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Si vis pacem para pacem

Kriegsberichterstattung und Propaganda, Neutralität und Streben nach Frieden: einige der Aspekte, die das Spannungsfeld von Politik und Medien mehr denn je charakterisieren.

Udo Bachmair *

Kriegsrhetorik in Politik und Medien greift immer weiter um sich. Vor diesem Hintergrund mutiert Frieden zunehmend zu einem negativ geladenen Begriff. Er wird vorwiegend in Kombination mit Begriffen wie Diktatfrieden oder Friedensdiktat verwendet. In der veröffentlichten Meinung dominiert die ausschließliche Sinnhaftigkeit aller militärischen Lösungen. Das veranschaulichen die aktuellen Beispiele der Kriege in der Ukraine und Gaza besonders deutlich.

Grundsätzlich erscheint klar: Kriegspropaganda betreiben immer beide Seiten eines Konflikts.

Gleichgeschaltet wirkende westliche Medien und auch zahllose PolitikerInnen gehen davon aus, dass nur Russland Kriegspropaganda betreibt, nicht aber auch die Ukraine.
Daraus resultiert jener durch diverse Studien bereits mehrfach belegte Eindruck, dass in der Kriegsberichterstattung vieler unserer Medien, besonders aber der deutschen, ukrainische Kriegsrhetorik und Propaganda oft als faktenbasierte Inhalte präsentiert werden, gemischt mit einem sich weiter radikalisierenden Wording. Friedensrhetorik hingegen wird als naiv abgetan, eine solche würde Aggressoren, wie Putin, nur weiter ermuntern.

Am Anfang des Ukraine-Krieges war noch die territoriale Integrität der Ukraine oder Hilfe vor Ort im Zentrum der öffentlichen Wahrnehmung. Danach wurde medial zunehmend vermittelt, dass ein Sieg der Ukraine unbedingt nötig sei, die Existenz und der Fortbestand ganz Europas würden ansonsten auf dem Spiel stehen. Damit auch „unsere westlichen Werte“. Aber man fragt sich, ob denn die Ukraine diesbezüglich tatsächlich als Vorbild dienen könne, ein Staat, der hinsichtlich Korruption oder Pressefreiheit weltweit die hintersten Ränge belegt.
Ungeachtet dessen wird ein Sieg gegen Putin von Politik und Medien gleichsam zur Pflicht erkoren.

Damit entfällt folgerichtig jede Verpflichtung zu Bemühungen für Waffenstillstandsgespräche und eine baldige friedliche Lösung.
Eine Forderung, die kürzlich auch der Papst erhoben hat – und er musste sich vom traditionell antirussischen Standard-Journalisten Hans Rauscher umgehend als Unterstützer eines Aggressors rügen lassen u.a. mit der Äußerung:

„Der Heilige Vater weiß nicht, wovon er da redet“

In derselben Zeitung feuerte Markus Reisner von der Theresianischen Militärakademie die Rüstungskonzerne an mit den Worten:

„Die Rüstungsindustrie könnte durchaus mehr produzieren!“.

Speziell in Deutschland verdichtet sich der Eindruck, dass die meisten Medien, ausgerechnet auch die öffentlich-rechtlichen, die zur Objektivität auch der außenpolitischen Berichterstattung verpflichtet wären, die Politik vor sich hertreiben, immer mehr und immer weiter aufzurüsten.
Beispiel der Druck auf Kanzler Olav Scholz, unbedingt schwere Panzer an Kiew zu liefern, eine Forderung, der er nach einigem Zögern schließlich doch nachgekommen ist.
Oder jüngst: Noch zögert Scholz, die weit reichenden gegen Russland gerichteten Taurus-Raketen zu liefern. Er trotzt damit dem Druck der konservativen Opposition sowie vor allem auch dem Boulevard, wie der allmächtigen BILD-Zeitung.

Eine Frage der Zeit, bis Scholz wieder in die Knie geht..?

