18. 2. 2015
Ukraine-Konflikt :
US-Waffen für das Regime in Kiew ?
Udo Bachmair
Die immer wieder auch von Medien unterstützte Forderung , die Ukraine im Kampf gegen die russlandfreundlichen Rebellen mit US-Waffen hochzurüsten, heizt den Konflikt weiter an. Erstaunlich, dass auch als seriös bekannte Journalisten, wenn es ums Feindbild Putin und Russland geht, die Fähigkeit zur Differenzierung weitgehend vermissen lassen.
Sogar Franz Kössler, bisher bekannt als jemand, der eher vorsichtig abwägt, der diplomatische Lösungen bevorzugt, outet sich in seiner außenpolitischen Kolumne der Wochenzeitschrift FALTER unter bestimmten Umständen als Befürworter einer militärischen Option.
Das wiederum hat mich motiviert, für den FALTER einen (Gegen-)Kommentar zu verfassen, der in der jüngsten Ausgabe vollinhaltlich abgedruckt worden ist :
Kriegsrhetorik und Feindbildpflege
Franz Kössler schätze ich als Mensch und langjährigen ORF-Kollegen sehr. Umso unglücklicher bin ich über seine jüngste außenpolitische Kolumne. In der Causa Ukraine lässt er eine gerade bei ihm erwartbare differenzierte Sichtweise weitgehend außer Acht . Er hat wie die meisten antirussischen Mainstream-Journalisten die US-Sicht der Welt offenbar internalisiert.
Wie es überhaupt ein bemerkenswertes Phänomen darstellt, dass auch Journalisten von Qualitätsmedien kaum bewusst zu sein scheint, teilweise selbst Opfer subtiler Gehirnwäsche geworden zu sein. Ausschließlich die andere Seite, in dem Fall Russland und Putin, werden als Propagandisten gesehen. Einer Lösung des heiklen Ukraine-Konflikts kommt man damit nicht näher.
Statt Kriegsrhetorik und Feindbildpflege auf westlicher wie russischer Seite kann eine sinnvolle Erkenntnis doch wohl nur sein: Frieden in Europa ist nur im Dialog mit und nicht gegen Russland dauerhaft gesichert. Daraus folgert nicht automatisch, dass alle der vielgeschmähten „Putinversteher“ der „Faszination eines autoritären politischen Modells“, wie es in Russland ja tatsächlich vorzufinden ist, erlegen sind.
Außenpolitik hat (leider) oft weniger mit humanitären Motiven als mit Sicherung von Einflusszonen und geostrategischen Erwägungen zu tun. Vor diesem Hintergrund ist es doch nachvollziehbar, dass Russland die Ukraine nicht vollständig in die Hände des Westens fallen lassen will und kann. Zudem legen Nähe und Drohgebärden einer fremden Militärmacht wie der NATO nahe, dass Russland sich in seiner (verlorengeglaubten) Supermachtrolle gedemütigt fühlen muss. Ängste dieser Art werden in Medien, die auf NATO-Kurs segeln, schlichtweg ignoriert. Stattdessen wird dem für seine völkerrrechtswidrigen Aggressionen kritisierten westlichen Militärbündnis attestiert, Garant für Freiheit und Menschenrechte zu sein. Da braucht man keinem blinden „Antiamerikanismus“ huldigen, um die gebetsmühlenartige Strapazierung „westlicher Werte“ als zynisch zu empfinden. In deren Namen sind immerhin Kriege mit 100.000en Toten geführt worden.
Brandgefährlich erschiene nun grünes Licht für US-Waffenlieferungen an das keineswegs gemäßigte Regime in Kiew, für die der Autor überraschenderweise schon dann Sympathie hegt, „wenn die Gespräche kein Vertrauen schaffen.“ Franz Kössler wird hoffentlich nicht unter die Kriegstreiber gegangen sein.
Udo Bachmair, Wien 14, Präsident der Vereinigung für Medienkultur
—–
12. Jänner 2015.
Liste der Gläubiger Griechenlands. Quelle: Der Spiegel
Was passiert, wenn Griechenland pleitegeht? Experten warnen vor einer zweiten Finanzkrise – einer Kettenreaktion, die weltweit Banken kollabieren lässt. Große Risiken könnten in den USA liegen. (NB. Oe 1 nannte aber Deutschland als größten Gläubiger !)

Wo ballen sich die Risiken der griechischen Schulden? Wer muss zahlen, wenn der Ernstfall eintritt? SPIEGEL ONLINE zeigt die größten Griechenland-Gläubiger: siehe unten!
Staat und Steuerzahler
Im Fall Griechenland liegt ein Großteil der insgesamt 340 Milliarden Euro Schulden in öffentlichen Händen. Laut einer Studie der britischen Bank Barclays sind sechs der sieben größten Gläubiger des Landes staatliche oder multistaatliche Institutionen. Sie halten zusammen Anleihen und Kredite über 170 Milliarden Euro.
- An erster Stelle dabei steht die Europäische Zentralbank (EZB), die geschätzt 49 Milliarden Euro griechische Staatspapiere hält.
- Gleich danach kommen die EU-Staaten. Sie hatten im vergangenen Jahr gemeinsam mit dem Internationalen Währungsfonds ( IWF) ein insgesamt 110 Milliarden Euro schweres Hilfsprogramm aufgelegt, wovon sie 80 Milliarden Euro tragen. Da das Programm über drei Jahre gestreckt ist, wurden bisher erst 38 Milliarden Euro ausgezahlt, gut acht Milliarden davon kamen aus Deutschland, von der staatlichen KFW Bankengruppe.
- Auf den Plätzen drei bis fünf der griechischen Gläubigerliste folgen öffentliche griechische Institutionen wie Renten- und Sozialkassen, ausländische Staatsfonds und der IWF, der bisher 15 Milliarden Euro aus dem gemeinsamen Hilfsprogramm mit der EU ausgezahlt hat.
- Auch die einzelnen europäischen Zentralbanken, wie etwa die Bundesbank, halten griechische Anleihen über insgesamt rund 13 Milliarden Euro.
Griechische Banken
Wenn man davon ausgeht, dass Staaten und Zentralbanken ihre Verluste aus einer möglichen Griechenland-Pleite schon irgendwie stemmen können, liegt eine der größten Gefahren für das Weltfinanzsystem wahrscheinlich bei den griechischen Banken. Die sieben größten Institute des Landes haben dem Staat laut Barclays-Schätzung fast 50 Milliarden Euro geliehen. Ganz vorne steht die größte Privatbank des Landes, die National Bank of Greece, die laut den Barclyas-Daten mit insgesamt mehr als 18 Milliarden Euro im Feuer steht.
