Wiener Zeitung : 1703 – 2023

Es war zu befürchten: Die Bundesregierung bestehend aus ÖVP und Grünen hat dem traditionellen Qualitätsblatt nun endgültig den Garaus gemacht.

Udo Bachmair

Trotz aller verzweifelter, aber auch hoffnungsfroher Rufe nach Rettung der Wiener Zeitung hat der Nationalrat mit den Stimmen auch der Grünen allen Ernstes diesem Qualitätsblatt den Todesstoß versetzt. Die Printausgabe der ältesten Zeitung der Welt, als Aushängeschild des Qualitätsjournalismus hierzulande längst bereits zum Kulturgut geworden, wird per Jahresmitte eingestellt.

„Eine Schande“, „ÖVP und Grüne Kulturbanausen“, „Krone-Abo für Frau Blimlinger“- so einige der Losungen auf Transparenten, die bei einem Demonstrationszug zahlreicher Menschen durch die Wiener Innenstadt mit Ziel Bundeskanzleramt mitgeführt worden sind. Doch alle Aufrufe, alle Initiativen haben nichts gefruchtet.

Dass die große Regierungspartei ÖVP an der Zerstörung der Wiener Zeitung festhalten würde, war nicht weiter überraschend. Sie hat ihren Machtanspruch und ihre Einflussversuche auf Medien spätestens seit der Kurz-Ära massiv erweitert. Dass aber auch die Grünen, früher leidenschaftliche Fürsprecher von Qualitätsmedien und Medienvielfalt stur geblieben sind, erscheint rätselhaft.

Die Mittäterschaft der Grünen am Tod der Wiener Zeitung, vor allem in Person der Mediensprecherin Eva Blimlinger, ist für Politstrategen völlig unverständlich. Vergrämen sie damit doch einen Großteil des bisher durchaus grünaffinen Medien- und Kulturbereichs. Sie wollen und können nicht begreifen, dass sie damit auch Multiplikatoren verärgern und für sie wichtige Wählerstimmen verlieren werden.

Mit engagierten Redebeiträgen pro Erhalt der Wiener Zeitung sind heute im Parlament hingegen Spitzenvertreterinnen von SPÖ, FPÖ und NEOS aufgetreten. Mit ähnlichen Begriffen und Argumenten, die schon bei der Demo vor dem Kanzleramt geäußert worden waren. Von Skandal, von Wahnsinn, von einem demokratiepolitisch besonders bedenklichen Ereignis, etc. war da die Rede.

Die SPÖ-Abgeordneten hielten demonstrativ Exemplare der heutigen Ausgabe der Wiener Zeitung mit der „Todesanzeige“ als Schlagzeile „1703 – 2023“ in Händen.

Besonders hart auch gegen seine eigene Partei, der ÖVP, ins Gericht gegangen war bei der Demo auf dem Ballhausplatz Ex-EU-Kommissar Franz Fischler: „Woher nehmen sich die ahnungsvollen Leuchten des Politikgewerbes, Medienministerin Raab und Frau Blimlinger, das Recht und die Frechheit, dieser 320 Jahre alten Institution den Garaus zu machen?“.

Auch der bekannte Medienwissenschafter (und Vizepräsident der Vereinigung für Medienkultur) Fritz Hausjell sprach vor den Demonstranten von einem „fatalen Schritt für die Demokratie, nicht zuletzt in Anbetracht der Nachrichten über Message Control und Inseratenkorruption.“ Der Chef der IG Autoren, Gerhard Ruiss, sorgte für einen optimistischen Demo-Ausklang : „Wir geben nicht auf!“

KPÖ und mediale Irritationen

Medien und Politik tun sich mitunter schwer mit ihren (Vor-)Urteilen über den sensationellen Erfolg der KPÖplus bei der Salzburger Landtagswahl vom vergangenen Sonntag.

Wolfgang Koppler *

Schon interessant, wie man die KPÖ in der ORF-ZiB am Sonntag zusammen mit der FPÖ noch als „Rand-Erscheinungen“ abtat. Und deren Spitzenkandidaten Dankl mehr oder weniger überging. Und das trotz eines – für eine viele Jahrzehnte in der Bedeutungslosigkeit verschwundenen Partei – phänomenalen Ergebnisses. Das ist, wie wenn die Grünen in den 80-er Jahren vom Stand weg mehr als 11 % gemacht hätten. Und das, obwohl die Partei wegen ihrer Vergangenheit verfemt und nicht im Trend war.

