Schlagwort-Archive: Andreas Barthelmess

Angst vor digitaler Welt-was tun?

Hans Högl: Buchrezension
Andreas Barthelmess (2020) : Die große Zerstörung.Was der digitale Bruch mit unserem Leben macht, Berlin (Dudenverlag), 255 Seiten.

Digitale Giganten dominieren die Welt. Entgleiten den Staaten und der EU die Steuerung?Der 41-jährige Autor, IT-Unternehmer und Volkswirt,  macht sich Sorgen: um Deutschland, Europa, die Demokratie. Deutschland reagiere verzögert auf die Digitalisierung und riskiere einen Niedergang. Früher warnte man vor dem industriell-militärischen Komplex, heute werden IT-Giganten „zu Staaten über den Staaten“(p. 209). Diese Techno-Herrschaft gilt es auszubremsen. Ähnliches formulierte Yuval Noah Harari.

Die liberale Welt schwächelt angesichts von M. Zuckerberg (Facebook), Jeff Bezos (Amazon), Sundar Pichai (Google), Jack Dorsey (Twitter). Diese „Einhörner“ gefährden Demokratie, individuelle Freiheit, zahlen kaum Steuern, und FB hat mit der Digitalwährung Libra sogar die Notenbanken im Visier.

Vermögen wir Demokratie zu wahren? Die Aufgaben einer globalen Bürgergesellschaft werden allzu knapp angedeutet (p. 252). Der Autor formuliert ein Konzept für die Politik Europas. Eine Familie erwirbt ihr Haus mit einem Kredit auf viele Jahre. Analog braucht die EU für Großprojekte, um im IT-Bereich zu punkten, ein Zehnjahresbudget. Das Wort Zerstörung im Buchtitel lockt und irritiert, es meint Anderes als sonst, nämlich Disruption. Nein: Der Autor dämonisiert digitale Welt nicht, er sieht sie ambivalent.

Wir erfahren singuläre Impulse: Deutsche Politik ist zu bieder und nüchtern. Und viele Europäer tun sich schwer, dieses Brüssel-Europa zu lieben, einem Inbegriff von technokratischer Exekutive. Der Politik fehlen Storys, Glanz und Aura. Die Politikverdrossenheit der Bürger wird wohl zu pointiert bei den Parteien verortet. Die Hintergründe dafür sind multipel.

Das Buch vermag man kaum aus der Hand zu legen, es meidet intellektuell-selbstverliebte Faxen, ist oft prägnant wie im Satz: Likes sind „der Kristallzucker der sozialen Medien“ (p. 161). Es bietet Info-Neuland, und darum wäre ein Sachindex zu erwarten. Ein Seufzer am Ende der Lektüre: Schade, dass sie endet.

 

Wie bürstet und striegelt man Infos?

Hans Högl

Infos-Striegeln ist für mich: Nachrichten reinigen. Hier Exempel, wie in der Medienwelt be-reinigt wird – aus dem Buch „Die große Zerstörung“ von Andreas Barthelmess. Berlin 2020.

Der Striegel dient zum Reinigen des Fells von Haustieren. Der Buchautor ist Ökonom, Start-up-Unternehmer, Jahrgang 1979. Der Fall „Donald Trump“ ist sehr komplex. Lassen wir Näheres über den umstrittenen Selbstdarsteller beiseite, erwähnen wir nur, dass „New York Times“ wochenlang mit 90 %-iger Sicherheit den Wahlsieg von Hillary Clinton ankündigte. Und sogar in der Wahlnacht verbissen daran festhielt, bis es nicht anders ging, als den Sieg von Trump einzugestehen. Die Interessen der Küstenstaaten waren wichtiger als die Objektivität.

Bemerkenswerte andere Fakten: Manche Dinge und Personen finden im Fernsehen nicht statt: Noam Chomsky, ein sehr links stehender Wissenschafter, aber weltweit bekannt, schaffte es nie, ins US-Fernsehen zu kommen, nicht einmal in den CNN. Selbst für dessen progressiven Gründer Ted Turner passten Chomskys sozialistische Ansichten nicht zu seinem Wirtschaftsliberalismus. Ein anderer Fall: Bernie Sanders erhielt erst dann ein Forum, als Fans und College-Studierenden im US-Vorwahlkampf  über soziale Netzwerke für ihn massenhaft mobilisierten. Auch Sanders hatte lange Zeit keine Chance, medial wahrgenommenen zu werden. Andreas Barthelmess sieht in Social Media  den größten Angriff auf etablierte mediale Hierarchien, aber sie haben für ihn auch zwei Gesichter (S.132 ff.) .