Im Falle eines Staatsbankrotts oder einer Umschuldung müssten sehr wahrscheinlich mehrere griechische Banken gerettet werden – fragt sich nur: von wem? Da dem griechischen Staat das Geld dazu fehlt, müssten wohl die EU-Staaten einspringen. Im Hilfspaket von EU und IWF aus dem vergangenen Jahr sind für die Bankenrettung ursprünglich zehn Milliarden Euro vorgesehen. Doch das dürfte im Ernstfall nicht reichen. Die Alternative zur Rettung wäre ein Bankrott der griechischen Banken – mit unabsehbaren Folgen für das weltweite Finanzsystem.
Deutsche Banken
Die deutschen Kreditinstitute gehören zu den größten privaten Gläubigern Griechenlands. Laut Bundesbank-Statistik besaßen sie Ende März griechische Staatsanleihen im Ursprungswert von rund zehn Milliarden Euro. Hinzu kommen geschätzt sechs bis sieben Milliarden Euro, die die Abwicklungsanstalt FMS in ihren Büchern hat und für die der Bund bürgt. Die FMS ist die Bad Bank der verstaatlichten Hypo Real Estate (HRE). Sie soll den Wertpapierbestand der HRE abwickeln. Für ihre Verluste muss der Steuerzahler aufkommen.
Unter den privaten deutschen Banken trägt die Commerzbank das größte Risiko. Sie hielt Ende März Griechen-Anleihen in Höhe von 2,9 Milliarden Euro. Ein Verzicht auf diese Forderungen würde die ohnehin schon staatlich gestützte Bank hart treffen. Auch die Deutsche Bank
sowie die Versicherer Allianz
und Munich Re
halten größere Bestände an Griechenland-Anleihen.
Französische Banken
Die französischen Banken sind ebenfalls große Gläubiger des griechischen Staates. Zusammengenommen dürften sie ähnlich viele Staatsanleihen in ihren Büchern haben wie die deutschen Institute. Bei den französischen Banken kommt jedoch ein weiteres Risiko hinzu: Weil sie über ihre griechischen Tochterfirmen extrem hohe Kredite an dortige Unternehmen und Verbraucher vergeben haben, wären sie von einem Zusammenbruch der griechischen Wirtschaft besonders hart betroffen. Nach einer Statistik der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) beliefen sich die Forderungen französischer Institute an griechische Unternehmen und Verbraucher Ende 2010 auf fast 40 Milliarden Dollar (28 Milliarden Euro). Allein die Tochter der Großbank Crédit Agricole, Emporiki, hatte laut der Rating-Agentur Moody’s Ende März Kredite über 21,1 Milliarden Euro in ihren Büchern. Die Tochter der Société Générale , Geniki, kam auf 3,4 Milliarden Euro
US-Banken
Auf den ersten Blick sind die amerikanischen Banken dieses Mal fein raus: Lediglich 1,5 Milliarden Dollar an griechischen Staatsanleihen hielten sie laut BIZ-Statistik Ende 2010 – und zwar zusammengenommen. Doch der erste Eindruck täuscht. Denn ein paar Zeilen weiter zeigt dieselbe Statistik, dass sich in den USA auch dieses Mal wieder ein Risiko ballen könnte: 34 Milliarden Dollar „andere potentielle Engagements“ amerikanischer Banken in Griechenland sind dort aufgelistet, der mit weitem Abstand höchste Wert aller Staaten. Dahinter dürften sich zum großen Teil Credit Default Swaps (CDS) verstecken. Diese von Investorenlegende Warren Buffet einst als „finanzielle Massenvernichtungswaffen“ bezeichneten Papiere sind Kreditversicherungen, mit denen Großbanken sich zum Beispiel gegen den Ausfall von Staatsanleihen oder direkten Darlehen absichern. Die Bank, die den CDS ausgegeben hat, ersetzt der Bank, die den CDS gekauft hat, den Schaden, den diese wegen des Ausfalls eines Schuldners erlitten hat.
Der weltweite CDS-Markt ist fest in der Hand von etwa 15 Großbanken, die meisten davon kommen aus den USA. Große Namen in dem Geschäft sind Goldman Sachs , Morgan Stanley
oder die Citigroup
, aber auch die Deutsche Bank
oder die französische BNP Paribas
. CDS-Papiere gelten deshalb als so gefährlich, weil der Handel mit ihnen völlig undurchsichtig ist und sie im Ernstfall Kettenreaktionen auslösen können. Ein konkretes, aber frei erfundenes Beispiel: Weil Griechenland seine Schulden nicht mehr vollständig zurückzahlen kann, geht auch der größte private Gläubiger pleite, die National Bank of Greece. Deutsche Banken halten Anleihen der National Bank of Greece in ihren Büchern, haben sich gegen deren Ausfall aber bei der US-Investmentbank Goldman Sachs über CDS versichert. Den Schaden muss nun also Goldman Sachs tragen – es sei denn, die Bank hat sich selbst wiederum über CDS gegen diesen Fall versichert. Im Voraus ist bei einem solchen Schwarze-Peter-Spiel nicht abzusehen, wo der Schaden am Ende landen wird. Und das Ganze geht nur dann gut, wenn das letzte Glied in der Kette auch zahlen kann.
24. November 2014
In der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift „Der Österr. Journalist“ ist der folgende Beitrag von unserem Vorstandsmitglied Hermine Schreiberhuber veröffentlicht worden:
„IS“ als Schreckgespenst der Medienszene
Der „Islamische Staat“, der „IS“, die „IS“ – das Schreckgespenst der blutrünstigen Jihadisten, die im 21. Jh. mit mittelalterlicher Barbarei die Welt in Atem halten, hat viele Namen. So abstoßend archaisch die Killermethoden dieser selbsternannten Gotteskrieger sind, so hochmodern ist das Instrumentarium, mit dem sie medial radikalisieren, rekrutieren, abschrecken und Angst machen.
In Sachen Public Relations waren zweifellos Profis am Werk. Die sozialen Medien mit der gesamten Hightech-Palette werden zur Selbstdarstellung des „Kalifats“ und zur Verbreitung seiner Ideologie eingesetzt. Die blutrünstige Islamisten-Truppe, die sich als Pseudo-Staat auf religiöser Grundlage darstellt, übt sich im „jihadistischen Journalismus“. Der „IS“ verfügt über eine Medienabteilung, die mehrsprachige Propaganda-Videos fabriziert und verbreitet. Diese sind professionell gemacht und auf ein Massenpublikum zugeschnitten, so der Soziologe Andreas Armborst.