Schließlich kommt Druck auch aus seiner Ampelkoalition, aus der FDP, allen voran seitens der mittlerweile als hartnäckige Kriegstreiberin kritisierten Chefin des außenpolitischen Bundestagsausschusses, Strack -Zimmermann. Besonders auch seitens der Grünen, allen voran der im Selbstverständnis nach wie vor grünen Außenministerin Annalena Bärbock. Sie hat sich in den Augen von Beobachtern als kriegsbegeisterte militaristische Hardlinerin entpuppt. Sie scheint vergessen zu haben, dass die Grünen sich früher einmal als parlamentarischer Arm der Friedensbewegung verstanden haben – eine Absurdität, ein Hohn sondergleichen, wenn man ihre aktuelle Haltung betrachtet.
Ganz zu schweigen von der EVP-Politikerin und EU-Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen, die ebenfalls den Eindruck einer militaristischen Einpeitscherin erweckt, ohne auch nur einen einzigen Lösungsvorschlag präsentieren zu können.

Jedenfalls muss Frau Von der Leyen auch jene fahrlässige Untätigkeit der Europäischen Union insgesamt bezüglich Bemühungen um eine diplomatische Lösung und eine Beendigung des Blutvergießens angelastet werden. Im Sinne der Waffenlobby und im Interesse von NATO und USA fehlt offenbar jeglicher Wille, weiterer intensiver Aufrüstung abzuschwören und zumindest zu versuchen, mit Moskau diplomatisch oder persönlich in Kontakt zu treten. Optimismus über eine wohlwollende Gesprächsbereitschaft Putins hält sich zurzeit freilich in Grenzen.

Aber Versuche wären’s doch wert !

Putin machts natürlich seinen Gegnern mit seiner völkerrechtswidrigen Aggression in der Ukraine leicht – und so läge es auch an ihm, erneut Verhandlungsbereitschaft zu zeigen, auch wenn ihm der Westen noch so sehr die kalte Schulter zeigt.
Zuviel Porzellan wurde auch seitens des Westens und der gefährlichen Erweiterung der NATO bis an die Grenzen Russlands zerschlagen. Jede Bereitschaft und Fähigkeit scheint dafür zu fehlen, sich auch in den Kriegsgegner Russland hineindenken zu können. So wird die subjektiv gefühlte und aus Sicht Moskaus ernstzunehmende Bedrohung durch die NATO-Erweiterung ebenfalls als bloße Propaganda abgetan.

Einseitigkeit in Bezug auf die Beurteilung des Ukrainekrieges bzw. der Mangel an differenzierten und differenzierenden Betrachtungsweisen in Politik und Medien erscheinen besonders schmerzlich dann, wenn sie in einem neutralen Staat wie Österreich gang und gäbe sind.–

Leider muss sich da auch mein altes Unternehmen ORF manche Kritik gefallen lassen. So werden überwiegend Experten und Expertinnen in Ö1-Journale, ZiB 2-Sendungen oder Punkt.Eins.-Sendungen eingeladen, die undifferenziert proukrainisch und militaristisch argumentieren. So werden auch die zahlreichen Hintergründe, die mit zum Ausbruch des Krieges 2014 bzw. 2022 geführt haben, weitgehend ignoriert.

Die meisten JournalistInnen-KollegInnen fühlen sich im Strom des antirussischen Mainstreams wahrscheinlich wohler, einzelne, die Waffenstillstandsverhandlungen oder Friedensgespräche fordern, werden als Putinversteher gebrandmarkt, die angeblich nur dem Kriegsherrn in Moskau in die Hände spielen wollen. Sie geben ihren Widerstand gegen den Mainstream meist bald auf.
Einer der vorbildlichen Ausnahmen unter den ORF-Redakteuren, Christian Wehrschütz, wird sich auch nicht mehr lange halten können, denn leider wird nicht nur in Kiew, sondern auch hierzulande gegen ihn Stimmung gemacht und ihm dadurch der Weg in die Pension erleichtert.