Nunmehr widmet sich sogar der Standard in einem längeren Artikel diesem Phänomen. Und versucht dies durch die das von der KPÖ aufgegriffene heiße Thema „Wohnen“ und die völlig unbelastete Herkunft des Spitzenkandidaten Kay-Michael Dankl (der ursprünglich Teil der von Glawischnig gefeuerten Jungen Grünen war) zu erklären.

Das Interview mit Dangl in der ZiB2 (das wohl auch für den ORF nicht mehr zu vermeiden war) ergab ein etwas anderes Bild. Natürlich ging es um die von Salzburger KPÖ aufgegriffenen und beim Wähler gut angekommenen Themen. Aber etwas ließ doch aufhorchen. Natürlich wurde der klug argumentierende junge Mann auch gefragt, weshalb er denn Mitglied einer Partei ein könne, die sich immer noch kommunistisch nenne, nach all den Erfahrungen mit dem realen Sozialismus und den historischen Belastungen. Die Antwort ließ aufhorchen. Dankl verwies auf den Ursprung von Sozialismus und Marxismus im 19.Jahrhundert – auf die Ideen, die dahinter stünden. Dass hätte nichts mit deren Missbrauch zu tun, zumal man sich heute zur Demokratie und auch zur EU bekenne. Deren Reform dringend nötig sei (wobei selbst eine solche Kritik bei uns schon beinahe ein Tabubruch ist). Womit er auf die Ideale von Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität verwies. Auf die historischen Wurzeln des Marxismus in der ersten Hälfte des 19.Jahrhundertes. Und auf die jüdisch-christliche Herkunft von Marx und dessen Ideen. Wie immer sie auch missbraucht wurden.

Da fiel selbst ZiB2-Moderator Martin Thür nichts mehr ein. Und auch der Politologe Filzmaier versuchte am Sonntag den Erfolg fast nur mit dem Thema Wohnen zu erklären. Obwohl er dann zugeben musste, dass der Spitzenkandidat in diesem Fall eine ganz wesentliche Rolle gespielt hatte. Idealismus und persönliche Bedürfnislosigkeit ist manchen Journalisten und Politologen genauso fremd wie unseren Politikern. Weshalb Idealisten derzeit offenbar fast nur mehr in der KPÖ zu finden sind. Wo es nichts zu holen gibt. Das betretene Schweigen, als Rudolf Nagiller vor etlichen Jahren anlässlich des Erfolgs des KPÖ-Politikers Ernest Kaltenegger in Graz die Politiker der etablierten Parteien in einer Gesprächsrunde des ORF nach derartig engagierten Kollegen fragte, sprach Bände. Ganz egal, wo man politisch steht.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und lebt in Wien

Frauen in Top-Positionen zeigen!

Feine Beobachtung von Nobelpreisträger Anton Zeilinger über ORF-TV

Hans Högl

Nobelpreisträger Anton Zeilinger berichtet Bemerkenswertes zur Rolle der Frau bei der TV-Übertragung im Österr. Fernsehen: Die Verleihung an drei Männer, Physiker, wurde gezeigt. Als Nächstes war eine Chemikerin an der Reihe. Das wurde nicht mehr gezeigt. Zeilinger dazu: „Das wäre ein wichtiges Rollen-Vorbild gewesen“.

Zeilinger gründete in einem ehemaligen Kloster am Traunsee die Internationale Akademie Traunkirchen – mit dem Ziel, Hochbegabte zu fördern. „In der normalen Schulumgebung sind sie die Ausnahme, möglicherweise auch sozial isoliert.“ Es ist ein Manko, dass nicht von der Volksschule (Grundschule) an Hochbegabte identifiziert werden, meint er. „Es erinnert mich an das Thema Frauen in den Naturwissenschaften. Bei einer Evaluierung der britischen Universitäten stellten wir fest: „Das einzige Mittel, das wirklich wirkt, sind Rollenbilder. Die jungen Frauen müssen andere Frauen sehen, die Top-Positionen haben“. Eben diese Chance hat das österr. Fernsehen übersehen.