Das Zielpublikum ist ein Mal (potenziell) muslimisch und das andere Mal westlich, sagt der Experte. Der „Islamische Staat“, der sich in den eroberten Gebieten des Irak und Syriens eingenistet hat, sorge für die Bevölkerung – freilich nur für jene Menschen, die bei dem Teufelswerk mitspielen. Das ist die eine Botschaft. Daneben erschüttern brutale Enthauptungsvideos die Welt. Armborst sieht darin eine perfide politische Kommunikation, zumal sich die Videos direkt und auf Augenhöhe an westliche Staatenlenker richten – deren Bürger sie in den nächsten Sekunden live köpfen.
Die Effizienz des Propaganda-Apparats der Islamisten nährt den Verdacht, dass zahlreiche polyglotte und technisch versierte „IS“-Rekruten aus dem Ausland dort mitwirken. Ausländer werden, wie aus den Videos herauszuhören ist, offenbar auch mit Vorliebe bei der öffentlich inszenierten Tötung westlicher Geiseln eingesetzt, sei es als Henker oder als Überbringer von Drohbotschaften an den Westen. Ähnliches gilt nach Medienberichten für die Selbstmordattentate, die oft von ausländischen Kämpfern ausgeführt werden.Dieser Jihadisten-Propaganda auf dem digitalen Schlachtfeld zu Leibe zu rücken, ist eine Mammutaufgabe. Seit gut einem Jahr ergreifen in den USA „Cyber-Krieger“ Maßnahmen, um dem zügellosen „IS“-Aktivismus in den sozialen Medien wirkungsvoll zu begegnen. Denn die Jugend in der westlichen wie in der muslimischen Welt informiert sich meist via Twitter, Facebook und Youtube. Deren Kraft bei der Meinungsmache ist ausschlaggebend – ob Gewalt verherrlicht wird, ob der Islam gedemütigt wird, ob Aktionen der „IS“-Miliz abschreckend oder attraktiv einsickern.
Selbst in US-Regierungskreisen wird eingeräumt, dass die Meinungsmaschinerie des Internets den Extremisten viel zu lange ohne Gegenwehr überlassen worden sei. Das 2011 im State Department installierte Zentrum für Strategische Anti-Terror-Kommunikation (CSCC) versendet Online-Botschaften in englischer und arabischer Sprache auf Twitter. Im Sommer wurde auch die Facebook-Seite „Think again, turn away“(Denk noch mal nach, wende dich ab) eingerichtet. Jugendliche in westlichen und in muslimischen Staaten sollten es sich gründlich überlegen, bevor sie bei den Islamisten-Kämpfern ihr Unheil suchen.
Der „Guerilla-Krieg“ im Netz zielt auf US-Seite auf eine Diskreditierung der Jihadisten ab. Nach der brutalen Live-Köpfung der US-Reporter James Foley und Steven Scotloff schickten die „Cyber-Krieger“ des US-Außenamtes eine Flut von Postings in die Social Media. Sie verlinkten mit internationalen Medienberichten über die radikale „IS“-Terrorideologie und Nachrufen auf die grausam abgeschlachteten Journalisten. Das Vorgehen der Terrormiliz wird angeprangert. Bilder von „IS“-Massenexekutionen werden neben Fotos von Nazi-Verbrechen gestellt.
Auch die EU-Kommission ist in Sachen Missbrauch des Internets durch Radikale aktiv geworden. Mit großen Konzernen wie Google, Facebook und Twitter wurden Gespräche aufgenommen in der Frage, wie auf die terroristischen Aktivitäten im Netz effizient reagiert werden könne. Es bedarf klarer Regeln für die Blockade von „IS“-Propagandamaterial in Bild und Wort. Twitter kann illegale Bilder nur im Nachhinein löschen. Facebook kann stärker auf Inhalte zugreifen und nach eigenen Kriterien entscheiden.
Die Verbreitung von Bild- und Videomaterial entzieht sich aufgrund der vielfältigen technischen Möglichkeiten oft der Intention des Produzenten. Die Direktorin des Internationalen Presse Instituts (IPI), Alison Bethel McKenzie, zeigt sich besorgt. „Private stellen Kopien von Videos oft auf die Websites von Zeitungen.“ Die betreffende Zeitung würde selbst diese Bilder oder Videos nicht veröffentlichen. Die meisten Medien verzichten auf die Verwendung von Islamisten-Fotos, die nur der Gegenseite nützen.
Auch in Österreich tun sich die Medien schwer mit dem neuzeitlichen „Kalifat“, der Benennung des „IS“-Phänomens. Sprachlich wäre oft mehr Sorgfalt geboten; ohne Erklärung oder wenigstens Anführungszeichen ist von einem Staat die Rede. Kein Staatswesen, kein Staatsgebiet, aber doch ein Staat. Diese PR-Runde hat die Terrorgruppe jedenfalls zunächst gewonnen. Auch die IPI-Chefin kritisiert den „sorglosen Umgang“ mit der Sprache, der die Leser verunsichere. McKenzie schlägt Ombudsleute vor, die in den Redaktionen die Dinge aus der Sicht der User beurteilen.
Man vermisst den Aufschrei unter Islam-Führern ob der Usurpation des Begriffs „Staat“. Immerhin meldete sich die Al-Azhar-Universität, die höchste Autorität der Sunna, zu Wort: Diese Radikalen seien kein Staat. Politiker in der Anti-Terror-Allianz, namentlich Frankreich, verwenden das arabische Akronym „Daish“ oder „Daesh“. Die Abkürzung ist in arabischen Medien geläufig. Laut Diplomaten wurde „Daesh“ zu einem Synonym für Fanatiker, die anderen ihre Meinung aufzwingen. In „IS“-beherrschten Gebieten sei der Ausdruck verboten, weil er abfällig sei und das Wort „islamisch“ nur mit einem Buchstaben vorkomme. Zum Guerilla-Kampf im Netz kommt der verbale Deutungskampf im Print.
HERMINE SCHREIBERHUBER ist freie Journalistin in Wien.
hermine.schreiberhuber@gmx.at
8. Dezember 2014
Spenden ja, aber bitte: Solide Infos über 3. Welt. Peru
H a n s H ö g l
Es waren wohl an die 2.000 km, die ich mit dem Bus im Juli 2014 in Peru fuhr. In einer 3-wöchigen Reise. Ich staunte nicht wenig, als ich nach dem 14-stündigen Flug von Madrid auf dem Flughafen in Lima landete und dann durch die riesige Hafenstadt Callao und die Metropole Lima fuhr. Und wir wühlten uns mit dem Bus durch den unglaublich dichten Pkw- Verkehr. (Ähnlich erging es mir einmal in Kalkutta!)
