Entwicklungs-„Hilfe“, aber wie Welt retten?

Lösungsorietierter Journalismus: Wege und Umwege für Entwicklungs-Mithilfe

Hans Högl: Buchrezension

Andreas Sator : Alles Gut?! Unangenehme Fragen & optimistische Antworten für eine gerechtere Welt, Wien 2019. (206 p.)

Der Autor ist Journalist der Wiener Qualitätszeitung „Der Standard“, ihm ist der globale Süden ein praktisches und kritisch-reflexives Anliegen, er studierte Ökonomie in Wien, ging diversen Jobs nach. Eine Zeitung, die erzählt, dass gestern der Verkehr normal war, Spitäler funktionierten und Flugzeuge gut landeten, eine solche Zeitung verkauft sich nicht gut. Das liegt in der Natur der Sache (S. 85). Doch darin liegt ein Problem.

Medien bestimmen unser Weltbild, aber übersehen Megatrends, wie sie Hans Rosling im exzellenten Buch „Factfulness“ ortet und auf wachsende Mittelschichten in China und Indien verweist und den Rückgang extremer Armut – mit Ausnahme in Sub-Sahara-Afrika.
Sator empfiehlt, längere Reisen in den Süden oder Aufenthalte von Dauer.

Ein Einschub des Rezensenten: Für einen Entwicklungsexperten war die erste Reise nach Westafrika inspirierend. Er wirkte zuvor viele Berufsjahre in einem Institut. Doch selbst vier Studienjahre eines meiner brasilianischen Kollegen bei Brüssel, änderte kaum sein Weltbild: So sagte er mir abschätzend über Österreich, weil er in Zeitungen nie über Konflikte und Streiks in Österreich las, „darüber liest man ja gar nichts“. Manchmal denken Latinos in Extremen, dem Kollegen blieb das Konzept sozialer Marktwirtschaft fremd- ganz Anderes vermerkte eine Sozialexpertin aus Afrika mit Ihrer Aussage über Österreich: „Ihr lebt in einem Paradies“. Auch US-amerikanische Student*innen staunen über unser System der Stipendien. Und in Schweden finanzieren sich Studierende mit langfristigen Krediten. Wirtschaftssysteme sind nicht nur zweipolig.

Mit gutem Willen die Welt zu retten, reicht nicht. Wir sollen den fernen Süden nicht idealisieren: Perplex war ich, als ich bei meinem Einsatz auf den Cap Verden erfuhr, dass einheimische Eliten mit Geld für Entwicklungshilfe Tennisplätze für sich zu bauen suchten – doch die Wiener Behörde beharrte auf die volle Hilfe für die Kleinbauern. Wer mitteilt, dass buddhistische Länder um eine wertvolle Buddhastatue Krieg führten, riskiert Missbilligung. Dies als Einschub versus Superidealisten. Zurück zum Buch von Sator.

Andreas Sator: „Zeitungen und Online-Medien geben uns ein allzu negatives Bild von der Welt.“ Er empfiehlt, Bücher zu lesen oder die „Die Zeit“ und den „Economist“. Was Sator auszeichnet: Er stellt sich konkrete Fragen: Wie die Klimakrise lösen und was hilft wirklich den Armen? Das 1. Buchkapitel lautet: Beim Einkaufen die Welt retten? Wer bei H&M kauft, sichert Jobs in Bangladesh, verschmutzt aber die Umwelt. Wer ein teures Shirt in Vorarlberg kauft, schont die Umwelt, macht aber die positiven Effekte der Globalisierung zunichte (p. 180). Doch ein Kauf mit GOTS Label (Global Organic Textile Standard) verweist auf faire Arbeitsbedingungen und Nachhaltigkeit.

Sator: Auf vieles gibt es keine richtige Antwort, und wir können nicht jede einzelne Handlung auf die Goldwaage legen. Wir sollen uns Mühe geben, doch keiner könne alles richtig machen. So der lebensnahe Zugang.

Belästigungsaffäre im Schweizer Fernsehen

Medien sind über Verfehlungen von eigenen Mitarbeitern meist recht verschwiegen

Hans Högl

Belästigungsaffäre: Das Westschweizer Fernsehen (RTS)mit Sitz in Genf eröffnet Untersuchungen und suspendiert zwei Mitarbeiter – diese wissen aber noch gar nichts davon.

