Hans Högl
Der aktuelle Bezug für diesen Bericht in der Kleinen Zeitung war die apa-Meldung, dass ein PKW in der Brünner Straße in Wien von der Fahrbahn geraten war und „eine der letzten Telefonzellen vollständig demolierte“. Läutet der Handyboom das Aus für Münzfernsprecher ein? Nein sagt A 1: Fast in jeder Gemeinde Österreichs stehe noch einer. Österreichweit werden noch 14.000 Münzfernsprecher betreut. 2005 waren es bundesweit noch 23.000 Zellen.
Es ist wissenswert, dass mehrere Notruf-Nummern von den Zellen gratis gewählt werden können: die Rettung (144), Polizei (133), die Feuerwehr (122) bis hin zur Telefonseelsorge (142) – insgesamt 9 Nummern. Dieser Hinweis ist ein Tipp der „Medienkultur“. Sollte ein devastierter Münzfernsprecher Ihnen auffallen: A1-Serviceline, Tel. 0 800 664 100 von 7-22 Uhr. (Soweit die Kleine Zeitung, die aber eine unrichtige Nummer angab.). Die Adresse von A 1 war nach langem Suchen zu finden: A 1 Lasalle Straße 9 1020 Wien. E-Mail: Impressum@a1telekom.at
Stichproben im 17. Wiener Gemeindebezirk ergaben folgendes Resultat: Alle vorhandenen Telefon-Zellen vom Elterleinplatz bis zur Dornbacher Straße funktionierten, wie oben angegeben, aber sie waren zum Teil erheblich verschmutzt.
Medienberichte entstehen fast nur dann, wenn ein aktueller Bezug besteht. Und aktuelle Bezüge sind oft erst dann gegeben, wenn besondere Katastrophen eintreten.
Mit anderen Worten: Medien berichten oft viel zu spät, sie berichten selten von langsamen Entwicklungen. Das hängt auch damit zusammen, dass die seriöse Reportage am Ort des Geschehens zu wenig praktiziert wird und sich ein Gutteil der Journalisten vor allem mit Agenturmeldungen beschäftigt, diese kürzt, einen anderen Titel gibt und vielleicht mit ein paar Telefonanrufen die Meldung ergänzt. Die Folge: In vielen Medien wird ein und dieselbe Geschichte weitgehend identisch wiederholt.
Ich beobachtete bereits im Jahr 2000 in einem Wiener Spital, dass Patienten in Betten auf den Gängen waren. Mit einer Verspätung von 17 Jahren wurde dieses Thema kürzlich berührt und dass die Ambulanzen überfüllt sind. Oder denken wir daran: Die Finanzkrise wurde in den Medien viel zu spät akut. Lange waren die Machenschaften der Banken tabu.
Es ist auch eine Einseitigkeit, dass Leserbriefe und Blogs in der Regel nur dann aufgegriffen werden, wenn ein direkter Bezug zu einem publizierten Beitrag gegeben ist. Das bedeutet, dass n u r Journalismus die Themen setzt, worüber diskutiert wird. Die Folge davon ist, dass die breite Öffentlichkeit oft ganz anders Sachverhalte wahrnimmt, als dies in Publikationen erscheint. Hier unterscheiden sich öffentliche Meinung und veröffentlichte Meinung. Diese Art von Medienkritik ist alles andere als neu für die Kommunikationswissenschaft, aber die Branche hat dies nicht rezipiert. Immerhin: Mit den unabhängigen Blogs hat sich einiges verändert.