Ja, wenn es schon so viele Arme in Peru geben mag, so gibt es zumindest auch sehr viele Leute, die sich ein Auto leisten können. Und dann fuhren wir viele Stunden die Straßen nach Süden – die Küste entlang. Alles war sehr gut asphaltiert.
Das erzählte ich meinem Freund, er aber wandte ein: Meist führen doch Reisen in Entwicklungsländern nur in solche Gebiete, wo es gute Straßen gibt, und nicht ins Hinterland. Ich stimmte zumindest teilweise zu. Tatsache ist, wir verließen auch die großen Durchzugsstraßen und fuhren über Pässe – bis fast 5.000 m hoch. Und überall gute Straßen. Es geht mir gar nicht darum zu behaupten, dies sei überall so. Nein.
Was ich mir wünsche, sind differenziertere Berichte über Entwicklungsländer. Auch über die Mittelschichten. Die Polarität „Reiche und Arme“ trifft nicht die ganze Wirklichkeit. Dies bestätigte mir ein Experte für Auslandshilfe und gesteht, dass Hilfsorganisationen bei der Sammlung von Spenden naturgemäß dazu neigen, nur die ärgste Armut aufzuzeigen.
Der Auslands-Experte findet differenzierte Berichte zum Beispiel im „Journal Panorama“ im ORF-Radio Oe1. Kurzberichte hingegen kennen fast nur die Schwarz-Weiß-Kontraste, nur unglaubliches Elend und Reichtum. Auch darum, weil diese einfach zu kurz sind. Das ist nicht einfach Manipulation, sondern resultiert aus dem Programm-Schema.
Am 8. Dezember 2014 gestaltete Ursula Burkert in Oe 1 die Sendung „Gedanken“. Da berichten eine Brasilianerin und ein Schweizer von einer 27-monatigen Weltreise. Der Schweizer Adrian Vonwiller erzählt, er habe verstanden, „wie Medien ticken“. So erfuhr er in Medien von einer furchterregenden Urwaldstraße mit Schlangen. In Wirklichkeit war alles völlig ungefährlich, und es gab eine hervorragend asphaltierte Straße. Das Beispiel zeigt: Es gibt Medienkultur wie in Oe1, wo auch Klischees aufgezeigt werden. Leider ist dies ein Elite-Minderheitenprogramm…
Ein wichtiges Resumé hierbei ist: dass authentisches Reisen, also nicht nur zu Sehenswürdigkeiten, und mit gebotener Muße, völlig neue Erfahrungszugänge eröffnet. Und die beiden Weltenbummler erlebten überraschend, wie freundlich Menschen im Iran waren, aber auch in den USA! Unabhängig davon, wie immer das politische System ist.
Unser Buch-Tipp: Superman im Vogelkäfig. Die politisch-unkorrekte Weltreise von Adrian Vonwiller und Ligia Fonseca.
4. Nov. 2014
Schweden: Mittelschicht profitiert von kontinuierlich steigenden Einkommen u. Steuersenkungen. Hervorragende Analyse in Neuer Zürcher
Hans H ö g l
„Die schwedische Mittelschicht lebt besser als je zuvor, während nicht arbeiten sich weniger lohnt“, schreibt die Neue Zürcher in einer hervorragenden Analyse (4. Nov. 2014 mit dem Titel: „Der Traum von Villa, Volvo und Vovve lebt weiter“.). Vovve meint Hund. Dies unterscheidet sich von vielen Ländern, wo zwischen den Reichen und der Mittelschicht sich ein größerer Spalt geöffnet hat.
Herr und Frau Andersson“, also ein Durchschnittsehepaar mit zwei Kindern, können sich über die verfügbaren Einkommen nicht beklagen. „Die verfügbaren Einkommen der Haushalte steigen seit zwei Jahrzehnten kontinuierlich. Zwischen 1999 und 2012 beläuft sich die reale Zunahme auf 42 %.“ Doch es stiegen auch die Immobilienpreise.
Zwischen 2005 und 2010 stiegen die Medianeinkommen der schwedischen Haushalte um ein Viertel, in Deutschland war der Zuwachs halb so groß, in Großbritannien blieb er ganz aus. Es gab fünf Steuersenkungen. Hingegen hat das Risiko unter die Armutsgrenze zu fallen, von 10 % auf 14 % zugenommen. Für Arbeitslose ist dieses Risiko gar um die Hälfte gestiegen, während es in der EU unverändert blieb. Doch in Schweden sind nur 4 % materiell arm. Dies ist der geringste Wert in der EU. Die Finanz- und Schuldenkrise schrammte Schweden, konnte jedoch bald überwunden werden.
Beträchtliche Umverteilung
Anna Andersson konnte nach jeder Geburt 450 Tage Elternurlaub mit ihrem Mann teilen (heute gibt es einen Monat mehr) und ab dem 1. Geburtstag der Kinder einen Krippenplatz nutzen. Sie machte auch von dem Recht Gebrauch, maximal 75 % zu arbeiten, bis ihre jüngste Tochter 8 Jahre alt war.
Der schwedische Staat lässt sich in den Bereichen Ausbildung, Gesundheitswesen und soziale Schutznetze viel kosten. 2009 verwendete Schweden ein Fünftel des BIP für individuell ausgerichtete Wohlfahrtsleistungen. Dieser Wert beträgt in Deutschland nur zwei Drittel davon, während dieser Anteil in den USA bloß 7 % beträgt.
Das schwedische Wohlfahrtssystem prämiert Eigenverantwortung mehr als früher. Während der Grenzsteuersatz für mittlere Einkommen 29% bis 32 % beträgt, ist dieser für höhere Einkommen 57 %. Da liegt Schweden an der Spitze der globalen Rangliste.
26. Oktober 2014
Hintergründe zur Kuba-Krise 1962. Versteckter Deal
H a n s H ö g l
Dass Fidel Castro 1961 den Sozialismus in Kuba ausrief, war für die USA eine Herausforderung, und dies umso mehr, als die Sowjetunion atomar bestückte Raketen auf Kuba stationierte. Was aber weitgehend unbekannt blieb, es ging nicht nur um Kuba, sondern auch um die Bedrohung der Sowjetunion durch US-Raketen.
Die USA positionierten in der Türkei und Süditalien atomar bestückte Raketen v o r der Kubakrise und die Russen Atomraketen auf Kuba. Die Weltpresse erfuhr von dem angeblichen Wunder, dass John F. Kennedy die Russen gezwungen hatte, ihre Atomraketen von Kuba abzuziehen.
Nicht bekannt gegeben wurde, dass als Gegenleistung des russischen Rückzuges von Kuba die USA ihre Atomraketen aus der Türkei zurückzogen. Dies bestätigten mir Historiker auf der internationalen Konferenz „Der Kreml und der Fall des Eisernen Vorhangs“ an der Diplomatischen Akademie in Wien (23.-25. Oktober 2014). „Wozu haben wir den Historiker“, hieß es zu mir.