Es ist ja nicht so, dass pauschal alle JournalistInnen sich nicht zumindest bemühen würden, auch in heiklen außenpolitischen Fragen einigermaßen objektiv und seriös zu berichten. Vielen ist einfach nicht bewusst, dass sie sich für eine Seite (pro Ukraine, pro Israel) vor den Karren spannen lassen. Unter der Devise: Die Einen sind gut, die Anderen nur böse.
Davon lebt freilich der Boulevard, leider aber auch sogenannte seriöse Medien wie der ORF oder der Standard etc.
So ist und bleibt das bereits lange aufgebaute Feindbild Russland unverrückbar. –

Ein Grundproblem besteht u.a. darin, dass die außenpolitischen Ressorts, auch die im ORF, personell ausgedünnt worden sind, sodass oft weder Zeit noch Energien mehr bestehen für die Verwendung auch ausreichend alternativer Quellen. So bekommen MedienkonsumentInnen zu einem großen Teil serviert, was die beiden großen westlichen Agenturen mit ihrem speziellen Wording und ihrer US-orientierten Sicht der Welt vermitteln und vorbeten.

Die andere Seite der Propaganda, die der russische TV-Kanal „Russia today“ betreibt, ist der westlichen Zensur zum Opfer gefallen und nicht mehr empfangbar. Demokratiepolitisch und im Sinne der Meinungsvielfalt problematisch. Dabei wäre es doch interessant und aufgeklärten MediennutzerInnen zumutbar, auch die andere Seite zu hören, auch wenn Propagandainhalte überwiegen.

Umso lauter polemisieren manche PolitikerInnen und heimische Medien gegen die Nützlichkeit der Neutralität Österreichs. In Kommentaren etwa der Zeitungen Standard oder Kurier wird mehr oder weniger unverhohlen Stimmung aufbereitet für einen Beitritt Österreichs zur NATO.
Dabei hätte Österreich hätte als neutrales Land große Chancen, Vertreter der Kriegsparteien an einen Tisch zu holen. Wien als UNO-Standort, Wien als Austragungsort internationaler Konferenzen, wäre prädestiniert dafür.

Nur: Österreichs Neutralität hat Schaden gelitten durch eine österreichische Außenpolitik, die den Namen nicht verdient, die sich bei globalen Konflikten jeweils relativ einseitig positioniert.
Nicht nur in der Ukrainefrage – etwa wenn das Parlament Selenskyj zu einer seiner Propagandareden einlädt – oder wenn auf dem Gebäude des Bundeskanzleramts ausschließlich die israelische Fahne gehisst und nicht auch Empathie für das Leid der palästinensischen Bevölkerung symbolisiert wird –

All das ist freilich nicht ein formaler Verstoß gegen die immerwährende bewaffnete Neutralität, jedoch gegen den Geist der Neutralität gerichtet.

Sollte eine weitere Aushöhlung der Neutralität erfolgen oder gar ein NATO-Beitritt Österreichs Realität werden, wäre eine mediative und friedensstiftende Rolle Österreichs wie zu Zeiten Bruno Kreiskys jedenfalls endgültig verspielt.

Werden wir nicht müde, da klar dagegenzuhalten !

* Der Beitrag entspricht einer leicht gekürzten Textgrundlage für ein Referat, das Udo Bachmair bei einer Veranstaltung der „GewerkschafterInnen gegen Atomenergie und Krieg“ am 13.3.2024 im Amerlinghaus in Wien gehalten hat

Hier die Aufzeichnung der gesamten Veranstaltung :

Kriegsrhetorik statt Friedensbemühungen

Westliche Medien und Politik plädieren überwiegend für ausschließlich militärische Lösungen, für den Sieg der Ukraine auf dem Schlachtfeld. Wie Medien darüber berichten, gleicht sich oft in erstaunlicher Weise.

Udo Bachmair *

Der Überfall Russlands auf die Ukraine ist absolut zu verurteilen. Es ist und bleibt unfassbar, dass eine Aggression dieser Art in Europa auch in diesem Jahrhundert noch stattfinden würde. Ein Schlag ins Gesicht jenes zivilisatorischen Fortschritts, den viele bis vor gut einem Jahr in Europa noch als existent und erreicht betrachtet hatte. Krieg ist per se ein Verbrechen.