Quelle: Magazin Klassik No. 28/Frühling 2023, S. 52.

Wirtschaftsexperte als Staffage

Nicht der Journalist ist Experte

Hans Högl

Im „Radio Ö 1 – Morgenjournal“ heute wurde Klaus Neusser, Direktor des Instituts für Höhere Studien, zur Inflationsrate in Österreich und in anderen Ländern interviewt. Mich irritierte, dass der Journalist in schludrig hastigem Interview, bereits mit seinen Fragen sich inhaltlich so in den Vordergrund drängte und sein Vorwissen so präsentierte, als wüsste er mehr als der Wirtschaftsexperte und es sei eine Gnade, den Experten ins Studio geladen zu haben.

Ich plädiere für eine gewisse Zurückhaltung von Seiten des Journalismus gegenüber wirklichen Experten.

Vom Virus befallen

Die früher friedensbewegten (deutschen) Grünen haben sich in der Frage des Ukrainekriegs als militaristische Hardliner entpuppt. Ähnlich ein Großteil jener Journalisten, die sich als Linksliberale verstehen, wie etwa Falter-Chefredakteur Florian Klenk. Der Gastautor fragt sich daher: Gibt es eine Impfung gegen Klenkismus ?

Fritz Edlinger *

Es hat mit der Pandemie begonnen und setzt sich jetzt fort: Immer größere Teile des sogenannten „(links)liberalen“ Journalismus scheinen von einem speziellen Virus befallen zu sein, der eigenständiges, kritisches und rationales Denken angreift und die Befallenen anfällig für simplifizierende, pauschalierende und vor allem persönlich diffamierende (Vor)urteile macht. Wie sollte es anders zu erklären sein, dass es – zumindest im deutschsprachigen Raum – kaum ein „Qualitätsmedium“ aus diesem Spektrum gibt, in dem Analysen und Kommentare zum russischen Überfall auf die Ukraine derartig ähnlich ausfallen, dass dies schon unheimlich wird.

Auch die Abqualifizierung von Menschen, die der allgemeinen Kriegsunterstützung kritisch gegenüberstehen und für möglichst starke und rasche Friedensbemühungen eintreten, als gekaufte oder zumindest verführte „Putinversteher“, gehört zum Standardrepertoire jener, welche die NATO-Kriegsführung für alternativlos halten. Um nicht über Verschwörungstheorien welcher Art auch immer spekulieren zu müssen, so einigen wir uns also auf die Virustheorie.

Bleibt die Hoffnung, dass es sich tatsächlich um einen Virus handelt, denn dagegen könnte es medizinische Hilfe, vielleicht sogar in Form einer Impfung (oh Schreck!), geben.
Aus dieser Gruppe der heimischen „Durchblicker“ ragt der Chefredakteur der vor langer Zeit im grünen, linken und friedensbewegten gegründeten Wochenzeitschrift Falter Florian Klenk heraus. Man findet diese Spezies aber an vielen Orten und in vielen Medien, man fühlt sich umzingelt.

Wer sich weiter über das Phänomen „Klenkismus“ informieren möchte, dem sei der beiliegende Kommentar von Walter Posch empfohlen:

www.walterposch.at/klenkismus-walter-posch-2023

* Fritz Edlinger ist Herausgeber und Chefredakteur der renommierten Zeitschrift INTERNATIONAL, deren nächste Ausgabe in den nächsten Tagen erscheint.

www.international.or.at

Spätzünder

Wenn „News“ mit mehrjähriger Verspätung an eine breitere Öffentlichkeit gelangen, ist kaum Zufall im Spiel..

Wolfgang Koppler *

Der Slowburn ist ein beliebtes Mittel der Komik: In einer Doppelconference begreift der „Blöde“ eine Aussage des „Gscheiten“ erst mit merklicher Verzögerung und reagiert dann auch in Mimik und Gestik mit entsprechender Verspätung. Lachanfälle des Publikums sind garantiert.

