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Medienkultur profitiert von akademischer Journalismusausbildung

Sensibilität für ethische Fragen gestiegen – Presserat überlegt, Zuständigkeit auf Onlinemedien auszudehnen – Brodnig: Klarnamenzwang löst keine Probleme Wien (APA  11. Nov. 2015) –

 Die Akademisierung der Journalistenausbildung wirkt sich positiv auf die Medienkultur aus – dieser Meinung waren am Dienstagabend zumindest Publizistikprofessor Wolfgang Langenbucher und Andreas Koller, Präsident des Presseclubs Concordia. Unmoderierte Foren und Einflüsse aus der PR-Branche seien dagegen auf der negativen Seite zu veranschlagen, so das Ergebnis einer Podiumsdiskussion.

„Medienkultur, quo vadis?“ hieß das Motto der Diskussion, zu der die Vereinigung für Medienkultur anlässlich ihres 20-jährigen Bestehens eingeladen hatte. Statt eines Blicks in die Zukunft gab es zunächst aber eine Analyse von Vergangenheit und Gegenwart. Und diese fiel trotz derzeit ökonomisch oft schwieriger Zeiten gar nicht so düster aus. „Durch die vielen akademisch ausgebildeten Journalisten hat sich vieles verbessert“, zeigte sich Langenbucher überzeugt. Durch die unterschiedlichen Studien und Lehrgänge habe ein „permanenter und systematischer Transferprozess“ von Wissen in die Praxis stattgefunden.

Auch Koller, stellvertretender Chefredakteur der „Salzburger Nachrichten“, bestätigte das im Hinblick auf die Medienkultur: „Das ethische Niveau, die Sensibilität für ethische Fragen ist mit journalistischen Ausbildungen sicher gestiegen.“ Seiner Ansicht nach habe in Zukunft überhaupt nur noch Qualitätsjournalismus eine Daseinsberechtigung. „Die Frage ist nur immer: Wie finanziere ich das“, meinte Koller. Denn aus Zeit- und Kostengründen gewinne die schnelle Schlagzeile derzeit gerne gegenüber beispielsweise investigativem Journalismus – „so unbefriedigend das auch sein mag“.

Als einen der „Megatrends“ der Medienkultur bezeichnete Langenbucher jenes Phänomen, dass kluge Köpfe heuer eher und besser bezahlt in der PR als im Journalismus arbeiten würden. Sei vor Jahren der unkontrollierte und intransparente Einfluss der PR auf den Journalismus jedoch noch groß und die Medien wenig an der Eindämmung interessiert gewesen, habe sich das „gravierend geändert“, diagnostizierte der Wissenschafter. So seien etwa die Ausweisung bezahlter Pressereisen oder die Nachvollziehbarkeit von Produkttests heute selbstverständlicher geworden. „Ich will nicht ausschließen, dass es noch schärferer Beobachtungsinstrumente und gesetzlicher Regelungen bedarf“, meinte er. Die Vorarbeit, die Instrumente der Selbstkontrolle leisten können, hätten jedoch bereits gewirkt.

Eines dieser Instrumente in Österreich ist der Presserat, in dieser Diskussionsrunde vertreten durch Geschäftsführer Alexander Warzilek. Die Einrichtung – derzeit nur für Zeitungen und Zeitschriften sowie deren offizielle Onlineauftritte wirkend – überlegt momentan, ihre Zuständigkeit auch auf reine Online-Medien auszudehnen. „Ich kann mir auch vorstellen, unsere Aufgaben auf den Rundfunk auszuweiten, da die Grenzen zwischen den Medien ohnehin verschwimmen“, meinte Warzilek. Jedenfalls werde die Institution immer bekannter, 2014 behandelte man knapp 240 Fälle. Der Vorteil in Österreich – im Gegensatz zu Deutschland – sei, dass Entscheidungen des Presserats dann auch mit Nennung des betroffenen Mediums online veröffentlicht würden. Das habe eine „gewisse Prangerwirkung“, so Warzilek.

Koller wollte hingegen auch jeden einzelnen Journalisten in die Pflicht nehmen, wenn gekaufte und redaktionelle Beiträge oder die Trennung zwischen Redaktion und Anzeigenabteilung zu verschwimmen drohen. „Das ist ein täglicher, wöchentlicher, jährlicher Abwehrkampf der Redaktionen. Da muss man als Redakteur dagegenhalten“, plädierte er. Ihm sei von den „Salzburger Nachrichten“ jedenfalls kein Beispiel bekannt, bei dem Inseratenkunden Berichterstattung beeinflusst hätten, meinte Koller auf die kampagnenhafte Berichterstattung der Salzburger „Kronen Zeitung“ für Einkaufszentren angesprochen.

Die Aufregung um eben diese Berichterstattung bewertete „profil“-Redakteurin Ingrid Brodnig als Positivbeispiel für die inzwischen nicht mehr als Einbahnstraße funktionierende Kommunikation zwischen Medien und Nutzern. Denn der Medienwatchblog „Kobuk“ hatte als erstes auf die Kampagne hingewiesen. „Das kann auch ein Mehrwert sein“, betonte sie. Allerdings könnten vor allem unmoderierte Userpostings und Foren der Medienkultur auch schaden. „Es geht aber nicht darum, das abzudrehen, sondern es muss eine Debattenkultur entstehen“, meinte sie.

Es sei allerdings falsch zu glauben, dass nur die Anonymität im Internet zu Hasspostings führe. „Der Klarnamenzwang alleine wird das Problem nicht lösen“, zeigte sie sich überzeugt. Denn auch, dass die Poster kein unmittelbares Feedback ihres Gegenübers bekommen, mache es im Internet leichter, „weniger empathisch zu sein“. „Es ist wichtig, dass Medien Verantwortung übernehmen“, betonte Brodnig daher. Denn lange hätten sich Medien kaum darum gekümmert, was sich in ihren Foren abspiele. Erst langsam würden Zeitungen versuchen, eine Debattenkultur zu etablieren: „Es ist skurril, dass das so lange gedauert hat.“