Das heißt jedoch nicht, die Vorgeschichte des aktuellen Krieges, Kriegspropaganda, Sinnhaftigkeit sogenannter Militärlogik sowie vor allem Friedenschancen auszublenden. Besonderes Interesse gebührt dabei der Rolle der Medien und deren Verantwortung. Viele von ihnen haben sich von Differenzierung und damit auch von Qualitätsjournalismus verabschiedet. Vor allem deutsche, aber auch österreichische Medien gefallen sich vielfach darin, jene Kräfte in Politik und Medien, die auf Verhandlungen und Friedenskonzepte drängen, als naiv, nicht empathisch, als Putins Trolle, etc. abzuqualifizieren. Jene, die dringend für ein Ende der Lieferung schwerer Waffen appellieren, bevor die Lage weiter eskaliert, gelten als Realisten.

Im Grunde sind es zwei polarisierende Positionen, die den Disput rund um den Ukraine-Krieg dominieren : Einerseits die Überzeugung, ein Ende des Krieges sei nur durch einen Sieg der Ukraine auf dem Schlachtfeld erreichbar. Andererseits die Annahme, der Krieg und weiteres Leid könnten bald nur dadurch beendet werden, dass endlich auch diplomatische Bemühungen mit Aussicht auf eine Friedenslösung sichtbar werden. Letztere Position wird von Medien und Politik im Westen mehrheitlich nicht geteilt. Im Gegenteil: Jene Menschen, die leidenschaftlich für Frieden ohne weitere schwere Waffen demonstrieren, werden als „Friedensschwurbler“, als moralisch verkommen, als Befürworter eines „Diktatfriedens“ bzw. eines „Friedensdiktats“ verunglimpft. „Putinversteher“ oder „Russlandversteher“ gelten ohnehin als Schimpfwörter schlechthin.

Wortführerinnen der Kriegsrhetorik ist die als Hardlinerin auch über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt gewordene FDP-Abgeordnete Strack-Zimmermann sowie überraschenderweise auch die grüne Außenministerin Bärbock. Ausgerechnet die Grünen, die sich früher noch als parlamentarischer Arm der Friedensbewegung verstanden haben, ergehen sich nun in militaristischer Ideologie. Bühne bieten ihnen bemerkenswerterweise vor allem die öffentlich-rechtlichen Anstalten ARD und ZDF, die wie hierzulande der ORF auch in der außenpolitischen Berichterstattung zur Ausgewogenheit verpflichtet wären. Sendungen wie „Hart aber fair“ oder „Maischberger“ oder „Anne Will“, lassen zumeist jene Podiumsgäste, die differenzierend und deeskalierend argumentieren, kaum zu Wort kommen oder werden erst gar nicht eingeladen. Auch der ORF hat sich über weite Strecken in den Mainstream eingeklinkt, Gegenpositionen zu Kriegslogik und antirussischer Feindbildpflege erscheinen weitgehend unerwünscht. Seriöse Politologen, wie Heinz Gärtner, oder engagierte Friedensforscher wie Werner Wintersteiner oder Thomas Roithner, werden selten oder nicht mehr als Studiogäste befragt.

Besonders Boulevardmedien scheinen einander in Kriegsrhetorik und Dämonisierung Russlands zu überbieten. Im Gegensatz zu Wladimir Putin wird der Präsident der Ukraine, Staatschef eines wie Russland autokratischen und korrupten Staates, im Westen zum Helden und lupenreinen Demokraten stilisiert, für den „wir“ Krieg führen.„Wir führen Krieg gegen Russland“ ließ die deutsche Außenministerin im Europarat ja ihrer wenig diplomatischen Haltung freien Lauf..

Mehrere Untersuchungen belegen mittlerweile überwiegende Einseitigkeit der meisten deutschen Leitmedien, ein Befund, der wahrscheinlich auch auf Österreich übertragbar ist. So hat „Cicero-Magazin für politische Kultur“ eine Studie veröffentlicht, die fehlende Meinungsvielfalt in der Berichterstattung über den Ukraine-Krieg ortet : www.cicero.de/aussenpolitik/studie-zur-berichterstattung
Auch die deutsche Otto-Brenner-Stiftung belegt, dass die Medien „überwiegend“ für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine plädieren: www.otto-brenner-stiftung.de/wissenschaftsportal/publikationen.
Auffallend ist dabei das Auseinanderklaffen zwischen der Meinung der Bevölkerung und der medial veröffentlichten Meinung. Umfragen zufolge sind mittlerweile mehr als 50 Prozent der Befragten gegen die weitere Lieferung schwerer Waffen ins Kriegsgebiet.