Über 200 Angestellte des Westschweizer Fernsehens haben sich an eine Hotline gewendet. Zahlreiche Persönlichkeitsverletzungen wurden gemeldet. Welche genau, ist unbekannt – der Bericht bleibt geheim.

Gegen Korruption und Machtmissbrauch

Das Anti-Korruptionsvolksbegehren ist gestartet. Nun können Unterstützungserklärungen abgegeben werden.

Udo Bachmair

Mindestens 8.401 Unterstützungserklärungen sind notwendig, damit das „Rechtsstaat & Anti-Korruptionsvolksbegehren“ durchgeführt werden kann. Die Proponentinnen und Proponenten sind sehr zuversichtlich, dieses Ziel zu erreichen. In ihrer Erklärung an die Medien heißt es:

„Fälle von schwerwiegendem Korruptionsverdacht bis zu massiven Angriffen auf den Rechtsstaat verpflichten uns, unsere Stimme auch öffentlich zu erheben“.

„Die schon bisher starke Resonanz zeigt uns, dass die Österreicherinnen und Österreicher nicht länger bereit sind, Korruption und Angriffe auf unseren Rechtsstaat hinzunehmen“, zeigt sich Ex-OGH-Präsident Irmgard Griss, eine der Proponentinnen, höchst erfreut.

„Wir müssen umkehren, bevor es zu spät ist!“ mahnt der renommierte Verfassungsrechtler Heinz Mayer.

Auch eine Reihe von ÖVP-Politikern schließt sich dem Appell an, etwa Ex-EU-Kommissar Franz Fischler. Und Michael Ikrath, früherer ÖVP-Justizsprecher, sagt :

„Wir alle haben ein Recht auf respektierte Gewaltentrennung statt geprobter Regierungsallmacht.“

Heide Schmidt , ehem. 3. Nationalratspräsidentin formuliert als ihr Motiv, einmal mehr aktiv zu werden:

„Die Art der politischen Kultur prägt die Maßstäbe für das Miteinander und damit für unsere Gesellschaft. Die derzeitige Entwicklung gibt Anlass zur Sorge. Dagegen müssen wir etwas tun.“

Unterstützungserklärungen können mit einer persönlichen Unterschrift – unabhängig vom Hauptwohnsitz – in einer beliebigen Gemeinde (in Statutarstädten beim Magistrat, in Wien auf den Magistratischen Bezirksämtern) während der jeweiligen Amtsstunden abgegeben werden.

Die Abgabe von Unterstützungserklärungen ist auch online möglich. Nähere Informationen dazu finden Sie unter
www.oesterreich.gv.at/themen/leben_in_oesterreich/buergerbeteiligung___direkte_demokratie/2/Seite.320472.html

ORF nicht durch Parteipolitik ruinieren

Im Parlament in Wien sind kürzlich die Concordia-Preise für außerordentliche publizistische Leistungen verliehen worden. Preisträger in der Kategorie „Pressefreiheit“ ist ORF-Redakteur Dieter Bornemann.

Udo Bachmair

Dieter Bornemann, Vorsitzender des ORF-Redakteursrates hat in seiner Dankesrede mit durchaus kritischen Worten aufhorchen lassen. So warnte er vor einer Besetzung wichtiger ORF-Führungspositionen nach „politischer Farbenlehre“ sowie vor fortgesetzter personeller Ausdünnung von Redaktionen.

Wirtschaftlicher Druck lasse Redaktionen ähnlich wie Gletscher schmelzen, während gleichzeitig eine „Flutwelle“ an Propaganda und PR von Ministerien, Parteien und Unternehmen sie mit ihrem Spin überschwemme. „Von unabhängiger, kritischer Berichterstattung haben sich viele im Politikbetrieb offenbar schon verabschiedet“, beklagte Bornemann in seiner Rede.

Medien mutieren „immer mehr zum Werkzeug der Politik“, befindet der Concordia-Preisträger, Bei kritischen Interviews werde man rasch als „Feind“ angesehen, der vom Informationsfluss abgeschnitten werden müsse, bemängelt Bornemann.