Weniger lustig, wenn uns brisante Nachrichten mit mehrjähriger Verspätung serviert werden. Etwa die in den USA schon seit 2015 bekannte Meinungsmanipulation durch einen Ölkonzern, dem der Klimawandel schon in den 70-Jahren bekannt war und dem Anfang der 80-er Jahre sogar konkrete Zahlen zum Anstieg der CO2-Konzentration und deren Auswirkungen vorlagen. Die firmeneigene Studie wurde nicht nur ignoriert, sondern man förderte mit mehreren Millionen Dollar auch noch aktiv die Szene der Klimawandelleugner. Dies war erst im Jänner 2023 in etlichen österreichischen und deutschen Tagezeitungen zu lesen. Und war nun endlich auch Thema einer durchaus kritischen und informativen Dokumentation des jüngsten ORF-Weltjournals (Weltjournal+ beschäftigte sich dann noch mit der Praxis von Konzernen, Studien durch andere Studien in Zweifel ziehen zu lassen und auch mit der Manipulation über soziale Medien).
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In der Doku über ExxonMobil erfuhr man auch von einer diesbezüglichen Anhörung im US-Kongress – aus dem Jahr 2019 ! Dies machte mich stutzig. Recherchierte im Netz. Und siehe da: In spectrum.de (dessen Leserkreis überschaubar sein dürfte) fand sich bereits 2015 (!) ein diesbezüglicher Artikel, der wiederum auf eine für den Pulitzerpreis nominierte Arbeit von US-Journalisten zu diesem Thema verwies. Die Sache ist also schon seit Jahren bekannt. Ein weiterer Artikel findet sich dann in www.pressenza.com aus 2018. Ebenfalls ein wenig gelesenes Medium. Immerhin berichtete zumindest der Spiegel im Mai 2019 darüber.

Aber selbst im Zeitalter der Mayflower wären derart bedeutsame Nachrichten wohl nicht mit mehrjähriger Verspätung über den großen Teich an die Öffentlichkeit gelangt (zumal der Buchdruck damals schon erfunden war). Wahrheit zizerlweise, versteckt und im Schneckentempo. Dazu noch eine entsprechend präparierte Öffentlichkeit. Da kann ja nichts mehr schiefgehen.

https://www.spektrum.de/news/wie-exxon-den-klimawandel-entdeckte-und-leugnete/1374674

Die Lust an der Lüge – ExxonMobile und das Klima

https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/exxon-sagte-co2-gehalt-der-atmosphaere-fuer-2019-genau-voraus-a-1267915.html

https://www.fr.de/kultur/gesellschaft/exxon-mobile-und-die-gutachten-im-namen-des-profits-92055840.html

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien.

Politik und Medien zur Mäßigung mahnen

Wenn man gegenwärtig Politik und Medien beobachtet, ist eine Demaskierung des Intellekts wohl unschwer zu erkennen. Vor allem bezüglich der Berichterstattung über den Ukrainekrieg.

Wolfgang Koppler *

Da wird eine Armee, die augenscheinlich nicht einmal den Donbass erobern kann, der Waffen, Soldaten und Munition ausgehen, für fähig gehalten, Polen, Finnland, das Baltikum anzugreifen. Da hält man Putin für so verrückt, nicht wirklich verhandeln zu wollen, obwohl die russische Führung bis zur Befreiung Kiews genau dies getan hat. Und die Verhandlungen nicht von russischer, sondern von ukrainischer Seite abgebrochen wurden. Und der chinesische Friedenplan – so rudimentär er ist – zunächst auch von russischer Seite begrüßt wurde. Auch den Einsatz taktischer Atomwaffen hält man für nicht sehr wahrscheinlich (und demnach Putin für nicht so verrückt, wie man tut).

Die Warnung vor weiteren militärischen Abenteuern Putins angesichts der offen zutage getretenen Mängel seiner Armee scheint nur ein weiterer Versuch, Putin und Russland zu einem die westliche Welt bedrohenden Popanz aufzublasen. Was angesichts der täglichen – durchaus glaubhaften – Berichte des britischen Verteidigungsministeriums und einem BIP wie jenem von Spanien – immer absurder und widersprüchlicher wirkt. Sonst durchaus vernünftige Politologen werden irrational und erblicken das Heil in einer Aufrüstung, von der sie wissen, dass sie die wirklich brennenden Probleme wie Klimaschutz und Armutsbekämpfung in den Hintergrund drängt. Dabei ist es nur zu offensichtlich, dass Putins Hybris zu Beginn des Krieges längst von jener auf der anderen Seite abgelöst wurde. Nur will das niemand sehen.