Vernebelt vom Schwarz/Weiß-Denken und dem Festhalten an einem starren Freund/Feind-Schema stellen westliche Medien ukrainische Quellen meist als ernstzunehmend dar. Von russischer Seite kommende Meldungen werden als unglaubwürdig und propagandistisch bezeichnet. Auch beim Konsum von ORF-Nachrichtensendungen bleibt als Botschaft nicht selten der Eindruck hängen, dass ukrainische „Informationspolitik“ als faktenbasiert vermittelt wird, Russland hingegen würde bloß mit Fakes und Propaganda agieren.

Dass es auch differenzierend geht, beweist immer wieder der besonnene und sachorientierte ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz, der sich jenseits bloßer Kriegsrhetorik und wegen seiner differenzierenden Wortwahl große Wertschätzung erworben hat. Wehrschütz kann auf authentische Quellen vor Ort verweisen, die meisten Redaktionen westlicher Medien können dies nicht. Deren Hauptquellen sind die großen US-nahen Agenturen, die nur eine Seite geopolitischer Weltsicht repräsentieren. Wehrschütz hat in einer gut besuchten Podiumsdiskussion der Vereinigung für Medienkultur von der „Demut des Nichtwissens“ gesprochen. D. h. es ist journalistisch durchaus korrekt, zuzugeben, dass mangels seriöser Quellen oft keine entsprechende Einschätzung eines bestimmten Sachverhalts ergeben kann.

Schon Jahre vor dem Krieg haben westliche Medien und PolitikerInnen Russland beharrlich zu einem Feindbild mit aufgebaut. Dabei helfen einzelne Begriffe und Worte, wie sie auch in Nachrichtensprache verwendet werden. So fällt auf, dass Äußerungen russischer Politiker meist mit Prädikaten wie „behaupten“, „unterstellen“, etc. versehen werden. Wenn ein US- , NATO- oder EU-Politiker eine Stellungnahme abgibt, lauten die Prädikate „betonen“, „bekräftigten“, „erklären“ etc.. Diese werden bewusst, aber oft auch unbewusst bzw. automatisiert und verinnerlicht als positiv geladene Begriffe gesetzt.

Wie ist nun die inhaltlich weitgehende Angleichung in der Berichterstattung über den Ukraine-Krieg zu erklären ? Sind die JournalistInnen Opfer staatlich gelenkter Manipulation ? Im Buch „Die vierte Gewalt“ von Richard David Precht und Harald Welzer findet sich dazu eine interessante These: In den Medien gebe es „ganz eigene Echokammern einer Szene, die vor allem darauf blickt, was der jeweils andere gerade sagt oder schriebt, ängstlich darauf bedacht, bloß nicht zu sehr davon abzuweichen.“ Ein Konformismus, der auf Kosten von Qualitätsjournalismus geht und nicht zuletzt auch demokratiepolitisch bedenklich ist. Vor diesem Hintergrund machen Medien zunehmend Politik bzw. treiben die Politik vor sich her Ein Beispiel dafür der starke mediale Druck auf den deutschen Kanzler Scholz. Der hat mit dazu beigetragen, dass sich dessen zunächst eher besonnene Haltung zur Lieferung von Kampfpanzern nachhaltig gewandelt hat.

Der Irak-Krieg im Jahr 2003 war ebenfalls ein Angriffskrieg, damals ausgeführt von den USA. Nur durfte man damals diese Bezeichnung in Moderationen nicht verwenden, wie es der Autor dieser Analyse als früherer ORF-Redakteur selbst erlebt hat. Zudem sind damals völkerrechtswidrige Aspekte weitgehend ausgeblendet worden. Auch im Zusammengang mit den weiteren von NATO und den USA geführten Kriegen.

Solange der Westen sich nicht auch in die geopolitische Interessenslage Russlands hineindenken kann, Stichwort dazu die NATO-Erweiterung, so lange werden keine effektiven Friedensschritte zu erwarten sein. Leider sind auch aufseiten Russlands keine Friedenssignale zu vernehmen, Putin verharrt in seiner seltsam historisch basierten imperialistischen „Kriegslogik“. Das muss allerdings nicht so bleiben. Auch der Westen, allen voran die EU, sollten nicht auf Dauer an militaristischer Ideologie im Zusammenhang mit diesem Krieg festhalten. Gefordert wären diesbezüglich vor allem auch die Medien.

