Zuspruch bei den jüngeren Menschen erzielt, eine Tendenz weg von Social Media für die Informationsbeschaffung, weg auch von Boulevardmedien. Die Sozialen Medien werden jedoch weiter vor allem zur Unterhaltung genutzt. Wenn es aber in Krisenzeiten sozusagen ans Eingemachte geht, vertrauen auch die Jungen eher traditionellen Qualitätsmedien.

Sind in Medien zu viele Besserwisser?

Corona Politik: „Überall Desaster!?“ Medien lieben das zu melden, sie tun sich leicht, sie treffen keine Entscheidungen.

Hans Högl: Zitate aus der Badischen Zeitung (Freiburg im Breisgau)

Es ist erstaunlich, wie sich die Schlagzeilen ähneln- so aus Baden Württemberg und so in Wiener Medien. Überall melden Medien mit Vorliebe Desaster und Missgeschick der Politik.

Badische Zeitung
Von Florian Gann: 29.November 2021 um 21:04 Uhr
 Mehr als 100.000 Corona-Tote, so viele Neuinfektionen wie nie. Als Zeit gewesen wäre, der vierten Welle vorzubeugen, passierte nichts. Niedrige Zahlen führten zu Lockerungen.
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Badische Zeitung:
Von Michael Saure: So, 05. Dezember 2021 um 22:04 Uhr

Erst heißt es, Geboosterte brauchen einen negativen Schnelltest für den Restaurantbesuch. Dann rudert das Land zurück. Dann heißt es, 2G brauchen einen. Dann wieder nicht. Ein Desaster.

URTEILSPLATZ: Vom Lümmel zum Kümmel

Dies ist ein Kommentar von Hagen Späth –ebenfalls in der Badischen Zeitung – am 04. Dezember 2021

„Wähle die Worte mit Bedacht. Nicht nur vielen Politikern könnte man diesen Satz ins Stammbuch schreiben. Es gibt da ja jede Menge Berufe, die mit Sprache arbeiten und bei denen es auf die richtige Wortwahl ankommt. Journalisten zum Beispiel. Was steht da auf einem kleinen Zettel, der seit Jahren an meinem PC hängt? „Respect the power of words and choose them with caution.” Also respektiere die Macht der Worte und wähle sie mit Bedacht.“

Schweizer bezahlen Corona-Tests selbst

Kommentare am Sonntag im Massenblatt „Die Krone“ loben oft die Schweiz und ihre Demokratie. Wie ist dies bei Corona-Fällen?

Hans Högl

Wer ab 11.Okt. 2021 in der Schweiz einen Corona-Test benötigt, muss ihn selbst bezahlen: Der Bund übernimmt nicht mehr die Kosten für die Antigen-Schnelltests. Wer sich testen lassen muss, bezahlt zwischen 15 und 60 Franken. Die Leute sind nicht begeistert.

Wie hoch ist die Krankenversicherung in Schweiz? Sie beträgt rund 10 Prozent und maximal 700 Franken pro Kalenderjahr. Wird der Betrag komplett bezahlt, werden alle weiteren anfallenden Kosten von der Krankenkasse übernommen.

In der Schweiz muss sich jeder selbst um seine Versicherung kümmern. Anders als in anderen Ländern bezahlt der Schweizer Arbeitgeber keinen Teil zur Krankenversicherung

Widersprüchliches zu Faßmann

Widersprüchlicher Journalismus in der Evaluation eines Politikers

Hans Högl

Es ist skurril und widersprüchlich, wie Journalismus urteilt. Noch vor einigen Tagen wurde Bildungsminister Faßmann in Journalen von Radio Ö 1 heftig kritisiert: Er gebe widersprüchliche Anweisungen- denn er lasse den Eltern die Wahl, ihre Kinder in die Schule zu senden oder nicht. Tatsache war, dass dann 70 % der Kinder den Unterricht besuchten.

Die Eltern empfahlen es und ihre Kinder zogen es vor, den Unterricht direkt zu besuchen, während der Rest der Kinder im Homeschooling zurecht kommt.

Ich denke, dass dies eine kluge und differenzierte Entscheidung war. Für den Journalismus in Ö 1 Journalen, die ich regelmäßig höre, war dies nicht eindeutig und kritikwürdig.

Doch heute im Journal um 17 Uhr, Freitag 3. Dezember 2021, drückt die Ö1- Redakteurin ihre Überraschung aus, dass Faßmann nun als Bildungsminister abgelöst wurde. Man kann dieser widersprüchlichen Haltung nur mit Kopfschütteln begegnen.

Impfquote in deutschsprachigen Ländern

Mögliche Hintergründe für hohe Impfverweigerung in Deutschland, Österreich und der Schweiz

Hans Högl

Besonders in Deutschland, Österreich und der Schweiz wollen sich viele Menschen nicht impfen lassen. Die Impfquote liegt bei rund 67 Prozent.

Zum Vergleich: In Portugal sind mehr als 86 Prozent der Menschen geimpft, auch in Italien, Spanien oder den Niederlanden ist die Impfquote höher als im deutschsprachigen Raum. In der neuen Folge von «NZZ Akzent» bietet unsere Auslandredaktorin Meret Baumann mögliche Erklärungen. Einerseits wurden die deutschsprachigen Länder zu Beginn der Pandemie in der ersten Welle weniger hart getroffen als Italien oder Spanien. Auch die weitverbreitete Tradition der Anthroposophie und die Erfahrungen während des Zweiten Weltkrieges spielen eine Rolle bei der Impfskepsis.