Währenddessen sterben sinnlos jeden Tag hunderte Menschen in einem für uns unvorstellbaren Gemetzel als Kanonenfutter. Auf beiden Seiten. Hungern Millionen Menschen angesichts stark verringerter Getreideexporte. Politiker wie Kissinger und Macron, die vor einer allzu starken Demütigung Russlands warnen (wohl vor allem wegen der Gefahr des Aufkommens radikaler Kräfte , des Zerfalls der Atommacht Russland, aber auch anderer Folgen, wie sich noch nach jedem Krieg gezeigt haben, an dem der Westen in den letzten Jahrzehnten beteiligt war, man denke nur an den Irakkrieg, an Libyen usw.) werden einfach nicht gehört.

Und zwischenzeitig zerstören wir unsere Demokratie von innen heraus. Politiker:innen werden in Interviews so lange unter Druck gesetzt, bis sie sich dem Mainstream anschließen. Und dann oft noch selektiv wiedergegeben. Und in Chats werden Andersdenkende als „Troll“ verspottet oder als Verharmloser beschimpft, die den russischen Gulag herbeisehnen würden. Bis sich niemand mehr etwas zu sagen getraut. Außer Gruppen, die man außerhalb des demokratischen Spektrums verortet. Das erinnert stark an den 1.Weltkrieg, als sich – bis auf eine Handvoll Intellektueller wie etwa Karl Kraus, Stefan Zweig, Rainer Maria Rilke – fast alle dem Kriegsgeheul anschlossen. Aber nicht einmal Kraus wurde damals so attackiert, wie heutzutage jene, die zur Mäßigung mahnen.

Putin kann unsere Demokratie nicht mehr zerstören. Das haben wir zu einem großen Teil bereits selbst erledigt.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und lebt in Wien

Gibt es eine Zensur in Österreich ?

Gastbeitrag von Katharina Reich

Zunächst: Was bedeutet der Begriff „Zensur“?
Cesura stammt aus dem Lateinischen und bedeutet „zu versuchen, Information unter Kontrolle zu bekommen“. Dazu werden Regeln aufgestellt, zumeist von staatlicher Stelle, die die Massenmedien bzw. den persönlichen Informationsverkehr unter Kontrolle halten sollen. Das Ziel ist es, die Verbreitung ungewollter bzw. „gesetzeswidriger“ Inhalte zu blockieren oder zu behindern.
Wo kann Zensur eintreten?
Bei publizistischen Werken können unterschiedliche Formen der Zensur angewendet werden: Unter einer Vorzensur oder auch Präventivzensur wird die Vorlage zur Genehmigung einer Publikation bei der Zensurbehörde verstanden. Die Behörde streicht Sequenzen in Drehbüchern oder verbietet Textstellen überhaupt zu drucken. Die Repressiv- oder auch Nachzensur wiederum bezeichnet die Beschlagnahmung von bereits Erschienenem und die Beschränkung bzw. das Verbot der Verbreitung.
Zensur ist allgemein betrachtet auch die Einschränkung der freien Meinungsäußerung.
In der Berichterstattung zu Personen kommt in den letzten Jahren ein unsachlicher Stil in den Medien vermehrt zum Einsatz. Bei Interviews wird beispielsweise mit Suggestivfragen gearbeitet. Damit einher gehen immer wieder Unterstellungen, die negativ polarisieren.

Ein Beispiel dafür aus den ORF-Nachrichten: „Metsola wurde gestern zur neuen EU-Parlaments-Präsidentin gewählt, obwohl sie Abtreibungsgegnerin ist.“ Hier bezweckt eine unsachliche und zusammenhangslose Verknüpfung eine negative Konnotation. Diese Form der Berichterstattung wird Haltungsjournalismus genannt. Er ist wiederum mit dem Kampagnenjournalismus und der Propaganda verwandt. Sicher ist, es handelt sich hier nicht um Qualitätsjournalismus. Von qualitätsvollem Journalismus ist zu sprechen, wenn Fragen offen gestellt sind, ohne auf bestimmte Antworten abzuzielen, denn das würde einer offenen und neutralen Frageweise völlig widersprechen.