Es gilt einer von Friedensethik getragenen aktiven Friedenspolitik das Wort zu reden, die auch Kompromissen Raum geben müsste. Weiter aufheizende Kriegsrhetorik sowie fortgesetzte Feindbildpflege lassen ein sehnlichst erwartetes Kriegsende in noch weitere Ferne rücken.

• Dieser Beitrag von Udo Bachmair ist in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift „Spinnrad“ des Österreichischen Versöhnungsbundes erschienen

EU als Friedensunion versagt

Einem schon länger zurückliegenden FURCHE-Interview zufolge wäre EU-Ex-Präsident Juncker bereit, mit Putin Gespräche aufzunehmen. Doch er ist darum bisher nicht gebeten worden.

Udo Bachmair

Russlands Krieg gegen die Ukraine geht unvermindert weiter. Gleichzeitig werden Medienberichte darüber immer weniger. Berichte reduzieren sich weitgehend auf die umstrittene Lieferung schwerer Waffen aus Deutschland, mit denen man allen Ernstes glaubt, den Krieg bald stoppen und der Ukraine zum totalen Sieg verhelfen zu können. Ungeachtet weiteren Leids, weiteren Blutzolls, weiterer Toter und Schwerverletzter sowie weiterer Kriegsverbrechen auf beiden Seiten.

Die Friedensunion EU ist zur Kriegsunion mutiert. Statt zu deeskalieren, gießen vor allem Hardliner*innen weiter Öl ins Feuer. Vor allem die grüne(?) Außenministerin Annalena Bärbock sowie die (christdemokratische?) EU-Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen machen aus ihrer reinen Kriegslogik kein Hehl. Diplomatische Bemühungen seitens der EU sind entweder nicht sichtbar oder werden nicht ernsthaft versucht, solange die USA nicht auf ein Kriegsende setzen.

Der Westen wäre trotz seiner verständlichen Parteinahme für die überfallene Ukraine gut beraten, den richtigen Zeitpunkt für mögliche Waffenstillstandsverhandlungen dennoch nicht auf Dauer allein der Ukraine zu überlassen. Angesichts eines auf unbestimmte Zeit in Verlängerung gehenden Abnützungskrieges ist es höchste Zeit für EU-Initiativen in Richtung eines realistischen Verhandlungsfriedens. Diese sucht man allerdings vergeblich..

Der Herausgeber der renommierten FURCHE, Wilfried Stadler, meint dazu in einem Kommentar :

„Dass es zu Zugeständnissen beider Seiten kommen wird müssen, ist für die Ukraine bitter – noch bitterer wäre ein Schrecken ohne Ende“.

Ebenfalls aktuell bleibt ein schon vor Wochen in der FURCHE veröffentlichtes Interview mit dem früheren EU-Kommissionspräsidenten Jean Claude Juncker. Er bedauert, dass die EU seit Jahren bereits alle Beziehungen zu Russland eingestellt habe :

JUNCKER: „Ich halte das in der Nachbetrachtung für einen Fehler im Umgang mit den Russen. Wenn man einen Konflikt hat und sich weitere Konflikte anbahnen – es gab ja auch im Donbass schon erste Übergriffe ab 2014 – muss man miteinander reden, anstatt nachher die Waffen sprechen zu lassen.“
FURCHE: „Würden Sie sich dafür zur Verfügung stellen, den Kontakt suchen zu Putin?“
JUNCKER: „Solange ich nicht gebeten werde, mich da einzumischen, werde ich das nicht tun“
FURCHE: „Aber Sie würden, wenn Sie gebeten werden ?“
JUNCKER: „Ich bin nicht in der Lage, diese Frage zu beantworten, solange ich nicht gebeten werde. Und bislang hat es diesen Ansatz noch nicht gegeben.“

Juncker hat in früheren stundenlangen Vieraugengesprächen Wladimir Putin und dessen Motive gut einschätzen gelernt. Er wäre jemand, der einen persönlichen Draht auch zum nunmehrigen Kriegsherrn Putin finden könnte. Doch Juncker fehlt bisher ein Verhandlungsmandat.