Zu ergänzen ist der Kampfbegriff Schulmedizin, die von Esoterikern und Naturheilkundlern in Frage gestellt und Alternativmedizin empfohlen wird. Hierfür gibt es manchmal sicherlich auch berechtigte Kritik. Übrigens: Hitler bezeichnetet die moderne Medizin als jüdisch.

Impfverweigerer finden sich in allen politischen Parteien Österreichs, wie eine Studie feststellte. Gewisse Medien machen es sich zu einfach, alle Impfgegner einfachhin als rechtsradikal zu punzieren – dies ist auch bei einigen ORF-Kommentatoren festzustellen. Sie tun dies nicht zufällig und in Unkenntnis- es sind gute Parteisoldaten.

Rätsel des Menschseins: Irlands Hungersnot ab 1845

Europa verstehen: Bildungschance des Fernsehens. Ausgezeichnete Länderdokumentation in ARTE

Hans Högl

Heute, den 30. November, brachte ARTE ab 20:15 eine Doku über die unglaubliche Hungersnot in Irland ab 1845. Jeder Gebildete hat davon irgendwann gehört. Aber welche Chance bietet Fernsehen, Geschehnisse wie die Folgen dieser Hungersnot zu veranschaulichen, davon sich eine Vorstellung, einen Begriff zu machen. Ich wundere mich über einen Akademiker, der mir sagte, kein TV-Gerät zu nützen. Wohl aus Überheblichkeit. Wer bewusst im TV-Angebot auswählt, findet auch Bildungschancen. Hier der Medientipp, diese Sendung in der TV-Theke zeitversetzt zu sehen.

Ein paar blasse Wörter von diesem Ereignis. 1842 trat in Nordamerika eine bis dahin unbekannte Kartoffelfäule auf, welche Ernten vernichtete. Irland war davon massiv betroffen, aber auch die Niederlande, Belgien und Frankreich.

Kann man die britische Politik als „zurückhaltend“ nennen, war sie nicht vorurteilsbehaftet? Nach dem wirtschaftsliberalen Dogma des laissez-faire sollte sich der Staat möglichst wenig in die Wirtschaft einmischen und auch n i c h t helfen. Deshalb wurde ein Verbot des Exports von irischem Getreide selbst in der Hungersnot nicht in Betracht gezogen.

Die europaweiten Missernten von 1845 bis 1849 führten zu einer steigenden Nachfrage nach Weizen. Länder auf dem Kontinent haben den Export eigener Lebensmitteln unterbunden, um in ihre Landsleute vor einer Hungersnot zu bewahren (so Belgien).

Doch die englische Regierung versagte. Die Iren erlebten zu ihrer großen Verbitterung, dass große Mengen an noch vorhandenen tierischen und pflanzlichen Nahrungsmitteln von Irland nach England gebracht wurden, während viele Menschen in Irland bitter hungerten – in einer unvorstellbaren Art und Weise oder auswanderten.

Ein Rätsel des Menschseins: Das aufgeklärte England ließ wissentlich und sehenden Auges die Iren, Land und Leute – ja ich sage das derbe Wort -„krepieren“: 1 Million Tote, 2 Millionen Ausgewanderte.(US-Präsident Joe Biden ist irisch-stämmig und katholischer Demokrat).

In der ARTE-Mediathek kann die Sendung bis 29.Dez. gesehen werden.

Was tun in Krisen?

Bei aller Erregung durch Medien „cool“ bleiben. Pro humanistischen Futurismus!

In dem Buch: „Die Hoffnung nach der Krise“ (2021) formuliert Matthias Horx eine Art Lebenskunst in der (medialen) Erregungsgesellschaft (Resumé: Hans Högl). Es gilt, der Welt in sinnhafter Weise zu begegnen und drei Kategorien zu sehen:

1. das, was ich nicht ändern kann
2. das, was ich kontrollieren und ändern kann
3. das, was ich beeinflussen kann, aber nur teilweise.

Ein grundsätzlicher Fehler: Wir wollen alles kontrollieren und überheben uns ständig.(Das trifft auch auf NGO-Aktivismus zu!). Wir fühlen uns entweder für alles zuständig (woran wir scheitern müssen). Oder sind für gar nichts verantwortlich (was eine egoistische Haltung erzeugt). Wir wollen dauernd Dinge ändern, die wir nicht ändern können, während wir das, was veränderbar wäre (so uns selbst), vernachlässigen (S. 139 f.).

Meditatione malorum: Eine klassische stoische Übung ist es, am Morgen an das Schlechteste zu denken- um sich für den Rest des Tages davon zu befreien: Unser Partner verlässt uns. Wir bekommen Alzheimer. Unser Hund stirbt. Der Weltkrieg bricht aus. Die Erde erhitzt sich wie ein Grillhähnchen.Versuchen Sie es einmal. Es ist gar nicht so schwer – wir machen es ohnehin oft. Aber wer es bewusst tut, merkt: Es macht keinen Sinn. Es ist Blöd-Sinn.

Als ehemaliger ZEIT-Journalist kennt Horx den „SPIEGEL“-Zynismus: In dessen „Analysen“ steht ein großes ABER oder DOCH am Ende jeder Geschichte. Das lautet dann so: Das Umweltproblem wurde gelöst, DOCH so werden andere Umweltprobleme noch schlimmer. Ein Krieg wurde beendet, ABER er ist noch nicht vorbei. Die Impfungen gehen schneller, ABER jetzt streiten sich die Hausärzte um die Verteilung der Impfstoffe (S. 20f.).