Der Redner äußerte sich auch zu seinem eigenen Unternehmen, zum ORF, dessen oberste Führung am 10. August vom ORF-Stiftungsrat gewählt wird. Bei der Neuwahl der ORF-Spitze gehe es nicht um die besten Ideen, sondern darum, wen Kanzler Kurz auf dem Chefsessel haben möchte…

Nähere Infos unter www.orf.at/#/stories/3219110/

Presseclub mahnt Reformen ein

Der Presseclub Concordia, Kooperationspartner der Vereinigung für Medienkultur, fordert in einer jüngst von der Generalversammlung verabschiedeten Resolution „dringend überfällige“ medienpolitische Reformmaßnahmen.

Udo Bachmair

Der renommierte Presseclub hält die Umsetzung eines „zeitgemäßen Informationsfreiheitsgesetzes“ für unabdingbar. Für Journalist*innen sei ein einfacher Zugang zu amtlichen Informationen herzustellen, damit sie ihrer demokratiepolitisch wichtigen Rolle gerecht werden können.

Besonders wichtig ist für die Journalistenvereinigung auch die Forderung, „die intransparente und qualitätsfeindliche Praxis der Regierungsinserate“ zu beenden. Dazu bedürfe es einer grundlegenden Reform der Medienförderung unter Berücksichtigung qualitätsorientierter Kriterien.

Ein wesentliches Anliegen des Presseclubs ist auch der ORF, dessen neue Führungsspitze ja am 10. August gewählt wird. Der Club verlangt „gedeihliche Rahmenbedingungen für politisch unabhängige Berichterstattung im ORF.“

Mit Sorge beobachtet der Presseclub Concordia Angriffe und Einschüchterungsklagen gegen Journalist*innen. Er mahnt Unternehmen und Politik, juristische Mittel nicht zur Einschränkung der Pressefreiheit zu missbrauchen.

Staatsschulden und Corona

Corona-Staatsschulden: Vorläufig ist davon in Österreich wenig Präzises zu erfahren – doch anders verfährt die wirtschaftsliberale Schweiz.

Hans Högl

Der Schweizer Bundesrat, also die Regierung, führt eine erste Aussprache über Schuldenabbau: Der Bundesrat will die in der Corona-Krise aufgebauten Schulden voraussichtlich in 10 bis 15 Jahren wieder abbauen. Dies soll schmerzfrei passieren, sprich: Es soll weder Steuererhöhungen noch Sparprogramme geben. Eine konkrete Gesetzesvorlage soll im August kommen. nzz online 23.6.2021

Brisanter Brief an den Kanzler

Wie Politiker versuchen, Journalisten für sich einzunehmen bzw. gefügig zu machen, zeigt ein bemerkenswerter offener Brief an Bundeskanzler Sebastian Kurz.

Udo Bachmair

Der bekannte Ex-Krone-Journalist Thomas Schrems hat seinem Unmut mittels eines offenen Briefs an Sebastian Kurz Luft gemacht. Er demonstriert exemplarisch, wie intensiv der „PR-Kanzler“ mit der bisher wohl konsequentesten Selbstinszenierung inklusive gelungener „Message-Control“ versucht, vor allem Journalist*innen von Medien mit besonders großer Reichweite zu beeinflussen und an sich zu binden. Das funktioniert offenbar gut. Denn Kurz kann sich einer großen Unterstützung von Massenblättern wie Krone, Heute oder Oe-24 erfreuen. Zudem kann Kurz immer wieder auf das Wohlwollen vor allem der ZiB 1 des ORF bauen. Unabhängiger Journalismus sieht wohl anders aus..

Die Verzahnung von Medien und Politik, ein Phänomen, das besonders in Österreich angesichts zahlloser „Verhaberungen“ wie geschmiert läuft, wird von kritischen Beobachtern jedoch als demokratiepolitisch äußerst bedenklich bewertet.

Zum Thema nun also im Wortlaut der erwähnte offene Brief des früheren Chronik-Chefs der Kronen Zeitung, Thomas Schrems :

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, lieber Sebastian!

Weißt du noch, damals …
du meine Güte, lang ist’s her.