Gefragt erscheint zurzeit nicht Friedens,- sondern Kriegslogik und militaristische Ideologie. Mit beängstigendem Potential an weiterer Eskalation.

Deutsche Leitmedien im Visier

Medienkritiker, unter ihnen auch der deutsche Philosoph Richard David Precht, orten angesichts „einseitiger außenpolitischer Berichterstattung und Übernahme ukrainischer Kriegspropaganda“ abnehmende Glaubwürdigkeit westlicher „Mainstream-Medien“.

Udo Bachmair

Veröffentlichte Meinung entspricht nicht zwangsläufig der Meinung der Mehrheit der Bevölkerung. Deutlich wird diese Erkenntnis etwa an der Beantwortung der Frage „Sind Sie für weitere NATO-Waffenlieferungen an die Ukraine ?“ Einer jüngsten OGM-Umfrage zufolge antworten mehr als 50 Prozent der Befragten auf diese Frage mit „Nein“. Diametral entgegengesetzt hingegen die meisten westlichen Kommentare aus Medien und Politik. Sie huldigen vielfach reinster Kriegs- und Militärlogik.

Vor allem die deutschen Grünen, früher noch wesentlicher Teil der Friedensbewegung, gefallen sich in ungewöhnlich scharfer Kriegsrhetorik. Allen voran Außenministerin Annalena Bärbock, die ganz und gar auf eine Kriegsentscheidung auf dem Schlachtfeld setzt. Für diplomatische Friedensbemühungen zur Beendigung der russischen Aggression fehlt dabei jegliche Phantasie und Absicht. Bärbock befindet sich damit in „guter“ Gesellschaft mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die ebenfalls jegliche Verhandlungsbereitschaft vermissen lässt.

Fehlentwicklungen westlicher Medien und Politik in der Haltung zum Ukraine-Krieg prangert neben anderen auch niemand Geringerer als der bekannteste deutsche Philosoph der Gegenwart, Richard David Precht, an. Precht, der keineswegs im Verdacht steht, im äußersten rechten oder linken politischen Eck angesiedelt zu sein, macht sich berechtigte Sorgen um die Auswirkung aktueller Berichterstattung von (deutschen) Leitmedien auf die Demokratie. Sorgen, die er in seinem neuen Buch mit dem Titel „Die vierte Gewalt“* eindrucksvoll niedergeschrieben hat.

„Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist, zum Beispiel in Bezug auf die Lieferung schwerer Waffen“ so lautet einer der wesentlichen Vorwürfe Prechts in dessen neuem Buch.

Precht selbst dazu in einer turbulenten Lanz-Talkshow kürzlich im ZDF : „Sowohl Journalisten als auch Politiker haben sich innerhalb sehr kurzer Zeit in der unübersichtlichen Situation des Kriegsausbruchs auf ein Narrativ geeinigt.“ Und Precht weiter: „Glauben Sie ernsthaft, dass ausgeglichen in den deutschen Leitmedien die Position der Zweifler an den Waffenlieferungen genauso breit zu Wort gekommen ist ?“ Eine befriedigende Antwort darauf ist ausgeblieben.

Der in der erwähnten ZDF-Sendung schwer unter Beschuss geratene Autor hat unterdessen gegenüber der ZEIT dafür plädiert, dass einzelne NATO-Staaten die Nicht-Aufnahme der Ukraine garantieren sollten. Das wäre eine der Maßnahmen zur Deeskalation.

Eine seriöse Reaktion auch auf diese Frage gibt es bis dato nicht. Precht muss sich hingegen mit dem üblichen Vorwurf von Militärlogikern abspeisen lassen, er sei ein „Putinversteher“ sowie ein Naivling, der einen „Diktatfrieden“ wolle. Apropos: Der Begriff Frieden wird damit in der medialen Öffentlichkeit zunehmend negativ aufgeladen. Ein offenbar bewusst gesetztes Wording, das Politik und Medien gemeinsam eifrig weiterverbreiten.

* Buch-Neuerscheinung „Die vierte Gewalt“ von Richard David Precht und Harald Welzer, Fischer-Verlag