Eine weitere Methodik des Haltungsjournalismus ist das Unterbrechen in Interviews. Dem befragten Interviewgast wird ins Wort gefallen. Dadurch kann jedoch ein Gedankengang nur unvollständig geäußert und das befragte Gegenüber an einer fairen Antwort gehindert werden. Die Teilfragmente einer Argumentation, die im Gespräch dadurch entstehen, führen mitunter zu Irritationen im Gesprächsverlauf. Eine unsachliche Art des Dialoges und überhaupt kein Qualitätsjournalismus.

Der Zugang der Bevölkerung zu Politik ist sehr beschränkt, das Interesse entsprechend niedrig. Untersuchungen zufolge haben nur 20 % der Österreicher einen Bezug zum politischen Geschehen durch hohes eigenes Interesse. Gerade auch der Rest der Bevölkerung wäre auf eine sachliche Berichterstattung angewiesen, die es aktuell weniger und weniger gibt.
Rund 80 % der Österreicher sind damit ausschließlich auf Abbildungen der Politik durch die Medien angewiesen. Die Meinungsbildung ist jedoch erheblich gestört, wenn davon ausgegangen werden muss, dass die mediale Berichterstattung nicht dem Qualitätsjournalismus entspricht.

Was ist nun die Voraussetzung für eine freie Entscheidungsfähigkeit? Hier kommt das neu zu entwickelnde 4 Säulenmodell zum Tragen. In diesem finden wir Legislative, Exekutive und Judikative als zentrale Säulen, die vierte Säule sind die Medien. Dies ist jedoch den wenigsten Bürgern in Europa bewusst. Wir könnten die vierte Säule Informative nennen. Doch es fehlen Regelwerke für die neu entstandene „informative“ Säule. Zurecht liegt hier in dieser Säule die Gefahr der Zensur und daher ist Vorsicht geboten.
Die Rolle der Journalisten gilt es in diesem Zusammenhang zu überdenken. Journalisten sind keine Politiker und sie haben keine gestaltende Position wie diese. Politiker sind hingegen demokratisch legitimiert und gewählt. Die journalistische Riege entfaltet jedoch eine gestaltende Wirkung mit ihren Fragen und Darstellungen zur Politik. Sie legt die Auswahl der Themen, die präsentierten Informationen und die Schlussfolgerungen dar. Emotionen werden heute leider als beliebte Instrumente herangezogen. So werden von der Front in der Ukraine kaum Fakten zu Toten und Verwundeten oder Waffennutzungszahlen vermittelt, jedoch wird das kleine Mädchen am Schulweg zwischen zerbombten Häusern hoch emotionalisiert dargestellt. Der Informationsgewinn einer Emotionsdarstellung ist gering. Einen Krieg über Emotionen ohne sachliche Berichterstattung zu beurteilen, geht am alten journalistischen Grundsatz, Zahlen, Daten und Fakten zu liefern, vorbei!

In der APA wurden Sprache und Schreibstil auf „einfache Sprache“ umgestellt. Was bedeutet das? Nun, die Sätze sind kurz und für „einfache“ Menschen geeignet. Doch das bedeutet im Rückschluss, die Medien schrauben ihr Niveau bewusst nach unten, um mehr Menschen zu erreichen. Das ist ein Schritt in die falsche Richtung, die formalen Kriterien nach unten zu nivellieren, denn so wird der Leser suggestiv an immer einfältiger werdende Inhalte gewöhnt. Die kritische Denkfähigkeit und die Herausforderung zur Entwicklung einer eigenen Meinung werden dadurch erschwert.