DU, der gerade erst aus dem Geilomobil gekletterte, vermeintlich „kleine“, frisch gebackene Staatssekretär für Integration (was ist bloß aus deiner Haltung von damals geworden
– oder war das auch bereits alles knallhartes Kalkül auf deinem steilen Weg an die Macht?) … … und ICH, der vermeintlich „mächtige“ Chronik-Chef beim Kleinformat. Unser erstes Mal sozusagen – an dem kleinen Ecktisch in der „Krone“-Kantine. Und neben dir dein eisern aufstrebender Adlatus, der sich bald schon zum Bullterrier in Sachen Message-Control der türkisen Familie mausern sollte. Wobei ja Familie ein Begriff ist, der – wie ich meine –
nicht durch eure Umtriebe entehrt werde sollte. Sei´s drum.

DU also, damals losgeschickt von deiner Chefin & Innenministerin, um dich im Pressehaus anzudienen, um dich in diesem wahrhaftigen Zentrum der Macht, wie es heißt, vorzustellen (kein Scherz! So war das damals Usus, auch bei Ministern und Konsorten, auch sie mussten allesamt antanzen) … …
dich vorzustellen also in der Höhle des Medienzaren und freundliche Nasenlöcher zu machen. Im Dreierpack quasi. Zuallererst natürlich ganz oben, im 16. Stockwerk, beim alten Herrn, wie wir ihn nannten, Hans Dichand sel. Dann beim Chefredakteur. Und hinterher bei mir.

Ja, ja, ich gebe es unumwunden zu: Ein klein wenig gebauchpinselt gefühlt hab ich mich schon. Und ein klein wenig ins Fliegen geraten vor lauter „Einfluss“ und so weiter war ich damals wohl auch schon. So viel Selbstkritik muss sein. Und dann erst jener Sonntag (ich weiß es noch wie gestern), als DU mich in der Redaktion anriefst und fragtest, ob du den Job des Außenministers annehmen sollst? – Nein, nein, dass hier bloß kein falscher Eindruck entsteht. Bestimmt hast du dir von Dutzenden eine Meinung eingeholt. Weil dir ein breites Spektrum an
Meinung, insbesondere, was dich selbst, deine Außenwirkung etc. betrifft, seit jeher wichtig war. Lustig war das aber schon. Damals. Die vielen gemeinsamen Reisen in aller Herren Länder. Nicht zu vergessen jene, als DU und dein späterer Bullterrier in nachmitternächtlicher Laune mich, den Schreiberling, in einer Rooftop-Bar in New York in den Pool zu den halbnackten Mädels werfen wolltet – es dann aber doch bleiben ließet.

Du meine Güte, und was da nicht auch alles off-the-record geunkt wurde auf diesen Reisen. Der „Pöbel“ kam, soweit ich mich erinnere, allerdings nicht explizit zur Sprache (na ja, das Thema hat der Thomas jetzt eh ausreichend abgedeckt). Aber sonst allerlei. Doch das ist eine andere Geschichte und gehört nicht hierher.

Und so ging es eben Schlag auf Schlag. Mit dem systematischen Einlullen und Gefällig-Machen von Journalisten. Mit dem alten Spiel aus Geben und Nehmen (da eine exklusive Story, dort Publicity für den aufgehenden Politik-Stern). Diese Art von Verhaberung, deren Früchte heute
ebenfalls unter der Message-Control durch Euresgleichen firmieren. Irgendwie verlief das Spiel stets auf einer leicht schiefen Ebene – doch dazu gehören bekanntlich zwei. Einer, der mehr nimmt, und einer, der naiv genug ist, mehr zu geben.
Also: Schwamm drüber, lieber Sebastian. Immerhin bin ich ja selber schuld. In der Rückbeschau.

ABER:
Ich habe abgeschworen. Dem Blatt und auch gleich dem Tagesjournalismus als solchem. Vor Jahren schon und aus vielerlei Gründen. Allen voran natürlich das Nest selbst, in dem ich wohlbestallt saß und werkte. Die Zentrifuge des Wahnsinns, wie wir die Redaktion nannten. Aber auch: die eigentliche Zentrifuge der Macht. Dort, wo der Bartel den Most her – und so mancher Bundeskanzler sich seine Watschen abholt. Dort auch, wo dieses Spiel des Gebens und Nehmens bis zur Perversion perfektioniert wird.

