Vergleich von Interviews in „Krone“ und „Standard“, einem Boulevardblatt und einem Qualitätsblatt
Hans Högl
Zwei Interviews erschienen heute am 18. Oktober 2020 – eines im Boulevardblatt „Die Krone“ über Wiens Bürgermeister Michael Ludwig und ein anderes im Qualitätsblatt „Der Standard“ – und zwar über den kuriosen Politikvogel Niko Alm.
Der „Standard“ widmet Niko Alm, dem Kandidaten zur Wahl der Wiener „Bierpartei“ (so der offizielle Name) ein ganzseitiges, sehr umfangreiches Interview. Niko Alm hat auffällige Inszenierungen: Er tritt als Angehöriger der „Kirche des fliegenden Spaghettimonsters“ in Erscheinung und nennt im „Standard“-Interview seine Gottheit: „Das Universum wurde vom fliegenden Spaghettimonster erschaffen, welches mit seinen sudeligen Anhängseln in das gegenwärtige Geschehen immer wieder eingreift und kleine Wunder bewirkt. Dieser Glaube ist zentral.“ (Ende des Zitates).
Alm ist Pastafari, wie sich die Mitglieder nennen. „Erkennungsmerkmal und gleichzeitig Ausdruck der Religionskritik ist ein Nudelsieb als Kopfbedeckung.“ Mit einem solchen Nudelsieb auf dem Kopf und Heiligenschein ist Niko Alm in siebtragender Rolle ungewöhnlich groß im Qualitätsblatt „Standard“, abgebildet. Damit schafft der „Standard“ mit diesem provokanten Witzbold bei seinen Lesern recht billige Aufmerksamkeit. Soweit die Verkaufsintention des Qualitätsblattes.
Am gleichen Tag widmet das Boulevardblatt „Die Krone“ dem Wiener Bürgermeister Michael Ludwig ein Interview. Etwa ebenso lang. Für die „Krone“ interviewte Conny Bischofberger. Sie versteht ihr Handwerk, und die meisten ihrer Interviews haben Qualität. Eben in diesem oft wenig geachteten Blatt (wofür es in der Tat genug Anlass gibt). Aber diese „Krone“-Interview hat Relevanz, das andere dient einem billigen Schmunzeln.
Worauf hier gezielt sei: Ich kann im Blog der „Medienkultur“ nicht jedes Geschreibsel in Qualitätsmedien loben und hochnäsig scheinintellektuell und undifferenziert alles in Massenblättern verachten. Eben darauf verwies auch die Neos-Europaabgeordnete in einer Concordia-Veranstaltung. Solche Evaluationen sind differenzierter zu handhaben, wenn wir als Medienkultur glaubwürdig sein möchten. Unser Aufgabe ist es nicht, eine Agentur für irgendeine Richtung oder Partei oder generell für irgendeinen Staat zu sein.Maßgeblich dafür sind die Statuten der Vereinigung für Medienkultur.
Lieber Hans Högl !
Dass nicht alles gelobt werden muss, was in Qualitätsblättern erscheint und alles getadelt werden muss, was in Boulevardblättern erscheint, ist selbstverständlich. Da sind wir sicher einer Meinung. Auch über eine differenzierende Betrachtungsweise als journalistisches Qualitätsmerkmal .
Mir erscheint es jedoch nicht differenzierend genug bzw. nicht fair, einen Politiker, dessen provokante Thesen man nicht teilt, als „kuriosen Politikvogel“ oder als „Witzbold“ persönlich abzuqualifizieren.
Um zu „belegen“, wie boulevardesk der Standard sei und wie seriös die „Krone“, wird in dem Beitrag ein Vergleich angestellt, der hinkt. Ein umstrittenes Standard-Interview ( neben tausenden anderen hervorragenden Interviews ) sozusagen als pars pro toto zu verwenden, auf der anderen Seite ein ausnahmsweise einmal gutes Interview in der “Krone“ – ebenfalls als pars pro toto für die Qualität der „Krone“ heranzuziehen, ist methodisch fraglich. Einer seriösen Medienkritik würde im konkreten Fall entsprechen, etwa einen Vergleich zu ziehen zwischen einem Ludwig-Interview im Standard und einem Ludwig-Interview einer Boulevard-Zeitung. Wie machen das die einen, wie die anderen ? Wie unterscheiden sich Interviewstil, abgefragte Inhalte, etc..
Meine Bitte in dem Zusammenhang ist es, von beliebig herausgegriffenen Einzelbeispielen nicht auf das Ganze zu schließen.
Danke und beste Grüße
Udo Bachmair