Eine weitere Entwicklung neben der einfachen Sprache ist die allgegenwärtige Idee des Storytellings. Geschichten sind hübsch, haben jedoch wenig mit Sachlichkeit zu tun. Geschichten illustrieren und schmücken aus, jedoch ist ihr Informationsgehalt meist gering. Storytelling hat sich von den Illustrierten bereits mehrfach in die Politik eingeschlichen. Mittlerweile wird die Homestory gerne als politisches Tool eingesetzt, um der Bevölkerung subtil Politik mit „Spaß“ näher zu bringen. Doch was passiert, ist ein Vermengen von Sachinformationen und Emotionen. Storytelling kommt ursprünglich aus dem Marketingbereich mit dem Ziel, dem Leser oder Konsumenten etwas zu verkaufen.

Einfache Sprache und Storytelling kommen also aus der Werbung. Aber warum wird diese vereinfachende Denke nun auf die Informationsmedien angewandt?

Das hat in erster Linie mit der Informationsflut und zweitens mit den neuen Medien zu tun. Im Vergleich zu 1950 werden wir aktuell mit einem Vielfachen an Informationen geflutet. In den 50igern gab es Radio und Zeitungen in jedem Haushalt, Fernseher konnten sich nicht alle leisten und das Internet gab es nicht. Heute beschleunigt sich die Informationsflut. Uns stehen mehr Informationsquellen zur Verfügung (Radio, Digitalradio, Internetradio, Fernsehen, Video, Kino, Youtube, TV-Mediatheken, Zeitungen, Magazine, Flyer, Newsletter, Briefe, Fax, SMS, E-Mails, Statusmeldungen, Chats, Foren, Portale, Apps) selbst Autos, Häuser und elektronische Geräte kommunizieren mit uns.
Die Mediengeschwindigkeiten nehmen darüber hinaus rasant zu (zweistellige Maileingänge pro Tag, mehr als 3 Termine pro Tag, nur die Teilnahme an neuen Events sichern laufende Präsenz in den Medien, immer schneller werden mehr Dokumente erstellt, etc.)

Denken wir diese Situation nun in die Zukunft weiter, so liegt die Vermutung nahe, dass in dieser Entwicklung keine bis kaum eine Sättigung erwartet werden kann. Vielmehr verlangt uns diese Entwicklung einen neuen Umgang mit Medien ab. Doch was hat das mit Zensur zu tun? Menschen betrachten lieber als dass sie lesen. Diese „Faulheit“ ist mitunter Grund dafür, dass heute in jedem Wohnzimmer ein wandfüllender Bildschirm hängt, jedoch das Buchregal fehlt.

DER KOSTBARSTE ROHSTOFF IM 21. JAHRHUNDERT IST NICHT MEHR ÖL ODER ZUVOR GOLD. ES SIND UNSERE BLICKE. GANZE INDUSTRIEN LEBEN DAVON, DASS WIR IHNEN DAS WERTVOLLSTE GEBEN: UNSERE AUFMERKSAMKEIT!

Mag.a Katharina Reich ist studierte Architektin und arbeitet als Dozentin und Publizistin in Wien.

Krisen immer und überall?

Soziologe Martin Schröder zur Zufriedenheit in Deutschland

Hans Högl

Im Schweizer „Tages-Anzeiger“ wurde ich auf den Marburger Soziologen zu Aussagen über Zufriedenheit von Frauen aufmerksam. Doch schon zuvor war ein Beitrag in der „Frankfurter Allgemeinen“. Darin wird auf ein früheres Buch verwiesen mit dem Titel „Warum es uns noch nie so gut ging und wir trotzdem ständig von Krisen reden“.

Dies ist für die Medienkultur wichtig, weil in Medien fast nur von Krisen die Rede ist. (Einwand: Seit einiger Zeit bringen einzelne Medien auch die Spalte: Die gute Nachricht“). Die Aussagen des Buches von Martin Schröder, einem Soziologen aus Marburg, sind ähnlich denen im Buch „Factfulness“ von dem berühmten schwedischen Statistiker Hans Rosling. Die aufwändige Studie von Schröder zeigt, dass die soziale Wirklichkeit in Deutschland (wohl auch in Österreich) ganz anders wahrgenommen wird, als uns dies Medien vermitteln und was so im Alltag geredet wird.

Mein Buch, so schreibt Martin Schröder, „Warum es uns noch nie so gut ging und wir trotzdem ständig von Krisen reden“ zeigt, dass fast alles in Deutschland und der Welt besser wird und warum es kaum jemand merkt und davon Kenntnis nimmt.