Wenn der Eine (nennen wir ihn: DU und deinesgleichen) schaut, was so an manipulativem Dreck reingeht und ob er damit durchkommt – und der Andere (nennen wir ihn: ICH und meinesgleichen) denkt: „Na, wird schon passen.“ Und so kommt es bisweilen, dass ICH und meinesgleichen
dabei den Blick fürs Wesentliche verlieren. Weil wir aus einem sich mehr und mehr verselbständigenden Reflex heraus agieren. Eine Art „Adabei-Reflex“, der die ursprünglichen Aufgaben des Journalisten (das kritische Hinterfragen, Berichten etc.) mehr und mehr zurückdrängt – und im Gegenzug dem Promi-Faktor zu seinem „Recht“ verhilft. Weil doch Licht und Glanz der „großen Namen“ ringsum so sehr hereinstrahlen, dass man fast nicht anders kann als
…? Genau. Nichts. Mitstrahlen. Wegsehen. Schweigen. Bloß, weil sie dich plötzlich am Handy anrufen. Bloß, weil sie dir (rein dienstlich natürlich) die tollsten Reisen anbieten, die besten Exklusivgeschichten, dich in die teuersten Restaurants entführen und so weiter. Und da kann es dann auch passieren, dass man (wenn auch leicht beschämt und mit
reichlich Alkohol kompensiert) wegsieht und schweigt …Kleines Beispiel
gefällig? Auch wenn dieses eine nicht DICH persönlich betrifft, sehr wohl aber deine Partie (oder sagt man Partei)?

Wenn also zum Beispiel bei einer Pressereise nach Fernost (Thema: Kampf gegen die Produktpiraterie) die Delegationsleitung auf dem Rückflug sechs nigelnagelneue Golfpacks dabei hat. Für die Freunde daheim. Spottbillig (weil gefaked). Aber man könnte natürlich argumentieren: Gut, dass WIR die gefälschten Taschen gekauft haben. So sind sie wenigstens vom Markt und keine Gefahr. Oder? Wurde je eine Zeile darüber oder über dergleichen geschrieben?– Nicht dass ich wüsste. Vielmehr hat es sich auch hier – einmal mehr – bezahlt gemacht, dass nur sorgfältig ausgewählte KollegInnen ausgewählter Medien (auf Regimentskosten, versteht sich) mit an Bord waren.

Ja, und so wächst und wächst sie, die kontrollierte Nähe. Ganz hin und weg ist unsereiner vor lauter blendender Macht-Mitspielerei. Und übersieht, dass die Handschellen dieser Nähe nach „oben“ längst um die Fesseln gelegt sind. Ja, und so häufen sie sich – die Geschichten, die stets ungeschrieben geblieben sind. DIE Storys schlechthin, die ICH und meinesgleichen dann lieber doch nicht schreibt und sie stattdessen im Herzen trägt, um sie eines schönen Tages den Enkelkindern als eine von unzähligen Schnurren aus einem bewegten Leben zum Besten zu geben.

Natürlich wissen DU und deinesgleichen um diese Mechanismen. Ihr seid wahrhaftige Meister dieses Wissens. Und so klicken die Handschellen des Einlullens und wechselseitigen Emporhebens und Begünstigens, dass es eine wahre Freude ist. Klick. Klick. Klick.

Ja, so war das. Ja, so ist das. Und keiner, lieber Sebastian, beherrscht dieses
Spiel gekonnter und gewiefter als DU. Und so war einer meiner vielen Gründe, dem Tagesgeschäft bei der Zeitung zu entsagen, letztlich auch dieser unsägliche Ekel, der mich damals bereits erfasst hatte angesichts der viel zu tiefen Einblicke, die mir gewährt wurden in euer Reich, in die so genannte „hohe Politik“ und ihre geistbefreit-schmutzigen Mechanismen. Jener würgende Ekel auch, der mir angesichts des dich damals schon umschwirrenden Klüngels die Luft für ein sauberes Atmen nahm (ja, der Thomas> „Jetzt-wieder-reisen-wie-der-Pöbel“ S. war auch schon munter mit von der Partie und einige andere mehr).
Und, ja, ferne Boten dieses würgenden Ekels steigen mir heute noch die Kehle empor, wenn ich sehe, wie DU und deine Spezis dieses Land untereinander aufteilen, in den Sumpf ziehen und bis zum Erbrechen der Lächerlichkeit preisgeben.