Das gleiche Faktum entschlüsseln wir in einer Analyse vom 14.10.2012 im Deutschlandfunk mit dem Titel „Die Welt am atomaren Abgrund“. Erst ganz am Ende eines langen Beitrages erwähnt der Autor so ganz beiläufig: Ich zitiere:
„Das mündlich gegebene – und nicht publik gemachte – Versprechen Washingtons, die US-Raketen auf türkischem Boden zu demontieren, erleichtert es Nikita Chruschtschow seinen offensichtlichen Gesichtsverlust wenigstens etwas zu kompensieren. Am 28. Oktober verkündet Chruschtschow über Radio Moskau den Abzug der Sowjetraketen aus Kuba.
Die westlichen Medien unterschlugen uns die wahren Hintergründe und stellten Kennedy als Sieger dar. Vgl. Kubakrise. Vorgeschichte laut Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Kubakrise)
Von 1959 an stationierten die USA in Italien eine Staffel mit 25 und in der Türkei zwei* *Staffeln* mit je 25 nuklear bestückten Mittelstreckenraketen vom Typ Jupiter, die auf die* *UdSSR gerichtet waren*.
Am 26. und 27. Oktober 1960 starteten die USA von der Laughlin Air Force Base in Texas erstmals auch U-2-Aufklärungsflüge über Kuba. Am 5. September 1961 wurden erstmals Aufnahmen von *Flugabwehrraketen vom Typ S-75 und von Kampfflugzeugen* vom Typ MiG-21 Fishbed gemacht.
*Im April 1962 wurden die amerikanischen Thor- und Jupiter-Atomraketen in der Türkei* einsatzbereit gemacht. Weil sie wegen ihrer ungeschützten Aufstellung leicht angreifbar waren, konnten sie nur zu einem atomaren Erstschlag genutzt werden.
Zudem *fuhren auf den Meeren US-U-Boote mit Polaris-Atomraketen*. Diese Submarine Launched Ballistic Missiles konnten auch unter Wasser abgefeuert werden und waren entsprechend schwer zu treffen.
*Die Sowjetunion hatte zu dem Zeitpunkt nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen*.
*Ab dem 10. Juli 1962 begann die UdSSR unter dem Decknamen Operation Anadyr auf Kuba* *heimlich mit der Stationierung von Militär*. Die sowjetische Marine und Handelsflotte transportierten mit 183 Fahrten von 86 Schiffen über 42.000 Soldaten und 230.000 Tonnen Ausrüstung nach Kuba, *darunter ……Mittelstreckenraketen mit … Atomsprengköpfen*…
… Diese Raketen wurden offensichtlich nicht nur zum Schutz Kubas installiert, sondern dienten vor allem dazu, ein militärisches Drohpotential aufzubauen, welches die Schwäche des sowjetischen Arsenals an ICBM kompensieren sollte.
10.August 2014
Der politische Konsument ist ein schlafender Riese
Seit die Wirtschaftskrise vor sechs Jahren von Amerika aus wie ein Tsunami über die Welt rollte, sind Banker der Sündenbock, auf den sich alle einigen können. Von Grün bis Blau werden sie als Feindbild plakatiert. Ist ja auch nicht ganz falsch.
Was auch nicht falsch ist: Wir, die Mehrheit der Gesellschaft und Nicht-Banker, sind um keinen Deut besser. Das belegt der renommierte deutsche Ökonom Armin Falk mit einem bemerkenswerten Experiment . Der Markt zerstört die Moral. Wir schieben vielleicht keine Finanzpapiere hin und her, aber im Grunde denken wir gleich wie die Broker an der Wall Street.
Wenn wir etwa von den rund 1100 Arbeitern lesen, die in Bangladesch bei einem Fabrikseinsturz ihr Leben ließen, während sie unsere Kleidung nähten, entfährt uns zwar vielleicht ein “Voll arg!”. Dann aber blättern wir weiter und kaufen am nächsten Tag das nächste T-Shirt um 4,99 Euro. Denn im Zweifelsfall schauen wir lieber auf uns als auf die anderen. Lieber zwei Hemden als eines, das unter fairen Bedingungen hergestellt wurde.
Der Werbespruch “Geiz ist geil” hat sich wie ein Dogma in unsere Köpfe gefressen. Für jene, die einen alternativen Weg wählen -den bewussten Konsum -, hat sich ein Kampfbegriff etabliert: “Gutmensch”. Er gilt jener Gattung, die die Welt zum Guten verändern will, wo doch jedermann weiß, dass die Welt unverrückbar böse ist. Ein Kampfbegriff, der die Alternativen als Naivlinge diskreditiert.
Genau dieser Zynismus konserviert das System. Ein System, das eigentlich keiner will. Denn ehrlich: Ausbeutung, Kinderarbeit, Krieg, Massentierhaltung und Umweltverschmutzung findet keiner so richtig cool.
“Der politische Konsument ist ein schlafender Riese“, sagt der deutsche Soziologe Ulrich Beck. Und er lässt sich wecken. Will heißen: Der Markt lässt sich ändern. Aber wir müssen es wollen. Was das für uns bedeutet? Nachdenken, was wir kaufen. Im Zweifel: weniger statt mehr. Jeder Griff ins Regal ist eine politische Handlung – und hat für andere Konsequenzen. Niemand, der Fair Trade kauft, tut etwas Gutes. Sondern bloß etwas Faires. Das ist ein gehöriger Unterschied. Dass jemand, der am Markt fair agiert, schon als gut gilt, und jener, der mit seinem Konsum die Ausbeutung vorantreibt, als normal, zeigt, wie pervers der Markt geworden ist. Gekürzter Beitrag aus „Falter“.