Ich weiß … dass fast alles besser wird, klingt zu gut, um wahr zu sein. Das dachte ich jedenfalls, bevor ich zu diesem Thema recherchierte. Doch das Ergebnis war verblüffend: Es stimmt, und mittlerweile kann ich es mit objektiven Daten und repräsentativen Umfragen beweisen. Oder hätten Sie gedacht, dass kaum jemand in Deutschland unzufrieden ist? Auf einer Skala von 0-10 bewerten nur 7 Prozent der Deutschen ihre Lebenszufriedenheit mit weniger als 5 Punkten.

Hätten Sie gedacht, dass kaum jemand in Deutschland sich für arm hält? Auch das stimmt: Nur 10 Prozent aller Deutschen bezeichnen ihre wirtschaftliche Situation als schlecht oder sehr schlecht. Können Sie glauben, dass Familien in Deutschland immer mehr Zeit miteinander verbringen? Dass kaum jemand einsam ist?

Dass die Wahrscheinlichkeit, Terror- oder Gewaltopfer zu werden, noch nie so gering war? Dass die Luft- und Wasserqualität in Deutschland unvergleichlich besser ist als in der Vergangenheit? Objektive Daten zeigen genau das! Aber nicht nur in Deutschland, auch in der Welt wird das Leben in fast jeder Hinsicht besser: Verglichen mit den 50er Jahren ist beispielsweise die Wahrscheinlichkeit, in einem Krieg umzukommen, um 90 Prozent gesunken (doch nun haben wir den Ukraine-Krieg).

Noch Anfang der 1980er Jahre lebten über 40 Prozent der Menschheit in extremer Armut, selbst im Jahr 2000 waren es noch circa 30 Prozent, heute ist es nur noch einer von zehn. Mittlerweile sind zwei Drittel aller Länder der Welt demokratisch. Langfristig mehr als je zuvor. 98 Prozent aller Menschen haben heute einen höheren IQ als jemand mit durchschnittlicher Intelligenz vor 100 Jahren.

Was bewirkt ein populärwissenschaftliches Buch und was das millionenfach dargelegte Gegenteil der Medienwelt? Muss das nicht zu denken geben?

„Alles wird gut“

„Zur Dialektik der Hoffnung“

Hans Högl

Für mich ist der Titel des künftigen 26. Philosophicums wie ein Faustschlag gegen die Medienwelt und die allgemeine Tristesse, die herrscht. Ich schrieb einem Nur-Katastrophisten: „Soll ich mich alle 14 Tage umbringen oder genügt es einmal im Monat?“

Folgendes sind die ersten Sätze im Programm der genannten Tagung. Es sind Erläuterungen und Motive vom wissenschaftlichen Leiter Konrad P. Liessmann: „Was dürfen wir hoffen? Immanuel Kants berühmte Frage müsste heute umformuliert werden: Dürfen wir überhaupt noch hoffen? Angesichts der krisengeschüttelten, in der sich Nachrichten über Klimakatastrophen, Kriege, zusammenbrechende Versorgungssysteme und Pandemien überbieten, scheint kein Platz mehr zu sein für jene Hoffnungen, die sich in optimistischen Erwartungen, lichtvollen Utopien und Visionen vom ewigen Frieden zeigten.Hoffnung war immer schon ein zweischneidiges Schwert“….

Text aus dem Einladungsheft des künftigen Philosophicum in Lech am Arlberg vom 19.-24.Sept. 2023.

Nachwort: „Ich finde, wir brauchen in Österreich wieder einen optimistischeren Zugang zu Problemen. Das Resümee ist, dass die Gesundheitsversorgung (in der Pandemie) funktioniert hat und dass wir so gut durch die Krise gekommen sind.“ Aber es gibt auch Schwachstellen, sagt die Präsidentin des Rechnungshofes Margit Kraker (Interview von Conny Bischofsberger in der „Krone“ am 2.April 2023). Die oft sichtbare Haltung „Koste, was es wolle“ verleite zur Annahme, dass man alles mit Geld abgelten kann, so Kraker.