ABER Ich habe ja abgeschworen, und ich bin der Versuchung, in den Ring zurückzukehren, nicht eine Sekunde lang erlegen. Das letzte Mal war erst vor ein paar Monaten, und ich hätte abermals in leitender Position arbeiten sollen für ein neues Medium – ausgerechnet! –, dessen Geldgeber dir und den Deinen eng verbunden sind. Bestimmt wäre das Salär ganz ordentlich gewesen (doch ich habe nicht einmal danach gefragt). Wie stolz und froh ich doch bin, nicht gezögert zu haben. Als hätte mir das Schicksal eine allerletzte Prüfung der Standhaftigkeit
auferlegt – und gleich Luzifer persönlich auf mich losgehetzt.

Brrrr! Oh nein, sehr geehrter Herr Bundeskanzler und lieber Sebastian:
Besser ist´s, kleinere, bedeutend bescheidenere Brötchen zu backen.
Ganz pöbelhaft. Besser ist´s, die Bodenhaftung nicht zu verlieren (oder zurückzugewinnen). Besser ist´s, ein freischaffender Buchstaben-Hin-und-Her-Schieber zu sein, der für sein Auskommen viel und hart arbeiten muss, so rechtschaffen wie die allermeisten Menschen in diesem Lande auch. Menschen, die alles Mögliche haben – bloß nicht euch verdient. Besser so … und dafür Mensch sein, Mensch bleiben.

Bleibt nur noch diese Frage: Wie viele Nadeln, wie viele Lögers und Schmids und Blümels und wie sie alle heißen mögen, braucht es noch, bis es endlich „PUFF!“ macht? Bis ein tosender Schwall türkiser heißer Luft auch dich vom Parkett fegt – und mit dir alles, was uns die längste Zeit so dreist auf der Nase herumtanzt? Wie sagen die Kommentatoren (und Luftballon-Experten) so gerne?

Man darf gespannt sein.

Dein Thomas (Schrems)

( Brief erstmals veröffentlicht via Facebook )

USA: Geheime Vietnam (Pentagon)- Studie vor 50 Jahren veröffentlicht

„New York Times“ riskierte Mitte Juni 1971 – also vor 50 Jahren- Auszüge aus der ultrageheimen Mc Namara-Studie (genannt „Pentagon Papers“) preiszugeben, die die damaligen Medienberichte radikal in Frage stellten.

Hans Högl

Damals war Daniel Ellsberg der Whistleblower. Ich verglich in meiner nicht publizierten Dissertation das Medienecho in der linksliberalen „Le Monde“ mit Kommentaren und Nachrichtentexten in der Nato-freundlichen „Frankfurter Allgemeinen“ in Hinblick auf Manipulation. Dazu ein andermal. Daniel Ellsbergs Sohn schrieb mir folgende Botschaft:

Michael Ellsberg: Today marks the 50th anniversary of the New York Times first publishing the Pentagon Papers.
Join Daniel Ellsberg on a live webinar today at 7:30PM EDT with Noam Chomsky, Rep. Elizabeth Holtzman, Barbara Myers, and Gar Alperovitz discussing the legacy of the Papers. Selected media coverage of the Pentagon Papers anniversary is here.

The Ground Truth Project and UMass Amherst have created a wonderful podcast that brings alive the history of Daniel’s action, The Whistleblower. UMass Amherst, which acquired Daniel’s archive, recently held a 3-day virtual conference on the legacy of the Papers, including a dialogue between Daniel and Edward Snowden. Recordings of the conference are here.

At age 90, Daniel’s still at it! He recently made an unauthorized disclosure of a still-classified top-secret study about US nuclear threats against China, which he’s been holding for over 50 years. The New York Times reported the leak here and coverage of the leak made international headlines.

Thank you,–Michael Ellsberg

Wie Medien manipulieren : Ein Buchtipp

Eine kritische Medienanalyse ist im Frankfurter Westend Verlag erschienen. Sie zeigt anhand zahlreicher Beispiele auf, wie herrschende Medien manipulieren.

Udo Bachmair

Die Medienwissenschafterin Sabine Schiffer bietet mit ihrem nun vorliegenden Buch eine unerschöpfliche Informationsquelle über Mechanismen und Manipulationen von Medien. Sie greift dabei vor allem Beispiele verzerrender und falscher Berichterstattung zur internationalen Politik auf.