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( Viele wollen bewusst konsumieren, wissen aber nicht wie und wo? Die Sicherheitsnadel bietet einen guten Überblick. Lesetipp: Schwarzbuch Markenfirmen
4. Mai 2014
TAZ-Interview mit Stephen Cohen, bekannter Russland-Experte der USA :
„Wir schlittern in einen Krieg“
taz: Herr Cohen, US-Präsident Barack Obama spricht jeden Tag über die Ukraine und Russland. Und in Kiew geben sich CIA-Chef John Brennan, US-Außenminister John Kerry und Vizepräsident Joe Biden die Klinke in die Hand. Wie wichtig ist die Ukraine für die USA? Stephen Cohen: Die Ukraine ist so wichtig für die politische Führung der USA, dass sie einen Krieg mit Russland riskiert. Warum das so ist, lässt sich nur sehr schwer erkennen. Denn hier findet keine öffentliche Debatte über diese Krise statt. Dabei befinden wir uns an einem historischen Wendepunkt. Letzten Sonntag hat die New York Timesberichtet, dass Obama im Wesentlichen einen neuen Kalten Krieg gegen Russland deklariert und sich die alte Politik der Eindämmung zu eigen gemacht hat. Was ist die offizielle Erklärung? Sie lautet, dass die arme Ukraine nur Demokratie und ökonomischen Wohlstand wollte – durch das europäische Partnerschaftsangebot an den damaligen Präsidenten Wiktor Janukowitsch vom November. Und dass Russland das verhindert habe. Manche meinen, dahinter stecke, dass Wladimir Putin die alte Sowjetunion zurückhaben will. Andere, dass er zu Hause Macht verliere und einen Krieg und Nationalismus brauche, um sich ein Schicksal wie Ägpytens Präsident Husni Mubarak oder Janukowitsch zu ersparen. Aber alle meinen, dass Amerika Putin stoppen muss. Weil er anderenfalls auch in die baltischen Staaten und nach Polen gehen würde. Was ist daran so anders als in Deutschland? In Deutschland gibt es eine Debatte und zumindest drei ehemalige Bundeskanzler, die die EU-Politik gegenüber Russland und der Ukraine kritisieren. Da sind Schröder und Schmidt. Und der Interessanteste ist Kohl. Er kennt die Geschichte der deutschen Vereinigung. Er weiß, welche Zusagen es damals an Russland gab. Unter anderem, dass die Nato nicht expandiert. Auch er hat die EU kritisiert. Und damit Merkel. In Amerika äußert kein Expräsident Kritik. Wo ist Bill Clinton? Er hat in den 90er Jahren die Freundschaft mit Russland versprochen. Er schweigt. Wo ist Jimmy Carter? Wie erklären Sie das Schweigen der US-amerikanischen Elite? Beide Parteien – Demokraten und Republikaner – sind tief verwickelt. Seit den 90er Jahren haben Clinton, Bush und Obama eine Politik gemacht, die Russland umzingelt. Sie betrachten die Russlandpolitik der USA der letzten 20 Jahre als gescheitert? Die Ukrainekrise ist ein kolossales Scheitern der US-Außenpolitik. Sie hat uns an den Rand eines Krieges gebracht. Und alle US-Präsidenten seit Clinton sind Komplizen. Sehen Sie einen Zusammenhang mit der US-amerikanischen Umorientierung nach Asien? Obamas Japan-Politik scheint gescheitert. Die westlichen Reaktionen auf die Krim und die Ukraine haben China näher an Russland gebracht. Ich würde sagen, wenn sich irgendwer zu Asien hinwendet, dann ist es Putin, nicht Obama. Spielt Edward Snowden eine Rolle? Wenn eines Tages die Geschichte geschrieben wird, wie wir ganz nah an einen Krieg mit Russland gekommen sind, müssen wir viel weiter zurückgehen. Wie weit? Es beginnt in den 90er Jahren, mit der Entscheidung, die Nato von Deutschland aus bis an die russische Grenze zu bewegen. Die Nato ist jetzt im Baltikum. Im November 2013, als das Angebot der EU an die Ukraine abgelehnt wurde, sehen wir zwei Dinge: die Edward-Snowden-Affäre und die Olympischen Spiele von Sotschi. Beide waren zentrale Teile der amerikanischen Berichterstattung über die Ukrainekrise. Aber die Spiele sind vorbei. Und Snowden ist nur eine Fußnote. Er wäre nicht in Russland, wenn wir ihm nicht den Pass abgenommen und lateinamerikanische Länder unter Druck gesetzt hätten. Und ohne die Ukrainekrise wäre Snowden heute vermutlich in Deutschland. Was also ist der Plan hinter Obamas Russlandpolitik? Die Ukraine in die Nato bringen. Darum geht es die ganze Zeit. Und Merkel, die 2008 gegen einen Nato-Beitritt der Ukraine war und die Russland versteht und die zumindest mit Putin reden kann – die arme Merkel ist in eine unmögliche Lage geraten. Wir hätten die ukrainische Situation im November an Merkel übergeben sollen. Sie hätte eine Lösung gefunden. Die Amerikaner sind viel zu ideologisch. Und Obama ist eindeutig nicht gut in Außenpolitik. Wenige Stunden vor der Flucht von Janukowitsch aus Kiew waren drei europäische Außenminister in Kiew und haben mit ihm gesprochen. Einer davon war der deutsche. Sind nicht auch die drei – Steinmeier inklusive – mit gescheitert? Die drei hatten ein Abkommen ausgehandelt, das Janukowitsch bis Dezember als Präsident im Amt gelassen hätte und eine Regierung der Aussöhnung beinhaltete. Russland hatte nichtöffentlich zugestimmt, Geld zu geben. Es sah wie der beste Weg aus. Ohne Gewalt. Das Abkommen wurde von den Radikalen auf der Straße zerstört. Was hätten die drei europäischen Minister tun sollen? Sie hätten den drei Typen, den ukrainischen Führern Tjagnybok, Klitschko und dem komissarischen Prermierminister Jazenjuk sagen können: Wenn ihr unsere Unterstützung wollt, müsst ihr Janukowitsch schützen und die Straße stoppen. Stattdessen sind sie abgehauen. Nachdem sie gescheitert waren, haben sie eine neue, nicht gewählte, illegitime Regierung umhegt, die nicht auf der Grundlage ihres Abkommens an die Macht gekommen ist. Das ist ein Skandal. Und sie haben die ganze Sache an den polnischen Außenminister übergeben. Das Mindeste, was man über den sagen kann, ist, dass er, in Sachen Russland ein Radikaler ist. Jetzt haben die Polen und die Radikalen auf den Straßen, unter denen auch Neofaschisten sind, das Sagen. Und die Geschichte entwickelt sich auf einen Krieg hin. Ich weiß nicht, warum Merkel nicht interveniert hat. Sie sollte Obama beruhigen. Und ihm erklären, dass die Dinge, die er und Kerry sagen, nicht stimmen. Was stimmt nicht? Erstens hat nicht Putin diese Krise begonnen. Es gab keine russische Aggression. Diese Krise begann, als die Europäische Union Janukowitsch im November ein Entweder-oder-Ultimatum gestellt hat. In den Protokollen des Abkommens ist die Nato zwar nicht explizit erwähnt, aber die Sicherheitsbedingungen hätten die Ukraine zu einer Art Ehrenmitglied der Nato gemacht. Zweitens ist falsch, dass Putin hinter allem steckt, was in der Ostukraine passiert. Die USA haben mehr Kontrolle über die Regierung in Kiew als Putin über die Aufständischen im Osten. Aber auch Putin hat die Ukraine im vergangenen Herbst unter Druck gesetzt, sich zu entscheiden. Das stimmt nicht. Im Vorfeld des November haben sowohl Putin als auch Russlands Außenminister Sergei Lawrow Brüssel verschiedentlich gefragt: Warum stellt ihr die Ukraine vor eine Entweder-oder-Wahl? Und angeboten, mit der EU und der Ukraine einen Drei-Parteien-Mini-Marshallplan auszuhandeln. Putin wusste, dass eine gleichzeitige Zugehörigkeit der Ukraine zu einer EU-Wirtschaftsgemeinschaft und zu seiner eurasischen Gemeinschaft problematisch sein könnte. Aber er schlug vor, die Entscheidung für ein oder zwei Jahre zu verschieben. In der Zwischenzeit sollten EU-Wirtschaft und russische Wirtschaft in der Ukraine kooperieren. Vielen erschien das unrealistisch. Sie können sagen, das war ein unmöglicher Weg. Oder es war ein Trick. Aber die Ablehnung durch Brüssel und Washington hat die Krise beschleunigt. Die Ukraine ist ein tief gespaltenes Land. Es mag einen ukrainischen Staat gegeben haben, als die Krise begann. Aber es gab immer – Geschichte, Gott oder Schicksal – zwei oder sogar drei ukrainische Länder: der Westen, der Osten und die Zentralukraine. Die Westukraine hatte immer eine Affinität zu Europa, die Ostukraine zu Russland. Es war ein schwerer Fehler, dieses tief gespaltene Land zu einer schicksalhaften Entscheidung zwischen Westen und Osten zu drängen. Was wir jetzt erleben, ist der Niederschlag dieses Fehlers. Präsident Obama ist gegen Militärinterventionen – sowohl in der Ukraine als auch anderswo. Er will der Präsident sein, der die amerikanischen Kriege beendet und die Amerikaner nach Hause bringt. Er will nur mit Drohnen kämpfen. Er will keinen Krieg. Aber er verfolgt eine Politik, die dazu führt, dass ein Krieg möglich wird. Ein Leader, der eine Politik macht, die gegen seine eigenen Ziele verstößt, ist ein schlechter Leader. Dabei hatte Obama einen Partner in Putin, zumindest einen potenziellen Partner. Putin hat Obama in Syrien vor einem Krieg bewahrt, indem er Assad dazu gebracht hat, die Chemiewaffen zu zerstören. Sie nennen den neuen Kalten Krieg gefährlicher als den alten. Warum? Sein Zentrum liegt nicht in Deutschland – weit weg von Russland –, sondern weiter östlich, direkt an der russischen Grenze. Alles ist da möglich. Während des ersten Kalten Krieges gab es stabilisierende Verhaltensregeln. Manchmal wurde eine Regel gebrochen. Zum Beispiel, als Chruschtschow 1962 die Raketen nach Kuba gebracht hat. Aber im Allgemeinen wurden die Regeln beachtet. Im jetzigen Kalten Krieg gibt es keine Regeln. Es gibt lauter außer Kontrolle geratene Akteure. Wen meinen Sie? Typen mit Masken, die in der Westukraine herumlaufen, wo die Situation genauso brenzlig ist wie in der Ostukraine. Wir haben eine illegitime Regierung in Kiew. Wir haben Leute in Russland, die genervt und nicht unter Putins Kontrolle sind. Und wir haben die Abwesenheit einer Debatte in Washington. Die Situation ist außer Kontrolle. Deswegen nähern wir uns einem Krieg. Es könnte jederzeit passieren. Die Gefahr des Krieges ist nicht, dass jemand einen Krieg plant, sondern dass rücksichtslose politische Entscheidungsträger – vor allem im Westen – eine Situation geschaffen haben, in der ein Krieg möglich ist. In den USA wissen die meisten Menschen nicht einmal, wo die Ukraine liegt. Wieso sollten sie bereit sein, wegen der Ukraine in einen Krieg zu ziehen? Hier wusste auch niemand, wo Vietnam liegt. Oder der Irak oder Afghanistan. Kriege werden von Eliten gemacht, nicht vom Volk. Und die Eliten verfolgen oft eine Politik, die so unklug ist, dass sie in einen Krieg schlittern, den sie nicht antizipiert haben. Werden die Sanktionen gegen Russland etwas bewirken? Sie werden wehtun. Aber sie werden Putins Politik nicht ändern. Falls die wirtschaftliche Lage in Russland so schmerzhaft wird, dass es dort einen Maidan gibt, sollten Sie beten. Denn Russland ist das territorial größte Land der Welt und hat mehr Massenvernichtungswaffen als jedes andere Land. Wenn sich Russland auf die Art fragmentiert wie die Ukraine, ist niemand mehr sicher. Traditionell bedeutet Kalter Krieg, dass sich zwei ideologisch konträre Mächte gegenüberstehen. Gegenwärtig haben wir das nicht. Doch. Unsere Ideologie ist Freiheit, Demokratie, der Aufstieg des Individuums, ökonomischer Wohlstand, freie Märkte und ökonomische Integration. Russland lehnt diese Werte zwar nicht ab. Sagt aber, dass sie quer durch die Welt Unheil anrichten. Und dass die traditionellen Werte Europas nicht auf dem Individuum, sondern auf der Familie basieren und auf sozialen Wohlfahrtsstaaten statt auf Austerität sowie auf der Souveränität von Nationen. Russland sagt, dass es traditionelle Werte verteidigt und dem amerikanischen Regimewandel widerstehen will. Kalter Krieg impliziert auch eine globale Konfrontation. Aber in den USA heißt es, dass die internationale Gemeinschaft einig gegen Putin sei. Einige der meistbevölkerten Länder der Welt stehen im Wesentlichen hinter Russland: China, Iran, Lateinamerika, Indien. Wir können Russland nicht isolieren. Dieser Kalte Krieg wird immer internationaler. Und es ist ein weiteres Missverständnis, wenn gesagt wird, Russland sei schwächer als die Sowjetunion. Der Konflikt findet an Russlands Grenzen statt. Daher ist Russlands Entschlossenheit sehr viel größer als die des Westens. Und wir dürfen nicht vergessen, dass dieser Konflikt sehr schnell atomar werden könnte. Die russische Militärdoktrin beinhaltet den Einsatz taktischer Atomwaffen, wenn das Land von konventionellen Waffen aus dem Westen überwältigt wird. Das würde ich an der Stelle von Obama nicht testen wollen. Betrachten Sie das Geschehen im Inneren der Ukraine als „Stellvertreterkrieg“? Wie früher in afrikanischen und asiatischen Ländern? Die Regierung in Kiew kontrolliert nicht einmal den Westen. Auch wenn sie dort Unterstützung genießt. Im Osten des Landes hat sie keine Unterstützung. Sowohl im Osten als auch im Westen sind Kämpfer unterwegs. Das enthält die Gefahr von Bürgerkrieg. Wenn dieser Bürgerkrieg ausbricht, wird Russland wahrscheinlich im Osten eingreifen und die Nato im Westen. Damit kommen wir von einem Bürgerkrieg zu einem Ost-West-Krieg. Dies ist mehr als ein Stellvertreterkrieg. Was wäre das beste – oder am wenigsten schlechte – Ergebnis dieser Krise ? Ein diplomatischer Weg aus der Krise ist immer noch möglich. Es gibt immer noch die Möglichkeit, die russischen Vorschläge vom 17. März zu verhandeln. Sie beinhalten Neuwahlen: nicht nur des Präsidenten, sondern auch des Parlaments. Und eine neue Verfassung, die einen föderalen ukrainischen Staat schafft. Mit den Garantien, die Putin genannt hat, von Europa, von Russland und von der UN. Das wäre das beste Ergebnis. Und wenn das unmöglich ist? Dann müssen wir uns fragen, ob zwei Ukrainen besser wären als eine Ukraine im Bürgerkrieg. Eine Teilung der Ukraine, vergleichbar mit Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Aber vielleicht ist die Ukraine zu kompliziert dafür. Und es würde auf jeden Fall zu Bürgerkrieg führen. Der wahrscheinlich zu einem Krieg zwischen dem Westen und Russland führen würde. 7. April 2014
Brasilien: Schuldenerlass für afrikanische Staaten.