Ergebnis der umfangreichen Analyse: Herrschende Medien informieren trotz ihrer Beteuerung, sie seien objektiv und unabhängig, oft einseitig und manipulativ. Die herrschende Meinung zu bestimmten Fragen „ist eben die Meinung der Herrschenden“, folgert die Autorin.

Diese herrschende Meinung werde zunehmend von PR-Agenturen und Medienhäusern bestimmt. Damit spricht die Verfasserin des Buches auch das hierzulande anzutreffende Problem an, dass die außenpolitische Berichterstattung vornehmlich von bestimmten größeren westlichen Agenturen gespeist wird. Inhaltlicher Einheitsbrei wird somit gefördert. Eine Entwicklung, die nicht zuletzt auch durch mangelnde journalistische Eigenrecherchemöglichkeiten angesichts stetig ausgedünnter Redaktionen begünstigt wird.

Die Autorin führt unter zahlreichen Beispielen an, wie westliche Medien etwa im Vorfeld der NATO-Angriffe auf den Irak, Libyen oder Serbien psychologische Kriegsvorbereitungen getroffen haben. Schiffer erinnert an jene angeblich kuwaitische Krankenschwester, die weinend von grausamen Morden irakischer Soldaten an Frühgeborenen berichtete. Diese von einer US-regierungsnahen PR-Agentur stammende „Information“ stellte sich später als frei erfunden heraus. Doch immerhin war die Falschmeldung „Legitimation für eine imperiale humanitäre Intervention“.

In westlichen Demokratien sieht Sabine Schiffer die Information „zur Ware verkommen“. Sie plädiert daher umso mehr für einen unabhängigen Journalismus. Der wiederum könne unter anderem durch nachhaltige Finanzierung seriöser Medien erreicht bzw. abgesichert werden. Das wäre auch hierzulande nötig. Denn in der äußerst boulevardlastigen österreichischen Medienlandschaft fehlt es an entsprechender Förderung von Qualitätsmedien. Die Regierung ist offenbar nicht einmal dazu bereit, das legendäre Qualitätsblatt „Wiener Zeitung“ mittels Finanzspritzen zu retten.

Sabine Schiffer: Medienanalyse. Ein kritisches Lehrbuch. Frankfurt am Main (Westend Verlag) 2021

Assad verspricht „Hoffnung durch Arbeit“

Zum Leben im heutigen Syrien – ein bei uns fast vergessenes Thema

Hans Högl

Das syrische Regime Assad hat mit Hilfe seiner russischen und iranischen Verbündeten die großen Bevölkerungszentren und 70 Prozent seines Staatsgebietes wieder unter seine Kontrolle gebracht. Aber das Land bleibt in Stücke gerissen. Unter türkischem „Schutz“ leben im Nordwesten zehntausende aufständische Kämpfer und vier Millionen Menschen.

Bei einem meiner früheren Aufenthalte in Syrien lernte ich auch diese Grenzzonen kennen. Als Gegenstand unseres Blogs wähle ich solche Themen, wo ich mir persönlich einen einigermaßen verlässlichen Zugang verschaffen konnte. Das ist auch Prinzip des deutschen Blogs „Perspective Daily“, der nicht in übliche Ressorts einteilt, sondern wo Personen schreiben, die zu speziellen Themen Expertise haben und wo es zu ungewohnten Themen-Überschneidungen kommt (mit einem cross-kulturellen Ansatz).

Im Osten Syriens beherrschen die von den USA protegierten Kurden den Großteil der syrischen Erdöl- und Getreidefelder, berichtet die angesehene „Neue Zürcher“ in einem großformatigen Beitrag. Der Kollaps des libanesischen Bankensystems, in dem große syrische Vermögenswerte lagerten, ließ die syrische Währung ins Bodenlose stürzen. Der Währungszerfall hatte im Winter zur Folge, dass Syrien nicht genügend Weizen und Heizöl importieren konnte. Gleichzeitig stiegen die Lebensmittelpreise im Vergleich zur Vorkriegszeit um das 33-Fache. Aufgrund der internationalen Sanktionen ist in Syrien nicht an einen schnellen Wiederaufbau zu denken.

Da stellt sich die Frage, ob und wann syrische Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren können.