Obwohl ich eine Menge von Zeitungen lese, Folgende Information ist mir bisher nicht begegnet. Ich fand es in einer Zeitschrift. Brasilien will zwölf afrikanischen Staaten Schulden in Höhe von 900 Mio US-Dollar erlassen. Vom Erlass profitiert insbesondere der Kongo, der bei Brasilien mit über 350 Mio Dollar verschuldet war. Auch Tansania und Sambia bekommen größere Summen erlassen. Das Handelsvolumen zwischen Brasilien und afrikanische Staaten hat sich im vergangenen Jahrzehnt verfünffacht und betrug 2012 über 26 Milliarden Dollar. Vgl. Publik-Forum, Nr. 15-2013, p. 26. (Alle Daten wurden überprüft. Dr. Hans Högl)
20. Februar 2014
Stadt Wien will Monopol auf Tote in städtischen Leichenkammern
http://diepresse.com/home/panorama/index.do
Bagdad zieht Bilanz: 100.000 tote Iraker als Folge des US-Einmarsches – darauf wies die Regierung Bagdads hin. Der Blutzoll der USA im Zweistromland ist bescheidener: 4.500 Militärangehörige kamen seit dem Einmarsch ums Leben. Solche Information von Opfern aus der 3. Welt sind recht selten („Wiener Zeitung“: 2. Dez. 2011. Hans Högl).
„Republik ohne WÜRDE“ . Buch des FALTER-Chefredakteurs
„Man vermisst bei vielen öffentlichen Würdenträgern hierzulande so etwas wie Würde“ – das diagnostizierte Falter-Chefredakteur Armin Thurnher bei der Präsentation seines jüngsten Buches „Republik ohne Würde“ in der Hauptbibliothek am Wiener Gürtel.
Und weiter: „Österreich ist ein kleiner fetter Staat ohne Würde geworden“, befand Thurnher in einem Gespräch mit der Ö1-Journalistin Gabi Waldner. Dem Land fehle die Würde, weil sich unzählige öffentlich zur Schau stellende Personen durchwegs machtgeil oder ohnmächtig geben und weil dazwischen kein Raum mehr bestehe. Käufliche Politiker, Steuerbetrüger, verlogene Medien hätten hohes Bedrohungspotential für den Staat.
Zum Thema ein Zitat aus Thurnhers Buch: „Einst verstand man Politik als Bühne der Vortrefflichen. Sie traten dort in ihrem öffentlichen Wettbewerb um das Wohl des Gemeinwesens gegeneinander an. Politik hat ihre Würde verloren, sie ist ins Hintertreffen geraten und zur Arena für Gemeinheiten geworden. Sie hat ihre eigenen Gesetze zugunsten medialer Gesetze aufgegeben“:
Thurnher ortet eine tiefe Krise des Qualitätsjournalismus. So sei etwa eine Lügengeschichte in einer Qualitätszeitung ein Betriebsunfall, in kommerzialisierten Medien hingegen sei sie die Regel. Guter Journalismus würde bedeuten, sich selbst zu beschränken, wo er die Würde des anderen bedroht sieht. Er dürfe nicht die Fairness der Quote und die Rücksichtnahme der Reichweite opfern. „Wo die Selbstbeschränkung des Journalismus nicht funktioniert, verliert er seine Distanz zur Macht, im Extremfall wird er zu ihrem Handlanger“, bekräftigt der Autor.
Medienpolitik sieht Thurnher als „angewandte Korruption“. Das eine sei die Korruption des Inseratenmarkts, das andere jene des österreichischen Medienmarkts insgesamt. Er werde von Oligopolen beherrscht, die jedem unabhängigen Publizisten die Existenz schwer machen.
Frage an Thurnher in der Hauptbibliothek am Gürtel: Wird sich an den Zuständen hierzulande jetzt nach der Nationalratswahl etwas ändern?“ Klare Antwort: „Nein… ich befürchte das Schlimmste“. Und was wäre zu tun, um die Würde zurückzugewinnen? „Nicht alles gefallen lassen, mehr ziviles Engagement zeigen“.
Konkrete Detailrezepte zur Überwindung würdeloser Zustände bieten Thurnher und sein neues Buch nur wenige (im Gegensatz zu Thurnhers gelegentlich auch veröffentlichten Kochbüchern). Aber: Was generell wichtig und angebracht erschiene, bringt Thurnher auf den Punkt: „Eine Politik, die sich nicht in Machttechnik erschöpft. Eine Öffentlichkeit, die Demokratie nicht abschafft, sondern schafft. Eine europäische Republik Österreich mit Würde in einem vereinigten, demokratischen Europa“.
Bericht von Udo B a c h m a i r: Präsident der Vereinigung für Medienkultur
Gaspipline von US-freundlichem Emirat durch Syrien geplant – Widersprüchliche Interessen mit russischer Gazprom
WELTWIRTSCHAFTSKRISE FINDET NICHT STATT: